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Global Sourcing: Strategischer Einkauf im weltweiten Kontext

©2004 Diplomarbeit 65 Seiten

Zusammenfassung

Die Globalisierung bedeutet massive Veränderungen beim industriellen Wettbewerb. Machtverhältnisse verschieben sich, Märkte verändern sich und der Wettbewerb wird intensiviert. Parallel ergeben sich viele Chancen aus der fortschreitenden industriellen Globalisierung. Ein hohes Erfolgs-Potenzial für Unternehmen liegt nach wie vor im Einkauf. Eine Strategie moderner Einkaufsabteilungen ist Global Sourcing. Viele Einkaufsabteilungen agieren vorwiegend lokal und nutzen so die Potenziale der sich weltweit weiter entwickelnden Lieferanten nicht. Global Sourcing bietet viele Chancen (günstigere Einstandspreise, verbesserte Qualität, höhere Flexibilität, bessere Versorgungskette, Reduzierung von Risiken, Optimierung des Lieferantenportfolios), es sind aber auch Risiken zu beachten. Global Sourcing sollte sorgfältig geplant und vorbereitet sein unter Berücksichtigung der möglichen Risiken. Sinnvoll eingesetzt bietet dieses Instrument des strategischen Einkaufs hohe Potenziale für Unternehmen, den Gewinn zu optimieren und die Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig zu verbessern.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


3. Organisation und Durchführung des modernen Global Sourcing

3.1 Entwicklung einer Beschaffungsstrategie für das Unternehmen

Global Sourcing wird in der deutschen Literatur zur Beschaffung überwiegend als eine Strategie dargestellt.[1] Für eine erfolgreiche Umsetzung muss diese zunächst von der Unternehmensführung entwickelt werden. Weitere Voraussetzung ist, sich darüber im Klaren zu sein, welche Märkte bearbeitet und welche Artikel dort eingekauft werden sollen. Außerdem müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, d.h. es muss fachlich kompetentes Personal zur Verfügung stehen und berücksichtigt werden, wie viele Niederlassungen das Unternehmen weltweit hat und inwiefern die Beschaffung für die verschiedenen Niederlassungen zusammengefasst werden kann bzw. von wo aus strategisch am günstigsten eingekauft werden soll. Mögliche Ansatzpunkte zur Entwicklung einer neu ausgerichteten bzw. Überprüfung der aktuellen Beschaffungsstrategie sind:

- Welche Beschaffungshebel werden angewandt? (nur traditionelle oder auch innovative wie z.B. strategische Allianzen oder Einkaufskooperationen?)
- Wie wird der Einkauf im Unternehmen bisher gesehen? Nur als reiner „Beschaffer“ oder auch eingebunden in die langfristige strategische Planung?
- Wird der Fokus auf Preisreduzierung gelegt oder werden auch andere preisbildende Faktoren wie Qualität, Lieferzeit, Service etc. berücksichtigt?
- Ist die Einkaufsabteilung strategisch oder operativ organisiert?
- Wie sind die bisher genutzten Beschaffungsmärkte geographisch gelagert und wie sind die Kenntnisse über die jeweiligen Märkte?
- Wie gut sind die Kenntnisse über Beschaffungsvolumen und –strategie der wichtigsten Wettbewerber?
- Wird evtl. mit den Wettbewerbern zusammengearbeitet, um Einkaufsmacht zu bündeln?[2]
- Wie ist die Qualifikation meines Personals? Muss im Rahmen der Neuorganisation evtl. intern oder extern Personal beschafft werden?

3.2 Global Sourcing als ein Instrument des Beschaffungsmarketings

Modernes Beschaffungsmarketing beschäftigt sich mit den Problemen anderer, d.h. zum einen mit Problemen im eigenen Unternehmen und zum anderen mit Problemen beim Kunden. Ziel ist es, diese Probleme in den Vordergrund des eigenen Handelns zu stellen und eine Lösung herbeizuführen.[3] Übertragen auf die Beschaffung heißt das, den Einsatz der Einkaufsinstrumente so zu gestalten, dass einerseits eine optimale interne Zusammenarbeit im eigenen Unternehmen gewährleistet ist, andererseits die bestmögliche Befriedigung der Kundenwünsche erlangt wird. Das kann durch verschiedene Instrumente des Beschaffungsmarketings erfolgen, eins davon ist das Global Sourcing. Internationales Beschaffungsmarketing bezeichnet eine Konzeption zur marktorientierten, der Umwelt angepassten, politisch und kulturell sensiblen Koordinierung und Steuerung weltwirtschaftlicher Beschaffungsprozesse.[4]

3.3 Organisatorischer Rahmen für Global Sourcing

3.3.1 Anforderungen an das Personal

Heutzutage wird immer mehr automatisiert, rationalisiert, Personal abgebaut und der Wettbewerb auf nahezu allen Märkten zunehmend enger. Daher wird es immer wichtiger für jeden einzelnen Arbeitnehmer sich beruflich weiterzubilden, um die eigenen Chancen am Arbeitsmarkt bzw. auch in der eigenen Firma zu stärken. Im Gegenzug ist es für die Unternehmen wichtig, qualifizierte Arbeitnehmer zu beschäftigen. So können sie sich weiterhin erfolgreich gegen den wachsenden Wettbewerb durchzusetzen, der vor allem dadurch gekennzeichnet ist, dass die Märkte enger werden und Branchenriesen mehr und mehr Firmen übernehmen. Wenn erfolgreiches Global Sourcing betrieben werden soll, ist es notwendig, entsprechend qualifizierte Einkäufer zu beschäftigen.[5] Neben den grundlegenden Kenntnissen hinsichtlich Materialwirtschaft und Beschaffung sind vor allem die folgenden Kenntnisse und Fähigkeiten besonders wichtig:

- Sprachkenntnisse (Englisch in Wort und Schrift als Mindestvoraussetzung, besser jedoch noch weitere Sprachen).
- „Soft Skills“, d.h. Verhandlungsgeschick, Menschenkenntnis, Team- und Kommunikationsfähigkeit.[6]
- Sicherer Umgang mit moderner Informations- und Kommunikationstechnologie.
- Der Wille und die Fähigkeit, sich mit Lieferanten und Geschäftspartnern weltweit auseinanderzusetzen.
- Bereitschaft zur permanenten persönlichen und fachlichen Weiterbildung auch hinsichtlich Erlernens neuer Kulturen und Umgangsformen.
- Sehr gutes technisches Verständnis.
- Internationales Vertragsrecht.
- Hohe Flexibilität hinsichtlich einer evtl. Tätigkeit im Ausland, wodurch gewisse Sicherheiten / Gewohnheiten (Urlaubszeiten, soziales Netz, Familie) mitunter stark beeinträchtigt werden.

Für Unternehmen empfiehlt es sich, bei entsprechender Struktur und entsprechend vorhandenen Personalkapazitäten, eine Trennung des Einkaufs in operativen und strategischen Einkauf vorzunehmen. Prämisse sollte sein, den strategischen Einkäufer dabei vom Tagesgeschäft so weit wie möglich zu befreien und durch ständige Kommunikation mit dem operativen Bereich auch die notwendige Nähe zu bewahren.[7] Bei kleineren Firmen, die evtl. nur ein oder zwei Mitarbeiter im Einkauf beschäftigen, ist das in der Form nicht möglich. Der Einkäufer muss dort, soweit überhaupt Möglichkeiten für Global Sourcing gegeben sind, weiterhin als „Allrounder“ praktizieren.

3.3.2 Die Stellung des Einkaufs im Unternehmen

Ein weiterer kritischer Erfolgsfaktor für erfolgreiches Global Sourcing ist, dass die Abteilung Einkauf eng mit anderen Abteilungen, vor allem Vertrieb, Produktion/Arbeits­vor­bereitung, Produktentwicklung und Finanzen zusammenarbeitet und somit von der Idee des neuen Produktes bis zu dessen Einführung am Markt komplett in die Planung miteinbezogen wird.[8]

Dabei kann es naturgemäß zu Zielkonflikten kommen. Die Produktentwicklung z.B. stellt übertriebene Anforderungen an die Qualität bzw. technische Beschaffenheit des Artikels. Die Einkaufsabteilung dagegen kann diese Vorgaben, die im internationalen Kontext bedingt durch das Ausnutzen wollen von günstigen Lohnkosten (die dafür im Gegenzug geringeres technisches Know-How vermuten lassen) noch schwieriger sind, nicht erfüllen. Ein weiteres Problem könnte die Sortimentsbreite des Unternehmens darstellen, die seitens der Produktentwicklung übertrieben hoch gestaltet werden würde, was konträr zum Ziel der Beschaffung ist, Kosten zu senken. Desweiteren können Probleme aufgrund mangelnder Kommunikation oder Übermittlung von falschen oder nur halb richtigen Informationen (Vertrieb gibt falsche Absatzzahlen an Einkauf weiter) auftreten.

O.a. mögliche Probleme sollten allerdings positiv aufgenommen und als Chance gesehen werden, Abläufe und Prozesse zu verbessern. Voraussetzung hierfür ist, dass keine Funktion der anderen hierarchisch über- oder unterstellt ist.[9] Außerdem sollte bei enger, abteilungsübergreifender Zusammenarbeit eine intensive Kommunikation z.B. in Form von regelmäßigen Meetings oder durch Teambildung stattfinden.

Global Sourcing muss von der Unternehmensleitung eindeutig als Strategie definiert werden, die hauptsächlich vom Einkauf umgesetzt wird, der allerdings dabei vollste Unterstützung von den anderen Abteilungen erfahren muss. Dies ist heutzutage unerlässlich, um die Leistung jeder einzelnen Abteilung optimal auszunutzen. Zu beobachten ist dabei, dass nachdem die Einkaufsabteilungen jahrzehntelang ein Schattendasein gefristet haben und nur als operative Beschaffer gesehen wurden, ein Umdenken in der Management-Ebene vieler Unternehmen stattfindet. Das enorme Potential, das im Einkauf steckt, wird zunehmend erkannt. In den meisten Unternehmen kann heutzutage von einem Anteil der Materialkosten von ca. 50 % an den Gesamtkosten ausgegangen werden. Das zeigt, wie hoch bei Anwendung entsprechender Instrumente sowie der richtigen strategischen Einordnung des Einkaufs im Unternehmen, das Einsparpotential ist.

Zur Verdeutlichung der enormen Einsparmöglichkeiten auf Beschaffungsseite sei folgendes Beispiel gegeben: Ein Unternehmen hat einen Jahresumsatz von 100 Millionen EURO. Der Anteil der Materialkosten am Umsatz liegt bei 50 % = 50 Millionen EURO. Die Umsatzrendite liegt bei 6 % = 6 Millionen EURO. Nimmt man an, die Materialkosten können um lediglich 4 % gesenkt werden (was durchaus realistisch ist und oft relativ einfach erreichbar), würde das jährliche Ergebnis von 6 Mio. EUR auf 8 Mio. EURO steigen, was einem Wachstum von 33 1/3 % entspricht. Diese Zahlen, die mit vergleichsweise geringem Aufwand von der Beschaffung erreicht werden können, auf der Absatzseite zu erreichen ist zumeist nahezu undenkbar.[10]

Die hier eingesparten Kosten verbessern das Ergebnis des Unternehmens oder geben preispolitische Spielräume auf der Absatzseite.[11] Wichtige Voraussetzungen für die erfolgreiche Umsetzung der Strategie Global Sourcing im Unternehmen sind geeignete innerbetriebliche Strukturen zur Lösung von Schnittstellenproblemen und ausreichende Freiheiten bzgl. Handlungskompetenz und Verantwortung für die Beschaffung zum Ausschöpfen von Handlungsmöglichkeiten.[12]

3.3.3 Standardisierung

Um eine Austauschbarkeit von Produkten, Komponenten, Aufgaben und Verantwortungen zu erreichen, sollten sowohl Prozessabläufe als auch Inhalte (enthält die Produktstandardisierung) standardisiert werden.

Prozess-Standardisierung

Bei der Prozess-Standardisierung geht es darum, wiederholt auftretende Prozesse detailliert zu beschreiben und möglichst zu generalisieren. Hauptziele sind:

- Vereinfachung der Koordination.
- Erhöhung der Flexibilität.
- Entlastung der Planungs- und Entscheidungsinstanzen.
- Erleichterung der Durchführung von Controllingaktivitäten.
- Effizienzsteigerung durch Ausschöpfung von organisatorischen Rationalisierungspotentialen.

Mögliche Nachteile sind:

- Die Einschränkung der individuellen Gestaltungsmöglichkeiten.
- Die verminderte Anpassungsfähigkeit an lokale oder situative Gegebenheiten.
- Die Reduzierung der innovativen Kräfte.

Übertragen auf Global Sourcing ist die Prozess-Standardisierung ein Hilfsmittel, um die Beschaffungsprozesse der einzelnen Beschaffungseinheiten (weltweite Niederlassungen) möglichst zu vereinheitlichen und somit Transaktionskosten zu sparen. Wichtig ist die Prozess-Standardisierung zum Beispiel bei der Lieferantenauswahl. Falls die Niederlassung in Brasilien andere Maßstäbe ansetzt bzw. die Lieferanten nach anderen Präferenzen als die deutsche Einkaufsniederlassung auswählt, kann keine einheitliche Beschaffung stattfinden.[13]

Inhalts-Standardisierung

Die Prozess-Standardisierung versucht einheitliche Strukturen und Abläufe herzustellen. Die Inhalts-Standardisierung dagegen richtet sich auf die Strategien, Instrumente und vor allem auch die physischen Produkte.

Besonders sensibel muss man dabei mit dem Zielkonflikt Standardisierung - Individualität umgehen. Technische Details bzw. Eigenschaften des Produkts lassen sich zwar oft in einem hohen Maße standardisieren. Dabei darf jedoch nicht vergessen werden, dass Geschmack und Ästhetik, die letztendlich die Individualität des Produktes ausmachen und den Wunsch und die Ansprüche des Konsumenten wiederspiegeln, zu sehr außer Acht gelassen werden und auch standardisiert werden. Damit würde letztendlich an den Bedürfnissen des Marktes vorbeiproduziert.

Der Begriff Inhalts-Standardisierung benennt wie o.a. nicht nur die Produkt- oder Objekt-Standardisierung sondern auch den Bereich der Liefermodalitäten (Anforderungen an Ort, Zeit, Lieferung und Bereitstellung sowie Konditionen). Diese Ansprüche werden von den Niederlassungen in gegenseitiger Absprache in Anforderungen übersetzt, um den kleinsten gemeinsamen Nenner festzulegen, bei dem möglichst alle Ansprüche erfüllt werden, die Vielfalt aber parallel möglichst klein bleibt. Bei der Standardisierung von Inhalten kann sich das Unternehmen zwischen zwei Vorgehensweisen entscheiden. Entweder man geht von einem standardisierten Objekt aus, an dem leichte Differenzierungen vorgenommen werden und die Anpassung an die jeweiligen Märkte in kleinen Schritten erfolgt, oder man geht von unterschiedlichen Produkten aus, die je nach Notwendigkeit den Marktanforderungen angepasst werden.

3.4 Strategischer Einsatz von Einkaufsinstrumenten

3.4.1 Auswahl von Beschaffungsartikeln

ABC-Analyse

Grundsätzlich werden nicht alle Beschaffungsartikel dazu geeignet sein, sie weltweit zu beziehen. Als ein mögliches Instrument, geeignete Artikel auszuwählen, dient die ABC-Analyse. Damit können die Einkaufsartikel ermittelt werden, die wertmäßig den höchsten Anteil haben und auf die besonders der Fokus gelegt werden sollte. Die ABC-Analyse unterteilt die Einkaufsartikel in A-, B- und C-Güter. A-Güter haben einen hohen Wertanteil, jedoch einen niedrigen Mengenanteil, C-Güter entgegengesetzt einen niedrigen Wertanteil, aber einen hohen Mengenanteil und B-Güter liegen dazwischen. Zunächst wird für jede Materialart der Verbrauch / Periode ermittelt (Menge/Periode x Preis). Dieser wertmäßige Verbrauch wird anschließend ins Verhältnis zum wertmäßigen Gesamtverbrauch gesetzt und somit der prozentuale Verbrauch der einzelnen Materialarten in der jeweiligen Periode ermittelt. Dann werden die Materialien nach ihrem Prozentanteil am wertmäßigen Verbrauch sortiert. Die Festlegung der Grenzwerte, nach denen in A, B und C unterteilt wird, ist dabei willkürlich.[14] In der Praxis sieht eine Einteilung häufig so aus:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: ABC-Analyse[15]

Mit diesem Instrument lassen sich die Artikel herausfiltern, für die sich Global Sourcing aufgrund ihres hohen Werts lohnen könnte. Viele C-Artikel, die mengenmäßig einen hohen Anteil haben, jedoch einen sehr geringen Anteil am gesamten Beschaffungsvolumen, sollte man weiterhin im Inland kaufen. Geeignet hierfür sind Rahmen- oder Abrufverträge, damit die Transaktionskosten so gering wie möglich gehalten werden. A-Artikel und evtl. auch B-Artikel dagegen sollten besonders daraufhin überprüft werden, ob es Möglichkeiten gibt alternative Lieferanten aus aller Welt zu finden.

Weitere Überlegungen, welche Produkte weltweit beschafft werden sollten, hängen mit der Lohnkostenstruktur zusammen. Sehr lohn- bzw. arbeitsintensive Produkte empfehlen sich für den Bezug aus Entwicklungs- bzw. sich entwickelnden Ländern durch die Ausnutzung der niedrigen Lohnkosten. Technisch sehr weit ausgereifte Produkte dagegen, wie z.B. elektronische Baugruppen, sind eher nicht aus Entwicklungsländern zu beziehen.

3.4.2 Auswahl von Beschaffungsregionen

Pauschal kann man schwer sagen, in welchen Regionen es sich besonders lohnt Global Sourcing zu betreiben. Das hängt davon ab, in welcher Branche das Unternehmen tätig ist, welche Produkte und Produktgruppen weltweit beschafft werden sollen, welche Strategie das jeweilige Unternehmen verfolgt und wie die Möglichkeiten von Gegengeschäften in der jeweiligen Region eingeschätzt werden. Die Suche nach Region und Lieferanten sollte zeitgleich laufen. Um Aussagen über die Eignung einer bestimmten Region als potentieller Beschaffungsraum zu erhalten, sollte man sich verlässliche Kriterien suchen. Ein mögliches Kriterium sind die Direktinvestitionen. Annahme ist, dass sich die ausländischen Direktinvestitionen ähnlich entwickeln wie der Wert der Zulieferprodukte, die aus dem Land in dem investiert wird, an den Weltmarkt geliefert werden. Darüber hinaus gibt die Höhe der Investitionen verlässliche Aussage über die Standortattraktivität eines Landes.[16] Ungebrochen ist dabei der Trend, der sich bereits Anfang bis Mitte der 90er Jahre abzeichnete, dass besonders viele und hohe Investitionen in Asien getätigt wurden. Auch hier ist China führend, wobei zu beobachten ist, dass nicht nur europäische Länder die Vorteile Chinas als Standort ausnutzen, sondern auch Chinas asiatische Nachbarn wie Japan und Südkorea.[17]

Wenn bei der Auswahl einer bestimmten Beschaffungsregion das Hauptaugenmerk des Beschaffers auf Kostenvorteilen liegt, ist dies möglicherweise einer großen Dynamik unterworfen, bedingt durch ständig wechselnde Kostenführerschaften am Markt. Die konsequente Ausnutzung dieser Vorteile erfordert ständige Beobachtung der Märkte, hohe Flexibilität und kurze Reaktionszeiten.[18]

Zu berücksichtigen bei der Auswahl des Standortes bzw. der Beschaffungsregion ist auf jeden Fall auch die politische Stabilität des Landes. Wenn beispielsweise in Regionen wie dem Irak oder Afghanistan beschafft wird, also Länder mit höchster politischer Risikostufe, muss man den teilweisen oder vollständigen Verlust von Lieferquellen von vornherein miteinkalkulieren. Das Risiko sollte daher, falls tatsächlich in solchen Regionen beschafft wird, auf jeden Fall gestreut und die Lieferanten auf mehrere Beschaffungsregionen verteilt werden. (Regionenmix)

3.4.3 Lieferantenauswahl

Der Prozess der internationalen Lieferantenauswahl entscheidet sich kaum von der Auswahl von nationalen Lieferanten. Einziger Unterschied ist die Tatsache, dass die Anzahl potentieller Lieferanten um ein Vielfaches höher ist und die Informationsgewinnung sich somit schwieriger gestaltet.[19] Die Methoden und die Bewertungskriterien sind überwiegend gleich. Am Anfang der Lieferantenauswahl steht die allgemeine Sammlung von Informationen. Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten, Lieferanten zu finden bzw. erste Informationen zur Kontaktaufnahme zu beschaffen, wie z.B.:

- Einkaufsagenturen bzw. Einkaufsbüros mit Sitz im Ausland.
- Tagungen von Einkaufsverbänden.
- Erfahrungsaustausch mit anderen Einkäufern.
- Informationen durch Fachzeitschriften (z.B. Beschaffung aktuell)
- IHK und andere Wirtschaftsverbände.
- Marktanalysen / Marktstudien.
- Internet.
- Eigene Niederlassungen im Ausland.
- Botschaften.
- Deutsche Auslandshandelskammern.
- Einkaufsdatenbanken wie z.B. vom Kompass-Verlag (weltweit) oder „Wer liefert was?“ (europaweit).

Sinnvoll ist in jedem Fall eine umfangreiche Lieferantenbewertung, die den Lieferanten möglichst transparent macht und seine Leistungsfähigkeit darstellt. Mögliche Bewertungskriterien werden in der folgenden Abbildung aufgezeigt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Mögliche Bewertungskriterien zur Bewertung von neuen Lieferanten[20]

Die Tabelle erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, außerdem ist es in der Praxis auch unrealistisch und nicht unbedingt sinnvoll, jeden einzelnen Punkt zu überprüfen. Allerdings kann man sich sehr wohl daran orientieren und so die wichtigsten Informationen sammeln und mit anderen potentiellen Lieferanten vergleichen.

Ein möglicher Ablauf bei einer Lieferantenauswahl könnte wie folgt aussehen:

Festlegung des Produktes → Besuch der Landesgesellschaft des Lieferanten durch Einkaufsteam → Festlegung von Zielen → Anfrage von Verkaufsunterlagen → Auswertung → Anfrage → Musterlieferung und –prüfung → Lieferantenbesuch→ Dokumentation der Ergebnisse → Kontrolle der Zielerreichung[21]

Wichtig ist es, bei der Auswahl von Lieferanten (genauso bei der Auswahl von Beschaffungsregionen) bisherige Entwicklungen auf die Zukunft zu übertragen und Prognosen darüber abzugeben, wie sich die ausgewählte Region bzw. der ausgewählte Kreis von Lieferanten entwickeln wird. Wenn es Tendenzen zu beobachten gibt, dass ein derzeitiges Lohnniveau zwar immer noch vergleichsweise niedrig, in den letzten Jahren aber bereits stark angestiegen ist und sich dies voraussichtlich auch so fortsetzen wird, sollte man u.U. diesen Anbieter bzw. die gesamte Region, in der sich der/ die Anbieter befinden von vornherein meiden und nach Alternativen suchen.

Bei der Beziehung zum Lieferanten sollte man auf eine langfristige Zusammenarbeit ausgerichtet sein. Dies wirft für beide Seiten am meisten ab und vermeidet hohe Transaktionskosten durch ständiges Wechseln der Lieferanten und anschließender Neuakquise. Eine funktionierende partnerschaftliche Beziehung ist gekennzeichnet durch:[22]

- Stetigkeit in der Geschäftsbeziehung und eine Verlängerung der Vertragslaufzeiten.
- Gezielte Lieferantenpflege, -förderung und –entwicklung.
- Intensiven Informationsaustausch.
- Einrichtung gemeinsamer Teams und Projektgruppen.
- Gemeinsame Ziele.
- Gegenseitiges Vertrauen.

Gerade Vertrauen kann sich aber erst im Laufe der Zeit entwickeln. Wichtig ist es, fortwährend intensive Kommunikation zu unterhalten.

3.4.4 Verschiedene Beschaffungsquellen / Sourcing - Konzepte

Im Folgenden werden die aus Sicht des Verfassers wichtigsten Sourcing - Konzepte kurz vorgestellt:[23]

Single Sourcing

Es gibt nur einen Lieferanten für ein Beschaffungsobjekt. Dies birgt allerdings die Gefahr einer zu großen Abhängigkeit und kann schlimmstenfalls zum Produktionsausfall bzw. zum Wegfall der Lieferbereitschaft des eigenen Unternehmens führen. Darüber hinaus könnte der Wettbewerb des Lieferanten durch Nichtberücksichtigung das Interesse verlieren, marktgerechte Preise abzugeben, was einen, falls notwendig, kurzfristigen Wechsel des Lieferanten nahezu unmöglich macht.[24] Vorteile sind das Erzielen von besseren Preisen durch höhere Mengen und vor allem die Reduzierung der Transaktionskosten. Diese Strategie sollte nur bei einer langjährigen Partnerschaft mit hohem Vertrauen zum Lieferanten gewählt werden, aus der sich weitere Vorteile ergeben können, wie Know-How-Transfer und der gemeinsamen Entwicklung von neuen Produkten oder Fertigungsverfahren.

Dual Sourcing

Es gibt zwei Lieferanten für ein Beschaffungsobjekt. Dadurch werden die Gefahren, die Single Sourcing birgt, reduziert. Man gerät nicht in zu große Abhängigkeit, darf aber gleichzeitig auch nicht vergessen, den Markt und die anderen Lieferanten weiterhin zu beobachten und die Kontakte zu diesen nicht zu verlieren, um bei einem evtl. notwendigen Wechsel auch relativ kurzfristig agieren zu können. Genau wie das Single Sourcing ist Dual Sourcing eher geeignet für A-Teile, also strategisch wichtige Einkaufsartikel, bei denen eine intensive, vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Lieferanten von Bedeutung ist.

Multiple Sourcing

Es gibt mehrere Lieferanten für ein Beschaffungsobjekt. Diese Strategie kann man oft bei der Beschaffung von C-Teilen anwenden, wo Faktoren wie Qualität, Lieferzeit und Service bei vielen Lieferanten als identisch vorausgesetzt werden. Hauptsächlich wird der Lieferant hier nach dem günstigsten Einstandspreis ausgewählt. Langjährige, enge Partnerschaften sind eher die Ausnahme. Vorteile sind eine höhere Flexibilität beim Wechsel des Lieferanten, ein höherer Angebotswettbewerb verbunden mit der Möglichkeit beim Wechsel jeweils den besten Preis auszunutzen. Demgegenüber stehen als Nachteile höhere Transaktionskosten und oftmals Anlauf- und Integrationsprobleme. (Musterlieferungen, neue Ansprechpartner, neue Prozesse, Zertifizierung etc.)[25]

Modular Sourcing

Bezug von kompletten Bauteilen oder Systemen. Die Lieferanten von denen man diese vergleichsweise komplexeren Einkaufsartikel bezieht, sollten hinsichtlich ihrer Qualität und Lieferbereitschaft sorgfältig geprüft werden. Es empfiehlt sich Audits vor Ort bzw. am Sitz des Lieferanten abzuhalten, um sich von der Qualität zu überzeugen.

Ergänzend zu den hier genannten Sourcing - Konzepten sei erwähnt, dass es in der Literatur weitere Konzepte gibt, so z.B. zu finden in u.a. Schema von Arnold, auf die jedoch hier nicht näher eingegangen werden soll.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Systematisierung der Sourcing-Konzepte[26]

Welches Sourcing – Konzept ein Unternehmen wählt, muss individuell entschieden werden. Man darf dabei weder die Vorteile einer langjährigen partnerschaftlichen Zusammenarbeit außer Acht lassen noch vergessen, das Risiko zu streuen, um nicht in zu große Abhängigkeit von einzelnen Lieferanten zu geraten.

[...]


[1] Vgl. Colsman: Global Sourcing (2000), S. 94 f.

[2] Vgl. Schunda: International Sourcing (2001), S. 83 f.

[3] Vgl. Koppelmann: Beschaffungsmarketing (2004), S. 79 f.

[4] Vgl. Piontek: Internationales Beschaffungsmarketing (1993), S. 5.

[5] Vgl. Gruschwitz: Global Sourcing (1993), S. 184.

[6] Vgl. Gruschwitz: Global Sourcing (1993), S. 183.

[7] Vgl. Krokowski: Globalisierung des Einkaufs (1998), S. 46.

[8] Vgl. Arnold: Global Sourcing (1989), S. 58.

[9] Vgl. Bedacht: Global Sourcing (1995), S. 117 f.

[10] Vgl. Reese: Global Sourcing (1996), S. 264.

[11] Vgl. Arnold: Global Sourcing (1990), S. 52.

[12] Vgl. Arnold: Global Sourcing (1990), S. 67.

[13] Vgl. Colsman: Global Sourcing (2000), S. 165 ff.

[14] Vgl. Wöhe: Einführung in die allgemeine Betriebswirtschaftslehre (2000), S. 430 f.

[15] Vgl. Wöhe: Einführung in die allgemeine Betriebswirtschaftslehre (2000), S. 431.

[16] Vgl. Göltenboth: Global Sourcing (1998), S. 174.

[17] Vgl. http://www.china-embassy.ch/ger/25155.html

[18] Anforderungen an den Einkäufer siehe auch unter Punkt 3.3.1 Anforderungen an das Personal.

[19] Vgl. Göltenboth: Global Sourcing (1998), S. 177.

[20] Vgl. Oeldorf/Olfert: Matrialwirtschaft (2000), S. 309.

[21] In Anlehnung an die Lieferantenauswahl bei der Adolf Würth GmbH & Co. KG (großer international tätiger Werkzeughersteller aus Deutschland), aus Göltenboth: Global Sourcing (1998), S. 177.

[22] Vgl. Gruschwitz: Global Sourcing (1993), S. 58.

[23] Ergänzend hierzu siehe unter Punkt 2.1 die räumlichen Sourcing-Konzepte.

[24] Vgl. Eichler: Beschaffungsmarketing und –logistik (2003), S. 56 f.

[25] Vgl. Eichler: Beschaffungsmarketing- und logistik (2003), S. 58.

[26] Vgl. Eichler: Beschaffungsmarketing- und logistik (2003), S. 78.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Erscheinungsjahr
2004
ISBN (PDF)
9783956849268
ISBN (Paperback)
9783956844263
Dateigröße
6.5 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Verwaltungs- und Wirtschafts-Akademie Dortmund
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,7
Schlagworte
Beschaffungstool Einkaufshebel Interkulturelle Einkaufskompetenz Internationale Einkaufspolitik Beschaffungsstrategie

Autor

Gerrit Kehrenberg, MBA, wurde 1975 geboren. Sein nebenberufliches Studium der Betriebswirtschaftslehre an der FOM in Dortmund schloss der Autor im Jahre 2013 mit dem akademischen Grad des Master of Business Administration erfolgreich ab. Vorher gegangen waren nebenberufliche Weiterbildungen zum Fachkaufmann für Einkauf und Materialwirtschaft IHK (2001), Betriebswirt VWA (2004) und Bachelor of Arts B.A (2010). Zu den Weiterbildungen kommt eine 16-jährige Berufserfahrung im Einkauf in Unternehmen verschiedener Branchen und Größen. Motiviert durch die vielen nicht ausgenutzten Potenziale des modernen Einkaufs und den sich bietenden Chancen globaler Beschaffung hat der Autor sich dem Thema Global Sourcing intensiv gewidmet.
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