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Von technisierten Menschen und vermenschlichter Technik: Zum Verhältnis von Gesellschaft und technologischer Entwicklung in STAR WARS

©2013 Bachelorarbeit 39 Seiten

Zusammenfassung

„A long time ago in a galaxy far, far away“: Vor über 30 Jahren liefen die einleitenden Worte der Science-Fiction-Saga STAR WARS zum ersten Mal über die Leinwände. Als einer der größten Erfolge der Filmgeschichte und Auslöser für eine neue Ära des Filmmarketings hat STAR WARS inzwischen Kultstatus erreicht. Neben der reinen Unterhaltung beschäftigt sich die Saga auch mit dem Verhältnis zwischen Mensch und Technik und zeigt deutliche Parallelen zur Realität. Im vorliegenden Werk soll nun soziologisches Technikverständnis mit dem des Science-Fiction-Filmes verbunden werden und anhand des Beispiels STAR WARS das Verhältnis von Mensch und Technik sowie die steigende Technisierung der Gesellschaft näher betrachtet werden. Neben frühen Ansätzen der Techniksoziologie (Gehlens Mensch als Mängelwesen) werden auch moderne Ansätze besprochen und im Bezug auf STAR WARS analysiert. Der technisierte Mensch und seine Verschmelzung mit der Technik werden ebenso thematisiert wie vermenschlichte Roboter und Droiden, Klone und Cyborgs als Handlungsträger.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


2.2 Frühe Technikansätze

Bereits Arnold Gehlen erkannte, dass der Mensch auf Technik angewiesen ist (1940, 19ff.). Er bezeichnet den Menschen als „Mängelwesen“, dessen Körper im Vergleich zum Tier zahlreiche Defizite aufweist: Seine Instinkte sind unspezialisiert und seine Organe wenig ausgeprägt; er hat kein wärmendes Fell und kann sich weder verteidigen noch angreifen. Ohne Hilfsmittel kann der Mensch nicht überleben: „innerhalb natürlicher, urwüchsiger Bedingungen würde er als bodenlebend inmitten der gewandtesten Fluchttiere und der gefährlichsten Raubtiere schon längst ausgerottet sein“ (ebd., 22). Der Mensch ist also auf Technik angewiesen und braucht Hilfsmittel wie Kleidung, Waffen oder Autos.

Tiere hingegen können in einer bestimmten natürlichen Umgebung überleben. Sie verfügen über spezielle Instinkte, Sinne und Organe, die an ihren jeweiligen Lebensraum angepasst sind. Aufgrund dieser Spezialisiertheit können sie jedoch nur in ihrer festgelegten Umwelt überleben. So würde ein Eisbär im Dschungel nicht lebensfähig sein, da seine Sinne, Organe und Ernährung an das Eis als natürlichen Lebensraum angepasst sind. Mit ihren körperlichen Spezialisierungen sind Tiere dem „unspezialisierten“ Menschen überlegen, weil er nicht von Natur aus mit überlebenswichtigen Fähigkeiten ausgestattet ist (ebd., 22).

Als wichtigster Ausgleich der körperlichen Mängel und somit Überlebenschance des Menschen sieht Gehlen „Arbeitsfähigkeit und Handlungsgabe“ (ebd., 23), also Hände und Intelligenz. Mit Hilfe seiner Hände kann der Mensch Nahrung beschaffen oder Kleidung und Werkzeuge erschaffen. Hierbei spielt vor allem der bewegliche Daumen eine wichtige Rolle, denn er ermöglicht besseres Greifen und somit besseres Bearbeiten von natürlichen Materialien. Mit Hilfe seines Verstandes und seiner damit verbundenen Handlungsfreiheit kann der Mensch sein Überleben sichern.

Aufgrund seiner „Unspezialisiertheit“ verfügt der Mensch über keinen eingegrenzten, natürlichen Lebensraum, sondern kann sich seine Umwelt mit Hilfe technischer Mittel selbst gestalten. Da ihm nicht nur eine Umwelt zur Verfügung steht, sondern viele verschiedene, definiert Gehlen den Lebensraum des Menschen als „Welt“. Aus der Fülle an Umwelten resultiert die notwendige „Weltoffenheit“. Der Mensch kann und muss sich aufgrund seines unspezialisierten Körpers an verschiedene Lebensräume anpassen. Er verändert die Wirklichkeit, damit er überleben kann (ebd., 23).

Gehlen sieht diese Weltoffenheit als Belastung, weil sie unzählige Möglichkeiten bietet und dem Menschen dadurch zahlreiche Entscheidungen abverlangt. Die Aufgabe des Einzelnen ist es nun, diese Reizüberflutung zu bekämpfen: „Aus eigenen Mitteln und eigentätig muß der Mensch sich entlasten, d.h. die Mängelbedingungen seiner Existenz eigentätig in Chancen seiner Lebensfristung umarbeiten“ (ebd., 25). Somit lässt sich erkennen, dass der Mensch zum ständigen Denken und Handeln gezwungen ist, da seine Instinkte und Sinne sein natürliches Überleben nicht sichern. Er muss die Natur verändern und bearbeiten, sodass sie ihm als Lebensraum dient. Daher gibt es keinen richtigen „Naturmenschen“, da der Mensch die natürliche Welt immer verändern muss, um darin zu überleben. Diese vom Menschen bearbeitete Natur wird von Gehlen als „zweite Natur“ oder auch „Kultur“ (ebd., 27) bezeichnet. Sie umfasst alle Produkte, die durch den Menschen erschaffen wurden und nicht von der Natur selbst. Somit steht Kultur im Gegensatz zur Natur, ist jedoch auch eine notwendige Ergänzung, da der Mensch ohne die Bearbeitung der Natur nicht überlebensfähig wäre.

Um Natur in Kultur umzuformen, bedient sich der Mensch der Technik. Diese gleicht die fehlende Ausprägung der Sinne und Instinkte aus und wird als charakteristisches Merkmal des Menschen betrachtet: „Wenn man unter Technik die Fähigkeit und Mittel versteht, mit denen der Mensch sich die Natur dienstbar macht, indem er ihre Eigenschaften und Gesetze erkennt, so gehört sie in diesem allgemeinsten Sinne zum Wesen des Menschen“ (Gehlen, 1957, 8). Am Zwang der Werkzeugherstellung lässt sich erkennen, dass Technik ein wichtiges Mittel für das Überleben des Menschen ist und somit einen prägenden Bestandteil der Gesellschaft darstellt. Technik ermöglicht, Artefakte zu erstellen, die von ihrem natürlichen Zustand weiterentwickelt wurden. So ist der Faustkeil, welcher als erstes Werkzeug des Menschen gilt, nicht nur ein gewöhnlicher Stein: Er wurde vom Menschen so bearbeitet, dass er einen Zweck erfüllt. Er ist verformte Natur und dadurch ein Teil von Kultur. Der Mensch ist also überall dort überlebensfähig, wo er Natur bearbeiten und somit Kultur erzeugen kann. Er verändert seine Umwelt und macht sie „lebensdienlich“ (Gehlen, 1940, 26). Technik stellt daher eine Entlastung für den Menschen dar und ermöglicht ihm das Leben und Überleben.

Gehlen erkannte, dass technische Artefakte den Menschen als Verstärkung, Verlängerung oder Ersatz der Organe dienen (1957, 8). Als „Verstärkungstechniken“ definiert er jene Techniken, die die natürlichen Kräfte und Glieder der Menschen verstärken. Der Faustkeil gilt als Verstärkung der Hände, da er die natürliche Kraft der menschlichen Hand erweitert. Als Weiterentwicklung des Faustkeils ist auch der Hammer eine Organverstärkung, da er stärker ist als die bloße Faust. Er kann außerdem als Organverlängerung der menschlichen Hand gesehen werden. Auch Ruder und Stelzen verlängern Organe, nämlich Arme und Beine. Sie knüpfen an die natürlichen, menschlichen Glieder an und ermöglichen aufgrund der größeren Spannweite ein leichteres und schnelleres Vorankommen. Gleichzeitig verstärken sie somit auch die natürliche Kraft. Auch Fernrohr und Mikroskop gelten als Organverstärkung, da sie die natürliche Sehkraft des Menschen verbessern. Im Normalfall sieht der Mensch in einem bestimmten Bereich gut, mit Hilfe der beiden Erfindungen ist es ihm jedoch auch möglich, extrem weit entfernte und sehr kleine Elemente klar zu erkennen. Die Verstärkungstechniken entlasten somit die Organe, da sie in kürzerer Zeit und mit geringerem Aufwand den gleichen Zweck erfüllen können. Neben der Verstärkung der Organe ist der Mensch in manchen Fällen auch auf Organersatz angewiesen. Als Ersatz der Angriffsorgane hat er Waffen entwickelt, um beispielsweise Nahrung zu beschaffen. Eine technische Erfindung, die sowohl Organersatz, als auch Organentlastung darstellt, ist das Flugzeug: Es ersetzt die Flugunfähigkeit des Menschen und übersteigt außerdem alle möglichen Flugleistungen (ebd, 8).

Laut Gehlen wird Organisches immer stärker durch Anorganisches ersetzt (1957, 9). So treten künstlich erstellte Stoffe an die Stelle natürlicher Materialien und auch die Kraft der Organe wird immer mehr durch die anorganische Kraft, zum Beispiel durch moderne Fortbewegungsmittel, ersetzt. Die steigende Wichtigkeit des Anorganischen setzt sich auch in der modernen Techniksoziologie fort.

2.3 Moderne Technikansätze

Während frühere Positionen der Techniksoziologie den Menschen als Erzeuger der Technik sahen, wird Technik heute als Akteur gesehen. Die Frage nach der technischen Handlungsträgerschaft - inwiefern Maschinen handeln können - rückt somit immer mehr in den Vordergrund. Hier spielt auch die Verteilung des Handelns zwischen Mensch und Maschine eine wichtige Rolle (vgl. Schulz-Schaeffer, 2003).

Durch gesellschaftliche Unsicherheiten, zum Beispiel die steigende Anzahl der Umweltkatastrophen, und den rasanten technischen Wandel versucht die Soziologie, Analysen und Folgeabschätzungen der Technik näher zu betrachten. Durch die ständige Weiterentwicklung der Technik und deren Bedeutung für die moderne Gesellschaft, vor allem im EDV-Bereich, entwickeln sich auch die Ansichten der Techniksoziologie immer weiter. Die heute vorherrschenden Standpunkte reichen von Technikdeterminismus bis zu Sozialkonstruktivismus. Ersterer geht davon aus, dass die vorhandene Technik die Gesellschaft prägt und somit sozialen Wandel vorantreibt. Die unterschiedlichen Ausprägungen des Technikdeterminismus sehen Technik einerseits als Möglichkeit des Fortschrittes, andererseits aber auch als Gefahr für die Gesellschaft: Der Mensch sei von der Technik beeinflusst, übe jedoch seinerseits keinen Einfluss auf die technische Entwicklung aus (Degele, 2002, 24f.). Dieser Standpunkt spricht der Technik eine vom Menschen unabhängige Eigendynamik zu, denn die Maschine hat ein eigenes Leben, welches nicht vom Willen des Menschen gesteuert werden kann (Ruge, 2012, 22). Im Sinne des Technikdeterminismus entwickeln sich Menschen mit ihren Technologien weiter. Der amerikanische Soziologe William Ogburn prägte den Begriff des „Cultural Lag“ (1969, 134), der beschreibt, dass die Gesellschaft ihren technischen Innovationen hinterherhinkt, da sich die Lebens- und Sichtweisen der Menschen erst an die neuen Technologien anpassen müssen.

Dem Technikdeterminismus steht der Sozialkonstruktivismus gegenüber. Dieser sieht Technik als „Mittel zur Realisierung sozialer Zwecke“ (Degele 2002, 35) und als eine Art Lebensform. Vertreter dieses Standpunktes betonen, dass Technik nicht ohne den Menschen existieren kann, da sie eingerichtet und gepflegt werden muss. Technik wird also nicht mehr als künstliches Instrument einer Zweck-Mittel-Verbindung gesehen, sondern als eine Art Lebensform: „We do not use technology as much as we live them“ (Winner 1986, 11f; zit. nach Degele, 2002, 38; Hervorh. i.O.).

Zwischen den beiden Ausprägungen der Techniksoziologie beschreibt Rammert den Technopragmatismus, welcher die Verbindung von Technik und Gesellschaft erkennt und die Beziehungen, die sich aus diesem Zusammenspiel ergeben, analysiert (2007, 34). Somit werden die Beziehungen zwischen Menschen („Interaktion“), technischen Objekten („Intra-Aktion“) und ebenso zwischen Mensch und technischem Objekt („Interaktivität“) näher betrachtet. Alle drei Arten von Beziehungen beeinflussen die Gesellschaft. „Interaktionen“ zwischen Menschen bleiben grundsätzlich gleich, entwickeln sich jedoch durch neue Technologien, wie soziale Netzwerke, weiter. Bei der „Intra-Aktion“ lassen sich feste Abläufe (Start einer Rakete) und anpassungsfähige Abläufe (Kommunikation zwischen Robotern) unterscheiden. Die „Interaktivität“ zwischen Mensch und Maschine rückt immer mehr in den Vordergrund. Benutzt ein Mensch einen Hammer, so tritt er in eine unmittelbare Beziehung mit der Technik, weil er den Hammer mit seiner eigenen Hand hält. Steuert der Mensch jedoch über einen Computer eine technische Maschine, so tritt er in eine mittelbare Beziehung mit der Technik. Der Computer ist in diesem Fall der Vermittler zwischen Mensch und technischem Objekt. Die Technik steht also nicht im Gegensatz zum Menschen, sondern ist ein Instrument, damit er mit anderen künstlich erschaffenen Technologien kommunizieren kann.

Für die Frage nach der Handlungsträgerschaft der Technik spielt die „Akteur-Netzwerk-Theorie“, geprägt von Bruno Latour, eine wichtige Rolle. Sie schreibt der Technik die Möglichkeit zum Handeln zu. Dieser Standpunkt spricht der Maschine also eine Fähigkeit zu, die zuvor dem Menschen vorbehalten war. Der Mensch handelt nun nicht mehr alleine, sondern interagiert mit der Technik. Sein Handeln ist in ein Netzwerk eingebunden (vgl. Ruge, 2012, 31). Die Theorie beschränkt sich jedoch auf zweckrationales Handeln und lässt emotionales außer Acht (Degele, 2002, 140). Daher spielt sie vor allem für die Robotik eine wichtige Rolle, da hier der Mensch in direkten Kontakt mit einer handelnden Maschine tritt und die beiden sich somit in einem gemeinsamen Netzwerk befinden. Dem Roboter wird grundsätzlich jedoch nur zweckrationales - und kein emotionales - Handeln zugeschrieben. Die „Akteur-Netzwerk-Theorie“ wird oftmals kritisiert, da sie jeden Gegenstand zum (zumindest eingeschränkten) Handeln befähigt.

Auch Schulz-Schaeffer beschäftigt sich mit der technischen Handlungsträgerschaft (2003, 9ff.). Er beschreibt sie als „Resultat der Übertragung geläufiger Deutungsmuster des sozialen Lebens auf technische Artefakte“ (ebd., 9). Während frühere Ansichten der Soziologie der Technik keine Handlungsfähigkeit zuschreiben, erläutert Schulz-Schaeffer, warum Maschinen als handelnde Objekte verstanden werden können: Die Beziehung zwischen Mensch und Technik beruht auf Gegenseitigkeit. Jedes Werkzeug bewegt sich in eine bestimmte Richtung oder führt eine bestimmte Bewegung aus, an die sich der Mensch anpassen muss. Auch wenn der Mensch das Werkzeug steuert, muss er es dennoch auf eine bestimmte Art verwenden. Des Weiteren argumentiert Schulz-Schaeffer, dass sich Handeln im weiteren Sinne mit gesellschaftlichen Gewohnheiten, Erwartungen und Routinen beschäftigt. Da es sich bei technischen Hilfsmitteln ebenfalls um Objekte handelt, denen ein bestimmter Zweck und somit eine bestimmte Routine zugeschrieben wird, kann Technik in dieser Hinsicht als handlungsfähig betrachtet werden. Bei der Verwendung eines Hammers muss beispielsweise beachtet werden, wie er gehalten wird und wie die Bewegung ausgeführt werden soll, um ein optimales Ergebnis zu erzielen. Neben den bereits erwähnten Argumenten spielt auch die Entwicklung interaktiver Programme eine Rolle für die Handlungsträgerschaft der Technik. Innovative Technik wird so programmiert, dass sie mit dem Menschen kommunizieren kann und daher als handlungsfähiges Instrument angesehen wird. Hochentwickelte Maschinen können im Gegensatz zu einfachen Maschinen besser auf Veränderungen reagieren und somit selbstständiger handeln.

In seinem Diskurs betont Schulz-Schaeffer auch, dass die Art des Handelns definiert werden muss, um Aufschluss über den Grad der Handlungsfähigkeit der Technik zu geben. Er unterscheidet hierbei drei Ebenen des Handelns. Auf der untersten Ebene beschreibt er den Begriff nach dem Alltagsverständnis der Menschen: Jemand handelt, sobald er einen Zustand verändert. In diesem Sinne kann behauptet werden, dass auch Maschinen handeln können, da sie darauf programmiert sind, bestimmte Befehle auszuführen und somit einen Ist-Zustand zu verändern. Schwieriger wird es auf der zweiten Ebene, denn hier beschreibt Schulz-Schaeffer Handeln als „Fähigkeit, auch anders handeln zu können“ (ebd., 15). Somit wäre eine Maschine nur handlungsfähig, wenn sie auf Veränderungen reagieren und dadurch Befehle auch alternativ ausführen kann. Muss sie sich jedoch streng an ein Programm halten und ist nicht fähig, anders zu handeln, kann ihr in diesem Sinne keine Handlungsfähigkeit zugesprochen werden. Es gibt aber Maschinen, die aus bereits durchgeführten Abfolgen lernen können und somit beschränkt handlungsfähig sind, weil sie Programme oder Befehle – zumindest beim nächsten Mal – besser ausführen können. Auf der dritten Ebene des Handelns nennt Schulz-Schaeffer die „Intentionalität des Handelns“ (ebd., 16), also die Möglichkeit, das Handeln zu erklären. Intentionales Handeln erfordert ein Bewusstsein, denn die Handlung wird nicht mehr nur ausgeführt, sondern ist überdacht und hat einen Sinn. Heute gibt es bereits Maschinen, die dank ihrer Programmierung so wirken, als würden sie nicht mehr nur ausführen, sondern als könnten ihr Handeln auch erklären. Somit wären sie handlungsfähig.

2.4 Betrachtungen von Robotern und Cyborgs

Die Robotik beschäftigt sich mit künstlicher Intelligenz und eingeschränkter Handlungsträgerschaft. Laut Ruge können Roboter menschenähnlich sein, verfügen jedoch über kein oder nur eingeschränktes Bewusstsein (2002, 37ff). Ihre Aufgabe ist es, bestimmte Arbeiten auszuführen. Sie wurden als Unterstützung und Hilfe für den Menschen gebaut und sollen grundsätzlich Arbeiten vom Menschen übernehmen beziehungsweise solche Aufgaben ausführen. Dabei sollen die Roboter ihre Aufgaben so autonom wie möglich ausführen. Die ersten Roboter, die in den 1960er Jahren gebaut wurden, konnten meist nur eine bestimmte Aufgabe ausfüllen und waren zudem unbeweglich. Gegen Ende der 1960er Jahre entstand eine neue Generation von Robotern, diese konnten bereits mehrere Aufgaben bewältigen und waren beweglich. Es gibt verschiedene Arten von Robotern, unter anderem Industrieroboter und Serviceroboter. Erstere werden im Arbeitsbereich eingesetzt und sollen menschliche Arbeitskräfte ersetzen. Die zweite Gruppe kommuniziert mit dem Menschen und unterstützt ihn in sämtlichen Bereichen. Durch die nötige Kommunikation mit dem Menschen sind sie intelligenter als Industrieroboter. Ruge beschreibt neben diesen beiden Gruppen auch noch persönliche Roboter, die ähnliche Aufgaben übernehmen wie die Serviceroboter, jedoch meist menschlicher gestaltet sind.

Obwohl die Roboter Tätigkeiten des Menschen übernehmen sollen, können sie diesen dennoch nicht ersetzen, da ihnen menschliche Charakteristika wie Gefühle, Emotionen und ein Seelenleben fehlen. Hierbei bezieht sich Ruge (2012, 51) auf Novalis, welcher beschrieb, dass sich der Mensch durch sein Innenleben auszeichnet, also durch seine Seele und die Möglichkeit, seine Welt gestalten zu können. Für die Gestaltung der Lebenswelt bedient sich der Mensch der Technik. Im Gegensatz zu technischen Geräten ist sein Inneres mit einem Bewusstsein ausgestattet. Dennoch ist er auf Technik angewiesen, um sein Leben zu gestalten. Hierbei zeigen sich Parallelen zu Gehlens früher Beschreibung der „Weltoffenheit“. Auch er spricht bereits von der Wichtigkeit der Technik, um die Natur zu bearbeiten und somit überleben zu können.

Diese technische Notwendigkeit wird auch von Donna Haraway in ihrem Diskurs über die fortschreitende „Cyborgisierung des Menschen“ thematisiert (1995, 33). Sie beschreibt die Verschmelzung von Mensch und Maschine, wie sie in Science-Fiction-Filmen schon lange bekannt ist: „Cyborgs sind kybernetische Organismen, Hybride aus Maschine und Organismus, ebenso Geschöpfe der gesellschaftlichen Wirklichkeit wie der Fiktion“ (ebd., 33). Laut Haraway seien alle Menschen hybride Wesen, da sie ohne technische Hilfsmittel nicht überleben können. In diesem Sinne würde auch das Verwenden eines Werkzeugs, Computers oder Smartphones den Menschen zu einem Mischwesen machen.

Um den Begriff daher besser definieren zu können, entwickelte Dierk Spreen ein „Reglermodell“, um den Grad der Cyborgisierung festzustellen (2010, 168ff.). Dieses Modell umfasst einen Schieberegler, der den Körper zwischen lowtech und hightech einordnet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Reglermodell nach Dierk Spreen (2010, 170)

Auf der einen Seite des Spektrums (lowtech) stehen Technologien, die dem Menschen nahe sind, wie zum Beispiel Mobiltelefone, Laptops oder MP3-Player. Sie werden zu wichtigen Bestandteilen des Lebens, dennoch existiert eine Grenze zwischen dem Körper und den technischen Elementen, da diese nicht im Inneren des Menschen sind. Auf der anderen Seite des Spektrums (hightech) befinden sich jene Technologien, die dem Menschen eingepflanzt werden, wie zum Beispiel Prothesen oder Herzschrittmacher. Diese Objekte werden in den Körper integriert und sind somit Bestandteil des Menschen. Zwischen lowtech und hightech befindet sich die Hautgrenze; wird diese überschritten, „wird aus dem Menschen ein menschlicher Cyborg“ (ebd., 170). Spreens Modell widerspricht Haraways These, da nun nur von einem kybernetischen Organismus gesprochen wird, wenn der Körper von innen her technisiert wird, zum Beispiel durch den Ersatz oder die Erweiterung der inneren Organe. In Anlehnung an Gehlen beschreibt Spreen, dass auch ein Mensch mit einem technischen Körper immer noch ein Mensch ist und thematisiert die Stellung des Menschen als Mängelwesen und die damit verbundene notwendige Weltoffenheit. Laut Spreen beschränkt sich die Weltoffenheit nicht nur auf die Anpassung an verschiedene Lebensräume, sondern auch an unterschiedliche Gestalten (ebd., 173). Wie der Mensch aussieht, ist also genauso ihm überlassen wie die Wahl seines Wohnortes. Dadurch kann der Mensch seine Organe erneuern oder verändern, ohne seine Zugehörigkeit zu verlieren. Neben notwendigem Organersatz, beispielsweise einem Herzschrittmacher, zeigt Spreen weitere Möglichkeiten auf, wie der Mensch in Zukunft durch neue Sinne oder Organe noch technisierter werden könnte. So könnte der Mensch mit einem Spürsinn für Strahlungen oder neuen Atemfähigkeiten, die das Leben unter Wasser ermöglichen, ausgestattet werden. Außerdem könnten Werkzeuge und Waffen in den Körper integriert werden. Diese futuristischen Veränderungen gibt es bisher jedoch nur im Science-Fiction-Film.

Der Cyborg verfügt im Gegensatz zum Roboter (zumindest teilweise) über menschliche Organe und einen Verstand, wodurch er frei handeln kann. Er ist also ein Mensch, der technisch erweitert wurde, jedoch immer noch über jene Eigenschaften verfügt, die ihn zu einem menschlichen Wesen machen.

3. Science-Fiction und Star Wars: Ein Überblick

Um das Verhältnis von Mensch und Technik näher zu betrachten, wird das Science-Fiction-Genre herangezogen, da das Zusammenspiel von Gesellschaft und technischem Fortschritt eines der wesentlichen Elemente dieses Genres ist. Science-Fiction war zuerst in der Literatur bekannt, inzwischen ist der Film jedoch die bekannteste Form. Als Filmgenre hat es vor allem in den 1970er Jahren durch Star Wars oder Star Trek wieder an Bedeutung gewonnen. Dieses Kapitel versucht einerseits, Science-Fiction zu definieren und gibt andererseits einen kurzen Überblick über die Weltraumsaga Star Wars, welche als eines der bekanntesten Werke des Genres gilt und in späterer Folge den empirischen Teil dieser Arbeit darstellen wird.

3.1 Was ist Science Fiction?

Zunächst muss angemerkt werden, dass es keine genaue Definition von Science-Fiction gibt, sondern viele verschiedene, die sich jeweils auf bestimmte Merkmale konzentrieren. So gibt es Definitionen, die den wissenschaftlichen Charakter in den Vordergrund stellen, andere wiederum beziehen sich verstärkt auf die in eine fantastische Welt versetzte Handlung. Eine Definition, die beide Elemente anspricht, findet sich bei Fuhse. Er beschreibt Science Fiction als eine „in eine andere Zeit verlagerte, auf ein fiktives technisch-wissenschaftliches Novum bezogene, unterhaltsame Abenteuergeschichte in einem neuen Raum“ (Fuhse, 2008, 21). Science-Fiction-Filme handeln unter anderem von fantastischen Reisen (oftmals auch Zeitreisen), futuristischen oder verlorenen Welten, Weltraum-Kriegen, Helden sowie Robotern, Androiden und Cyborgs (Nagl et al., 1983, 263).

Die Filme spielen in hochentwickelten Welten (hauptsächlich im Weltraum), deren technischer Fortschritt jedoch nicht jenen der Wirklichkeit wiedergeben muss. Oftmals handelt es sich um Technologien, die in der realen Welt (noch) nicht existieren, wie zum Beispiel das Reisen mit Lichtgeschwindigkeit oder die Verschmelzung von Mensch und Maschine in Form der Cyborgisierung. Science-Fiction versucht, einen Realitätsbezug zur Wissenschaft herzustellen, da auch Techniken, die es in der realen Welt nicht gibt, plausibel und logisch beschrieben werden. Dadurch orientiert sich die Science-Fiction am modernen Stand der Wissenschaft und entwickelt sich mit diesem weiter. So wie auch die Wissenschaft immer neue Erkenntnisse gewinnt, verändert sich auch die Technik in den Filmen. Daher wirken Werke, welche zum Beispiel in den 1960er Jahren entstanden sind, teilweise veraltet, da die Technik, die damals noch als Fiktion galt, heute womöglich schon alltäglich geworden ist.

Science Fiction eignet sich für die Betrachtung von Mensch und Technik, da das Genre aufgrund seines Bezugs zur Realität gezwungen ist, sich weiter zu entwickeln. Außerdem reflektiert das Genre auch die Stellung der Menschheit gegenüber der Technik. Auch in der Welt der Science-Fiction zeigt sich einerseits blinder Technikglaube, andererseits auch komplette Ablehnung von Technik (vgl. Ruge, 2010, 36). Charaktere in den Filmen verhalten sich wie Menschen im wahren Leben – einige vertrauen der Technik, andere misstrauen ihr. Bei Science-Fiction-Filmen handelt es sich daher nicht nur um spannende Heldengeschichten und den ewigen Kampf zwischen Gut und Böse, sondern auch um einen Versuch, Wissenschaft plausibel und realitätsnah zu erklären und somit die Zuseher in eine andere (dennoch logisch aufgebaute) Welt zu bringen.

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Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2013
ISBN (PDF)
9783956847721
ISBN (Paperback)
9783956842726
Dateigröße
722 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1
Schlagworte
Techniksoziologie Völker Filmanalyse Star Wars Technologie Droide

Autor

Isabella Preuer, B.A., wurde 1990 in Linz geboren. Sie schloss ihr Studium der Angewandten Kulturwissenschaft im Jahre 2013 mit dem Bachelor of Arts ab. Zur Zeit studiert sie „Medien, Kommunikation und Kultur“ sowie „Anglistik und Amerikanistik“ an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt. Während ihres Studiums konnte sie ihr großes Interesse für Film mit fundiertem Wissen erweitern und beschäftigt sich neben der theoretischen Auseinandersetzung auch mit der Produktion von Filmen.
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