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Betriebliches Gesundheitsmanagement: Ein empirisches Fallbeispiel zur Gesunderhaltung und Belastungsbewältigung am Arbeitsplatz

©2007 Studienarbeit 30 Seiten

Zusammenfassung

Mit dem Wandel der Arbeit sowie den demografischen Veränderungen unserer Gesellschaft wächst die Bedeutung und damit der Bedarf an Betrieblichem Gesundheitsmanagement. Doch wie kann eine Organisation die Gesunderhaltung am Arbeitsplatz nachhaltig und systematisch aufbauen und kontinuierlich verbessern?
Das vorliegende Buch gibt theoretische Grundlagen und zeigt anhand eines empirischen Praxisbeispiels einen Weg der Gesundheitsauseinandersetzung in einem mittelständischen Produktionsunternehmen auf. Hierbei geht es um Optimierungen der betrieblichen Rahmenbedingungen als auch des individuellen Mitarbeiterverhaltens auf Basis einer IST-Analyse.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


2. Theoretische Grundlagen

2.1 Rahmenbedingungen

2.1.1 Betriebliche Gesundheitsförderung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

„Gesundheitsförderung zielt auf einen Prozess, allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zu be­fähigen. [...] Gesundheit steht für ein positives Konzept, das in gleicher Weise die Bedeutung sozialer und individueller Res­sourcen für die Ge­sundheit ebenso betont wie die körperlichen Fähigkeiten [...]. Gesundheitsfördern­des Handeln bemüht sich darum, [...] größtmögliches Gesundheitspotenzial zu ver­wirkli­chen. Dies umfasst sowohl Geborgenheit und Verwurzelung in einer unterstüt­zenden sozialen Umwelt, den Zugang zu allen we­sentlichen Informationen und die Entfaltung von praktischen Fertigkeiten als auch die Möglichkeit selber Entschei­dungen in Bezug auf die persönliche Gesundheit treffen zu können.

Menschen können ihr Gesundheitspotenzial nur dann weitestge­hend entfalten, wenn sie auf die Faktoren, die ihre Gesundheit betreffen, auch Einfluss nehmen können.“ (Ottawa-Charta der WHO 1986 zitiert nach Lorenz 2004, S. 178).

Dabei ist der Arbeitsplatz ein optimales Setting, um den Lebensstil und das alltägliche Verhalten der Menschen positiv zu beeinflussen. Hier können nicht nur viele Personen direkt am zentralen Ort angesprochen werden, son­dern auch durch entsprechende Aufklärung zu Veränderungen in ihrem eige­nen, ebenso wie im gesundheitlichen Verhalten ihrer Familien – und damit der Ge­sellschaft – gebracht werden (vgl. Myers 2005, S. 710).

Die WHO betont weiterhin, dass „die Art und Weise, wie eine Gesellschaft die Arbeit und die Arbeitsbedingungen organisiert, […] eine Quelle der Ge­sundheit und nicht der Krankheit sein sollte“ (Ottawa-Charta der WHO 1986 zitiert nach baua 2004a, S. 6). So sehr Arbeit Krankheiten erzeugen kann, so sehr kann sie auch dem Men­schen ein erfülltes und zufriedenes Leben bie­ten (vgl. ebd., S. 7).

Letzten Endes können nur gesunde, leistungsfähige und engagierte Arbeit­nehmer auf Dauer die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens sichern (BZgA 2001, S. 20).

So genannte „weiche Faktoren“ wie die Interaktion zwischen Mitarbeitern und den Vorgesetzten als soziale Bedingung im Betrieb, die Identifikation mit der Arbeit und dem Arbeitgeber und schließlich das Wohlbefinden am Arbeitsplatz, wirken sich auf die Gesundheit aus und zählen damit zu den Aufgaben der betrieblichen Gesundheitsförderung (vgl. baua 2004b, S. 44).

Es gilt grundsätzlich, Ressourcen zu stärken, um die Arbeit auch im höheren Alter be­wältigen zu können (vgl. inqa 2005, S. 17f). Da meistens gesundheitliche Beschwerden das vorzeitige Aus­schei­den aus dem Arbeitsleben verursachen, ist es umso wichtiger, Gesundheits­förderung im Betrieb fest zu integrieren.

Die steigenden Gesundheitskosten sind interessanterweise nicht überwiegend durch akute Krankheiten verur­sacht, sondern durch chronische. Häufig zeigt sich erst nach Jahren eine Be­einträchtigung (z.B. muskulo-skelettale Erkrankungen), die dann allerdings zur Frühverrentung führt. Zu ihrer Vermeidung oder Verringerung werden mittlerweile eine Reihe von Präventions- und Gesundheitsförderungsmaß­nahmen angeboten (vgl. Gesundheitsberichterstattung des Bundes 2006, S. 60). Viel entscheidender ist jedoch, dass in jeder Lebensphase gesund gelebt wird (vgl. Küsgens et al. 2003, S. 310f). Auch deswegen ist ein Gleichgewicht zwischen privaten und beruflichen Handlungen bedeutsam, was als Work-Life-Balance bezeichnet wird. Ge­sund­heitsprobleme, die in Verbindung mit der persönlichen Lebensweise der Beschäftigten stehen, stellen am Arbeitsplatz eine wachsende Schwierigkeit dar. Sie beeinträchtigen die Wachstums­möglichkeiten der Volkswirtschaft enorm (vgl. baua 2004c, 5.0).

Betriebliche Gesundheitsförderung bedeutet zunächst jedoch, dass Finanzie­rungsmittel für die Arbeitsplatzanalyse ebenso wie für die Evaluation not­wendig sind. Das für das Projekt zustän­dige Personal, Material und Folge­projekte für Veränderungen erhöhen ebenfalls die Kosten (vgl. baua 2004b, S. 7). Auf den ersten Blick ist es Arbeitszeit, die unproduktiv erscheint. Zu­dem muss Gesundheitsförderung dauerhaft in den Betrieb eingebunden werden - als ganzheitli­ches Konzept, das langfristig tatsächlich Anwendung findet (vgl. Badura 2003, S. 36). Dieses Konzept kann nicht funktionieren, wenn es allein von der Betriebsleitung ohne Unterstützung aller Mitarbeiter getragen wird (vgl. baua 2004b, S. 13).

Bislang schreckten Unternehmen häufig davor zurück, Geld und Zeit in das Wohlbefinden ihrer Mitarbeiter zu investieren, ohne tatsächlich zu wissen, wie wirksam das Endergebnis der be­trieblichen Gesundheitsförderung ist (vgl. Badura 2003, S. 39).

Gesundheitsförderung bezeichnet allerdings Ge­sundheit nicht als Endpunkt ihres Bestre­bens, sondern als Weg, um Men­schen die Gestaltung ihres eigenen positiven Lebens zu ermög­lichen. Dabei sollen nicht allein Risikofaktoren betrachtet werden, sondern vorhandene Res­sourcen ebenso wie die Eigenverantwortung, Bewusstseinsänderung und Selbsthilfe von Ein­zelnen oder Gruppen gestärkt werden (vgl. BZgA 2001, S. 19).

2.1.2 Demographischer Wandel

Laut dem Bundesministerium für Gesundheit haben deutsche Bundesbürger eine Lebensprog­nose von etwa 76 Jahren (m) bzw. 81 Jahren (w) (vgl. BMG 2005, Tab. 1.6, o. S.). Dadurch, dass das Lebensalter ansteigt, und gleichzeitig die Geburtenzahlen sinken (vgl. ebd., Tab. 1.7, o. S.), wird sich in Zukunft Deutschlands Alterspyramide merklich verändern (vgl. baua 2004a, S. 3f; vgl. Maintz 2003, S. 43).

Schwierig ist diese demographische Änderung nicht nur in Hinblick auf die Alterssicherung, die Renten- und Gesundheitssysteme wie auch Betreuungs­möglichkeiten, sondern ebenso weil durch das wachsende Bevölkerungsalter das Alter der betrieblichen Mitarbeiter ansteigt (vgl. Marstedt/Müller 2003, S. 15). Besonders problematisch ist dies für produzierende Betriebe (vgl. Maintz 2000, S. 35).

Trotz hoher Arbeitslosigkeit fehlen bereits qua­lifizierte Arbeitskräfte in vielen Wirtschaftszweigen (vgl. Kuhn 2003, S. 74). Einerseits wird es zusehends schwieriger, die entsprechende Anzahl an jungen Mitarbeitern zu finden, andererseits werden die älteren Beschäftigten länger im Betrieb verbleiben, da das bisherige Prinzip der Frühverrentung aus politischer Sicht nicht mehr tragbar sein wird (vgl. Buck 2003, S. 7). Deswegen ist es zum jetzigen Zeitpunkt dringend erforderlich, das Image von Älteren zu verbessern und über altersgerechte Arbeitsplätze und –ab­läufe nach­zudenken. Die Veränderung der Einstellung gegenüber älteren Mitarbei­tern zu bewirken, muss betriebliches Ziel sein, denn das Bewusstsein für Al­ter ist gesellschaftlich stark negativ geprägt (vgl. Badura 2003, S. 30).

Gefördert wurde diese negative Denkweise durch das Defizitmodell, bei dem Stärken älterer Menschen übersehen werden, die sich im Alter zunehmend entwickeln.

Finnische Studien (zwischen 1999 und 2003), belegen beispielsweise die Zunahme an Erfah­rungswissen, d.h. an Fähigkei­ten, konkrete Probleme der Praxis erfolgreich zu lösen. Logisches Denken und der Wortschatz nehmen ebenfalls zu (vgl. inqa 2005, S. 33f). In der Re­gel sind psy­chosozialen Eigenschaften wie beispielsweise die Loyalität ge­genüber dem Unternehmen, Dis­ziplin und Zuverlässigkeit deutlich ausge­prägter als bei jüngeren Personen (vgl. Maintz 2003, S. 52).

Beschäftigte gehen zwar häufig krankheitsbedingt in Rente, doch ein nicht geringer Anteil ist durch die erhöhten Belastungen und Anforderungen über­fordert (vgl. Maintz 2000, S. 34). Hinzu kommt, dass negative Erfahrungen bezüglich der Zufriedenheit und Identifikation mit der Arbeit gemacht wurden (vgl. inqa 2005, S. 65).

Es müssen daher Rahmenbedingungen geschaffen werden, die ein Arbeiten im Alter grundsätz­lich ermöglichen (vgl. ebd., S. 14).

2.1.3 Schichtarbeit

In den 90er Jahren gab es in vielen deutschen Betrieben vermehrte Neuein­stellungen bei gleichzeitiger Frühverrentung der älteren Beschäftigten. Da­mit konnte die Überalterung der Be­legschaft umgangen werden. Doch das Problem wurde lediglich in die Zukunft verlegt (vgl. Maintz 2000, S. 35).

Heute sind viele Arbeitnehmer in Deutschland im Schnitt 40-45 Jahre alt (vgl. Buck 2003, S. 7). Dies bedeutet, dass in etwa 10 Jahren zu wenige jun­ge Beschäftigte arbeiten werden. Dieser Trend ist auch im Betrieb dieser Forschungsarbeit ersichtlich. Auf die Belegschaft wartet jedoch noch eine zusätzliche Herausforderung: die Bewältigung der Schichtarbeit auch im hö­heren Al­ter.

Schichtarbeit ist insofern sinnvoll, als dass die Produktion gewährleistet ist, und die Maschinen optimal genutzt werden. Damit wird die Arbeitszeit aus­gedehnt: die Reaktionen (Ange­bot/Nachfrage) auf den Markt können schnel­ler ablaufen. Schichtarbeit ist zweckmäßig, weist jedoch – wie mittlerweile viele Studien beispielsweise mit Krankenhauspersonal oder mit Arbei­tern in Produktionsbetrieben belegen - gesundheitliche Problematiken auf. Die Be­schäftigten arbeiten auch während der Nacht und am Wochenende. Damit leben diese Menschen entgegen ihres Biorhythmus' und können an gesell­schaftlichen Leben kaum mitwirken. Dies führt häufig zu sozialer Isolation: der Freundeskreis ist klein oder nur auf die Familie beschränkt (vgl. Nach­rei­ner et al. 1995, S. 410).

Es kann zu massiven Störungen im Familienleben (z. B. Scheidungen) kommen, denn die Part­ner und Kinder müssen ständig auf Ruhephasen Rücksicht neh­men und ihre eigenen Aktivitäten teilweise nach dem Schichtplan ausrichten (vgl. baua 2005c, S. 12f). Hobbys bzw. gesellschaft­liche Aktivitäten müssen aufgegeben werden, weil sie sich nicht mit den wechselnden Arbeits­zeiten vereinbaren lassen. Der Freizeitausgleich wird stark eingeschränkt.

Zur gesundheitlichen Lage insgesamt lässt sich sagen, dass Schichtarbeiter wesentlich häufiger von Erkrankungen betroffen sind als andere Beschäftig­te. Sie leiden vermehrt unter psychischen Befindlichkeitsstörungen wie Ner­vosität, Unruhe und Reizbarkeit. Bedingt durch Nachtschichten treten ge­häuft psychosomatische Beschwerden wie Magen-Darm-Erkrankungen, Schlafstörun­gen und chronische Müdigkeit auf (vgl. Nachreiner et al. 1995, S. 409f).

Die Betroffenen reagieren auf diese Beschwerden teilweise mit falschen Problemlösestrategien: Rauchen, Alkohol- und Kaffeekonsum oder Medika­mentenmissbrauch (vgl. Baillod 1993, S. 205ff).

2.2 Aspekte zur Gesundheit

2.2.1 Motivation

Konfuzius sagte: „Wähle einen Beruf, den du liebst und du wirst nie in dei­nem Leben auch nur einen Tag arbeiten müssen.“

Diese Weisheit lässt sich leider nicht vollständig auf unseren heutigen Ar­beitsmarkt mitsamt den Konjunkturschwankungen, Arbeitsplatzunsicherhei­ten, Rationalisierungsmaßnahmen und gerin­gen Ausbildungsplätzen übertra­gen (vgl. Buck 2003, S. 12). Dennoch kann Zufriedenheit durch die eigene berufliche Tätigkeit und damit die Motivation, die Arbeit möglichst erfolg­reich zu erle­digen, entstehen. Im Rahmen einer Studie der Gallup Organisation, Princeton über die Ar­beits­zufriedenheit und Motivation deutscher Arbeitnehmer (2004) wurden insgesamt 2 Millionen Be­schäftigte zu ihrer Motivation befragt. Demzufolge sind 87 % der Deutschen am Arbeitsplatz nach eigener Aussage nicht enga­giert (vgl. baua 2004a, S. 36) (Abb. 1):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[1]

Abb. 1: Mitarbeitermotivation in deutschen Unternehmen nach einer Gallup-Studie (Quelle: baua 2004a, S. 37)

Die ernüchternden Ergebnisse sind mit Unproduktivität und hohen Kranken­quoten verbunden (vgl. ebd., S. 19). Umso interessanter, dass viele Betriebe die Beschäftigten als wichtiges Ka­pital, um wettbewerbsfähig zu bleiben, deutlich unterschätzt haben (vgl. Kleinbeck 2003, S. 318). Engagierte Mitarbeiter sind in der Lage, die Leis­tung weiter zu steigern. Sofern sie sich mit den Zielen des Unternehmens identifizieren, sehen sie nämlich den geschäftlichen Erfolg als Selbstbestäti­gung an (vgl. ebd., S. 323).

Zu den vielfältigen Gründen für mangelnde Arbeitsmotivation - so haben psychologische Studien gezeigt - zählen häufig Über- oder Unterforderung der Beschäftigten, fehlerhafte Kommunikation und suboptimaler Führungs­stil. Dabei wissen Mitarbeiter beispielsweise nicht, was von ihnen verlangt wird – die Ziele sind nicht eindeutig. Zudem haben sie das Gefühl, mensch­lich nicht vom Vorgesetzten geschätzt zu werden, wodurch ihre Meinung ir­relevant erscheint (vgl. baua 2005a, S. 19). Motivation wird daneben dadurch verringert, dass zum Beispiel geringe Entwick­lungsmöglichkeiten der Mitar­beiter vorhanden sind, dass es starre Hierarchiegefälle gibt und dabei oft un­angemessene Kritik bzw. zu wenig Lob vom Vorgesetzten geäußert wird (vgl. Udris 1995, S. 421; vgl. Koch/Kühn 2000, S. 82).

2.2.2 Wohlbefinden und psychische Belastung

Die WHO definiert Gesundheit als den „Zustand vollkommenen körperli­chen, seelischen und sozialen Wohlbefindens“ (WHO zitiert nach baua 2004a, S. 31).

Bislang wurde insbesondere der soziale Aspekt der Gesundheit häufig aus­geblendet, doch bei­spielsweise die Einbindung in ein soziales Netzwerk (im Betrieb) kann eine wichtige Ressource sein, um Belastungen erfolgreich zu bewältigen (vgl. baua 2005b, S. 12).

Das Wohlbefinden wiederum kann definiert werden als „die optimale Gesundheit, verbunden mit der Fähigkeit, vollständig und aktiv in körperlichen, intellektuellen, emotionalen, geistigen, sozi­alen und sich in der Umwelt befindlichen Gesundheitsbereichen zu funktionieren“ (Zimbar­do 2004, S. 582).

Im Rahmen des finnischen Nationalprogramms „Fin Age“ kamen verschiedene Forschungspro­jekte zum Ergebnis, dass insbesondere psy­chische und psychosoziale Faktoren bei der Arbeit als auch die berufliche Qualifikation verantwortlich sind für das Wohlbefinden am Arbeitsplatz (vgl. inqa 2005, S. 31). Auch die Europäische Kommission geht davon aus, dass beim Wohlbe­finden besonders psychosoziale Risikofaktoren und Ressour­cen entscheidend für die Ar­beitseinstellung sind.

Auf diese soll am Arbeitsplatz daher ver­stärkt geachtet werden (vgl. baua 2004b, S. 1).

In den letzten Jahren ist ein leichter Rückgang von physischen Beschwerden zu vermerken, allerdings beeinträchtigen psychische und sozial bedingte Be­lastungen in steigendem Maße die Gesundheit der Arbeitnehmer – überwie­gend verursacht durch Stress (vgl. baua 2005b, S. 7f; vgl. baua 2004b, S. 10). Nach Hurrelmann/Laaser gehören „Belastungen und Konflikte in Ar­beitsbereichen und zunehmend auch den vorhergehenden Bildungs- und Ausbildungsbereichen [...] zu den wesentlichen Quellen für gesundheitliche Beeinträchtigungen” (Hurrelmann/Laaser 2003, S. 17). Psychische Belastungen fördern zudem chronische Erkrankungen (vgl. Badura 2003, S. 38). Mittlerweile sind sie neben den muskulo-skeletta­len und Herzbeschwerden häu­figste Ursache für die vorzeitige Berentung aufgrund von Erwerbsunfähigkeit (vgl. Gesundheits­berichterstattung des Bundes 2006, S. 59).

3. Salutogenese als Basiskonzept der Examensarbeit

3.1 Gesundheit – Krankheit

Nach der Präambel der WHO-Charta (1946) ist „health a state of complete physical, mental and social well-being and not merely the absence of disease or infirmity“ (vgl. WHO zitiert nach Lo­renz 2004, S. 23).

Nach dem pathogenetischen Paradigma ist Krankheit „die Störung der Lebensvorgänge in Or­ganen oder im gesamten Organismus mit der Folge von subjektiv empfundenen bzw. objektiv fest­stellbaren körperlichen, geistigen bzw. seelischen Veränderungen“ (Pschy­rembel 2002, S. 904). In der Regel geht es um Fehlersuche (vgl. Schiffer 2004, S. 42), denn Pathogenese be­schäftigt sich mit Krankheitsentstehung (vgl. Myers 2005, S. 693). Prävention hat dabei zum Ziel, Risikofaktoren aufzudecken und zu verhindern (vgl. Schiffer 2004, S. 17).

Der salutogenetische Ansatz geht von einer ganzheitlichen Gesundheit aus und versucht, mög­lichst umfassend sämtliche Faktoren, die zur Gesundung bzw. Erkrankung führen, zu entdecken und mit einzubeziehen (vgl. Lorenz 2004, S. 9). Dazu gehören beispielsweise: Risikofaktoren, Stress, Ressour­cen, soziale Umgebung, psychische Bewältigung, Motivation usw.

Die Salutogenese beschäftigt sich mit der Frage, weshalb Menschen trotz vorhande­ner Ge­sundheitsrisiken gesund bleiben. Das Salutogenese-Modell sieht Gesundheit und Krankheit als zwei extreme, entgegen gesetzte Pole innerhalb eines Kontinuums an (vgl. Gesundheitsbericht­erstattung des Bundes 2006, S. 126). Anders als in der Medizin üblich, spricht Antonovsky von „relativer Krankheit“ und „relativer Gesundheit“ (vgl. Haisch 2003, S. 534). Dieses Kontinuitäts­modell von Gesundheit und Krankheit besagt zugleich, dass eine Verbesserung der Gesundheit durch eine Steigerung der psychischen und physischen Belastungsfähigkeit und der Stärkung von Ressourcen mög­lich ist (vgl. Lorenz 2004, S. 10). Es sieht eine aktive Anpassung des Men­schen vor, indem dieser Ressourcen mobilisiert bzw. Risiken reduziert. Je größer diese Fähig­keit ist, desto gesünder ist ein Mensch (vgl. Noack 1997, S. 95). Das Salutogenese-Modell be­tont die subjektive Einschätzung der eigenen Situation. Ziel ist also, gesundheitsbewusstes Le­ben zu aktivieren.

Damit sind folgende Ziele aus salutogener Sicht zu nennen: Bewältigungsfähigkeit (= coping), Erhöhung der Lebens­qualität (= enrichment), Erweiterung der eigenen Möglichkeiten bzw. Kom­petenzen (= enlargement) und Erhöhung der eigenen Fähigkeiten, sich selbst zu helfen (= em­powerment).

Antonovsky hat ein Nebeneinander von Pathogenese und Salutogenese in Form von Ergänzun­gen befürwortet (vgl. Lorenz 2004, S. 11). In diesem Sinne ist das Erkennen von Ressourcen als auch von Risikofaktoren sinnvoll (vgl. Schiffer 2004, S. 43).

[...]


[1] Anm.: gemeint ist, dass diese Arbeitnehmer offen ihr mangelndes Engagement am Arbeitsplatz zeigen.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Erscheinungsjahr
2007
ISBN (PDF)
9783956847530
ISBN (Paperback)
9783956842535
Dateigröße
4.9 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hochschule Osnabrück
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1
Schlagworte
Gesundheitsförderung Gesundheitsmanagement Salutogenese Schichtarbeit Mitarbeiterbefragung
Produktsicherheit
BACHELOR + MASTER Publishing

Autor

Maja Tintor ist Gesundheitswissenschaftlerin. Sie betreut, berät und leitet Projekte zum BGM, entwickelt Strategien und Konzepte. Derzeit ist sie für Großkonzerne tätig. Nebenberuflich promoviert sie zum Thema „Gesundheit während betrieblicher Veränderungsprozesse“ und ist Prüferin im IHK-Zertifikatkurs „Gesundheitsmanager“. Zuvor arbeitete sie mehrere Jahre als Gesundheitsmanagerin im HR einer Unternehmensgruppe und war für den kompletten BGM-Aufbau in fünf Unternehmen der Papierindustrie verantwortlich. Sie beriet andere mittelständische Unternehmen, schulte Personalleiter, -entwickler und Betriebsräte zum BGM, war Gastdozentin an der Universität und Hochschule Osnabrück und publizierte Artikel zur BGM-Thematik.
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