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Parkour: Eine Chance für den Schulsport

©2007 Studienarbeit 25 Seiten

Zusammenfassung

Das Ziel dieser Arbeit ist der exemplarische Versuch, wie man die Trendsportart Le Parkour in den Schulsport sinnvoll einbinden kann. Zudem soll die Frage, ob Le Parkour eine Chance für den Schulsport darstellt, im Hinblick auf die aktuellen Verhältnisse im Sportunterricht beantwortet werden. Dafür wird zuallererst die Wahl dieser Trendsportart begründet, über die Ziele, die Entstehungsgeschichte und den aktuellen Stand, sowie über spezifische Bewegungselemente von Le Parkour aufgeklärt. Daran schließen sich sportdidaktische Überlegungen an, die sich auf das Modell der Mehrperspektivität und Sinndimensionen nach Kurz und den aktuellen Bildungsplan Baden-Württembergs konzentrieren. Dabei soll der Bezug zu Le Parkour im Vordergrund stehen. Aufgrund dieser Vorüberlegungen wird ein Unterrichtsentwurf vorgestellt, der in die Praxis umgesetzt und abschließend reflektiert wird.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


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untersuchten Mädchen und Jungen aufweisen, würde das Erlernen, Üben und An-
wenden der verschiedenen Grundelemente diesem wahrlich wenig erfreulichen
Trend entgegenwirken (vgl. Paulsen, 2007, S.52).
Eines der Hauptziele des Sportunterrichts ist es die Schüler zum außerschulischen
Sporttreiben zu motivieren, deshalb muss dies auch ein Hauptziel für die Unterrichts-
einheit Le Parkour sein (vgl. Krons, 2007, S.42). Die Erziehung zum Sport stellt auch
ein Leitgedanke des Bildungsplans dar (vgl. 3.3).
Ein weiterer ,,Pluspunkt" für diese Sportart ist, dass man für die ,,Ausführung" von Le
Parkour keine Ausrüstung (außer gutes Schuhwerk und Sportkleidung) benötigt, wie
es sonst in den meisten Trendsportarten wie z.B. Inlineskating, Skate/Snowboarding,
der Fall ist. In der Schule benötigt man eine Turn- oder Gymnastikhalle und ver-
schiedene Geräte aus dem Turnbereich wie Kästen, Matten, Bänke, Reck, Spros-
senwand, Seile, Ringe etc.
Parkour ist außerdem eine Sportart, die man theoretisch überall, sei es in der freien
Natur oder in der Stadt betreiben kann. In Anbetracht der Tatsache, dass Kinder und
Jugendliche zunehmend ihre ,,natürliche Bewegungslust" verlieren und statt 3,4
Stunden in den 1970er Jahren heute im Durchschnitt nur noch 1 Stunde im Freien
spielen, versucht Le Parkour diesem Trend etwas entgegen zu bieten
(Paulsen, 2007, S.52).
Die aktuelle Forderung der ,,BAG Haltungs- und Bewegungsförderung" Flure und
Schulhöfe ,,bewegungsauffordernder" zu gestalten würde der Sportart Le Parkour
sogar entgegenkommen (Paulsen, 2007, S.58). Auch die deutsche ,,Parkour Associa-
tion e.V." (PAWA, siehe 2.2) hat sich zum Ziel gemacht, die ,,bewegungsarme Gene-
ration Jugendlicher [...] wieder nach draußen zu locken" (Turzer, 2006, o.S.).
2.1 Sinn und Ziele von Le Parkour: Die ,,Philosophie"
Le Parkour bedeutet aus dem Französischen übersetzt soviel wie ,,Kurs" oder ,,Stre-
cke". Le Parkour wird als Crossover-Sportart bezeichnet, da sich Elemente aus dem
Bereich der Leichtathletik wie z.B. Springen und Laufen, mit Elementen aus dem
Turnbereich wie z.B. Hangeln, Stützen und Rollen überschneiden. Dieses Vorgehen
eines ,,Verschmelzungsprozesses" ist zwar nicht neu, es gibt mittlerweile viele Cross-
over-Sportarten mit langer Tradition wie z.B. Wasserballet oder Feld-Handball. Auf-

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grund seiner anhaltenden Wirkungsdauer und mittleren Wirkungsbreite hat Le Par-
kour aber inzwischen den Status einer Trendsportart erreicht und ist damit mehr als
eine kurzfristige Modeerscheinung oder ,,Hype" (vgl. Wopp, 2006, S. 16/17).
Ziel der Akteure dieser Sportart ist es den kürzesten und elegantesten Weg zwischen
zwei Punkten- sei es in der freien Natur oder im Stadtgelände- zu finden und die
Hindernisse, die sich ihnen in den Weg stellen ,,möglichst fließend zu überwinden ­
etwa mit einer Flugeinlage" (Kraft, 2007, S.174). Der Sportler dieser Bewegungsart
nennt sich ,,Traceur": ,,Der eine Linie zieht", oder auch ,,Der sich den Weg ebnet"
(Kraft, 2007, S.174). Ein wichtiges Grundprinzip der ,,Traceure" ist das Vermeiden
von ,,waghalsigen, tollkühnen Spektakeln", im Vordergrund steht der fließende Be-
wegungsablauf, seine Effektivität in Bezug auf den festgelegten Parkour und vor al-
lem der Spaß (vgl. Kraft, 2007, S.176). Traceure verfolgen mit ihren Bewegungen
Effizienz und Schnelligkeit und nicht das perfekte Ausführen einer ,,Lehrbuchtechnik"
(vgl. Rosenfelder, 2006). Dies schafft einen gewissen individuellen Bewegungsfrei-
raum, der heterogene Gruppen wie Schulklassen anspricht.
Unter den Traceuren finden sich vor allem Jugendliche und junge Erwachsene
männlichen Geschlechts. Sie bilden eine eigenständige Jugendszene, die in Bezug
auf Kleidung und Musik Parallelitäten zur Hip-Hop- und Skaterszene aufweist
(vgl. Le Parkouring/Free Running, 2007, o.S.). Das eigenständige Nutzen und Umin-
terpretieren scheinbar festgelegter Funktionen der Architektur ist eines der Prinzipien
von Jugendkulturen: die ,,Idee der Zurückeroberung" des urbanen Raums (vgl. Ro-
senfelder, 2006). Dies fordert einen respektvollen Umgang mit der Umgebung und
den Mitmenschen, was ein weiteres Hauptprinzip von Parkour darstellt (vgl. Parkour.
Die Kunst der Fortbewegung, 2007, o.S.).
Die ,,Philosophie" von Parkour ist die Verbindung von Mensch und Natur
(vgl. 2.2, ,,methode naturelle"), die sozial-kritische Auseinandersetzung mit seiner
unmittelbaren Umwelt (der Stadt) und die fernöstliche Vorstellung der Einheit von
Körper und Geist, die zu ,,bewusster Körperbeherrschung und ästhetischem Aus-
druck" führt (Le Parkouring/Free Running, 2007, o.S.).

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2.2 Die Entstehungsgeschichte und Aktualität von Le Parkour
Parkour wurde von dem Franzosen David Belle erfunden, der von seinem Vater
Raymond in den 1980er Jahren die ,,méthode naturelle" ­ den Körper im Einklang mit
der Natur zu trainieren, erlernte und diese später auf die städtischen Gegebenheiten
anpasste (vgl. Schmieder, 2007, o.S.). Als französischer Soldat machte sich Ray-
mond Belle diese Methode während seiner Militärzeit in Indochina zu Nutze, um
möglichst schnell durch unwegsames Gelände laufen zu können
(vgl. Kraft, 2007, S.176/178).
Die ,,méthode naturelle" wurde von Georges Hébert (1875-1957) entwickelt, der der
Auffassung war, dass das Training in und mit der Natur den Menschen widerstands-
fähiger macht. Davon überzeugt wurde er auf seinen zahlreichen Reisen nach Afrika
und anderen fernen Ländern, auf denen er Menschen beobachtete, die eng im Ein-
klang mit der Natur lebten.
Sein Training bestand aus Laufen, Rennen, Springen, Klettern, Balancieren, Selbst-
verteidigung und Schwimmen, wodurch neben den konditionellen Fähigkeiten Kraft,
Schnelligkeit, Ausdauer und Beweglichkeit auch mentale Fähigkeiten wie Willens-
kraft, Tapferkeit und Beständigkeit trainiert wurden (vgl. Parkour. Die Kunst der Fort-
bewegung, 2007, o.S.). Damit bietet sich die Möglichkeit im Rahmen des Sportunter-
richts, ängstlicheren Schülern zu mehr Selbstvertrauen und Überwindungskraft zu
verhelfen.
Anfang 2005 gründete David Belle die Parkour Worldwide Association, kurz PAWA.
In Deutschland wurde von Sandra Hess die ,,Parkour Association e.V." gegründet,
mit dem Ziel Parkour im Bereich Sport, Kunst und Business zu präsentieren
(vgl. Parkour. Eine neue Sportart hält Einzug, 2006, o.S.). Inzwischen hat die Sport-
art von Frankreich, seinem Entstehungsland, in ganz Europa und darüber hinaus
Sympathisanten und Nachahmer gefunden (vgl. Turzer, 2006, o.S.).
Le Parkour wird auch als eine ,,mediale Trendsportart" verstanden (Kortmann, 2007,
o.S.): Popularität gewann die Sportart durch die zahlreichen Videoclips, die sich im
Internet auf Plattformen wie youtube.com anschauen lassen. Diese Videos sind
meist durch schnelle Schnitte, dynamische Kameraführung und passende Musik äs-
thetisch aufbereitet (vgl. Le Parkouring/Free Running, 2006, o.S.). Die zunehmende
Kommerzialisierung des Parkour durch Filme wie ,,Yamakasi- Die Samurai der Mo-
derne" und ,,James Bond- Casino Royal", durch Werbefilme von Toyota, Nissan und

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Nike und durch Musikvideos wie Madonnas ,,Jump" oder ,,Hung Up" trägt zu seiner
Popularisierung zwar bei, stößt aber bei seinen Anhängern zunehmend auf Kritik
(vgl. Natterer, 2007, o.S.). Denn sie zeigen nicht Le Parkour, sondern waghalsige
Aktionen des Free Runnings. Traceure finden sich und ihre Sportart damit zu Recht
von den Medien weitgehend missverstanden.

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2.3 Bewegungselemente und ihre Funktion
Nach dem Überblick über die ,,Philosophie" von Le Parkour, die Entstehungsge-
schichte, den aktuellen Standpunkt und der Begründung der eingangs gestellten
Frage ,,Warum gerade diese Trendsportart im Sportunterricht?", sollen in diesem Ab-
schnitt die Bewegungselemente von Le Parkour und deren Funktion beschrieben
werden.
Die Technik der ,,Traceure" ist darauf ausgelegt Hindernisse elegant und möglichst
effektiv, das heißt mit geringem körperlichen Aufwand, zu überwinden. Dass hierbei
der ästhetische Aspekt der Überwindung durch ,,moderne Ausformungen" der Bewe-
gungen wichtig ist, steckt ja schon in der oben erwähnten ,,Philosophie" des Sports
(Le Parkouring/Free Running, 2006, o.S.).
Die Grundbewegungen im Parkour bestehen aus Bewegungsformen (,,Basics") wie
Hangeln, Stützen, Schwingen, Überwinden (passements), Hochziehen (planche) und
Loslassen (lache) und einer Vielzahl an Sprüngen.
Den Sprüngen wird meistens eine Rolle (roullade) angefügt, die die Fallgeschwindig-
keit des Traceurs drosselt, um seinen Sprung weich abzufangen zu können (vgl.
Meyer & Kalteis, 2006, o.S.). Bei Sprüngen aus einer bestimmten Höhe muss das
Abrollen selbstverständlich sein, um, neben dem ästhetischen Aspekt der Rolle, in
erster Linie Verletzungen vorzubeugen. Da der Sicherheitsaspekt im Sportunterricht
oberste Priorität haben sollte, müssen die Schüler als erstes Bewegungselement die
Rolle bzw. das sichere Abrollen erlernen und ihrer wichtigen Funktion bewusst sein.
Desweiteren unterscheidet man in dieser Sportart zwei Arten an Bewegungen: den
,,supply style" (langsame, gleitende Bewegungen) und den ,,hard style" (schnelle,
,,harte" Bewegungen). Diese gilt es nach fernöstlicher Vorstellung miteinander ,,in
Einklang zu bringen" (Le Parkouring/Free Running, 2006, o.S.). Im Bereich des
Schulsports ist diese Unterscheidung jedoch von marginaler Bedeutung, soll an die-
ser Stelle aber aus Gründen der Vollständigkeit erwähnt werden.
Die erlernten Grundtechniken können später je nach Beschaffenheit und Abfolge
bzw. Aufbau der Hindernisse individuell eingesetzt werden. Wichtig dabei ist, dass
jeder für sich, also nach seinen Fähigkeiten und seinem Könnensstand, entscheidet,
welche der jeweiligen Bewegungen er sich zutraut und ausführen will. Jeder Schüler
muss also lernen, sich selbst einzuschätzen.

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Aus Gründen der Anschaulichkeit gebe ich eine tabellarische Übersicht über die
Grundbewegungen im Le Parkour und deren Funktion:
Grundbewegung (dt./franz.)
Funktion/Hinweise
Rolle (roullade) Fallgeschwindigkeit
transferieren;
über
Objekte rollen, oder mit Hechtrolle
auf/über Objekte springen
Katzensprung
(saut de chat)
Über längere Objekte springen. Ähnelt
der Sprunghocke im Turnen. Nach
Durchhocken: gestreckte Beine; ev. an-
schließende Rolle
Rückwärtige Sprünge (reverse)
Rückwärts über Objekte springen; Dre-
hung, um kontrolliert zu landen
Weitsprung
(saut de detente)
Breite Lücken mit Anlauf überspringen;
mit anschließender Rolle
Präzisionssprung
(saut de precision)
Beidbeiniger Sprung aus dem Stand, um
präzise auf z.B. einem Balken zu landen;
Landung auf den Fußballen
Sprung zum Boden
(saut de fond)
Mit anschließender Rolle
Armsprung
(saut de bras)
Ein höheres Hindernis bewältigen;
Sprung mit/ohne Anlauf; Beine setzen
zuerst auf (Aufprall abbremsen), dann
sicheres Greifen d. Hände
Hochziehen (planche)
Aus einer Hang- in eine Stützposition
kommen
Loslassen (lache) Hangposition
verlassen
Überwindung (passement)
Ein meist niedrigeres Hindernis überwin-
den; einhändig abgestützt mit Schritt-
Hocksprung oder Überlaufen (passement
rapide)
Mauer Überwindung (passe muraille)
Ein höheres Hindernis z.B. Mauerkante
erfassen; meist mit Abstoß von d. Mauer

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Durchbruch (franchissement)
Durch eine Lücke o.ä. ,,schlüpfen"; vgl.
Felgunterschwung
Halbe Drehung (demi-tour)
Ein eher niedrigeres Hindernis mit Hock-
wende (1/2 Drehung) überqueren
Tic-Tac
Ein hohes Hindernis z.B. Mauer erklim-
men; Abstoßen von anderen Objekten,
um notwendige Höhe zu erlangen
(vgl. Meyer & Kalteis, 2006)

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Erscheinungsjahr
2007
ISBN (PDF)
9783956847554
ISBN (Paperback)
9783956842559
Dateigröße
4.7 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
2
Schlagworte
Freerunning Parcouring Didaktik Methodik Kurz Bildungsplan
Produktsicherheit
BACHELOR + MASTER Publishing

Autor

Jan Schultheiß wurde 1982 in Tübingen geboren. Sein Studium der Germanistik und Sportwissenschaften an der Universität Tübingen schloss der Autor im Jahre 2011 erfolgreich mit dem 1. Staatsexamen ab. Sein Referendariat absolvierte er am Wildermuth-Gymnasium in Tübingen, sein 2. Staatsexamen erhielt er 2013. Er besitzt die Lehrbefähigung für das Riesentrampolin und das Toprope-Klettern im Sportunterricht, das Rettungsschwimmabzeichen der DLRG in Silber und er bildete sich im Bereich der Theaterpädagogik am Staatlichen Seminar für Didaktik und Lehrerbildung Tübingen fort. Bereits während des Studiums sammelte der Autor umfassende praktische Erfahrungen im Bereich des Schulsports, unter anderem im Praxissemester am Georg-Büchner-Gymnasium in Winnenden, als aktives Mitglied der Tennisabteilung SV Pfrondorf, als Leiter einer Basketball-Jugendgruppe und einer Ballspiele-AG. Zwei Monate verbrachte der Autor im Jahre 2007 am anderen Ende der Welt, auf Samoa im Südpazifik, wo er bei den XIII. South Pacific Games als Volunteer arbeitete.
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