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Die Förderung des räumlichen Vorstellungsvermögens durch den handelnden Umgang mit Würfelbauten: Eine Unterrichtseinheit im Mathematikunterricht einer zweiten Klasse

©2007 Examensarbeit 107 Seiten

Zusammenfassung

Der Geometrieunterricht leistet durch die Vermittlung grundlegender geometrischer Kenntnisse und Fertigkeiten einen wichtigen Beitrag zur Fähigkeitsentwicklung und intellektuellen Entfaltung des Kindes, die ihm die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben und die Erschließung der Umwelt ermöglichen. Diese ist überwiegend räumlich strukturiert, so dass die uns umgebenden geometrischen Formen und Anordnungen erst verstanden und durchdrungen werden müssen, damit wir uns in ihr zurechtfinden und orientieren können. Dabei kommt der Förderung des räumlichen Vorstellungsvermögens durch geometrische Inhalte als ‘eines der obersten Ziele des Geometrieunterrichts’ eine besonders bedeutungsvolle Rolle zu.
Wird eine ausreichende Förderung im Geometrieunterricht nicht ermöglicht, können häufig Lernschwierigkeiten in vielen schulischen Bereichen die Folge sein. Auch die Auswirkungen auf Aktivitäten des täglichen Lebens wären verheerend: Das Fangen eines Balles, das Einsortieren von Geschirr in den Schrank oder das Überqueren einer Straße sind bereits Aufgaben, die das räumliche Vorstellungsvermögen beanspruchen. Wir sind uns nur dessen in diesen Situationen nicht bewusst, denn ‘wir haben uns so an den Raum gewöhnt, dass wir allzu leicht seine Bedeutung für uns vergessen und seine Bedeutung für jene, die wir erziehen.’
Mit diesem Wissen um die Notwendigkeit der Förderung des räumlichen Vorstellungsvermögens durch geometrische Inhalte im Unterricht ist es unverständlich, warum der Geometrieunterricht bis heute ‘in der Unterrichtspraxis ein eher stiefmütterliches Dasein’ neben dem Arithmetikunterricht fristet und sich häufig auf wenige Stunden vor den Ferien beschränkt.
Um der derzeitigen Situation des Geometrieunterrichts an Grundschulen entgegenzuwirken und um den Kindern den notwendigen handelnden Zugang und die Auseinandersetzung mit geometrischen Inhalten zu ermöglichen, setzt sich die Autorin mit der Förderung des räumlichen Vorstellungsvermögens durch den handelnden Umgang mit Würfelbauten auseinander.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


4
Daraus lässt sich auch der Grundsatz ableiten, die Förderung von räumlichem Vorstellungsver-
mögen stets von Handlungen am konkreten Material ausgehen zu lassen, da sich Vorstellungen
von Objekten und deren Bewegungen erst einstellen können, wenn mit diesen handelnd umge-
gangen worden ist. Darüber hinaus kann durch diesen ,,Spielcharakter" eine positive Einstellung
zum Fach Mathematik vermittelt werden. Besonders rechenschwache Schülerinnen und Schüler
können durch Erfolgserlebnisse durch das handelnde Lösen geometrischer Aufgaben für arith-
metische Inhalte motiviert werden.
7
Um der derzeitigen Situation des Geometrieunterrichts an Grundschulen entgegenzuwirken und
um den Kindern den notwendigen handelnden Zugang und die Auseinandersetzung mit geomet-
rischen Inhalten zu ermöglichen, werde ich mich in dieser Hausarbeit und der dazugehörigen
Unterrichtseinheit intensiv mit der ,,Förderung des räumlichen Vorstellungsvermögens durch
den handelnden Umgang mit Würfelbauten" auseinandersetzen. Besonders nachgehen werde ich
dabei folgenden Fragestellungen:
· Inwieweit fördern der Einsatz des homogenen Baumaterials ,,Würfel" und die gewählten
Unterrichtsinhalte das räumliche Vorstellungsvermögen der Kinder?
· Wie vollzieht sich der Prozess vom handelnden Umgang mit Würfeln zur rein mentalen
Reproduktion? Was tragen die gewählten Methoden und didaktischen Entscheidungen dazu
bei?
· Wie wirkt sich der handelnde Umgang mit Würfeln auf die Einstellung und Motivation der
Kinder zum Mathematikunterricht aus?
Zur Beantwortung dieser Fragen werde ich im Verlauf der Unterrichtseinheit drei Kinder ge-
nauer beobachten und deren schriftliche und mündliche Arbeitsergebnisse dokumentieren und
analysieren.
Zunächst wird im theoretischen Teil (Kap. 2- 4) der vorliegenden Arbeit der fachwissenschaftli-
che Hintergrund des Themas näher beleuchtet, um den Aufbau der Inhalte und Methoden zielge-
richtet auf die Lerngruppe ausrichten zu können. So wird in Kapitel 2 eine Definition des räum-
lichen Vorstellungsvermögens vorgenommen, an die die Darstellung des Zusammenhangs von
Raumvorstellung und Intelligenz in Kapitel 3 anknüpft. Die Beschreibung der Entwicklung des
räumlichen Vorstellungsvermögens in Kapitel 4 bildet eine wichtige Grundlage für die Planung
der Unterrichtseinheit in Kapitel 5, in der, ausgehend von einer Beschreibung der Lerngruppe,
didaktische und methodische Entscheidungen dargelegt werden. Eine ausführliche Dokumenta-
tion und Reflexion ausgewählter Unterrichtsstunden in Kapitel 6 mündet schließlich in ein ab-
schließendes Fazit der gesamten Unterrichtseinheit in Kapitel 7, in dem wesentliche Ergebnisse
zusammengetragen und Konsequenzen für die weitere Unterrichtspraxis aufgezeigt werden.
7
Vgl. Radatz, H., Rickmeyer, K. (1991), S.8

5
2 Das räumliche Vorstellungsvermögen
Die Begriffe räumliches Vorstellungsvermögen, Raumvorstellungsvermögen oder kurz Raum-
vorstellung, die in dieser Arbeit synonym verwendet werden, bezeichnen Fähigkeiten, mit deren
Hilfe sich Menschen gedanklich im zwei- und dreidimensionalen Raum zurechtfinden und mit
konkreten, sichtbaren oder vorgestellten Objekten operieren.
8
Aufgrund seiner Komplexität
wird dieser Intelligenzfaktor in der wissenschaftlichen Literatur in mehrere Teilfähigkeiten un-
tergliedert. Obwohl keine einheitliche Definition vorliegt, gilt als gesichert, dass Raumvorstel-
lungsvermögen ein weitgehend unabhängiger Faktor der menschlichen Intelligenz ist.
2.1
Definition des räumlichen Vorstellungsvermögens nach THURSTONE
und BESUDEN
THURSTONE, der für das Verständnis der Struktur des räumlichen Vorstellungsvermögens
wichtige Arbeit geleistet hat, definiert Raumvorstellung als die Fähigkeit, ,,mit 2- oder 3-
dimensionalen Objekten in der Vorstellung zu operieren"
9
und nennt in seiner 3-Faktoren-
Hypothese folgende Subfaktoren dieses Intelligenzaspekts:
· Veranschaulichung (visualisation) umfasst die Fähigkeit, sich räumliche Bewegungen von
ganzen Objekten oder Objektteilen gedanklich vorzustellen wie z.B. Rotationen, Verschie-
bungen und Faltungen.
· Räumliche Beziehung (spatial relations)
bezeichnet das Erfassen der räumlichen Anord-
nungen und Beziehungen von Objekten oder Objektteilen zueinander, wobei sich der
Standort der eigenen Person außerhalb dieser Anordnung befindet.
· Räumliche Orientierung (spatial orientation) kennzeichnet die Fähigkeit, die eigene Per-
son in einer räumlichen Situation richtig einzuordnen, sich also mental oder real in einem
Raum zurechtzufinden.
10
MAIER schlägt in Anlehnung an das Kategoriensystem nach LINN & PETERSEN eine erwei-
ternde Differenzierung von THURSTONEs 3-Faktoren-Theorie vor, indem er einen Subfaktor
räumliche Wahrnehmung von THURSTONEs räumlicher Orientierung abgrenzt und zusätzlich
die Vorstellungsfähigkeit von Rotationen als unabhängigen Faktor betont:
· Räumliche Wahrnehmung (Spatial perception) bezeichnet die Fähigkeit, unter Einbezie-
hung des eigenen Körpers die Horizontale und Vertikale zu identifizieren.
· Vorstellungsfähigkeit von Rotationen (Mental rotation) ist die Fähigkeit, sich Rotationen
von zwei- oder dreidimensionalen Objekten schnell und exakt vorstellen zu können. Diese
Teilkomponente der Raumvorstellung ist bei THURSTONE im Subfaktor Veranschauli-
chung integriert, die nach MAIER ,,breit und allgemein gehalten in Erscheinung tritt".
11
8
Vgl. Franke, M. (2007), S.28
9
Maier, P.H. (1999), S.20
10
Vgl. ebd. S.31-42
11
Ebd. S.48 und S.45-49

6
Aus mathematikdidaktischer Sicht definiert BESUDEN das räumliche Vorstellungsvermögen
als ,,ein durch geistige Verarbeitung (Verinnerlichung) von Wahrnehmungen an dinglichen
Gegenständen erworbenes Vermögen, das sich der Raumbezüge bewußt geworden ist und diese
reproduzieren kann."
12
Ähnlich wie THURSTONE nennt auch er drei Unterfaktoren der Raum-
vorstellung, ,,deren Unabhängigkeit nicht eindeutig feststeht"
13
:
· Räumliche Orientierung (spatial orientation) ermöglicht die richtige räumliche Einord-
nung der eigenen Person, um sich wirklich oder gedanklich im Raum bewegen zu können.
· Räumliches Vorstellungsvermögen (spatial visualisation) ist die Fähigkeit, räumliche Ob-
jekte oder Beziehungen auch dann reproduzieren zu können, wenn diese abwesend sind.
· Räumliches Denken (spatial thinking) bezeichnet die Fertigkeit, mit räumlichen Vorstel-
lungsinhalten beweglich umzugehen, deren Voraussetzung die Verinnerlichung tatsächlich
durchgeführter Handlungen an Objekten ist.
14
2.2 Visuelle Wahrnehmung ­ die Voraussetzung für das räumliche Vor-
stellungsvermögen
Das Sehen, als ein rein physikalischer Vorgang, bildet den Ausgangspunkt der visuellen Wahr-
nehmung: Reflektiertes Licht von dreidimensionalen Objekten, die sich im Sehbereich befinden,
trifft durch die Pupille auf die Netzhaut und lässt dort ein zweidimensionales Bild entstehen.
Die dadurch entstandenen Nervenimpulse werden in das Gehirn übertragen und dort weiterver-
arbeitet. Dabei wird das Wahrgenommene mit Gedächtnisinhalten verglichen und interpretiert.
Somit ist die visuelle Wahrnehmung mehr als nur Sehen, denn es beinhaltet darüber hinaus das
Verarbeiten und Behalten wahrgenommener Objekte.
15
In der fachwissenschaftlichen Literatur
wird stets die Bedeutung visuell-räumlicher Wahrnehmungsfähigkeiten als notwendige Voraus-
setzung des räumlichen Vorstellungsvermögens betont.
16
FROSTIG unterscheidet fünf Bereiche der visuellen Wahrnehmung:
· Visuomotorische Koordination als das Können, Bewegungen des Körpers oder einzelner
Körperteile dem Sehen anzupassen (Bsp.: einen Ball fangen).
· Figur-Grund-Unterscheidung ist die Fähigkeit, Teilfiguren vor einem komplexen Hinter-
grund oder einer Gesamtfigur zu erkennen und zu isolieren (Bsp.: ein Rechteck in einer
Ansammlung geometrischer Formen erkennen).
· Wahrnehmungskonstanz bezeichnet die Fertigkeit, Objekte trotz unterschiedlicher Grö-
ßen, Anordnungen, räumlicher Lagen oder Färbungen wiederzuerkennen (Bsp.: einen Wür-
fel aus verschiedenen Blickwinkeln erkennen).
12
Besuden, H. (1984), S. 66
13
Ebd. S.71
14
Vgl. Ebd. S.71
15
Vgl. Franke, M. (2007), S.32
16
Vgl. ebd. S.32-52 und vgl. Radatz, H.; Rickmeyer, K. (1991); S.15-17

7
· Wahrnehmung räumlicher Beziehungen ist die Fähigkeit, Beziehungen und die räumli-
che Lage von Objekten zueinander zu erkennen und zu beschreiben (Bsp.: den Standort ei-
nes Würfels zwischen anderen Objekten beschreiben).
· Wahrnehmung der Raumlage wird definiert als die Fähigkeit, die Raum-Lage-Beziehung
eines Objektes zum Standort der eigenen Person zu erkennen und zu beschreiben (Bsp.: der
Drei-Berge-Versuch von PIAGET
17
).
18
HOFFER hat zwei weitere Komponenten der visuellen Wahrnehmung formuliert:
· Visuelle Unterscheidung bezeichnet er als die Fähigkeit, neben Gemeinsamkeiten auch
Unterschiede zwischen Objekten zu erkennen (Bsp.: geometrische Körper nach ihren
Merkmalen sortieren und klassifizieren).
· Das Visuelle Gedächtnis als Befähigung, charakteristische Merkmale eines nicht mehr
vorhandenen Objektes in der Vorstellung auf andere Objekte zu beziehen (Bsp.: die Eigen-
schaften von Würfel und Quader in der Vorstellung miteinander vergleichen).
19
3 Der Zusammenhang von Raumvorstellung und Intelligenz
Die psychologische Forschung hat viele Theorien zum Aufbau und Struktur der menschlichen
Intelligenz hervorgebracht. Einige von ihnen enthalten den Faktor des räumlichen Vorstellungs-
vermögens als eigenständige und bedeutende Komponente, was die Notwendigkeit seiner För-
derung für die intellektuelle Entwicklung der Kinder verdeutlicht. Beispielhaft dafür werden
hier die Arbeiten von THURSTONE und GARDNER vorgestellt.
3.1 THURSTONEs Primärfaktoren der Intelligenz
THURSTONE geht von sieben Primärfaktoren der Intelligenz aus, die ,,zwar weitgehend von-
einander verschieden sind, aber dennoch geringe Korrelationen untereinander aufweisen"
20
und die er als Grundbedingungen der Intelligenzleistung nennt. Neben den Faktoren Verbal
(Wortverständnis), Word Fluency (Wortflüssigkeit), Number (Rechenfertigkeit), Perception
(Auffassungsgeschwindigkeit), Memory (Merkfähigkeit) und Reasoning (logisches Denken)
kennzeichnet THURSTONE einen Faktor Space, der die Fähigkeit umfasst, ,,mit 2- oder 3-
dimensionalen Objekten in der Vorstellung zu operieren"
21
und damit das räumliche Vorstel-
lungsvermögen definiert. Später teilt THURSTONE in seiner 3-Faktoren-Theorie diesen kom-
plexen Intelligenzfaktor in Subfaktoren ein (vgl. Kap. 2.1).
22
THURSTONE hat als einer der
17
Vgl. Piaget, J.; Inhelder, B. (1971), S.251 f.
18
Vgl. Radatz, H; Rickmeyer, K. (1991), S.15-17
19
Vgl. Franke, M. (2007), S.50 und Maier, P.H. (1999), S.12
20
Maier, P.H. (1999), S.20
21
Ebd. S.20
22
Vgl. Maier, P.H. (1999), S.18-21

8
ersten die Fähigkeit der Raumvorstellung als eigenständigen Faktor der Intelligenz erkannt und
damit wegweisende Arbeit zum Verständnis dieses Intelligenzfaktors geleistet.
23
3.2 GARDNERs Theorie der multiplen Intelligenzen
Seit THURSTONE haben viele Intelligenzforscher seine Folgerung bestätigen können, dass
Raumvorstellung als eigenständiger Faktor der Intelligenz anzusehen ist und sich von logischen
und sprachwissenschaftlichen Fähigkeiten unterscheidet. So auch GARDNER, der in seiner
Theorie der multiplen Intelligenzen zwischen linguistischer, musikalischer, logisch-mathe-
matischer, körperlich-kinästhetischer, intra- und interpersonaler sowie räumlicher Intelligenz
differenziert und diese als Fähigkeit definiert, ,,die visuelle Welt richtig wahrzunehmen, die
ursprüngliche Wahrnehmung zu transformieren und zu modifizieren und Bilder der visuellen
Erfahrung auch dann zu reproduzieren, wenn entsprechende physische Stimulierungen feh-
len".
24
Damit wird deutlich, dass auch GARDNER die Intelligenz in mehrere Teilfähigkeiten
einteilt, die den Faktor Raumvorstellung als unabhängigen Faktor beinhalten.
4 Die Entwicklung der Raumvorstellung
Wie alle Primärfaktoren der Intelligenz entwickelt sich auch die Raumvorstellung beim Men-
schen im Laufe der Jahre weiter. Abbildung 1 zeigt den geschätzten Entwicklungsverlauf der
THURSTONEschen Intelligenzfaktoren (vgl. Kap. 3.1) nach BLOOM (1973)
25
.
Im Vergleich zu den übrigen Intelligenz-
faktoren zeigt sich für das räumliche
Vorstellungsvermögen (dicke Linie) eine
stärkere Entwicklungsfähigkeit. Im Alter
von etwa vier Jahren ist die Raumvor-
stellung nur schwach entwickelt. Ihre
Entwicklung steigt jedoch zwischen dem
7. und 14. Lebensjahr steil an. So sind
im Alter von neun Jahren bereits 50%,
im Alter von 14 Jahren etwa 80% der maximalen Leistungsfähigkeit der Raumvorstellung ent-
wickelt, wenn man davon ausgeht, dass Erwachsene über 100% der Leistungsfähigkeit verfü-
gen. Im Alter von neun bis 14 bieten sich daher besonders gute Förderungs- und vor allem Er-
folgschancen für den Geometrieunterricht.
26
23
Vgl. Franke, M. (2007), S. 52
24
Gardner, H. (1991), S.163
25
Vgl. Maier, P.H. (1999), S.78
26
Vgl. Maier, P.H. (1999), S.78 und Besuden, H. (1999), S. 6
Abb. 1: Entwicklungsverlauf der Intelligenzfaktoren
20
40
60
80
100
3
Prozent der
Entwicklun
g
5
7
9
11
13
15
17
19
50
Lebensalter
P
SR
N
V
M
W
P-Perception
S-Space factor
R-Reasoning
N-Number
M-Memory
V-Verbal
W-Word fluency

9
4.1 Die Entwicklung des räumlichen Denkens nach PIAGET
Die Untersuchungen und Erkenntnisse von PIAGET bilden bis heute die wichtigste Grundlage
zum Verständnis des geometrischen Lernens. Die Ergebnisse seiner umfangreichen Experimen-
te konnten in mehreren Nachfolgeuntersuchungen bestätigt werden.
27
Im Folgenden wird daher,
ausgehend von einer Unterscheidung von wahrgenommenem und vorgestelltem Raum, PIA-
GETs Stufentheorie der Intelligenzentwicklung beschrieben sowie die Entwicklung der Raum-
vorstellung nach PIAGET vorgestellt, die sich in drei aufeinander folgenden Stadien vollzieht.
4.1.1 Die Unterscheidung von Wahrnehmungs- und Vorstellungsraum
Im Zusammenhang mit der Entwicklung der Intelligenz und der Entwicklung des räumlichen
Denkens beim Kind betont PIAGET besonders den Unterschied zwischen wahrgenommenem
Raum (Raumwahrnehmung) und vorgestelltem Raum (Raumvorstellung):
Die Konstruktion der räumlichen Beziehungen entwickelt sich auf zwei unterschiedlichen Ebe-
nen. Sie beginnt auf der Wahrnehmungsebene und setzte sich auf der Vorstellungsebene fort.
Die räumliche Wahrnehmung entsteht im direkten Umgang mit einem Gegenstand. Ein Körper
wird wahrgenommen und erscheint vor dem ,,inneren Auge". Dies bezeichnet PIAGET als
Wahrnehmungsbild, da mit diesem Bild noch nicht mental operiert werden kann. Von einem
Vorstellungsbild spricht er erst dann, wenn der Gegenstand durch Zeichnen, Beschreiben, Her-
stellen oder Benennen von Eigenschaften aus dem Gedächtnis reproduziert werden kann. Die
Vorstellung ist also nicht gleichzusetzen mit der Fähigkeit, sich räumliche Objekte vor dem
geistigen Auge in Erinnerung zu rufen.
Der wahrgenommene Raum entwickelt sich wesentlich schneller als der vorgestellte Raum.
Selbst Kleinkinder sind bereits in der Lage, einen bestimmten Gegenstand, den sie kennen, unter
anderen herauszufinden, indem sie auf ihr Gedächtnis zurückgreifen. Jedoch können sie mit
diesem Gegenstand noch keine Operationen im Kopf durchführen.
Obwohl sich beide Räume sehr ähnlich entwickeln, kann zwischen der Konstruktion der Wahr-
nehmung und der der Vorstellung ein Abstand von mehreren Jahren liegen. Aus diesem Grunde
trennt Piaget diese beiden Räume klar voneinander.
28
Weiter weist er nach, dass sich eine Vorstellung nur über das wirkliche Tun aufbauen kann, was
die Notwendigkeit des handelnden Umgangs mit geometrischen Inhalten verdeutlicht (vgl. Kap.
5.3.3.1), denn die Ergebnisse selbst einfacher Vorgänge können sich Kinder nicht vorstellen,
bevor sie diese nicht selbst durchgeführt haben. Die räumliche Vorstellung ist also ,,eine verin-
nerlichte Handlung [...] und nicht einfach die bildliche Vorstellung irgendeiner äußeren Tatsa-
che, etwa des Ergebnisses einer Handlung".
29
27
Vgl. Radatz, H.; Rickmeyer, K. (1991), S.11
28
Vgl. Piaget, J.; Inhelder, B. (1971), S.523
29
Ebd. S.527

10
4.1.2 PIAGETs Stufentheorie der Intelligenzentwicklung
PIAGET entwickelte aufgrund von Beobachtungen an Kindern unterschiedlicher Altersstufen
vier Stufen der Intelligenzentwicklung. Dabei war ihm stets der Gedankengang beim Lösen
einer Aufgabe, nicht aber die richtige Antwort wichtig. Nach PIAGET vollzieht sich die kogni-
tive Entwicklung in Stadien. In diesen Teilabschnitten spiegeln das Denken und Verhalten des
Kindes in vielfältigen Situationen eine spezifische geistige Struktur wider. Die folgende Stufen-
theorie der Intelligenzentwicklung ist der Ausgangspunkt für PIAGETs Theorie der Entwick-
lung der Raumvorstellung, auf die in Kapitel 4.1.3 eingegangen wird.
In der sensomotorischen Phase (0 ­ 2 Jahre) erwirbt das Kind, ausgehend von sensomotori-
schen Aktivitäten mit Objekten seiner näheren Umgebung, das Konzept des Raums. Am Ende
des Stadiums kann bereits ein gewisses Vorstellungsvermögen vorhanden sein, ,,der Raum [...]
kann aber wahrscheinlich noch nicht vorgestellt und mental rekonstruiert werden."
30
Zu Beginn der präoperationalen Phase (2 ­ 7 Jahre) bauen sich räumliche Vorstellungen auf
der Grundlage sensomotorischer Aktivitäten auf. Das Kind erwirbt räumliche Schemata, ,,die
zunehmend mobiler und strukturierter werden."
31
Am Ende dieser Phase ist das Kind bereits in
der Lage, ansatzweise Transformationen zu erkennen und durchzuführen, da die ,,verinnerlich-
ten Handlungen so weit koordiniert sind, dass ihre Zusammenstellung und folglich auch jede
einzelne von ihnen in beiden Richtungen abgewickelt werden kann."
32
In der konkret-operationalen Phase (7 ­ 11 Jahre) zeigt sich die Fähigkeit, auch mental mit
Objekten operieren zu können. Die Aktivitäten der Kinder sind dynamisch, umkehrbar und in
konkreten Operationen auch transformierbar. Ein weiteres Kennzeichen dieser Phase ist der
mentale Perspektivenwechsel, so dass sich Kinder nun vorstellen können, wie Objekte von ei-
nem anderen Standpunkt aus betrachtet oder nach einer Drehung im Raum aussehen.
33
In der formal-operationalen Phase (ab 11 Jahren) ,,gelangt die Anschauung zu ihrer Vollen-
dung".
34
Damit stellen die Denkprozesse dieser Phase einerseits das Ziel stetig gewachsener
Verinnerlichung des Handelns dar. Andererseits bereiten sie die Axiomatisierung des Raumes
vor. Der Heranwachsende ist nun in der Lage, Hypothesen aufzustellen und diese formal zu
prüfen.
35
30
Maier, P.H. (1999), S.88
31
Franke, M. (2007), S.78
32
Piaget, J.; Inhelder, B. (1971), S.528
33
Vgl. Franke, M. (2007), S.78 und Maier, P.H. (1999), S.90
34
Piaget, J.; Inhelder, B. (1971), S.528
35
Vgl. ebd. S.528

11
4.1.3 Die Stadien der Entwicklung räumlicher Operationen
Vor dem Hintergrund der Stufentheorie der Intelligenzentwicklung ist PIAGETS Theorie der
Entwicklung der Raumvorstellung zu sehen, die sich in der Aufeinanderfolge von räumlichen
Operationen vollzieht und die im Laufe der kognitiven Entwicklung vom Kind konstruiert wer-
den müssen. ,,Die generelle Entwicklungslinie im räumlichen Denken beim Kinde, vom topolo-
gischen über den projektiven bis hin zum metrischen Raum kann als gesichert gelten."
36
Die Entwicklung topologischer Beziehungen (bis 7 Jahre). Zu Beginn der Entwicklung des
räumlichen Denkens benutzt das Kind zunächst noch elementare, topologische Beziehungen,
um sich im Raum zu orientieren. Es erkennt und unterscheidet Merkmale wie offen oder ge-
schlossen, begrenzt, benachbart, aufeinanderfolgend u.a.
37
Die Entwicklung projektiver Beziehungen (ab 7 Jahre). Mit Beginn des Grundschulalters sind
die Kinder in der Lage, projektive Geraden zu konstruieren (Verkürzen der Geraden bei einem
Schrägbild), sowie Schattenprojektionen, Schnittoperationen und Flächenabwicklungen zu ver-
stehen.
38
Das Kind ist zunehmend fähig, Objekte richtig zu orten und ihre Anordnungen zuein-
ander richtig zu erkennen und zu beschreiben, auch aus einer anderen Perspektive heraus.
39
Die Entwicklung euklidischer Beziehungen (ab 7-12 Jahre). Die euklidische Raumvorstellung
entwickelt sich teilweise gleichzeitig mit der Aneignung des projektiven Raumes, ,,wobei sie
sich gegenseitig stützen."
40
Das Kind denkt nun in Begriffen des euklidischen Raumes und kann
Kongruenzabbildungen (Spiegelung, Drehung, Verschiebung) ausführen. Es erkennt, dass sich
Gegenstände und deren Volumen nicht durch Verschieben ändern. Längenmessungen, Flächen-
und Volumenberechnungen werden erfasst und somit auch die Invarianz von Objekten. Das
Kind kann Lagen und Distanzen richtig wiedergeben, maßstäbliche Verkleinerungen und Ver-
größerungen durchführen und Volumen- und Oberflächenbegriff voneinander abgrenzen.
41
4.1.4 Kritik an PIAGETs Stufentheorie
Auch wenn die generelle Entwicklungslinie des räumlichen Denkens beim Kind als gesichert
gelten kann, werden einige Kritikpunkte an PIAGETs Theorie geäußert:
42
· So werden die durchgeführten Tests von PIAGET aus heutiger Sicht als nicht empirisch
gesichert angesehen, da nur eine geringe Anzahl Probanden getestet wurde, deren soziale
Herkunft und mögliche damit zusammenhängende Unterschiede des Entwicklungstandes
36
Rost, D.H. (1977), S.58
37
Vgl. Maier, P.H. (1999), S.91
38
Vgl. ebd. S.92 und Franke, M. (2007), S.82-86
39
Vgl. Rost, D.H. (1977), S.55
40
Piaget, J.; Inhelder, B. (1971), S.31
41
Vgl. Hellmich, F. (2001), S.9 und Franke, M. (2007), S.86-88
42
Vgl. Franke, M. (2007), S.91-92 und Maier, P.H. (1999), S.94-95 und Rost, D.H. (1977), S.56-58

12
unberücksichtigt blieben. Zudem wurden Versuchsanordnungen ungenügend beschrieben
und die Auswertungen nicht ausreichend durch Kontrollen abgesichert.
· Den Tests haftet ,,Laborgeruch" an, da sich PIAGET meistens auf Papier und Bleistift
,,oder auf Messungen der räumlichen Fähigkeiten am grünen Tisch"
43
beschränkte. Das
Verständnis der Kinder von einer größeren räumlichen Umgebung wurde so ignoriert.
· PIAGETs Altersangaben der einzelnen Stufen sind umstritten und können lediglich als
grobe Orientierung angesehen werden.
· Ein hoher verbaler Anteil machte die meist mündlich formulierten Aufgabenstellungen
für manche Kinder undurchschaubar und nicht verständlich. Teilweise wurden sogar von
den Versuchsleitern durch die falsche Benutzung mathematischer Fachausdrücke wissen-
schaftliche Fehler begangen.
· Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen den Untersuchungsergebnissen und der Art
der Aufgabenstellung, denn diese entsprachen oft nicht den Erfahrungen der Kinder. In
bekannte Sachverhalte eingekleidete Aufgaben veränderten die Untersuchungsergebnisse.
· PIAGETs Schlussfolgerungen, dass die kognitive Entwicklung des Kindes auf einer Ver-
besserung mentaler Fähigkeiten, also des Denkens beruht, vernachlässigen den Einfluss
von Wissen. Intellektuelle Veränderungen sind aus heutiger Sicht auf das Denken und Wis-
sen zurückzuführen. Die Entwicklung kognitiver Fähigkeiten ist sogar überwiegend von
einem Wissenszuwachs abhängig. ,,Vieles, was Piaget als fundamentale Veränderungen im
Verständnis der Welt betrachtet, ist lediglich eine Verbesserung des Gedächtnisses."
44
Trotz dieser Kritikpunkte stellt PIAGETs Theorie nach wie vor ,,die wichtigste Theorie der
geistigen Entwicklung im Kindes- und Jugendalter"
45
dar und sollte daher besonders in der Un-
terrichtsplanung Berücksichtigung finden, um die Kinder optimal zu fördern und zu fordern.
PIAGETs Erkenntnisse zeigen deutlich, dass Erwachsene ganz anders denken als Kinder. Nur
das Verständnis des kindlichen Denkens kann helfen, sein Denken und Verhalten auch zu beein-
flussen. Ein völliges Ignorieren der Erkenntnisse PIAGETs könnte sogar dazu führen, dass Kin-
der über- oder unterfordert werden, was beides die Motivation und den Lernerfolg reduziert.
Darüber hinaus erkennt PIAGET, dass die Entwicklung des Kindes nur voranschreiten kann,
wenn das Üben bekannter Handlungen und herausfordernde Situationen (im Unterricht) glei-
chermaßen Berücksichtigung finden.
46
43
Maier, P.H. (1999), S.94
44
Franke, M. (2007), S.92
45
Ebd. S.91
46
Ebd. S.91

13
4.2 Geschlechtsspezifische Unterschiede in der Entwicklung der Raumvor-
stellung
In mehreren Untersuchungen zu geschlechtsspezifischen Unterschieden in den Intelligenzleis-
tungen konnte festgestellt werden, dass weibliche Probanden im Allgemeinen in verbalen Berei-
chen (Wortverständnis, Wortflüssigkeit) überlegen sind, jedoch die Leistung von männlichen
Probanden in den Bereichen des logischen Denkens, sowie in der Raumvorstellung und Raum-
orientierung besser ist.
47
Auf dem Gebiet der Raumvorstellung sind die geschlechtsspezifischen
Unterschiede im Vergleich zu anderen kognitiven Fähigkeiten besonders stark ausgeprägt.
48
Als
Gründe für diese Unterschiede werden sozialisationsbedingte Einflüsse (der Umgang mit ty-
pisch männlichem Spielzeug in der Kindheit) sowie genetische, hormonelle und neuropsycholo-
gische Ursachen genannt.
49
Diese dargestellten Unterschiede treten jedoch in allen Teilkomponenten der Raumvorstellung
(vgl. Kap 2.1) erst nach der Pubertät ein. Vorher sind kaum Differenzen vorhanden.
Dennoch sollten die Auswirkungen räumlich-visueller Fähigkeiten auf die mathematische Leis-
tung nicht außer Acht gelassen werden. Während Männer trotz geringer Ausbildung ihrer räum-
lichen Fähigkeiten in der Lage sind, mathematische Probleme erfolgreich zu lösen, wirken sich
Defizite in der Raumvorstellung von Frauen negativ auf deren mathematische Leistungen aus.
Frauen scheinen daher weniger in der Lage, ,,ein Defizit im räumlich-visuellen Bereich durch
andere Qualifikationen zu kompensieren."
50
Demnach sollte bereits in der Schulzeit Wert auf eine Förderung der Raumvorstellung gelegt
werden, um eventuell auftretende Defizite korrigieren oder ihnen sogar vorbeugen zu können.
Die vorhandenen Unterschiede sollten differenziert zur Kenntnis genommen werden, um auf
dieser Grundlage ,,möglichst qualifizierte und zielgerichtete Schulungsmaßnahmen einleiten zu
können"
51
, die, um effektiv zu sein, von spielerischen und experimentellen Handlungen gekenn-
zeichnet sein und die Versprachlichung räumlicher Bezüge berücksichtigen sollen.
5 Planung der Unterrichtseinheit
In diesem Kapitel wird nun die auf den theoretischen Grundlagen aufbauende und geplante Un-
terrichtseinheit vorgestellt. Zunächst wird die Lerngruppe näher beschrieben, in der die Einheit
durchgeführt wird. Es folgen eine Sachanalyse des Unterrichtsgegenstandes sowie die didakti-
schen und methodischen Überlegungen und abschließend eine tabellarische Übersicht über den
Aufbau der geplanten Unterrichtseinheit.
47
Vgl. Rost, D.H. (1977), S.29
48
Vgl. Maier, P.H. (1999), S.204
49
Vgl. ebd. S.211-227
50
Vgl. ebd. S.208
51
Vgl. ebd. S.204

14
5.1 Beschreibung der Lerngruppe
5.1.1 Allgemeine Voraussetzungen
Die zweite Klasse setzt sich aus 15 Kindern zusammen, davon sind fünf Mädchen und zehn
Jungen. Die Schule liegt in einem eher ländlichen Einzugsgebiet und die Schülerinnen und
Schüler kommen aus überwiegend sozial starken Familien.
Zu Beginn des neuen Schuljahres fand ein Klassenlehrerwechsel statt, den die Kinder sehr gut
aufgenommen haben.
Das Lern- und Arbeitsverhalten der Klasse kann als insgesamt positiv bezeichnet werden. Ma-
thematik ist für viele Kinder der Klasse das Lieblingsfach, was sich bei ihnen in einer hohen
Motivation und im Ehrgeiz zeigt, auch schwierige Aufgaben zu ,,knacken".
Im alltäglichen Unterricht greife ich häufig auf ein Helfersystem zurück, in dem Schülerinnen
und Schüler, die bereits die gestellten Aufgaben erledigt haben, anderen Kindern helfen. Die
Helferaufgabe nehmen sie sehr ernst und sind mittlerweile in der Lage, ihren Mitschülerinnen
und Mitschülern Aufgaben kindgerecht zu erklären, ohne die Lösung vorwegzunehmen. Bis auf
drei Kinder, die häufig noch eine leitende Hand benötigen, arbeiten alle Kinder der Klasse ei-
genständig. Seit Beginn des Schuljahres arbeiten sie im Mathematikunterricht häufig an Wo-
chenplänen, wählen sich ihre Aufgaben selbst aus und kontrollieren sie selbstständig.
Auch das Sozialverhalten der Kinder ist überwiegend positiv. Sie begegnen sich geschlechter-
übergreifend freundlich und hilfsbereit. Im Mathematikunterricht habe ich einige Rituale einge-
führt, wie ,,das stille Häschen" zu Beginn einer Stunde, die Kalimba als Erinnerung an die sog.
,,20cm-Sprache" (Gespräche dürfen nur 20cm weit gehört werden) und die Glocke als Zeichen
für einen Arbeitsphasenwechsel. Die Kinder sind mit diesen Ritualen vertraut und beachten sie.
In der Klasse zeigt sich ein starkes Leistungsgefälle. Dies macht eine Differenzierung notwen-
dig, um allen Schülerinnen und Schülern gerecht zu werden und individuelle Lernfortschritte zu
ermöglichen (vgl. Kapitel 5.4.3). Fünf Kinder der Klasse zeichnen sich durch besonders gute
Leistungen in Mathematik aus. Sie rechnen sehr schnell und sicher im Zahlenraum bis 20 und
sind darüber hinaus in der Lage, neue Aufgabenstellungen schnell zu erfassen und umzusetzen.
Sie zeigen bereits sehr gute Fähigkeiten im problemlösenden Denken. Auf der anderen Seite
zeigen drei Schülerinnen und Schüler der Klasse sehr schwache Leistungen. Die Inhalte der
ersten Klasse sind lückenhaft vorhanden, so dass sie bei der Erweiterung des Zahlenraums große
Probleme haben. In einer bereits durchgeführten Geometrieeinheit zeigte sich eine ähnliche
Verteilung, wobei jedoch das Leistungsgefälle deutlich geringer war, da die Schwächen der drei
Schülerinnen und Schüler hauptsächlich im arithmetischen Bereich liegen.

15
5.1.2 Inhaltliche Voraussetzungen
Die Kinder kennen die Arbeits- und Sozialformen Einzel-, Partner- und Gruppenarbeit, Lehrer-
Schüler-Gespräch und die Arbeit an Stationen bzw. einer Lerntheke. Sie sind in der Lage, mit
einem oder mehreren Partnern kooperativ und effektiv zusammenzuarbeiten. Gerne präsentieren
sie ihre Ergebnisse ihren Mitschülerinnen und Mitschülern.
Im Geometrieunterricht haben die Kinder bereits in der ersten Klasse die ebenen Formen Kreis,
Dreieck und Viereck (bzw. Quadrat) zu unterscheiden gelernt und mit ihnen durch Zusammen-
legen andere Formen erzeugt bzw. ausgelegt (Mini-Tangram). Zu Beginn der zweiten Klasse
lernten sie die geometrischen Körper Kugel, Quader und Würfel mit ihren Eigenschaften ken-
nen (Anzahl der Kanten, Flächen und Ecken) und suchten sie in ihrer Umwelt. Außerdem wur-
den Kanten- und Vollkörpermodelle von Würfeln mit Knete und Zahnstochern gebaut. Einige
Kinder hatten viel Vorwissen und konnten die Formen und Körper mit ihren Eigenschaften be-
reits benennen und aus einer Auswahl anderer Formen und Körper herausfinden.
Aufgrund dieser Erkenntnisse gehe ich auch in dieser Unterrichtseinheit davon aus, dass vielen
Kindern aus ihrem Alltag und durch spielerische Aktivitäten, wie Bauen, Basteln, Modellieren
und Malen, der Umgang mit räumlichen Objekten bereits vertraut ist und sie motiviert sein wer-
den, diese Aktivitäten nun auch im Mathematikunterricht fortsetzen zu können.
5.1.3 Nähere Beschreibung der zu beobachtenden Kinder
In diesem Abschnitt wird die Ausgangssituation der Kinder näher beschrieben, die ich für die
Beobachtung ausgewählt habe. Ebenso wird deren Auswahl kurz begründet bzw. erhoffte posi-
tive Auswirkungen der Unterrichtseinheit auf diese Kinder dargestellt.
R. (J.) ist im Arithmetikunterricht der schwächste Schüler der Klasse. Er rechnet alle Aufgaben
im Zahlenraum bis 20 mit den Fingern, diese jedoch falsch. Sobald Aufgaben vom geübten
Schema abweichen, ist er überfordert und bricht häufig weinend zusammen. Er verweigert die
weitere Mitarbeit und reagiert auf Hilfe seitens der Kinder oder von mir sehr aggressiv. Auch in
anderen Fächern reagiert er ähnlich heftig auf sich ihm stellende Schwierigkeiten.
Ich habe ihn ausgewählt, da ich bei ihm überprüfen möchte, inwieweit die dargestellte
Unterrichtseinheit eine positive Grundeinstellung zum gesamten Mathematikunterricht wecken
kann, so dass er bei Schwierigkeiten nicht abblockt, sondern sich den Herausforderungen stellt.
S. (J.) zeigt schwache bis mittlere Leistungen im Mathematikunterricht. Aufgaben im
Zahlenraum bis 20 löst er weitgehend automatisiert. Aufgaben im erweiterten Zahlenraum bis
100 sind häufig fehlerhaft, weshalb ihm Hilfsmaterial zur Verfügung steht. Jedoch bereitet ihm
die Darstellung von Aufgaben mit Hilfe von Material und umgekehrt, also ein Wechsel
zwischen den Darstellungsebenen (enaktiv, ikonisch, symbolisch), Schwierigkeiten, so dass ihm

16
der Rückgriff auf Hunderterfeld, Rechenrahmen u.a. keine Hilfe ist. Dies ist jedoch wichtig,
damit er selbstständig in der Lage ist, seine Lösungswege anhand von Material zu überprüfen.
Durch die Förderung des räumlichen Vorstellungsvermögens erhoffe ich mir, dass er eine
Verbesserung in der Darstellung und Vorstellung von Zahlenoperationen entwickelt, so dass
ihm der Wechsel zwischen den Darstellungsebenen erfolgreich gelingt und er ihm im
Arithmetikunterricht der Rückgriff auf Anschauungsmaterial fortan eine Hilfe ist.
L. (M.) gehört mit zu den leistungsstärkeren Kindern der Klasse. Sie ist jedoch sehr
zurückhaltend, schüchtern und sich ihrer eigenen Leistungsfähigkeit nicht bewusst. Daher
orientiert sie sich oft bei ihren Tischnachbarn oder meldet sich mehrmals, damit ich oder andere
Kinder ihr die Richtigkeit ihrer Ergebnisse bestätigen können. Bisher hat sie sich noch nicht
zugetraut, anderen Kindern Aufgaben zu erklären, die sie selber richtig gelöst hat.
Ich habe sie für die intensive Beobachtung ausgewählt, um zu überprüfen, inwieweit sich
Lernerfolge der Geometrieeinheit auf arithmetische Inhalte im Mathematikunterricht übertragen
lassen. Ich erhoffe mir, dass sie durch den eher spielerischen Zugang den Mut findet, auch
anderen etwas zu erklären und ihre eigenen guten Leistungen als solche anerkennt.
5.2 Sachanalyse
Der Unterrichtsgegenstand Würfel ist ein Körper, der definiert ist als ,,die Menge aller Punkte,
Geraden und Ebenen des dreidimensionalen Raumes, die innerhalb eines vollständig abge-
schlossenen Teiles dieses Raumes liegen, d.h. innerhalb der Begrenzungsflächen des Kör-
pers".
52
Als Oberfläche bezeichnet man die Summe aller Begrenzungsflächen. Der von der
Oberfläche vollständig umschlossene Teil des Raumes heißt Rauminhalt oder Volumen des
Körpers. Körper können von ebenen oder gekrümmten Seitenflächen begrenzt werden. Die
Berührungslinie zweier Seitenflächen ist die Kante, ihre Endpunkte sind die Ecken des Kör-
pers, an denen ,,drei oder mehr Flächen bzw. Kanten zusammenstoßen".
53
Wird ein Körper ausschließlich von ebenen Flächen begrenzt, so ist er ein Polyeder (griech.
polys = viel, edra = Fläche, Boden), also ein Vielflächner, z.B. Würfel, Quader, Prisma, Pyra-
mide. Körper, die von gekrümmten Flächen begrenzt werden sind z.B. Zylinder und Kugel.
Der Würfel:
Der Würfel ist solch ein Polyeder, da er nur von ebenen Flä-
chen begrenzt wird. Er hat acht rechtwinklige Ecken, zwölf Kanten und
sechs Seitenflächen. Darüber hinaus wird er von sechs gleichen Quadraten
begrenzt und hat nur gleich lange Kanten. Der Würfel gilt als Sonderform
des Quaders. Für den Rauminhalt eines Würfels gilt
, für die Ober-
fläche
.
54
52
Gellert, W.; Küstner, Dr.H.; Hellwich, Dr.M; Kästner, H. (Hrsg.) (1974), S.218
53
Hesemann, S. u. D. (1999), S.13
54
Vgl. Gellert, W.; Küstner, Dr.H.; Hellwich, Dr.M; Kästner, H. (Hrsg.) (1974), S.218-222; S.232-235
a
a
a
Abb. 2: Der Würfel

17
3
2
2
1
1
Neben dem freien Bauen mit Würfeln wird auch das Bauen nach zweidimensionalen
Darstellungen von Würfeln bzw. Würfelgebäuden in den Unterricht mit einbezogen. Sehr
anschaulich ist hierbei die Darstellung in der Kavalierperspektive (vgl. Abb. 2), ein spezielles
Verfahren der schrägen Parallelprojektion, die durch einen Verzerrungswinkel
und ein
Verkürzungsverhältnis von
erreicht wird.
55
Bei der Erstellung von Unterrichtsmaterial
werde ich vorrangig diese Form der Darstellung wählen.
Würfelgebäude und Baupläne
: Man bezeichnet Körper als Würfelgebäude, wenn sie aus
gleich großen Würfeln so zusammengesetzt worden sind, dass sich die quadratischen Flächen
benachbarter Würfel vollständig berühren. Der Bauplan (Abb.3) ermöglicht eine eindeutige
Zuordnung zum dazugehörigen Würfelgebäude (Abb.4), indem er den Grundriss des Gebäudes
und in quadratischen Feldern innerhalb des Grundrisses die Anzahl übereinander stehender
Würfel darstellt.
56
5.3 Didaktische Überlegungen
5.3.1 Einordnung des Themas in curriculare Vorgaben
Der thematische Rahmen der vorliegenden Arbeit ist im Kerncurriculum bzw. in den dazugehö-
rigen Bildungsstandards im Kompetenzbereich ,,Raum und Form" verankert und soll bis zum
Ende der vierten Klasse soweit erarbeitet worden sein, dass die Kinder über ,,räumliches Vor-
stellungsvermögen verfügen, räumliche Beziehungen erkennen, beschreiben und nutzen (Anord-
nungen, Wege, Pläne, Ansichten) [sowie] zwei- und dreidimensionale Darstellungen von Bau-
werken (z.B. Würfelgebäuden) zueinander in Beziehung setzen (nach Vorlage bauen, zu Bauten
Baupläne erstellen, Kantenmodelle und Netze untersuchen)".
57
Die Schülerinnen und Schüler sollen durch den handelnden Umgang mit konkreten Gegenstän-
den Erfahrungen sammeln und geometrische Strukturen in ihrer Umwelt wieder erkennen und
beschreiben können, um auf diese Weise ihr räumliches Vorstellungsvermögen zu entwickeln.
Dabei wird besonders die Fähigkeit betont, dass die Vorstellung von Objekten, deren Lage und
Veränderungen über die konkreten Erfahrungen hinausgeht und im Geometrieunterricht berück-
sichtigt werden soll. Dies kann durch den Einsatz von kopfgeometrischen Aufgaben (siehe Kap.
55
Vgl. Hesemann, S. und D. (1999), S.13
56
Vgl. Reinke, T. (2006), S.14
57
Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland
(Hrsg.) (2005), S.12 (Anm. der Verfasserin)
Abb. 3: Bauplan
Abb. 4: Würfelgebäude

18
5.3.3.2) erreicht werden, bei denen sich die Kinder Objekte, ihre Lage und Veränderungen aus-
schließlich im Kopf vorstellen.
58
Die Themengebiete sind im Kerncurriculum nach dem Spiralprinzip aufgebaut. Inhalte werden
im Laufe der Schulzeit ,,wiederholt aufgegriffen und auf einem höheren Niveau erneut behan-
delt, um Vernetzungen im Denken der Schüler zu ermöglichen."
59
In dieser Unterrichtseinheit
stehen der spielerische Zugang zum Würfel und Würfelgebäuden sowie die Einführung unter-
schiedlicher zweidimensionaler Darstellungsformen von Würfelgebäuden (Grundriss, Schräg-
bild, Bauplan) im Vordergrund. Unter anderen Gesichtspunkten können diese Themen später in
der zweiten Jahrgangsstufe oder in den weiterführenden Klassenstufen erweitert bzw. vertieft
werden. Auf diese Weise könnten unterschiedliche Ansichten von Würfelgebäuden, das Herstel-
len von Würfelnetzen, die Einführung der Fachbegriffe senkrecht, parallel und rechter Winkel,
das Zeichnen von Würfeln und Würfelgebäuden und schließlich die Bestimmung von Flächen-
inhalt und Umfang im Unterricht berücksichtigt werden. So wird stets der gleiche Unterrichts-
inhalt aufgegriffen, jedoch auf einem anderen, umfassenderen Niveau, das den Kindern ermög-
licht, unterschiedliche Problemstellungen rund um den Würfel zu lösen und so eine zunehmend
genauere und differenziertere Vorstellung des Würfels mit seinen Merkmalen aufzubauen.
60
5.3.2 Die Relevanz des räumlichen Vorstellungsvermögens
,,Wir leben in einer räumlichen Welt. Raum ist das Medium des Menschen."
61
Das räumliche Vorstellungsvermögen ermöglicht es uns, uns in dieser geometrisch und räum-
lich strukturierten Umwelt, ,,die voll ist von geometrischen Aspekten, von Flächen und Körpern
in der Natur, Architektur, Kunst und Technik, von geometrischen Beziehungen und Gesetzmä-
ßigkeiten"
62
zurecht zu finden und zu orientieren. Daher ist diese Fähigkeit als ein bedeutender
Faktor der Intelligenz (vgl. Kap. 3) für die intellektuelle Entwicklung des Kindes von lebens-
praktischer Bedeutung und sollte so früh wie möglich entwickelt bzw. gefördert werden. Ohne
die Fähigkeit zur räumlichen Vorstellung wären wir nicht in der Lage, den Alltag zu bewältigen.
Denn selbst bei alltäglichen Verrichtungen wie Anziehen, Essen, Körperpflege und Fortbewe-
gung profitieren wir von unserem räumlichen Vorstellungsvermögen, ohne uns dessen in diesem
Moment bewusst zu sein. Defizite in räumlich visuellen Fähigkeiten hängen nachweislich eng
mit einer geringen Selbstständigkeit in der Verrichtung von Alltagsaktivitäten zusammen. Eben-
falls unentbehrlich sind räumliche Vorstellungsfähigkeiten in Bereichen der handwerklich-
konstruktiven Tätigkeiten (Lesen von Plänen zum Bau von Modellen und Möbeln; Herstellung
von Gegenständen), bei sportlichen Aktivitäten (Ballspiele, Orientierungslauf) oder bei be-
stimmten Spielen (Tangram, Puzzle, Tetris). Fast schon lebensbedrohlich wird für Kinder das
58
Vgl. Niedersächsisches Kultusministerium (2006), S.26
59
Ebd. S.8
60
Vgl. Franke, M. (2007), S.24, S.152
61
Maier, P.H. (1999), S.123
62
Radatz, H.; Schipper, W. (1983), S.141

19
Fahrradfahren, wenn sie nicht über die entsprechenden räumlichen Fähigkeiten verfügen, bei-
spielsweise Entfernungen von sich bewegenden Fahrzeugen richtig abzuschätzen.
63
,,Eine Grundschule ohne Geometrie würde die Förderung eines für die Umwelterschließung und
kognitiven Entwicklung zentral wichtigen Fähigkeitsbereiches vernachlässigen, oft zugunsten
zweifelhafter Fertigkeiten."
64
MAIER sieht das räumliche Vorstellungsvermögen im schulischen Bereich sogar als ein fächer-
übergreifendes Lernziel, deren Förderung nicht nur Aufgabe des Mathematikunterrichts ist. In
der Schule werden die Kinder auf die Anforderungen des Lebens vorbereitet, was nur durch
eine Interaktion mit der räumlichen Umwelt gelingen kann, die auch in anderen Schulfächern
wie Geografie, Kunst, Werken und Sport verwirklicht wird, da sie alle ,,mehr oder weniger Be-
ziehungen zur realen Umwelt haben, so daß die Vorstellungen vorwiegend sinnliche Abbilder
des uns umgebenden Raumes sind."
65
Alle Schulfächer können durch geeignete Unterrichtsin-
halte das räumliche Vorstellungsvermögen fördern
66
, jedoch ist es gleichzeitig eine notwendige
Voraussetzung, ohne die bestimmte Anforderungen einzelner Fächer gar nicht bewältigt werden
können, was die Notwendigkeit einer entsprechenden Förderung verdeutlicht.
,,Ohne intakte Wahrnehmungs- und Vorstellungsfunktion ist ein Erlernen der Kulturtechniken
Lesen, Schreiben und Rechnen nicht möglich."
67
Es besteht ein nachgewiesen enger Zusammen-
hang zwischen fehlender Raumvorstellung und Lernschwächen. Eine Untersuchung an 89 Kin-
dern mit Lernschwierigkeiten ergab, dass etwa 80% der Schülerinnen und Schüler visuelle
Wahrnehmungsstörungen besitzen. Besonders häufig treten Lernschwierigkeiten in Mathematik
auf. Die Kinder haben Schwierigkeiten Vorstellungen des Zahlbegriffs und des Zahlenraums zu
entwickeln und sind nicht in der Lage, Vorstellungsbilder zu reproduzieren oder diese zu mani-
pulieren. Die wichtigste Ursache dafür ist eine vorliegende Störung der visuellen Anschauung
und eine daraus resultierende mangelnde Raumvorstellung. Da jedoch arithmetische Operatio-
nen auch ,,als Entfernungen im imaginierten Zahlenraum"
68
verstanden werden können, ist die
Vorstellungsfähigkeit beim Lernen von arithmetischen Operationen unentbehrlich und damit
eine wesentliche Grundlage für ein erfolgreiches Lernen im Mathematikunterricht
69
.
Kindern, die aufgrund einer visuellen Störung Lernschwierigkeiten in Mathematik haben, ist
auch durch den Einsatz von Anschauungsmaterial nicht geholfen (vgl. Schüler S. in Kap. 5.1.3),
denn diese bedienen sich geometrischer und räumlicher Strukturen, um bestimmte Inhalte, Zah-
lenräume oder Rechenoperationen zu veranschaulichen. In der Grundschule sind das beispiels-
63
Vgl. Maier, P.H. (1999), S. 123; S.147-153
64
Radatz, H.; Rickmeyer, K. (1991), S.12
65
Maier, P.H. (1999), S.124-125
66
Vgl. ebd. S.125-128
67
Ebd. S.141
68
Ebd. S.138
69
Vgl. Franke, M. (2007), S.52 und Maier, P.H. (1999), S.128-136

20
weise die beliebten Rechenrahmen, Rechenketten, Plättchen oder Steckwürfel. Diese Darstel-
lungen stellen ,,das Bindeglied zwischen den Handlungserfahrungen und der Verinnerlichung"
70
dar und benötigen, um verstanden und sinnvoll eingesetzt zu werden, räumlich-visuelle Vorstel-
lungen. ,,Wer in der Grundschule erfolgreich Mathematik unterrichten will, der muss Wert auf
die Förderung geometrischer Vorstellungen bei Kindern legen."
71
Neben der Relevanz im schulischen Bereich, ist die Fähigkeit der räumlichen Vorstellung auch
unabdingbar für viele ­ vor allem handwerkliche und technische ­ Berufe. Durch die stetig fort-
schreitende Entwicklung der Technik und deren Einzug in viele Bereiche des Lebens, verschiebt
sich der Schwerpunkt der Berufe ,,immer mehr von körperlichen hin zu geistigen Tätigkeiten"
72
,
wodurch die Anzahl der Tätigkeiten steigt, die ein ausgeprägtes Vorstellungsvermögen voraus-
setzen. Laut einer Studie erfordern Berufe aus den Bereichen Technik, Wissenschaft, techni-
sches Zeichnen, (Zahn-) Medizin und Design ein besonders hohes Maß an räumlichem Vorstel-
lungsvermögen, was zunehmend in Einstellungstests überprüft wird. Auch an Berufsschulen
werden in den Gebieten der Metall-, Elektro-, Bau- und Holz-, und Farbtechnik und Raumges-
taltung bestimmte Inhalte thematisiert, die Raumvorstellung erfordern.
73
5.3.3 Bedingungen, unter denen Raumvorstellung gefördert werden kann
Lange Zeit ging man davon aus, dass das räumliche Vorstellungsvermögen, wie auch andere
kognitive Fähigkeiten, überwiegend genetisch bestimmt und somit unmodifizierbar seien. Je-
doch konnte in vielen Studien bereits belegt werden, dass das räumliche Vorstellungsvermögen
unabhängig vom Alter der jeweiligen Person trainierbar ist. Der größte Leistungszuwachs zeigte
sich dabei bei Probanden, die in Trainingsprogrammen handlungsorientierte Aktivitäten an kon-
kreten Modellen durchführten.
74
Um die curricularen Vorgaben und Ziele zu erfüllen und Raumvorstellung zu fördern, müssen
im Geometrieunterricht vor allem zwei Aspekte berücksichtigt werden: der handelnde Umgang
mit konkretem Material als Ausgangspunkt der Förderung von Raumvorstellung und die Einbe-
ziehung von Kopfgeometrie. Denn ,,soll sich ein Kind der Raumbezüge bewusst werden, muss
es mit den Körpern umgegangen sein, ihre Lage verändert und Operationen ausgeführt haben.
Andernfalls kommen nur Wahrnehmungsbilder zustande."
75
70
Maier, P.H. (1999), S.129
71
Merschmeyer-Brüwer, C. (2003), S.6
72
Maier, P.H. (1999), S.142
73
Vgl. ebd. S.141-147
74
Ebd. S.80 ­ 86; S.115
75
Besuden, H. (1984), S.65

21
5.3.3.1
Handeln, Argumentieren, Mentales Analysieren
Um Kinder in ihrer Entwicklung des räumlichen Vorstellungsvermögens optimal zu fördern,
muss dieser Lernprozess in Bezug auf seine Anforderungen an das Abstraktionsvermögen der
Kinder abgestuft werden. MERSCHMEYER-BRÜWER schlägt dafür eine dreistufige Abfolge
vor, die ich bei der Planung meiner Unterrichtseinheit berücksichtigt habe (vgl. Kap.5.3.4).
Stufe 1: Handeln
Begonnen werden sollte mit dem Einsatz von konkretem Material, da für die Kinder auf diese
Weise, ,,die Inhalte der räumlichen Problemstellung am dreidimensionalen Modell bzw. in Rea-
lität handelnd erfahren und entdeckt werden können."
76
Auch wenn diese Handlungen den ge-
ringsten Anspruch an die Raumvorstellungsprozesse des Kindes stellen, weil räumliche Prob-
lemstellungen anhand der Manipulationen schrittweise nachvollzogen werden können, sind sie
unerlässlich.
Stufe 2: Argumentieren
Um das Entwickeln räumlicher Vorstellungsprozesse voranzutreiben, sollten in einem nächsten
Schritt Aufgaben argumentativ bearbeitet werden, um ein Ablösen vom konkreten Material zu
gewährleisten. Das Material sollte dennoch in Sicht- und Reichweite der Kinder sein, damit es
zur Begründung oder auch zur Lösungskontrolle herangezogen werden kann, so dass die Kinder
Handbewegungen am Objekt oder an der Bildvorlage ausführen können.
Stufe 3: Mentales Analysieren
Im letzten Schritt, der für die Kinder der Schwierigste ist, sollen die Kinder Problemstellungen
ausschließlich mental lösen, ohne Handlungen am konkreten Material durchzuführen. Kindern,
die damit Probleme haben, sollte man ermöglichen, wieder auf die Arbeit mit Material zurück-
zukommen und sie ermuntern, ihre ,,handlungsleitenden Überlegungen zu verbalisieren und zu
verinnerlichen."
77
5.3.3.2
Kopfgeometrie
,,Ein Geometrieunterricht, in dem derartige [kopfgeometrische] Übungen einbezogen werden,
ermöglicht den Kindern eine Vielfalt geometrischer Grunderfahrungen und verspricht den
größten Unterrichtserfolg."
78
Kopfgeometrie ist ein wichtiges Mittel im Geometrieunterricht, um das räumliche Vorstellungs-
vermögen der Kinder tatsächlich zu fördern. Im Unterschied zum Kopfrechnen, das der Auto-
matisierung von bestimmten Aufgaben dient und somit das Rechenergebnis in den Vordergrund
rückt, ist bei der Kopfgeometrie der Gedankenprozess beim Lösen von geometrischen Aufgaben
von Bedeutung. Oft reicht es nicht aus, geometrische Probleme handelnd anzugehen und durch
experimentelles Handeln zu einer Lösung zu kommen. Auf diese Weise stellt sich noch kein
76
Merschmeyer-Brüwer (2003), S.9
77
Ebd. S.10
78
Senftleben, H.-G. (2003), S.27, (Anm. der Verfasserin)

22
raumgeometrisches Denken ein. Bei kopfgeometrischen Aufgaben müssen sich die Kinder nicht
nur räumliche Objekte vorstellen, sondern sie müssen auch mental operierend Aufgaben lösen,
was ihre Fähigkeit trainiert, in der Vorstellung räumlich zu sehen und zu denken.
Der Einsatz kopfgeometrischer Aufgaben eignet sich in vielen Phasen des Unterrichts: zur Ein-
führung zu Beginn, als Auflockerung oder als wiederholender Abschluss am Ende einer Stunde.
SENFTLEBEN unterscheidet vier aufeinanderfolgende Arbeitsphasen der Kopfgeometrie:
Phase 1: Aufgabenstellung
Die zu lösende Aufgabe wird meist mündlich gestellt. Ein entsprechendes mathematisches
Sprach- und Begriffsverständnis bei den Schülerinnen und Schülern ist hier von großer Bedeu-
tung, damit die Aufgabe inhaltlich erfasst werden kann.
Phase 2: Aufgabenbearbeitung
Es folgt der Lösungsprozess ausschließlich durch mentale Operationen. Dies kann jedoch nur
gewährleistet werden, wenn die Schülerinnen und Schüler über einen gewissen Erfahrungs-
schatz über ähnliche Aufgabeninhalte verfügen, die die Kinder bereits materialgeleitet und han-
delnd gelöst haben und auf den in dieser zweiten Phase zurückgegriffen werden kann und muss.
Phase 3: Ergebnisübermittlung
Das Ergebnis der mentalen Operationen muss nun vom Schülerinnen und Schüler seinen Zuhö-
rern verständlich beschrieben werden. Dabei sollten treffende geometrische Begriffe verwendet
werden. Je genauer und exakter diese Beschreibung ausfällt, desto weiter ist das Begriffsver-
ständnis des Schülers und der Schülerin entwickelt.
Phase 4: Ergebniskontrolle
Diese Phase ist nicht zwingend, kann jedoch angeschlossen werden, wenn bei den Kindern das
Bedürfnis besteht, ihr durch mentales Operieren erreichtes Ergebnis, nun auch zu kontrollieren.
Durch Handeln mit Material können die Schülerinnen und Schüler bestimmen, ob ihr im Kopf
gefundenes Ergebnis richtig war.
Oft sind kopfgeometrische Aufgaben und die anschließende Beschreibung des Ergebnisses so
umfangreich und komplex, dass sie allein durch Worte kaum vermittelt werden können oder die
Schülerinnen und Schüler Schwierigkeiten haben, alle Informationen der Aufgabenstellung zu
behalten. In diesen Phasen (1 und 3) besteht daher die Möglichkeit, neben der Sprache zusätzli-
che Mittel heranzuziehen. Hilfen können hier die Verwendung von Abbildungen und Modellen
sein oder auch die Andeutung von Umrissen, Formen oder Raumlagen mit den Händen.
79
5.3.4 Zur Auswahl der Unterrichtsinhalte
Ein großer Vorteil, den der Einsatz von Würfelmaterial mit sich bringt, ist der hohe Aufforde-
rungscharakter, den es in sich trägt. Es knüpft an spielerische Erfahrungen der Kinder aus dem
Kindergarten an, in dem sie mit Bausteinen gebaut und experimentiert haben. Zudem eignen
79
Vgl. Senftleben, H.-G. (2003), S.24-27

23
sich die unterschiedlichen Darstellungsweisen von Würfelgebäuden in bester Weise, um durch
einen Wechsel zwischen diesen Darstellungsformen (enaktiv
Æ dreidimensionales Würfelge-
bäude, ikonisch
Æ Schrägbild, symbolisch Æ Bauplan) das räumliche Sehen und schließlich
das räumliche Vorstellungsvermögen nachhaltig zu fördern.
80
Innerhalb der Unterrichtseinheit werden alle drei Subfaktoren des räumlichen Vorstellungsver-
mögens nach THURSTONE (vgl. Kap. 2.1) mitberücksichtigt. Unterrichtsinhalte bzw. Ar-
beitsaufträge werden so gestaltet, dass die Kinder aufgefordert werden, räumliche Objekte ge-
danklich zu reproduzieren, mit ihnen zu operieren und sich im Raum zu orientieren.
Zudem wird darauf geachtet, dass die zu bearbeitenden Aufgaben den Kindern Freiraum zur
räumlichen Vorstellung bieten, indem sie mental Hypothesen bilden, die sie anschließend durch
die konkrete Handlung mit Würfeln überprüfen können, aber nicht müssen. Das Würfelmaterial
wird im Verlauf der Einheit wie es MERSCHMEYER-BRÜWER vorschlägt (vgl. Kap. 5.3.3.1)
zunehmend in den Hintergrund treten, damit die Kinder ausschließlich ihr räumliches Vorstel-
lungsvermögen bemühen und die Aufgaben mental lösen.
Zusätzlich werden kopfgeometrische Aufgaben (vgl. Kap. 5.3.3.2) einbezogen, die je nach Be-
darf, eine Unterrichtsstunde einleiten, auflockern oder abschließen. Dabei werde ich, wie
SENFTLEBEN vorgeschlagen hat, in den Arbeitsphasen 1 und 3 der Kopfgeometrie zusätzliche
Materialien zur Hilfe nehmen (vgl. Anhang D1), um die Kinder nicht zu überfordern.
Die gesamte Unterrichtseinheit lässt sich in drei Themenkomplexe unterteilen. Zunächst sollen
sich die Kinder mit dem Würfelmaterial vertraut machen (Sequenz 1 ­ 2) und ihrer Fantasie und
Kreativität freien Lauf lassen. In dem nächsten Themenkomplex steht das Bauen nach verschie-
denen Vorgaben im Vordergrund. Die Kinder werden behutsam an die unterschiedlichen Dar-
stellungsformen von Würfelgebäuden herangeführt (Sequenz 3 ­ 6) und sollen nach unter-
schiedlichen Vorgaben (mündlich, schriftlich, Schrägbild, Grundriss, Bauplan) Würfelgebäude
bauen. Im letzten Themenkomplex (Sequenz 6 ­ 7) sollen die Kinder alle Darstellungsformen
zueinander in Beziehung setzen und flexibel mit ihnen umgehen können. Auf diese Weise ler-
nen die Kinder den Unterrichtsgegenstand auf allen Darstellungsebenen kennen und können
flexibel zwischen ihnen wechseln. So gelangen die Kinder auf ein höheres Abstraktionsniveau
und erwerben zudem mehr Sicherheit im Wechsel zwischen den einzelnen Stufen.
81
Als Alternative habe ich zunächst überlegt, anstelle der Baupläne schwerpunktmäßig das Spiel
,,Potz-Klotz"
82
und ausschließlich Schrägbilder und die Ansichten dreidimensionaler Würfelge-
bäude in der Unterrichtseinheit zu thematisieren. Ich habe diese Idee jedoch verworfen, da die
Kinder sonst nur auf der enaktiven bzw. ikonischen Ebene aktiv geblieben wären und eine not-
wendige Verzahnung mit der entsprechenden symbolischen Ebene nicht stattgefunden hätte.
80
Vgl. Franke, M. (2007), S.140
81
Vgl. ebd. S.135
82
Vgl. Götze, D.; Spiegel, H. (2006), S.16-19

24
5.3.5 Kompetenzen und Lernziele der Unterrichtseinheit
Durch die Arbeit mit Würfeln im Mathematikunterricht können eine Vielzahl prozess- und in-
haltsbezogener Kompetenzen gefördert werden, die im Kerncurriculum dem Kompetenzbereich
,,Raum und Form" zuzuordnen sind, sowie viele kognitive, affektive, soziale und psychomotori-
sche Lernziele angestrebt werden.
Prozessbezogene Kompetenzen
Kommunizieren/Argumentieren
Die Schülerinnen und Schüler...
· verwenden eingeführte mathematische Fachbegriffe sachgerecht (Würfel, Kante, Ecke,
Fläche, Quadrat).
· beschreiben mathematische Sachverhalte mit eigenen Worten (z.B. Bauen nach münd-
lichen Vorgaben in Partnerarbeit).
· drücken Vermutungen über mathematische Sachverhalte verständlich aus (z.B. Zählweise
erklären, um Anzahl verbauter Würfel zu bestimmen).
· entdecken und beschreiben mathematische Zusammenhänge (z.B. verschiedene Würfelge-
bäude mit gleichen Grundrissen; spiegelgleiche Pentominos aussortieren).
· überprüfen mathematische Aussagen und kennzeichnen sie als richtig oder falsch (z.B. fal-
sche Baupläne kennzeichnen, bei ,,Architekt und Baumeister" ggf. das Gebäude der Nach-
barn korrigieren, Kontrolle durch ausgehängte Lösungszettel).
Darstellen/didaktisches Material verwenden
Die Schülerinnen und Schüler...
· wählen und nutzen geeignete Veranschaulichungsmittel für das Bearbeiten mathematischer
Aufgaben (Würfel).
· finden zu Handlungen und bildlichen Darstellungen eine passende Aufgabe (z.B. geschick-
tes Zählen der Würfel in einem Schrägbild).
Problemlösen
Die Schülerinnen und Schüler...
· bearbeiten vorgegebene Probleme eigenständig (Stationsarbeit, Lerntheke)
· nutzen Lösungsstrategien und beschreiben sie (z.B. mentales Umbauen der Gebäude im
Kopf, um das Zählen der Würfel zu vereinfachen; ,,Draufsicht" zum Zeichnen des Grund-
riss nutzen)
· beschreiben Lösungswege mit eigenen Worten (z.B. Finden aller Pentominos).

25
Inhaltsbezogene Kompetenzen
des Kompetenzbereiches ,,Raum und Form"
Orientierung im Raum
Die Schülerinnen und Schüler...
· orientieren sich im Raum und beschreiben dies mit Begriffen wie links, rechts, vor mir,
hinter mir, neben mir (Bauen nach mündlichen Anweisungen)
· beschreiben Lagebeziehungen in der Ebene und im Raum mit eigenen Worten (über, neben
­ beim Bauen nach mündlichen Anweisungen)
· bauen nach mündlichen, schriftlichen und zeichnerischen Vorgaben (Bauen nach münd-
lichen Vorgaben, Bauplänen und Schrägbildern)
· lösen Aufgaben und Probleme mit räumlichen Bezügen konkret und in der Vorstellung (bei
allen Aufgabenstellungen im Umgang mit Würfeln, z.B. Anzahlen verbauter Würfel ver-
gleichen, Grundrisse zeichnen, Baupläne schreiben)
Körper und ebene Figuren
Die Schülerinnen und Schüler...
· vergleichen Bauwerke mit ihren zwei- und dreidimensionalen Darstellungen (Würfelge-
bäude, Schrägbild, Bauplan)
Flächen- und Rauminhalte
Die Schülerinnen und Schüler...
· bauen aus vorgegebenen Anzahlen von Würfeln verschiedene Würfelgebäude (Pentomino)
Ziele der Unterrichtseinheit
Hauptintention der Unterrichtseinheit
Die Schülerinnen und Schüler sollen ihr räumliches Vorstellungsvermögen (weiter)entwickeln,
indem sie sich handelnd und mental mit Würfelbauten und deren unterschiedlichen zweidimen-
sionalen Darstellungsformen auseinandersetzen und flexibel mit ihnen operieren.
Feinlernziele der Unterrichtseinheit
Kognitive Lernziele
Die Schülerinnen und Schüler sollen...
· möglichst alle zwölf Pentominos entdecken, indem sie probierend oder bereits strategisch
alle Würfelanordnungen finden, die Grundrisse zeichnen und ihnen entsprechend ihrer
Form Buchstabennamen zuordnen.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2007
ISBN (PDF)
9783956848094
ISBN (Paperback)
9783956843099
Dateigröße
6.6 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1
Schlagworte
Piaget Geometrie Thurstone Besuden Raumvorstellung
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Titel: Die Förderung des räumlichen Vorstellungsvermögens durch den handelnden Umgang mit Würfelbauten: Eine Unterrichtseinheit im Mathematikunterricht einer zweiten Klasse
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