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Sozial Management und Ethik: Sozialmanagement im Spannungsfeld zwischen Ethik der Sozialen Arbeit und wirtschaftlichem Handeln

©2008 Masterarbeit 155 Seiten

Zusammenfassung

Sozialmanagement entspringt einer Epoche, in welcher die Werte der Sozialen Arbeit mit herrschenden wirtschaftlichen Werten wie Nutzenmaximierung, Effizienz und Effektivität mannigfach gebraucht und ausgetauscht werden. Deshalb besteht zwischen wirtschaftlichem Handeln und sozialarbeiterischer Ethik eine Ambivalenz, in der Sozialmanagement sich spektakulär bewegt. Die Werte des Managements, historisch betrachtet, entstanden aus utilitaristischen Grundsätzen und diejenigen der Sozialen Arbeit; sie verfolgen die Gedanken des individuellen Wohls und des Gemeinwohls sowie die sozialethischen Grundsätze. Diese unterschiedlichen Herangehensweisen der beiden Professionen und Disziplinen sind eine Erklärung für diesen Spagat.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


2.5 Konklusion

Das Sozialmanagement kann dann wirtschaftlich handeln, wenn es die herrschenden Werte der subjektiven Nutzenmaximierung oder der Effizienz und Effektivität erkannt und begriffen hat. Es wird sich immer zwischen verschiedenen Wertesystemen bewegen und entscheiden müssen, wenn es keine eigene Ethik entwickelt. Wie Arthur Rich vorschlägt, ist eine neue Ethik notwendig für die Sozialwirtschaft, das Wirtschaftsethos und den Wirtschaftshaushalt, um eine „wirtschaftliche Handlungsmaxime“ zu entwickeln. Die Frage bleibt offen, wer mit dieser Reform beginnen muss. Kann das so interpretiert werden, dass sich die Reform des Sozialmanagements in der Rolle eines Gerechtigkeitsmanagements vollzieht?

Zuallererst sollte geklärt werden, was mit Reform in diesem Zusammenhang gemeint ist. In der englischsprachigen Literatur wird Sozialmanagement oft für „social reform“ verantwortlich gemacht. Sind Gerechtigkeitsmanagement und „social reform“ tatsächlich die neuen Aufgaben des Sozialmanagements, braucht es einen eigenständigen Kodex für sein Handeln. „Social reform” wird in der Literatur definiert als „activity designed to rearrange social institutions or the way they are managed to achieve greater social justice or other desired change. The term is most often applied to efforts to eliminate corruption in government or structural inequities such as institutional racism.“ (Barker 1999, S. 452).

Dies kann so interpretiert werden, dass das Sozialmanagement diejenige Profession ist, die eigentlich die Verantwortung für ihre Handlungen tragen sollte. Es ist zu erwähnen, dass das Sozialmanagement kein großes Repertoire an Gerechtigkeitsmodellen hat, an denen es sich bedienen könnte und mit denen es darüber hinaus gegen verschiedene korrupte Systeme und Organisationen ankämpfen könnte. Das Modell von John Rawls ist eines von wenigen Modellen, das erstens die utilitaristischen Modelle begründet, entgegentritt und zweitens eine Chancengleichheit für alle gesellschaftlich Beteiligten vorsieht.

Diese Vorstellungen müssen nun mit den Ideen der Auftraggebenden unter einen Hut gebracht werden. Die Auftrag- bzw. Geldgebenden haben oft klare Vorstellungen von Ethik und ethischem Handeln und ein eigenes Verständnis dafür. In ihrer Funktion als Leistungsauftragspartner bleibt der Handlungsspielraum für das Sozialmanagement sehr klein. Trotzdem müssen auch hier die Rahmenbedingungen genutzt werden, um die Handlungen verantwortungsvoll zu gestalten.

In der Realität ist es die Aufgabe des Managements, einerseits das Überleben der sozialen Institutionen und Arbeitsplätze zu sichern und andererseits sozialwirtschaftlich zu handeln. Genau an diesem Punkt fängt die Schere des Gerechtigkeitsverständnisses an auseinanderzuklaffen, und die Auseinandersetzung und Schwierigkeit des Gerechtigkeits­managements als Aufgabe der Managerin und des Managers mit Mitarbeitenden, aber auch mit sich selbst und mit der eigenen Ethik beginnt.

Im nächsten Kapitel werde ich aufzeigen, wie es überhaupt möglich ist, mit Berufsmoral und Hilfeverständnis eines Sozialarbeiters oder einer Sozialarbeiterin als Manager bzw. Managerin wirtschaftlich zu handeln. Hat Soziale Arbeit überhaupt etwas mit Sozial­management zu tun? Was verbindet die beiden Aufgabenbereiche?

3 Von der Berufsmoral der Sozialen Arbeit zum Sozialmanagement

„Ob die Welt gerecht sei, könne er nicht sagen,

aber es mache die Würde des Menschen

aus, sich dafür einzusetzen, dass

seine Verhältnisse gerecht

würden“ (A. Camus)

In diesem Kapitel soll die Verbindung zwischen Sozialer Arbeit als Disziplin und dem Sozialmanagement aufgezeigt und zur Diskussion gestellt werden. Außer Acht gelassen werden die Entstehung der Sozialen Arbeit und ihre Ziele während des letzten Jahrhunderts. Aus historischer Perspektive betrachtet, wurde immer unterschieden zwischen Sozialarbeit und Sozialpädagogik. Dies, weil sich die Wurzeln der Sozialarbeit in der Herausbildung der Sozialhilfe und der klassischen Wohlfahrtspflege befinden. Sozialpädagogik hingegen steht für Jugendhilfe und Jugendpflege (vgl. Thole 2002, S. 14). Dieser Unterschied zwischen Sozialarbeit und Pädagogik macht die Managementarbeit nicht einfacher; Sozialmanagement versteht sich als Überbegriff für diese und weitere Tätigkeiten in der Sozialen Arbeit.

3.1 Berufsethik der Sozialen Arbeit

Nach den generellen Begriffserklärungen von Moral und Ethik sowie Ethos im Kapitel 2 wird nun untersucht, wodurch sich berufliche Moral prinzipiell auszeichnet. Danach soll die Debatte in der Sozialen Arbeit angeschaut werden.

Zunächst werfen wir einen Blick auf die jüngste Definition von Sozialer Arbeit des International Federation of Social Workers (IFSW) in Montreal im Jahr 2000: „Soziale Arbeit ist eine Profession, die sozialen Wandel, Problemlösungen in menschlichen Beziehungen sowie Ermächtigung und Befreiung von Menschen fördert, um ihr Wohlbefinden zu verbessern. Indem sie sich auf Theorien menschlichen Verhaltens sowie sozialer Systeme als Erklärungsbasis stützt, interveniert Soziale Arbeit im Schnittpunkt zwischen Individuum und Umwelt/Gesellschaft. Dabei sind die Prinzipien der Menschen­rechte und sozialer Gerechtigkeit für die Soziale Arbeit von fundamentaler Bedeutung.“ (Staub-Bernasconi in: Thole 2002, S. 256).

Die Profession der Sozialen Arbeit habe das gesellschaftliche Mandat zur Verrichtung besonderer Leistungen der Problembewältigung und „zur Verwaltung ihr übertragener besonderer gesellschaftlicher Werte“ (Schütze in: Kutscher 2003, S. 32).

Die gesellschaftlichen Modernisierungsprozesse verursachen einen Funktionsverlust von Moral und eine Änderung in Ethik der Sozialen Arbeit und deren Berufe. Das Sozialmanagement kann als Folge dieser Modernisierung erklärt werden und seine Handlungen, wie beispielsweise Kundenzufriedenheit, müssen gestaltet werden aufgrund der Menschenrechte und der sozialen Gerechtigkeit. Nicht ohne Grund versucht die Soziale Arbeit ihre Tätigkeiten zu professionalisieren und für ihre Disziplin einen eigenen Berufskodex zu entwickeln. Die Professionalisierungsgeschichte der Sozialen Arbeit vollzog sich aufgrund der Expansion der Aufgaben im Sozialen. Soziale Arbeit als Profession hat eine Berufsmoral, welche ihre Handlungen leitet. Die Entwicklung der Sozialen Arbeit von der Intervention zur Prävention gab der Profession eine große Bedeutung in der Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit und Berufsmoral (vgl. Thole 2002, S. 17). In der Schweiz gibt es einen Berufskodex der Sozialen Arbeit. Darunter werden die Handlungen der Sozialarbeit, Pädagogik und soziokulturelle Animation thematisiert und leitfadenartig begründet. Da Soziale Arbeit einen Anspruch auf Profession hat, muss per Definition eine Ethik spezifiziert auf Soziale Arbeit innerhalb der Profession entwickelt werden. Profession wird im „Social work Dictionary“ definiert wie folgt: „a group of people who use in common a system of values, skills, techniques, knowledge, and beliefs to meet a specific social need. The public comes to identify this group as being suited to fulfil the specific need and often gives it formal and legal recognition through licensing or other sanctions as the legitimate source for providing the relevant service. The group enhances its public credibility by expanding its skills and values, ensuring that its members comply with its established standards, and making public the actions it takes to reach these goals.“ (Barker 1999, S. 379).

Susanne Manning schreibt in ihrem Buch „The Social Worker as Moral Citizen“ (vgl. Barker 1999, S. 378), dass in der Sozialen Arbeit versucht wird, eine Klientel in einem Wertesystem, das der sozialarbeiterischen Moral näher ist, zu adaptieren. „A social worker assumes this responsibility when he or she helps client system change the structures of oppression to structures more congruent with social work values. The worker regards self-determination and informs consent as paramount obligations to the client.”

Das Verständnis der Sozialen Arbeit von der Berufsmoral basiert auf dem Grundsatz der Vereinten Nationen von 1994, der den Berufskodex der Sozialen Arbeit wie folgt beschreibt: „[...] der Dienst gegenüber den Menschen [steht] höher als die Loyalität zur Organisation (United Nation 1994).“ (Staub-Bernasconi in: Thole 2003, S. 253).

3.2 Ethik und Hilfeverständnis als Tradition der Sozialen Arbeit

Die Ethik der Sozialen Arbeit hat unterschiedliche Wurzeln. Eine dieser Wurzeln wurde bestimmt von der abendländischen Grundhaltung und geprägt durch zwei große Denkfundamente, namentlich die Gleichheit und die Rationalität. Die soziale Hilfe war auch in der hebräischen Bibel geregelt: „Das Volk wird dazu angehalten, dass es angesichts des Elends die ’Hand nicht verschließt’ und das ’Herz nicht verhärtet’.“ (5. Mose 15:7–11 in: Mührel 2003, S. 16). Damit wurden im antiken israelischen Gemeinwesen konkrete soziale Maßnahmen für Witwen, Waisen, Untergebene, Unterprivilegierte, aber auch für Sklaven und für die nichtjüdische Bevölkerung umgesetzt.

Diese Grundgedanken und ethischen Haltungen prägten die Grundsätze der Sozialen Arbeit. Ein Beispiel für die Veränderungen in der Lehre der Sozialen Arbeit (ca. 1893) und deren Grundhaltung nannte Jeanette Schwerin, Berufsgründerin für die professionelle Soziale Arbeit in Deutschland. Sie betonte, dass sich die früheren Aufgaben verschoben hätten, von der Barmherzigkeit zur Gerechtigkeit, von der Armenpflege zur sozialen Hilfe. Schwerin führte weiter aus: „Die Not unserer Zeit ist weniger eine Not des Einzelnen als eine Not ganzer Klassen.“ (Mührel 2003, S. 22).

Alice Salomon hat vor mehr als 100 Jahren gesagt, „dass unser Wirtschaftsleben nicht auf dem Gefühle der Nächstenliebe aufbaut, sondern […] den Schwachen zu Tode hetzt. Vielleicht wird dann in ihnen das Gefühl […] der Hilfsbereitschaft lebendiger werden, als wenn man ihnen ausschließlich ’Werke der Nächstenliebe’ zeigt und an ihre Barmherzigkeit appelliert, wo sie Bürgerpflichten zu erfüllen haben.“ (ebd.). Diese Feststellung könnte von heute sein. Daran merkt man, dass die rasanten Veränderungen viele neue Nachteile mit sich gebracht haben. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass sich einer der wichtigsten biblischen Schwerpunkte, die Selbstachtung und Würde von Hilfssuchenden, als oberstes ethisches Prinzip empfiehlt. Die Grundsätze abendländischer Denkepochen, d. h. der biblischen wie griechischen Ethik, haben einen großen Einfluss ausgeübt auf den „Code of Ethics“ der Berufsordnung der Sozialen Arbeit (ebd., S. 25).

In der Ethik der Sozialen Arbeit, wie sie Staub-Bernasconi beschreibt, werden Hilfe und Macht als zwei höchst unterschiedliche, aber auch widersprüchliche bis unvereinbare Sachverhalte gedeutet. Die Ethik gilt es, gemäß dem Professionsverständnis der Sozialen Arbeit zunächst „im Rahmen einer professionellen, demokratischen Arbeitsbeziehung offen zu thematisieren, wenn nötig zu problematisieren und oft zu kombinieren. Darüber hinaus kann sie Hilfe und allerdings auch individuelle und kollektive Ermächtigung (Empowerment) im gekonnten Umgang mit Machtstrukturen bedeuten. Macht ist nur dann hilfreich, wenn sie die Bedürfnisbefriedigung und Wunscherfüllung von Individuen nicht behindert, sondern unterstützt und zugleich fair begrenzt.“ (Thole 2003, S. 254).

Die Ethik der Sozialen Arbeit nach Thomas Olk ist geprägt von einem doppelten bzw. dreifachen Mandat, wie Staub-Bernasconi bemerkt: „Das Spannungsfeld zwischen Hilfe und Kontrolle ist durch den gesellschaftlichen Auftrag Sozialer Arbeit bedingt, der einerseits die Befriedigung gesellschaftlicher Interessen und andererseits die Beantwortung individueller Bedürfnisse verlangt. Konkret bedeutet dies, dass die Kontrollfunktion Sozialer Arbeit das Verhindern bzw. die Sanktionierung sozialdevianten[1] Verhaltens enthält mit dem Ziel, gesellschaftliche Koexistenz zu ermöglichen. Die Hilfefunktion hingegen bedeutet die Unterstützung des Individuums in seinen Bemühungen, die Autonomie seiner Lebenspraxis wiederzuerlangen.“ (Kutscher 2003, S. 39). Dass die beiden Situationen sich oft konträr gegenüberstehen, ist ein Teil der Profession der Sozialen Arbeit, welcher als drittes Mandat (Trippelmandat) definiert wird. Als solches spricht Staub-Bernasconi von der Profession der Sozialen Arbeit und ihrer Ethik, die sie verpflichtet, professionell zu handeln, und die durch die beiden Mandate hervorgerufene widersprüchliche Situation gesellschaftlich, aber auch für die Klientel zu managen.

In der Frage nach der Funktion der Hilfe in Sozialer Arbeit bekräftigt Hillebrandt, „dass das gesellschaftliche Bezugsproblem, also die Funktion sozialer Hilfe, eng mit dem typischen modernen Verhältnis von Menschen und Gesellschaft zusammenhängt, was im Vergleich zur vormodernen Gesellschaft kompliziert und vielschichtig geworden ist“. (Hillebrandt in: Thole 2003, S. 220). Hier wird einmal mehr deutlich, dass der Wertewandel nicht nur auf die Arbeit einen Einfluss ausübt, sondern auch die verschiedenen Bedeutungen und Definitionen der einzelnen Bereiche der Professionen, also der sozialen Hilfe, semantisch ändern kann. Im nächsten Abschnitt wird der Zusammenhang untersucht zwischen den beiden selbstständigen Berufen Soziale Arbeit und Sozialmanagement. Untersucht werden soll, ob sich ein Paradigmenwechsel vollzogen hat, und wenn ja, ob dieser abgeschlossen ist.

3.3 Von der Sozialen Arbeit zum Sozialmanagement – ein Paradigmenwechsel?

Das Berufsfeld der Sozialen Arbeit sowie des Sozialmanagements ist breit gefächert. Möglich ist die Leitung in einer sozialen Institution oder in einer Abteilung eines Industrieunternehmens. Soziale Arbeit hat im Laufe der letzten hundert Jahre, d. h. mit der gesellschaftlichen Entwicklung, kontinuierlich neue Aufgaben erhalten, und diese wachsen mit beinahe jeder Veränderung, sei es im Bereich Behinderung, Jugend, Alter oder Migration. Schon seit der Industrialisierung bekämpft die Soziale Arbeit Erwerbslosigkeit, Armut, Binnenmigration sowie den Wertewandel von Arbeit und Wohlfahrt. Sie hat nicht nur neue Aufgaben erhalten, sondern sich auch mit den Folgen der gesellschaftlichen Phänomene beschäftigt. Dies nicht, weil es wenig zu tun gäbe, sondern weil für sie das Wohl der Gemeinschaft im Vordergrund steht. Der Zuwachs dieser Aufgaben und die damit verbundene Komplexität aufgrund der permanenten Erweiterung der Gesetzesgrundlagen erfordern neue Koordinationen, Finanzierungskompetenzen und Steuerungswissen der Institutionen, welche die Soziale Arbeit mit ihrer Grundausbildung nicht oder sehr schwer zu managen weiß.

Deshalb und aus vielen weiteren Gründen hat die Soziale Arbeit im engeren Sinn etwas mit Sozialmanagement zu tun. Es übernimmt die Führung, Leitung und Steuerung der sozialen Institutionen. Diese spezialisieren sich permanent auf ihre Interventionen und Arbeitsfelder in den Bereichen Kinder- und Jugendhilfe, soziale Hilfe, Altenhilfe, Gesundheitshilfe, usw. (vgl. Thole 2003, S. 20). Mührel bestätigt die oben genannten Aussagen, indem er feststellt, „um effektive Hilfe leisten zu können, braucht es u. a. fundierte Kenntnisse in Ökonomie und Jurisprudenz [...]“ (Mührel 203, S. 22). Diese ökonomischen Kompetenzen haben Fachpersonen wie Sozialmanager, die sowohl mit der Thematik und Problematik der Sozialen Arbeit vertraut sind als auch fundierte Kenntnisse in Betriebswirtschaft haben und die gesellschaftlichen Entwicklungen und Zusammenhänge kennen. Heydorn nennt diesen Schritt „Revolution des Bewusstseins“ (vgl. Thole, 2003, S. 235).

Aus dieser Perspektive betrachtet, können die Veränderungen einen Paradigmenwechsel in der Sozialen Arbeit darstellen. Bis vor kurzem musste sich die Soziale Arbeit anderen Disziplinen und Wissenschaften wie der Psychologie, der Soziologie und der Philosophie unterordnen. Nun kann sie sich als Profession und Wissenschaft etablieren und sich im Sinne der neuen Disziplin „Sozialmanagement“ innovative Wissens- und Argumentationsstrukturen aneignen. Der erwähnte Paradigmenwechsel besteht meines Erachtens im Gerechtigkeitsmanagement, das als neue Aufgabe des Sozialmanagements definiert wird. Die knappen Gelder zu verteilen und gesellschaftliche Lösungen für soziale Notlagen und Probleme mit Leistungsaufträgen zu vereinbaren, bleibt eine Kunst, und zwar die Kunst des Jonglierens mit Staat, Wirtschaft, Betriebswirtschaft (BWL), Management und Ethik.

Zu Beginn wurde die Frage aufgeworfen, ob der Schritt von Sozialer Arbeit zum Sozialmanagement einen Paradigmenwechsel darstellt. Es ist nicht das erste Mal, dass Soziale Arbeit einen Paradigmenwechsel erlebt. Schon nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg musste sie sich mit neuen Herausforderungen und einer entsprechenden Ethik auseinandersetzen und aufgrund neuer Probleme Lösungswege finden und managen. Nach den beiden Weltkriegen waren es nicht mehr allein die Minderheiten, die von sozialen Problemen betroffen waren, sondern eine Mehrheit, die sich in einer Notlage befand. Hering und Münchmeier beschreiben diese Situation so: „Für ein Verständnis von Sozialer Arbeit, das traditionell auf die Behandlung von abweichendem Verhalten und von Randgruppen bezogen ist, geraten die bisher gültigen Maßstäbe von Normalität und ordentlicher Lebensführung nicht nur durcheinander, sondern sind vielerorts auf die Situation gar nicht anwendbar.“ (Hering/Münchmeier in: Thole 2003, S. 105.)

Flüchtlingsfürsorge, Integrationsarbeit für Flüchtlinge und Umsiedler, die rechtliche Situation von Kriegsbehinderten, therapeutische Kontexte in der Nachkriegszeit, Trennung der Jugend- und Gesundheitsverwaltung waren Aufgaben, welche die Soziale Arbeit managen musste (ebd., S. 107f). Diese Veränderungen in der Grundhaltung und in den Grundaufgaben der Sozialen Arbeit können als ein erster Paradigmenwechsel betrachtet werden, der ausgelöst wurde durch neue Einflüsse auf den Inhalt der Arbeit, aber auch auf die Bildungsstätten. Die Entwicklung geht weiter. Der Wandel in fast allen west- und osteuropäischen Ländern (mit dem Kommunismus im Osten und den sozialliberalen Regierungen in Westen) hat wiederum zur einen Vielzahl von Neustrukturierungen in der Sozialen Arbeit geführt. Das politische Engagement und die Politisierung der Sozialen Arbeit Anfang der 70er-Jahre, die Emanzipation der Sozialpädagogik aufgrund der Widersprüche zwischen gesellschaftlicher Entstehung von Problemen und ihrer pädagogischen Bearbeitung wie die Frauenhausbewegung oder die Jugendzentrumsbewegung bzw. Gemeinwesenprojekte sind einige Beispiele in der Sozialen Arbeit, die den konstatierten Paradigmenwechsel unterstreichen können (Ebd., S. 113ff).

Wichtige Aspekte, die zu diesem Paradigmenwechsel in der Sozialen Arbeit geführt haben, sind der Wissensstand der Sozialen Arbeit und deren Methode zu intervenieren. In allen sozialen Institutionen werden heute die „Dienstleistungsargumente“ diskutiert. Um eine Invasion neoliberaler Ansichten in der Sozialen Arbeit wenigstens teilweise verhindern zu können, braucht es ein fundiertes Wissen über Markt und Wirtschaft. Die Soziale Arbeit hat die Terminologie der neoliberalen Marktlogik übernommen; sie spricht von Kunden statt von Klientel sowie von Management, Effizienz und Effektivität etc., wenn es um die Sache der Sozialen Arbeit geht. „Damit dringt die ‚neue Ökonomie’ des ‚globalisierten Denkens’ in die Theoriedebatte Sozialer Arbeit.“ (Haupert in: Mührel 2003, S. 119).

3.4 Konklusion

In diesem Kapitel habe ich versucht zu klären, ob das Sozialmanagement eine Fortsetzung der Sozialen Arbeit ist oder ob ein Paradigmenwechsel stattgefunden hat. Die Kohärenz der beiden Disziplinen hat sich sehr schnell erwiesen. Das hat zur Folge, dass das ökonomische Wissen der Sozialen Arbeit aufgrund der unterschiedlichen gesellschaftlichen Veränderungen wie Neoliberalisierung der Märkte, New Public Management oder Globalisierung kaum mehr wirtschaftliche Forderungen befriedigen kann. Es braucht ein neues Wissen oder ein innovatives Management, um die Gerechtigkeit und die ursprüngliche Idee der Sozialen Arbeit wiederherstellen zu können. Soziale Arbeit im klassischen Sinn kann ihre Wohlfahrtskultur kaum mit den Anforderungen der Wirtschaft, der neuen Dienstleistungsdebatte sowie mit den Begriffen von Effizienz und Effektivität vereinbaren in einer Epoche, in der die Arbeitswerte dominieren.

Soziale Arbeit wurde lange Zeit von anderen Disziplinen dirigiert; seit den 90er-Jahren kämpft sie um ihre Etablierung als Profession. Ein großer Beitrag dazu wird von der Schweizerischen Forschungsgemeinschaft und nicht zuletzt von Silvia Staub-Bernasconi geleistet. Ihre Bemühungen haben teilweise mit der Selbstbestimmung der Sozialen Arbeit zu tun. Auch diese Selbstbestimmung sollte einen Einfluss auf die Ausbildung und Wissensvermittlung der Sozialen Arbeit haben. Die Bewusstseinsförderung und Kompetenzerweiterung durch Bildung, im Hegelschen Sinne „spekulative Momente“, sollten bei der Befreiung von der “Invasion der Sozialen Arbeit“ durch neoliberalistische Werte helfen. Laut Sünker kann Wissen als Macht in einer Gesellschaft eingesetzt werden. „Da Herrschaft in der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft wesentlich auf versachlichten Zusammenhängen und abstrakten Beziehungen beruht, stellt Wissen einen entscheidenden Ansatz zum Kampf gegen Herrschaft und eine Voraussetzung für deren Überwindung dar.“ (Sünker in: Thole 2003, S. 235).

4 Sozialmanagement in der Sozialwirtschaft

„Gerechtigkeit und Gleichheit können möglicherweise als philosophische Artefakte entwickelt werden, für eine gerechtere oder eine egalitäre Gesellschaft gilt dies jedoch (...) nicht.“ (Walzer 1994)

Wie im vorherigen Kapitel ausgeführt, braucht es aufgrund der Vielfalt und der Breite der Arbeitsfelder der Sozialen Arbeit in sozialen Unternehmen dringend Manager(inne)n, die den anstehenden Aufgaben und den Erwartungen der marktwirtschaftlichen Mechanismen gerecht werden. Die Aufgaben und Felder der Sozialen Arbeit nahmen nach dem Zweiten Weltkrieg rasant zu. Die ursprünglichen Aufgaben der Sozialen Arbeit in den Armenhäusern und der Straßenarbeit sind immer mehr durch gesellschaftspolitische Themen verdrängt worden.

Heute wird vom Management in einem sozialen Unternehmen erwartet, dass es in erster Linie Führungsaufgaben übernimmt wie strategische Entwicklung und Unternehmens- kommunikation sowie Personalführung und -entwicklung, Mitarbeiterführung und Arbeits- und Organisationsgestaltung. Die Frage stellt sich immer mehr, was der Unterschied zwischen Management und Sozialmanagement ist. In diesem Kapitel werden Management und Sozialmanagement untersucht, insbesondere ihre Entstehung und ihre Ziele. Dabei sollen die Unterschiede zwischen Unternehmens- und Sozialmanagement geklärt werden.

4.1 Was ist Management und welche Zwecke erfüllt es?

Webster’s (1996, S. 607) und Bader (2002, S. 23) leiten den Begriff Management ab von „manus“, Lateinisch für „die Hand“, und „agere“, Lateinisch für „führen“. Management bedeutet also „an der Hand führen“. Der Begriff kann weiter definiert werden als „etwas mit Geschicklichkeit und Fähigkeit gebrauchen“, „Überblick haben“, „entscheiden“ sowie „etwas vorteilhaft nutzen“ (Wöhrle 2003, S. 23). Management setzt sich für die gesamte „Ausdifferenzierung der Steuerung gegenüber der personenzentrierten Führung ein [und nicht wie früher,] wie sie im Unternehmen üblich war, in der Eigentümer, Unternehmer und Vorgesetzter ein und die selbe Person waren“ (ebd., S. 17). Grundsätzlich steht Management in Verbindung mit personenunabhängiger Steuerung (ebd., S. 19). Management wird heute als ein Personenkreis verstanden, der verschiedene Funktionen ausübt. Es wird von Steinmann und Schreyögg als „ein Komplex von Steuerungsaufgaben, die bei der Leistungserstellung und -sicherung in arbeitsteiligen Systemen erbracht werden müssen“, definiert (ebd., S. 26). Ulrich sieht Management als „Gestalten und Lenken von Institutionen der menschlichen Gesellschaft“ (ebd.).

Barker definiert “management tasks“ als „the principal activities of social welfare administrator or manager. The six basic management tasks are (1) planning and developing the program, (2) acquiring financial resources and supports, (3) designing organizational structures and processes, (4) developing and maintaining staff capability, (5) assessing agency programs, and (6) changing agency program“(Barker 1999, S. 289). Dies sind Aufgaben, die vom Sozialmanagement in den Sozialunternehmen und in anderen Institutionen erwartet werden.

Management bezweckt mit seinen Handlungen bestimmte Ziele. Die Handlungsweisen des Managements folgen einer anderen Logik als diejenigen der Verwaltung oder personenabhängiger Steuerung. Die Verwaltung als Exekutive verfolgt politische Absichten und den Willen der Legislative; dem gegenüber handelt das Management entsprechend der Gesetzmäßigkeit des Marktes. Der Auftrag des Managements ist die Sicherung des Überlebens der Organisation mittels Verkauf von Produkten bzw. Dienstleistungen, wobei die Gewinnerzielung Sinn des Handelns ist. Ein weiteres Bestreben des Managements ist es, die Zufriedenheit der Kund(inn)en und der Kapitalgebenden sicherzustellen sowie die Effizienz und Effektivität der Handlungen zu garantieren (vgl. Wöhrle 2003, S. 21).

Bereits an dieser Stelle werden grundsätzliche Differenzen ersichtlich zwischen dem Management eines Gewerbes mit Nutzenmaximierungszielen und dem Sozialmanagement, dass das Wohl der Gemeinschaft und der Individuen beabsichtigt und bei der Intervention in Sozialunternehmen eben nicht die Nutzenmaximierung anstrebt. Der Sozialmanger und die Sozialmanagerin sollen die Organisationen und Institutionen so leiten, dass Werte und gesellschaftliche Erwartungen und Ansprüche berücksichtigt werden. Was Sozialmanagement wirklich ist und was es in der Gesellschaft zu bewirken versucht, wird im nächsten Abschnitt untersucht.

4.2 Das Sozialmanagement; wissenschaftliche Zuordnung

Das Konzept des Sozialmanagements ist der Versuch, „sowohl die Ansprüche der Ethik der Sozialen Arbeit in den Strukturen ihrer Organisation einzulösen (‚soziales’) als auch die Effektivität sozialen Handelns methodisch und systematisch zu verbessern (‚Management’).“ (Müller-Schöll/Priepke in: Becker 2002, S. 64).

Das Sozialmanagement bezieht sich laut Staub-Bernasconi nicht nur auf die direkte Arbeit mit Klientel und Zielgruppen der Sozialen Arbeit, sondern auch auf die Träger der Sozialarbeit wie private und staatliche Non-Profit-Organisationen des Sozial-, Erziehungs- und Gesundheitswesens. Mit dem Begriff der „Sozialen Organisationen“ werden jene Organisationen bezeichnet, die in sehr unterschiedlichen Bereichen des Sozialsektors Aufgaben übernehmen (vgl. Fasching/Lange 2005, S. 20). Die Herausforderungen, welche das Sozialmanagement zu bewältigen hat, sind Organisationsplanung und strategische Entwicklung sowie Führung und Qualifikation. Grundlagen für die Handlungen des Sozialmanagements stellen hauptsächlich Kompetenzen wie betriebswirtschaftliches, wirtschaftliches, aber auch psychologisches, rechtliches und sozialpolitisches Wissen dar. Eine der wichtigsten Aspekte des Sozialmanagements ist die Innovation in den Feldern der Sozialen Arbeit (vgl. Staub-Bernasconi 1994, S. 72f).

Rathje beschreibt die Aufgaben des Sozialmanagements wie folgt: „Sozialmanagement betrifft das Management von sozialen Betrieben, Unternehmen, Institutionen.“ (vgl. Rathje in: Heister 2004, S. 42). Dieser Beschreibung nach steht die Gewinnmaximierung bzw. Erringung von mehr Marktanteilen, wie das im Unternehmensmanagement der Fall ist, nicht im Vordergrund und ist nicht oberster Leitgedanke des Handelns (ebd., S. 47).

Mit diesen Ausführungen kann zugleich die Entstehung des Sozialmanagements teilweise[2] begründet werden. Laut Wöhrle sind die Kernaufgaben des Managements wie folgt entstanden: „Die Größe und Komplexität der Unternehmen sowie die damit zusammenhängenden Koordinationsprobleme verlangten nach differenzierten Zuständigkeiten, eindeutigen Kommunikationswegen, Verantwortlichkeiten und Unterstellungsverhältnissen.“ (Wöhrle 2003, S. 18). Da diese Maßnahmen auch in einer sozialen Firma oder Institution notwendig sind, wird dem Management in sozialen Unternehmen die Verantwortung übertragen für die Sozialwirtschaft. „Die Sozialwirtschaftslehre erörtert auch die Funktion des Sozialmanagements in der Sozialwirtschaft und liefert den theoretischen Rahmen“ (Wendt 2003, S. 16) dafür.

Die unten stehende Darstellung veranschaulicht die Kombination und Einflüsse der Herausbildung des Sozialmanagements durch Lehre und Praxis der Sozialen Arbeit sowie des Managements. Die Sozialwirtschaft subsumiert die gesamten politischen und wirtschaftlichen Einflüsse aus dieser Entstehung. (In Anlehnung an Gmür 1999 in: Wöhrle 2002, S. 24)

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Abbildung 1: Ideen und die Entstehung des Sozialmanagements

Anhand dieses Schaubildes wird einmal mehr deutlich, dass die Soziale Arbeit als Wissenschaft und innovative Disziplin permanent auf der Suche ist nach Lösungen der zunehmenden gesellschaftlichen Probleme. Sie kreierte Sozialmanagement und setzt seine Kompetenzen ein, um die diversen Interessen in der Gesellschaft wahrzunehmen. Für diese Handlungen muss es sich nach Theorien und Grundlagen richten, die sowohl ethisch als auch wirtschaftlich verantwortbar sind. Diese Handlungen werden nach den Kategorisierungen des Managements unterschieden. Die fünf wichtigsten Handlungs­kategorien wurden von Steinmann und Schreyögg (2002) wie folgt festgehalten: die Planung (planning), Organisation (organization), Personaleinsatz (staffing), Führung (directing and coordinating), Budgetierung (budgeting) und Kontrolle (controlling or reporting) (vgl. Wöhrle 2003, S. 48). Die beiden Letzteren zählen zu den neuen Komponenten in den Sozialen Institutionen, die bis anhin nicht so ausformuliert wurden. Einer der in der Literatur erwähnten Gründe für die Entstehung des Sozialmanagements ist die Zunahme neuer Aufgaben, die aufgrund der neoliberalen Werte und des New Public Management und deren Folgen entstanden sind. Dazu gehört etwa die Dienstleistungsdebatte.

In der Literatur wird bisweilen sehr divergent über die Entstehung des Sozialmanagements diskutiert. Werner Thole sieht einen möglichen Grund für die Entstehung des Sozialmanagements in der Modernisierung und Rationalisierung der Praxis und Institutionen der Sozialen Arbeit während der letzten Jahre. Danach folgte eine Verschiebung innerhalb der alten und neuen Klientel der Sozialen Arbeit aufgrund veränderter Professionalisierungsansprüche und gesetzlicher Rahmenstrukturen, insbesondere der politischen Interventionen. Aber auch die Qualifizierungsansprüche rufen nach einer Neuorientierung der Sozialen Arbeit (vgl. Thole 2003, S. 44). Bettmer sieht zudem die Modernisierung der Verwaltung aufgrund der „Krise des Sozialstaates[3] “ als einer der Entstehungsgründe des Sozialmanagements. Durch diese Krise wurde in den 90er-Jahren die Organisationsfrage aufgeworfen und erneut, mit noch stärkerer Vehemenz, die Diskussion zur „Neuen Steuerung“ geführt. „Diese Krise besteht vor allem in den theoretischen Grundlagen, von denen aus Funktionen und Funktionsgrenzen des Sozial- bzw. Wohlfahrtsstaates bestimmt und legitimiert werden können. Eine der häufigsten und wichtigsten Fragen des Managements im Rahmen der ‚neuen Steuerung’ ist die Frage der Finanzierung und Budgetierung. Die Frage der Finanzierbarkeit wird nicht durch ‚Sachzwänge’ entschieden, sondern durch die politischen Möglichkeiten, die Finanzierung mit Sinn auszustatten.“ (Bettmer in: Thole 2003, S. 442).

Die Finanzierbarkeit kann die Handlungen und die Entscheidungsmöglichkeiten der Manager(inne)n einschränken. Für die Bewirtschaftung der sozialen Institutionen und Firmen werden betriebswirtschaftliche Kompetenzen benötigt, die bis anhin in dieser Form in der Sozialen Arbeit nicht manifest wurden. „Soziale Arbeit hat keine Rechtfertigung in sich, sondern muss nachweisen, dass sie mit den in der Regel öffentlichen bereitgestellten Geldern wirtschaftlich umgeht. Sie hat gegenüber den Leistungsträgern, der Öffentlichkeit und den Klienten eine Begründungs- und Nachweispflicht.“ (Becker 2002, S. 65). Die Geldgebenden sind schon lange nicht mehr nur die Kirche oder Wohlfahrtsorganisationen. Vieles wird durch öffentliche Träger bzw. Steuern in Form von Leistungsaufträgen finanziert. Ein Teil der Gelder wird von den Betroffenen bzw. der Klientel für Dienstleistungen gebraucht. Deshalb ist die Finanzierung heute ein politisches Instrument geworden, von dem die Institutionen leben oder dank dem sie in Wettbewerb mit anderen Institutionen treten. Auch solche Phänomene sind teilweise mit New Public Management (NPM) zu begründen. Das NPM hat einen großen Einfluss auf die sozialwirtschaftliche Arbeit. „Die Sozialwirtschaft ist aufgerufen, Verfahren zu entwickeln, die Ergebnisse der Sozialen Arbeit messbar machen beziehungsweise einer Messbarkeit näher führen und somit auch die Grundlagen für Wirtschaftlichkeitsberechnung bilden. Kosten-Nutzen-Analyse und Nutzwert-Analyse sind die klassischen Modelle, deren Umsetzung in der Praxis eher selten ist.“ (ebd., S. 66). Auch dieser Aufruf kann ein Grund dafür sein, dass die Soziale Arbeit ein neues Instrument brauchte. Die Methode des Sozialmanagements wurde ins Leben gerufen, um diesem Bedürfnis gerecht zu werden und mit eigener Ethik Einfluss auf globale Entscheidungen nehmen zu können. Im nächstens Abschnitt wird die Sozialwirtschaft definiert, ihre Wurzeln untersucht und den Verbindungen mit dem Sozialmanagement nachgegangen.

4.3 Die Sozialwirtschaft und ihre Wurzeln

Nach Wendt ist die Sozialwirtschaft „die Wissenschaft von den Unternehmungen in der Gesellschaft zur direkten Beförderung der Wohlfahrt von einzelnen Menschen und des Gemeinwesens“ (Wendt 2003, S. 16). Sie wirkt „ökonomischer und sozialer Ausgliederung von Menschen entgegen, indem sie den Prozess ihrer Eingliederung wirtschaftlich gestaltet“ (ebd., S. 14). Wendt zeigt die Notwendigkeit und Wichtigkeit der Sozialwirtschaft für unsere Gesellschaft und Ökonomie auf. Er ist der Meinung, dass Ökonomie sich einerseits auf die Art und Weise des Umgangs der Gemeinschaft mit Gütern bezieht, und andererseits sieht er die Ökonomie als Inbegriff des Güterverkehrs und der damit verbundenen Geschäfte (ebd., S. 43). In den folgenden Ausführungen wird nicht die realpolitische Entwicklung zur Diskussion gestellt, die heute mit den Rollen der NGOs und des Dritten Sektors zur Debatte steht, sondern es geht vielmehr um Ordnungssysteme für Organisationen, die Soziale Arbeit als Dienstleistung anbieten.

Die sozialwirtschaftlichen Dienste und Einrichtungen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie eine enge Verbindung aufweisen zwischen der Frage der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung (Formalzielorientierung) und der Frage der fachlichen Wirksamkeit der jeweiligen Angebote der Dienstleistung (Sachzielorientierung). Dies bedeutet für die Institutionen, dass Effizienz und Effektivität der Dienstleistungsproduktion unlösbare Probleme bleiben. „Nicht alles, was sich rechnen lässt, kann in der Sozialwirtschaft richtig und zulässig sein!“ (Becker 2002, S. 64). Vor diesem Hintergrund ist es für das Management von zentraler Bedeutung, wie die Sachzielorientierung an fachlichen Kriterien als Ausrichtung sozialwirtschaftlichen Handelns näher bestimmt werden kann (ebd., S. 109). Die Handlungen im Sozialunternehmen sind von besonderer Art, wie später erörtert werden soll.

Bevor die Hauptdiskussion beginnt, wird die geschichtliche Entstehung der Sozialwirtschaft kurz skizziert. Der Begriff „Sozialwirtschaft“ ist seit 1970 in Deutschland eingeführt (vgl. Wöhrle 2003, S. 105). Die Sozialwirtschaft wird oft als ein Bereich der Wirtschaft bezeichnet, der (institutionell) die Organisationen, Dienste, Einrichtungen und Unternehmungen umfasst, die soziale Zwecke als Ziel verfolgen und das Wohlergehen des Volkes fördern. Mit Sozialwirtschaft wird auch (funktional) die Art und Weise der Betätigungen in diesem Bereich bezeichnet. Sie basiert auf Solidarität (vgl. Wendt 2003, S. 13). Nebst der Sozialwirtschaft wird oft vom Dritten Sektor gesprochen. Volkswirtschaftlich betrachtet werden die Tätigkeiten der Sozialmanager(inne)n in der Sozialwirtschaft als Dritter Sektor beschrieben (vgl. Wöhrle 2003, S. 89).

So wie Güter in der Wirtschaft und auf dem Markt eine Bedeutung haben, nehmen in der Sozialwirtschaft Menschen eine besondere Rolle ein. Die Position der Menschen als Hauptakteure in der Sozialwirtschaft wird von Wendt wie folgt beschrieben: „Frei von Vorannahmen der herkömmlichen Ökonomiewissenschaften gehen wir in der Sozialwirtschaftslehre von der [den] Beziehungen wirtschaftlichen Handelns im sozialen Raum auf die primäre Wirtschafts- und Lebensweise von Menschen aus. Sie sind Subjekt wirtschaftlicher Aktivität in eigenen Belangen, und sie werden unter Umständen zum Objekt spezifischer Wohltätigkeit und wirtschaftlicher Aktivitäten in sozialen Belangen. Mit anderen Worten: wir beziehen intermediäre dienstliche, versorgende und unternehmerische Aktivitäten auf individuelles und gemeinschaftliches Haushalten (griech. Oikonomika). Sie haben sich, was das Wirtschaften bzw. die Bewirtschaftung der sozialen Wohlfahrt betrifft, historisch aus diesem Haushalten entfaltet. Es stellt den engeren Bezugsrahmen der Sozialwirtschaft dar und bezeichnet ihre inneren Abhängigkeiten.“ (Wendt in: Wöhrle 2003, S. 106). Aus dieser Perspektive betrachtet, können nun die Ziele der Sozialwirtschaft in Anbetracht der Rolle der Menschen untersucht werden.

Welche Intentionen die Sozialwirtschaft diesen kohärenten intermediären Aktivitäten nach tatsächlich hat, kann folgendermaßen zusammengefasst werden: Für Becker sind die Ziele und Aufgabenstellung der sozialwirtschaftlichen Dienstleistungsunternehmen nie rein sozialer oder rein wirtschaftlicher Natur. „Es geht um eine ganzheitliche Aufgabenstellung, die beide Ziele mit einschließt.“ (Becker 2002, S. 261). Mit dieser Aufgabenstellung soll die Komplexität reduziert und mögliche Vorteile arbeitsteiliger Strukturen genutzt werden. „Diese Separierung von Zielen und Orientierungen ist jedoch immer Ergebnis einer künstlichen Trennung, tatsächlich besteht ja immer ein sehr viel engerer sachlicher Zusammenhang zwischen allen Aufgaben, als dies von den Spezialisten gewöhnlich wahrgenommen wird.“ (Schreyögg 1990, S. 57).

Um die Komplexität reduzieren zu können und mögliche Strukturen zu nutzen, braucht es Kompetenzen, die die Aufgaben des Managements definieren. „Erst mit Sozialwirtschaftslehre wird der Anspruch erhoben, ein solches Bezugssystem zu schaffen. Sie hat es dann auch zu leisten, den Zusammenhang zu einer volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung herzustellen und gleichzeitig den Bezug zu sozialpolitischen Ansprüchen und der Untersetzung von Teilbereichen durch eine sozialarbeiterische Theoriebildung. Dies ist die größte Bandbreite, die aufgespannt werden kann, um die Problematik zu verdeutlichen.“ (Wöhrle 2003, S. 106).

Die genannte Problematik hat auch mit dem Gegenstand der Sozialwirtschaft zu tun. Dieser Gegenstand als organisierte Praxis ist die soziale Versorgung (social provisioning) und die dazugehörige Befriedigung der sozialen Anliegen (social concerns), insbesondere die Absicherung gegen Risiken des Lebens. Zu den sozialen Anliegen gehören überdies die Bewältigung und Lösung sozial definierter Probleme von einzelnen Menschen, aber auch von Gruppen und Gemeinwesen. Gleichzeitig nimmt die Sozialwirtschaft den gesellschaftlichen Auftrag wahr, sozialen Zusammenhalt (social cohesion) zu fördern, so Wendt. „Zu den Anliegen zählen allgemein die Gestaltung von Teilhabe, die Erhaltung von Lebensqualität, die Daseinserweiterung trotz vorhandener Beeinträchtigungen, Bildung und Gesundheit.“ (Wendt 2003, S. 13).

Die internationalen Entwicklungen nehmen allgemein Einfluss auf die regionale Sozialwirtschaft. Die Globalisierung und demzufolge die Erwerbslosigkeit sowie die zunehmende Alterung, Jugendprobleme, Migration und Menschenhandel prägen die Gestaltung der gesellschaftlichen Teilhabe, die nicht nur regional gelöst werden kann, sondern von internationalen Entwicklungen abhängig ist. Im Zuge dieser Entwicklungen und nach neuer Steuerung will der Wohlfahrtsstaat immer weniger Dienstleistungen erbringen. Nichtsdestotrotz deckt die Zivilgesellschaft im Rahmen des freiwilligen Engagements die Aufgaben ab, die eigentlich in der Verantwortung des Staates liegen. Es sind die Bürger(inne)n, die mit ihrer Leistung und Eigenverantwortung gefragt sind und den Staat entlasten (ebd., S. 13ff).

Um nun untersuchen zu können, wo die Wurzeln der Sozialwirtschaft liegen könnten, sind verschiedene Vorgehensweisen möglich. Die Werte, welche im Sozialethos, aber auch in der Tugendethik herrschen, könnten einen Baustein für das Handeln des Sozialmanagements darstellen. Wolfgang Klug verweist auf die Forschungen von Hans Küng, die zeigen, dass es einen interkulturellen Konsens gibt. „Ziel des Strebens der Völker sei es, das ‚Humanum’ zu bewahren. Forderungen wie Achtung vor dem Leben, Ehrfurcht vor den Eltern, Großmut gegenüber Schwachen fänden sich in Texten aller Weltreligionen.“ (Klug in: Becker 2002, S. 70). Dazu zählen auch ethische Grundhaltungen, die dem Handeln im sozialen Bereich zugrunde liegen. Ein weiterer Aspekt der Entstehung der Sozialwirtschaft ist, dass sie die Leistungen der Zivilgesellschaft, die einen großen Teil der Sozialwirtschaft mitfinanziert, im Sinne des gemeinschaftlichen Auskommens untersucht. Angelehnt an Wendt und Wöhrle kann gesagt werden, dass für die sozialwirtschaftlichen Unternehmen eine “Versorgungsaufgabe“ im Vordergrund der wirtschaftlichen Betätigung steht. Das moderne formelle Versorgungssystem wie Versicherungen, aber auch die informellen Formen der sozialen Versorgung wie zivilgesellschaftliches Engagement verweisen auf das Prinzip des Zusammenlebens und der Gemeinschaftsversorgung. Es zeigt, dass Versorgung eine natürliche Wurzel hat. Die Vorteile der Zivilgesellschaft sind, dass fast jeder sozial sein und etwas für das Wohl der Gemeinschaft und der Mitmenschen tun will. „Die bürgerliche Verständigung darüber, was die gemeinsame Sache von Bürgern und in diesem Sinne eine soziale Angelegenheit ist, erfolgt zugleich mit der Entbettung/Freisetzung der Ökonomie aus den Bindungen häuslichen und zünftigen Wirtschaftens.“ (ebd., S. 14).

Wenn wir auf das 18. Jahrhundert zurückblicken und feststellen, dass in dieser Zeit Bürger(inne)n für das Gemeinschaftswohl und für mittellose Menschen Gesellschaften bildeten, können wir von den ersten Bausteinen der Sozialwirtschaft sprechen. „Friendly societies“ als erste Versicherungsformen, die in Großbritannien durch die gegenseitige Unterstützung von Arbeitern und Handwerkern in den Gewerkvereinen gegründet wurden, sind ein Hinweis auf den Bedarf nach Gegenseitigkeit und Sozialem. Gemäß Wendt differenzierte sich das soziale Handeln am Anfang des 19. Jahrhunderts in Reaktion auf die Industrialisierung und den Beginn der Individualisierung. Auf Verarmungen und Elend, Arbeitslosigkeit und Armut reagierten liberale Denker wie Jeremy Bentham mit extremen Mitteln und Projekten. „Nicht nur die auf Nützlichkeit bedachten Liberalen, sondern auch christlich-konservative Erneuerer setzten auf die Tugenden des Fleißes, der Sparsamkeit und der Arbeitsdisziplin bei den Armen und schufen Einrichtungen für sie.“ (ebd., S. 15). Bereits hier begannen die Wurzeln der Sozialwirtschaft Fuß zu fassen. Die Geschichte der Baugenossenschaften der frühsozialistischen Pioniere mit der Parole des gemeinschaftlichen Wirtschaftens von Robert Owen bis Luis Blanc festigte die sozialwirtschaftlichen Säulen zwischen den Jahren 1820 und 1850. Diese Entwicklung hielt bis in das Jahr 1988 an, als die ersten Entwürfe des heutigen deutschen Genossenschaftsgesetzes entstanden sind. „Der Unternehmenstyp des gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebes ist zeitweilig unter dem Begriff der Gemeinwirtschaft gebracht worden.“ (ebd.). Heute wird dieser Begriff nicht mehr verwendet. Aber diese Bewegungen haben die Wiege der Sozialwirtschaft geschaukelt. Nicht nur in Deutschland und England haben sie sich zur Sozialwirtschaft manifestiert, sondern auch in anderen Ländern Europas, beispielsweise in Italien: „Der Entwurf des Assozianismus als Gegenmacht zu Staat und Kirche ist auf der lokalen Ebene als zivilgesellschaftliches Instrument gedacht. Er bringt auch Aspekte des Genossenschaftswesens mit.“ (Wöhrle 2003, S. 91).

In Frankreich hat die Idee der „économie sociale“ als Wurzel der Sozialwirtschaft eine längere Tradition, die ebenfalls auf eine frühsozialistische Tradition des 19. Jahrhunderts zurückzuführen ist. Das Konzept beinhaltet seit 1970 eine Zusammenführung von kooperativen Aktivitäten (Genossenschaften), assoziativen Aktivitäten (Vereinen) und mutualistischen Aktivitäten (Vereinigungen auf Gegenseitigkeit) (vgl. Wendt 2003, S. 15).

Als weitere Beispiele für die Entstehungsgeschichte können die Entwürfe des „local compacts“ und des „new deals“ in Großbritannien genannt werden. Auf der Grundlage weitgehend inszenierter Märkte soll die Bereitstellung sozialer Dienste mit lokalen Entwicklungsstrategien abgestimmt werden. Auch das schwedische Modell kann als Beispiel dienen, wie folgende Beschreibung verdeutlicht: „Das schwedische Modell: Breit angelegte Volksbewegung und Staat arbeiten eng zusammen in der Umsetzung von wohlfahrtstaatlichen Leistungen und Programmen.“ Außerdem: „Das deutsche Modell der Subsidiarität: Es dient als Grundalge für das bewährte System der sozialen Dienste.“ (Wöhrle 2003, S. 91).

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass „die Sozialwirtschaftslehre die Wissenschaft von den Unternehmungen in der Gesellschaft zur direkten Beförderung der Wohlfahrt von einzelnen Menschen und des Gemeinwesens“ (Wendt 2003, S. 16) ist. Sie fungiert als ein untrennbarer Bestandteil der Wirtschaft. Sie setzt sich zusammen aus freiwilligem Engagement und der Bewirtschaftung von Ressourcen und Geldern, die von freien Trägern, Staat oder Kirche oder der so genannten lokalen Ökonomie kommen.

Eine Besonderheit der Sozialwirtschaft gemäß Becker besteht darin, „dass im Einzelfall nicht immer nur das getan wird, was rentabel ist. Die Kosten- und Leistungsrechnung ist in diesem Verständnis eine wichtige, aber noch nicht hinreichende Entscheidungshilfe.“ (Becker 2002, S. 64). Neben ihren Besonderheiten hat die Sozialwirtschaft laut Wöhrle mit der Volkswirtschaft aber auch vier gemeinsame Komponenten, mit denen die Sozialqualität gesichert werden sollen:

- „Den Grad sozioökonomischer Sicherheit;
- Das Ausmaß sozialen Einbezogenseins bzw. sozialer Ausgeschlossenheit;
- Den sozialen Zusammenhalt und
- Die Ermöglichung und Stärkung von Selbstbestimmung.“ (Wöhrle 2003, S. 107).

Um die oben erwähnten Komponenten zu sichern, müssen Manager(inne)n in Sozialunternehmen wie auch in klassischen Unternehmen Entscheidungen treffen und entsprechend handeln. Eben diese Handlungen beruhen teilweise auf den genannten Gemeinsamkeiten sowie auf den Besonderheiten der einzelnen Disziplinen und ihrer Werthaltung. Im nächsten Unterkapitel werden die Grundlagen dieser Handlungen im Sozialunternehmen untersucht. Es wird aufgezeigt, ob diese Handlungen mit den unterschiedlichen wirtschaftlichen Interessen der Sozialunternehmen im Widerspruch stehen. Wenn das so wäre, gäbe es einen Ausweg.[4]

4.4 Wirtschaftliches Handeln im Sozialunternehmen – ein Widerspruch?

Die Entscheidungsträger der sozialen Organisationen haben wirtschaftlich zu handeln. Dies erwarten die neuen Werte des New Public Managements resp. des Neoliberalismus vom sozialen Unternehmen. Wie hat sich ein sozialwirtschaftliches Unternehmen bzw. eine Organisation zu verhalten? Woran muss oder kann sich das Sozialmanagement bei der Entscheidungsfindung orientieren, an der Wirtschaftsethik oder an der sozialarbeiterischen Praxis? Diese und ähnliche Fragen zeigen, dass das Problem weder für das Sozialmanagement noch für die Sozialwirtschaft gelöst und die Ökonomisierungsgrenze für die Soziale Arbeit relativ schwer zu definieren ist. Grund: „Der externe Faktor Mensch, der zugleich Koproduzent ist, ist eben kein Ding und kein Sachgut. Er hat keinen Warencharakter, bei dem die Gewinnmaximierung und die Rentabilität die einzigen Orientierungen sein können […].“(Becker 2005, S. 63). Das erwähnte Problem ist nicht gelöst, im Gegenteil, es ist ein gesellschaftlicher Kampf! Dieses Duell zwischen den unterschiedlichen Werten wird noch eine Weile dauern. „Sozialwirtschaft definiert sich durch wirtschaftlich orientiertes und auf Effektivität ausgerichtetes Handeln im Bereich Sozialer Arbeit.“ (Hauser in: Becker 2002, S. 171).

Die Werte beeinflussen oder bestimmen unsere Handlungen permanent. Jedes Handeln geschieht unter bestimmten Umständen und folgt bestimmten Zielen, welche den subjektiven Interessen des Individuums zugrunde liegen – wenn ich Max Weber richtig interpretiere. (Auch meine Interpretation unterliegen meinen subjektiven Interessen und Motiven.) Für Weber ist Handeln nicht nur Rationalität. „Es gibt kein rationales Handeln ohne kausale Rationalisierung des als Objekt und Mittel der Beeinflussung in Betracht gezogenen Ausschnittes der Wirklichkeit, d. h. ohne dessen Einordnung in einen Komplex von Erfahrungsregeln, welche Aussagen, welcher Erfolg eines bestimmten Sich-Verhaltens zu erwarten steht.“ (Winkelmann 1998, S. 127). Für Weber hat die Handlung bzw. das Sich-Verhalten mit Werten und Ideen zu tun, die einen unmittelbar beherrschen im Sinne des Habituskonzepts und des geschichtlichen Interesses von Pierre Bourdieu: „Das Eingreifen jener Wertungen, an denen unser geschichtliches Interesse verankert ist, lässt aus der Unendlichkeit der an sich historisch sinnlosen und gleichgültigen ursächlichen Komponenten das eine Mal gleichgültige Ergebnisse, das andere Mal aber eine bedeutungsvolle […] Konstellationen entstehen.“ (ebd., S. 146f). Angesichts der obigen Erklärung wird das Handeln in einem Sozialunternehmen stets durch Ethik, Menschenbild, Ideen und Interessen der Sozialen Arbeit geprägt. Die Interessen der Sozialen Arbeit haben auch mit ihrer Wertvorstellung, dem Verständnis der sozialen Probleme und des Gerechtigkeitskonzeptes zu tun. Um diese Einflüsse als Grund des Handelns nachvollziehen zu können, wurde im vorherigen Kapitel kurz die Entstehung der Wurzeln des Sozialmanagements und der Sozialwirtschaft während der letzten hundert Jahre erörtert. Darüber hinaus wurden die Berufsethik und die Ethik der Sozialen Arbeit analysiert und diskutiert.

Im Kontext der Studentenbewegung der 60er-Jahre und der sozialliberalen Reformen wurden die lange Praxis der Sozialen Arbeit, ihre Rolle und ihre Berufsselbstverständlichkeit in der Gesellschaft selbstkritisch hinterfragt. Die Professionalisierungsdebatte und die kritische Reflexion zur Verwissenschaftlichung der Ausbildung führten zu neuen Ansprüchen des Handelns in der Praxis der Sozialen Arbeit. Angestrebt wurden demzufolge Organisationsreformen, welche eine erhöhte Effektivität und Effizienz erzielen sollten. Die Reformförderungen aus der Sicht Bettmers beinhalteten nachstehende Merkmale. Sie werden hier erwähnt, um die Entwicklung und Entstehung des Gedankenguts des Handelns bewusster zu machen:

- „eine Dekonzentration und Regionalisierung der Angebote, um eine bessere Abstimmung aus sozialräumlichen und lebensweltlichen Bedingungen der AdressatInnen zu ermöglichen;
- eine Neubestimmung der Zuständigkeiten und der Arbeitsteilung zwischen den Fachkräften, wobei die Trennung von Innen- und Außendiensten aufgehoben und durch die Einrichtung eines allgemeinen Sozialdienstes (ASD) eine ganzheitliche Betreuung der AdressatInnen angestrebt wurde;
- eine Enthierarchisierung der Arbeits- und Entscheidungsvollzüge, womit Formen der Teamarbeit und eine partielle Delegation von Entscheidungskompetenzen an die Fachkräfte verbunden waren;
- eine Neuregelung der Zuständigkeiten von SozialarbeiterInnen und Verwaltungsfachkräften [...]“ (Bettmer in: Thole 2003, S. 441).

Diese Förderungen wurden weitgehend umgesetzt, ohne die bürokratischen Strukturen ganz aufzuheben. Bettmer zweifelt an dieser Entwicklung und hinterfragt kritisch, ob sich mit der Neuorganisation auch die tradierte Routine einer klinisch-kurativ orientierten Problembehandlung tatsächlich und grundlegend von Sozialer Arbeit verabschiedet hat (ebd.).

Diese und weitere Veränderungen sowie kritische Reflexionen haben die Soziale Arbeit in der Praxis dazu gezwungen, neue Methoden und Kompetenzen zu erwerben. Sie haben dazu geführt, dass sich neue Motive für die Durchsetzung der professionellen Handlung und des Gerechtigkeitskonzeptes der Sozialen Arbeit zu implementieren beginnen. „Da ein Motiv immer mit ethischen Fragen verbunden ist und Handeln immer ein motiviertes Handeln ist, bedeutet das, dass jede Handlung [eine] ethische Fragestellungen beinhaltet.“ (Winkelmann 1991, S. 12). All dies kann so aufgefasst werden, dass das Sozialmanagement und sein wirtschaftliches Handeln Folgen dieser Motivation sind und unter dem Einfluss der Ethik der Sozialen Arbeit stehen, obwohl sich das wirtschaftliche Handeln des Sozialmanagements an Grundsätzen der Wirtschaft und BWL orientiert. Max Weber sieht die Wirtschaft als „schicksalsvollste Macht unseres modernen Lebens“ (ebd.) und diese Macht darf von der Sozialen Arbeit nicht unterschätzt werden.

Der Kapitalismus als älterer Bruder der Globalisierung gehört auch zu den von der Wirtschaft produzierten Systemen. Er ist der Schöpfer einer neuen Wertorientierung und neuer Definitionen. Durch ihn wurden die Werte der Welfare[5] langsam und kontinuierlich entmachtet und mit denjenigen der Workfare[6] ersetzt. „Was letzten Endes den Kapitalismus geschaffen hat, ist die rationale Dauerunternehmung, rationale Buchführung, rationale Technik, das rationale Recht, aber auch nicht das alleine; es musste ergänzend hinzutreten: die rationale Gesinnung, die Rationalisierung der Lebensführung, das rationale Wirtschaftsethos.“ (ebd., S. 360).

An dieser Stelle lässt sich eine Hypothese dieser Arbeit[7] in Anlehnung an Gisa Haas verifizieren: Die Ethik der Sozialen Arbeit hat aufgrund ihrer Entwicklung in Anbetracht der gesellschaftlichen sozialen Themen eigene Gesetzmäßigkeiten, die sich nicht eins zu eins mit marktwirtschaftlicher Rationalität vereinbaren lassen! Haas erachtet den Wertewandel und die Überbetonung der kapitalistischen Werte sowie die marktwirtschaftlichen Entwicklungen ebenfalls als bedenklich für die Sozialwirtschaft und ihre Handlungen im Sozialunternehmen. Sie misst der ethischen Orientierung der Sozialwirtschaft eine wichtige Bedeutung zu, „weil die Grenzen für Dominanz des ökonomischen Denkens in der Sozialwirtschaft nicht objektiv vorgegeben werden können, sondern in jedem einzelnen konkreten Entscheidungsfindungsprozess neu gefunden werden müssen“ (Haas in: Becker 2002, S. 163). Diese Prozesse sind Bausteine des Handelns des Sozialmanagements, und die Verantwortung für diese Prozesse müssten von Manager(inne)n im Unternehmen übernommen werden, so Haas. Um überhaupt Verantwortung zu übernehmen, braucht es eine Ethik, die bis anhin in der Sozialwirtschaft nicht vorhanden war. Becker beschreibt dies so: „Die ethische Orientierung ist ein tragendes Prinzip der Sozialwirtschaft. Den Mitarbeitern in der Sozialwirtschaft muss daher neben dem Handwerkszeug der Betriebswirtschaft und der Sozialarbeit/-pädagogik eine ethische Orientierung als Grundlage ihrer Arbeit mit auf den Lebens- und Berufsweg gegeben werden.“ (Becker 2002, S. 62).

Damit kommt sofort die Frage auf, woran sich die Sozialwirtschaft überhaupt orientiert, in deren Rahmen das Sozialmanagement zu handeln hat. Die Sozialwirtschaft orientiert sich grundsätzlich entweder an der BWL, der Ökonomie oder an der Ethik der Sozialen Arbeit. Eine eigenständige einheitliche sozialwirtschaftliche Ethik ist immer noch nicht vorhanden. In der gewerblichen Wirtschaft existiert hingegen seit Langem eine Wirtschaftsethik, auch wenn diese durch unterschiedliche Wirtschaftskonzepte verwässert wurde. Haas schreibt, dass bereits die Urform des Homo oeconomicus im Utilitarismus von Benjamin Franklin und Stuart Mill, den Stammvätern des moralischen Utilitarismus, in einer ethischen Umkleidung daherkommt; „der Mensch ist auf das Erwerben als Zweck seines Lebens, nicht mehr das Erwerben auf den Menschen als Mittel zum Zweck der Befriedigung seiner materiellen Lebensbedürfnisse bezogen.“ (Haas in: Becker 2002, S. 165). So steht der Mensch nicht außerhalb der Ethik, sondern er ist „Sklave“ der utilitaristischen Ethik, die nach Weber zugleich den „Geist des Kapitalismus“ ausmacht: „Leben, um zu erwerben“ (ebd.).

Sowohl Haas als auch Hauser sehen den Neoliberalismus weitergehend als Grundlage wirtschaftlichen und sozialwirtschaftlichen Handelns. Unter Neoliberalismus verstehen sie „die Reformierung der staatlichen Aufgaben“ und zählen Parolen dazu wie „Unbezahlbarkeit der Solidaritätskassen, Umbau der Sozialsysteme, mehr Eigenverantwortung der Bürger, Arbeitsverpflichtung für Sozialhilfeempfänger, Sozialschmarotzertum etc.“ (ebd., S. 166f). Hauptmotiv des Neoliberalismus ist die Kürzung der staatlichen Dienstversorgung mit u. a. folgendem Motiv: „Der Markt selbst könne die sozialen Probleme, die Steuerung der Leistungen zur Daseinsvorsorge besser lösen als der Staat.“ (ebd., S. 167).

Diese Entwicklung wird sich allgemein in Ländern festigen, die sich neu nach Markt und neoliberalistischen Werten bzw. Märkten orientieren, und dementsprechende Handlungen erzeugen. Die EU-Zauberformel, die das moderne „Marktsyndrom“ unterstützt, lautet gemäß Haas: „Freier Markt bedeutet Wachstum, Wachstum bedeutet Beschäftigung, Beschäftigung bedeutet Wohlstand für alle, Gesellschaft ohne Ausgrenzung, Partizipation für jedermann, also Demokratie.“ (ebd.).

Der Markt hat eine Bedeutung erhalten, wie er sie vorher nie hatte. Die Ideologie der Überlegenheit des Marktes hat heute alle gesellschaftlichen Bereiche okkupiert, wie Grams überzeugend schreibt. Man spricht immer vom Sozialunternehmen als Bestandteil des Markts und der Wirtschaft und erwähnt dabei die Arbeitsfelder des Sozialmanagers oder der Sozialmanagerin wie nichtstaatliche Organisationen (NGOs), die sich vom Staat abgrenzen, oder Non-Profit-Organisationen (NPO), die sich von der Wirtschaft abgrenzen (vgl. Wöhrle 2003, S. 92). Es ist ersichtlich, dass die Sozialwirtschaft eine breite Palette von Arbeitsfeldern hat, die sich entweder dem Markt bzw. der Wirtschaft zuwenden oder den Regierungs- und Staatsaufgaben. Neben der Frage nach der Wirtschaftlichkeit der Sozialen Arbeit muss die Frage nach den Grenzen des ökonomischen Denkens und Handelns in der Sozialen Arbeit beantwortet werden. „Ökonomische Entscheidungen müssen […] aus der Anonymität wirtschaftlicher Vernunft in den gelebten und erfahrbaren Alltag der Sozialen Arbeit geholt werden […].“(Becker 2002, S. 62).

Die wirtschaftliche Vernunft, die das wirtschaftliche Handeln untermauert, kann aus den Aufgaben der Ethik abgeleitet werden. Denn Aufgabe der Ethik ist es, über die Begründung, Rechtfertigung und Entwicklung von Normen des guten und gerechten Handelns methodisch nachzudenken (vgl. Lay 1996, Horn 1996 in: Reimer 2005). Diese Gedanken können aufgrund der Wirtschaftsethik in theoretischer Reflexion über die moralischen Aspekte des wirtschaftlichen Handelns und seine institutionellen Bedingungen entstehen. Die Wirtschaftsethik ist ein interdisziplinäres Teilgebiet der Wirtschaftswissenschaften und der praktischen Philosophie. In Anbetracht dessen handelt Management in einem Unternehmen bzw. einem Sozialunternehmen, das eigentlich keiner Unternehmensethik untergeordnet ist, ohne ethische Orientierung.

Hierzu ein kleiner Exkurs in die Unternehmensethik. Moralfragen im Unternehmensbereich stehen dabei im Mittelpunkt. Untersucht werden die grundsätzlichen Konfliktmöglichkeiten, die zwischen den Interessen eines gewinnorientierten unternehmerischen Handelns und den allgemeinen gesellschaftlichen Gerechtigkeitsvorstellungen auftreten können. Die Unternehmensethik betrachtet das Gewinnprinzip als Leitziel unternehmerischen Handelns, was einen Gegensatz darstellt zum Handeln in Sozialunternehmen. Die Unternehmensethik richtet sich sowohl nach innen (Unternehmenskultur, Führungsstil, Mitbestimmungen und Leistungsbewertungen) als auch nach außen (gegenüber Kunden, Bezugsgruppen sowie der Öffentlichkeit) (vgl. Brockhaus Wirtschaft 2004, S. 679).

In der nachfolgenden Abbildung wird der Bezugsrahmen sozialwirtschaftlichen Handelns veranschaulicht (vgl. Wendt, 2003, S. 17).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Handlungsrahmen der Sozialwirtschaft

Becker ist der Überzeugung, dass „sozialwirtschaftliches Handeln – – im Gegensatz zu wirtschaftlichem Handeln des Homo oeconomicus – auch ethische Implikationen enthält“ (Hauser in: Becker 2002, S. 164f). Dieser ethische Anspruch grenzt die beiden Wirtschaftsformen voneinander ab. Für das Management im Sozialunternehmen kann die Wirtschaftsethik, die nach dem Gewinnprinzip funktioniert, von Bedeutung und Interesse sein; beispielsweise mit einem neuen Modell wie das von Peter Ulrich, der einen „Ansatz der integrativen Wirtschaftsethik“[8] verfolgt[9]. Auf diese Weise kann auch der erwähnte Widerspruch teilweise aufgehoben werden. Der Widerspruch zwischen wirtschaftlichem Handeln in einem profitorientierten Betrieb und einem Sozialunternehmen basiert auf den Zielen des Homo oeconomicus und deren Grundorientierung, d. h. den „Gewinn des Unternehmens zu maximieren, diesem Ziel […] ordnet sich alles andere unter“. (ebd., S. 169). Die Sozialwirtschaft kann dieser Ethik nicht vorbehaltlos begegnen und muss Grenzen setzen. Sie folgt ihrer eigenen Gesetzmäßigkeit, wie Hauser ausführt: „Die Ökonomie der Selbstsorge und gemeinsamen Sorge und Unterstützung folgt nicht dem Denkmodell des Homo oeconomicus als eines rationalen Nutzenmaximierers.“ (Wendt, Grams/Klug in: Becker 2002, S. 172). Interessant wäre es zu untersuchen, weshalb das Hauptziel der Wirtschaft, „Wohlstand für alle“ (Ludwig Erhard in: Wilken 2000, S. 189), verschwunden ist zugunsten von „Gut Sicherheit kostengünstiger produzieren“ (Berthold/Schmied in: Wilken 2000, S. 189). Eine solche Untersuchung sprengt aber den Rahmen dieser Arbeit. Es kann jedoch festgehalten werden, dass dieser Paradigmenwechsel dem Wandel von Welfare zu Workfare zugrunde liegt.

4.5 Konklusion

Am Anfang dieses Kapitels habe ich angekündigt, dass ich die Unterschiede zwischen Sozialmanagement und Management herausarbeiten und die Frage nach den unterschiedlichen Aufgaben von Sozialmanagement und Wirtschaftsmanagement näher erläutern würde. Meine Ausführungen haben gezeigt, dass aufgrund des vielfältigen Arbeitsfeldes des Sozialmanagements in der Gesellschaft unterschiedliche und professionelle Methoden benötigt werden, um den Erwartungen von Wirtschaft und Staat gerecht zu werden sowie die Interessen der Klientel vertreten zu können. Sozialmanager(inne)n müssen betriebswirtschaftliche Kompetenzen erwerben, um den anstehenden Aufgaben und den Erwartungen der marktwirtschaftlichen Mechanismen gerecht zu werden.

Eine wichtige, aber entscheidende Nuance in der Arbeit von Management und Sozialmanagement besteht darin, dass die Güter unterschiedlich sind. Ersteres hat mit Gütern zu tun, die sich nicht wehren können. Das Sozialmanagement hingegen hat mit Menschen zu tun, die ihre Ressourcen haben, ihre Rechte kennen und ihren Pflichten nachkommen.

Während das Sozialmanagement nicht auf Nutzenmaximierung fixiert ist, orientiert sich das Management im Gewerbe hauptsächlich an Produkt- und Nutzenmaximierung. Dieser Unterschied macht die Arbeit des Sozialmanagements nebst den politischen Entscheidungen und deren Abhängigkeiten nicht einfacher. Sozialmanagement ist fast in allen europäischen Ländern aus gesellschaftlichen Defiziten heraus entstanden. Dies bedeutet nicht, dass der Entstehung der Nutzenmaximierung kein Defizitcharakter anhaftet, sondern dass das Management einem Nutzenbegriff unterliegt, der erstens positiv und als wichtig bewertet wird und dessen Inhalt zweitens viele nicht kennen.

Ein weiterer unterscheid, der immer wieder bei der Argumentation benutzt wird, ist der Unterschied zwischen Gütern und Menschen. In der Wirtschaft kann ein Produkt, das qualitativ nicht der Marktvorstellung oder dem Produzenten entspricht, gelagert oder vernichtet, billiger verkauft oder in andere Weltländer verschickt werden. In der Sozialen Arbeit hingegen können weder die Resultate der Interventionen als Produkt noch die Zeitspanne der Wirkung eingeschätzt werden. Deviante Menschen können nicht wie Wirtschaftsgüter gelagert, vernichtet oder verbilligt angeboten werden. Deshalb ist es schwierig für das Sozialmanagement, wirtschaftlich zu handeln. Die Vorstellungen von wirtschaftlichem Handeln im Sozialbereich und in der Marktwirtschaft klaffen also auseinander. Wie die erwähnten Schwierigkeiten behoben werden könnten, wird in Kapitel 7 erörtert.

Wenn von wirtschaftlichem Handeln in Sozialunternehmen gesprochen wird, denkt man an einen messbaren und effizienten Output wie z. B. das Senken der Arbeitslosigkeit, das Vermeiden von Armut, das Kontrollieren von Jugendgewalt, das Vorbeugen von sozialen Ausgrenzungen, das Gewährleisten von medizinischen und sozialen Leistungen sowie die Herstellung der Chancengleichheit (vgl. Hauser in: Becker 2002, S. 175f).

Im nächsten Kapitel werden diese Erwartungen in Zusammenhang mit der Globalisierung und Sozialmanagement geprüft. Es wird aufgezeigt, in welcher Kombination überhaupt Sozialmanagement mit der Globalisierung und deren Folgen steht.

5 Sozialmanagement und die Globalisierung

„Eine Mrd. Menschen gilt weltweit

als arbeitslos oder unterbeschäftigt.“

„Rund 800 Mio. Menschen haben chronisch

nicht genug zu essen.“ (Richard Gerster 2005)

Meine Behauptung, Sozialmanagement sei ein Artefakt der Globalisierung, ist nicht sehr abwegig. Tatsächlich lag die Geburtsstunde des Sozialmanagements in den Jahren, in denen die Globalisierung bereits in der Pubertät war. Wie Beck richtig feststellt, ist überall die Rede von Globalisierung: „Globalisierung ist sicher das am meisten gebrauchte –missbrauchte – und am seltensten definierte, wahrscheinlich missverständlichste, nebulöseste und politisch wirkungsvollste (Schlag- und Streit-)Wort der letzten, aber auch der kommenden Jahren.“ (Beck 1999, S. 42)

Was also ist überhaupt unter dem Begriff der Globalisierung zu verstehen? Ist es eine internationale Wirtschaftspolitik oder eine „Global Governance“ bzw. „geplatzte Hoffnung“ (Niggli, 2004)? Diese Frage soll im folgenden Kapitel beantwortet sowie ein eventueller Zusammenhang untersucht werden zwischen Globalisierung und Sozialmanagement.

5.1 Globalisierung, was ist sie wirklich?

Globalisierung ist kein neues Phänomen. Schon die Spuren der Seidenstrassen oder die Reise von Kolumbus pflanzten den Keim des heutigen Baumes der Globalisierung. Ein in sich isolierter Markt hat schon damals nicht funktioniert und der zwischenstaatliche Handel war schon vor 3000 Jahren von Persien bis Äthiopien üblich. Wenn wir uns auf Europa konzentrieren würden, was in einer globalisierten Zeit schwer fällt, wird ersichtlich, dass der eurozentrische Welthandel eine Vorstufe der Globalisierung war. Schon die europäischen Seefahrer haben dieser Entwicklung beigesteuert - bei der Entdeckung der ‚neuen Welt’ und Kolonialisierung der Länder (vgl. Rudoletzky in: Pfeifer-Schaupp 2005, S. 53). An dieser Stelle kann die Geschichte der Globalisierung nur kurz skizziert werden. Dafür werden wichtige europäische Entwicklungen der letzten Jahre aufgezeigt. Ulrich Beck unterscheidet zwischen Globalismus, Globalität und Globalisierung. Mit Globalismus bezeichnet er „die Auffassung, dass der Weltmarkt politisches Handeln verdrängt oder ersetzt“ (Beck 1998, S. 26). Mit Globalisierung bezeichnet Beck „die Prozesse, in deren Folge die Nationalstaaten und ihre Souveränität durch transnationale Akteure, ihre Machtchancen, Orientierungen, Identitäten und Netzwerke unterlaufen und querverbunden werden.“ (ebd., S. 26f). Globalität heißt für Beck die nebeneinander existierende „Eigenlogik der ökologischen, kulturellen, wirtschaftlichen, politischen, zivilgesellschaftlichen Globalisierung, die nicht aufeinander reduzierbar oder abbildbar sind, sondern jede für sich und in ihren Interdependenzen entschlüsselt und verstanden werden müssen.“ (ebd., S. 27).

Beck betrachtet die Globalität, die zwischen Erster und Zweiter Moderne entstanden ist, als unvermeidbar. Die Gründe dafür sieht er in acht Merkmalen:

1) „geographische Ausdehnung und zunehmende Interaktionsdichte des internationalen Handels, die globale Vernetzung der Finanzmärkte und der Machtzuwachs transnationaler Konzerne,
2) Die Informations- und Kommunikationstechnologische Dauerrevolution,
3) Die universal durchgrenzten Ansprüche auf Menschenrechte – also (Lippen-) Demokratieprinzip,
4) Die Bilder-Ströme der globalen Kulturindustrien,
5) Die postinternationale, polyzentrische Weltpolitik,
6) Die Fragen der globalen Armut,
7) Der globalen Umweltzerstörung
8) Transkultureller Konflikte am Ort.“ (ebd., S. 29f).

Diese Merkmale bedeuten für Beck, dass die Globalität sich nicht an einem Ort abspielen kann. Alles, was an einer Stelle passiert, ist in kurzer Zeit auf der anderen Seite des Globus.

Um die Unterschiede zwischen der oben genannten Ersten und Zweiten Moderne deutlicher zu machen, werden beispielhaft Veränderungen aufgeführt, die die Entstehungsgeschichte der Globalisierung im europäischen Kontext beeinflussten. Beispielweise führten die wirtschaftspolitischen Lenkungsmaßnahmen im 16. bis 18. Jahrhundert dazu, dass mehrere Staaten, wie Frankreich, England und Preußen, als wirtschaftliches Ziel die Maximierung der jeweiligen Exportwaren verfolgten. Sie reduzierten gleichzeitig ihre Importwaren, um mehr Geld zu erwirtschaften. Dies dauerte nicht lang. Der Welthandel konnte sich nicht entfalten, da die Einnahmen eines Landes gemäß des Merkantilismus die Einnahmen des anderen förderten (vgl. Franzmeyer 2000, S. 8ff) (Niggli 2004, S. 38). Nach der verstärkten Kolonialisierung durch europäische Länder und Großmächte hat das Handeln sich weiter entwickelt. Mit der Idee des Wirtschaftsliberalismus, die besagt, dass der Staat nur die Rahmenbedingungen setzt und die Zölle und Handelsschranken verschwinden müssen, begann das Zeitalter der globalisierten Weltwirtschaft, die im 19. Jahrhundert aufgrund des Abbaus der Zollschranken gefördert wurde sowie aufgrund des relativen Friedens der napoleonischen Eroberungen, verbesserter Produktionstechniken und Transportmöglichkeiten. Last but least hatten die Werte des Goldes als standardisiertes Handelsgut für den internationalen Zahlungsverkehr eine enorme Wirkung auf Handlungen zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Der Erste und Zweite Weltkrieg sowie die Weltwirtschaftskrise in den 30-er Jahren haben diese Entwicklung massiv gebremst. Später, d. h. 1944 mit der Gründung des ‚Internationalen Währungsfonds’ (IWF) und der Weltbank, wurden die Voraussetzungen geschaffen für eine weitere Liberalisierung des Welthandels. 1948 hat das ‚Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen’ (GATT) den nächsten Schritten dafür getan. Im Jahr 1995 wurde das GATT durch die World Trade Organization (WTO) abgelöst, die unter dem Regime der UN steht (vgl. Franzmeyer 2000 S. 9ff). Diese Liberalisierungen haben Einfluss geübt auf die Soziale Arbeit und ihre Werte. Peratton beschreibt die Globalisierung unter umfassenden wirtschaftlichen, aber auch kulturellen, sozialen, ökologischen und technologischen Aspekten. Er definiert Globalisierung als „[…] einen historischen Prozess, in dessen Verlauf die Netzwerke und Systeme gesellschaftlicher Beziehungen sich räumlich ausdehnen und die menschlichen Verhaltensweisen, Aktivitäten sowie die Ausübung gesellschaftlicher Macht transkontinentalen (oder interregionalen) Charakter annehmen.“ (Perraton in: Beck 1999, S. 136).

Beck betrachtet Globalisierung durch eine soziologische Brille und prophezeit Folgendes: „Die Einheit von Nationalstaat und Nationalgesellschaft zerbricht; es bilden sich neuartige Macht-, Konkurrenzverhältnisse, Konflikte und Überschneidungen zwischen national-staatlichen Einheiten und Akteuren einerseits und transnationalen Akteuren, Identitäten, sozialen Räumen, Lagen und Prozessen andererseits.“ (Beck 1999, S. 46). Diese Konkurrenzen und Konflikte, die Beck vor Jahren voraussah, sind bereits heute im sozialen Bereich feststellbar. Die Überschneidungen der staatlichen und sozialen Aufgaben werden durch Leistungsaufträge geregelt. Wer welche Aufgaben übernimmt und weshalb sich der Staat überhaupt als Geldgebender per Vertrag sichern muss, wird ebenfalls Folge dieser Erklärung von Beck und der Theorien der modernen Soziologie wie der Container-Theorie[10] der Gesellschaft nachvollziehbar. Den Theorien von Agnew und Corbridge zufolge setzen die Gesellschaften die „staatliche Beherrschung des Raumes“ voraus. Dies bedeutet, „der soziologische Blick folgt der ordnenden Autorität – Macht und Gewalt – des Nationalstaates. Diese drückt sich darin aus, dass Gesellschaften Staaten (definitorisch) untergeordnet werden; Gesellschaften sind Staatsgesellschaften, Gesellschaftsordnung meint von der >französischen<, >amerikanischen<, >deutschen< Gesellschaft.“ (ebd., S. 49). Mit Blick auf die Definition der Globalisierung nach Beck kann gesagt werden, die Globalisierung ist „das Töten der Entfernung; das Hineingeworfensein in oft ungewollte, unbegriffene transnationale Lebensformen; oder – in Anlehnung an Anthony Giddens definiert – Handeln und (Zusammen-)leben über Entfernungen (scheinbar getrennte Welten von Nationalstaaten, Religionen, Regionen, Kontinente) hinweg (ebd., S. 45).

Pfeifer-Schaupp bringt seine Überzeugung wie folgt zum Ausdruck: „Der gegenwärtige dominierende Globalisierungsbegriff ist einseitig ökonomisch geprägt. Globalisierung ist demnach eine zusammenfassende Bezeichnung für die weltweite Durchdringung von Wirtschaftsprozessen, Kapitalverflechtung und die globale Ausrichtung von (multinationalen) Unternehmen.“ (Pfeifer-Schaupp 2005, S. 11). Er betrachtet die Globalisierung auf vier verschiedenen Ebenen und in sechs unterschiedlichen Dimensionen. Die Ebenen werden in ethisch-religiöse, philosophische, politische und ökonomische Projekte unterteilt. Diese Projekte haben ihre Wurzeln in unterschiedlichen, weltgeschichtlichen Böden, bspw. in der universalistischen jüdischen Ethik, in christlichen Überlieferungen, in der Philosophie der Stoa (300 vor. Chr.) sowie in der Französischen Revolution von 1789 (ebd., S. 12) mit ihren wichtigen Elementen der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Als Dimensionen zählt er die ökonomische, politische wie technologische, ökologische und kulturelle sowie soziale oder zivilgesellschaftliche Globalisierung auf (ebd., S. 17).

Wenn oben geführte Argumente tatsächlich die Bausteine und Grundgedanken der Globalisierung sind, wird die Globalisierung falsch interpretiert und nur von der Ökonomie her ausgelegt. Es ist fest zustellen, wie es auch der Autor verifiziert, dass die Begründung nur den wirklichen begonnenen Globalisierungsprozess mit seiner unhaltbaren Geschwindigkeit aus einer wirtschaftlichen Sicht dar. Wobei beachtet werden muss, wie das Sozialmanagement diese fortschreitende Entwicklung in seinen Handlungen und Entscheidungen beeinflussen bzw. integrieren kann. Rudoletzky stellt fest, dass die Entwicklung des globalen Integrationsprozesses eine einmalige Intensität und Geschwindigkeit in der Geschichte der Menschen hat. Sie betrachtet die Auswirkung der Globalisierung ebenfalls auf unterschiedlichen, d. h. auf politischen, sozialen sowie kulturellen Ebenen (ebd., S. 52).

Die Folgen dieser Auswirkungen der Globalisierung haben oft direkte Einflüsse auf die Arbeitsfelder und den Gegenstand der Sozialen Arbeit. Diese wiederum hat Einfluss auf die Managementaufgaben in Sozialen Unternehmen und ihre Dienstleistungen, deren Aufgaben vom Sozialmanagement koordiniert werden müssen. Genau mit derselben Geschwindigkeit sollte das Management in Sozialen Unternehmen in der Lage sein, sich zu entwickeln, da Rudoletzky den Globalisierungsprozess als eine „rasante zunehmende Internationalisierung des Handels, der Kapitalmärkte sowie der Produkt- und Dienstleistungsmärkte und der internationale Verflechtungen der Volkswirtschaften“ (ebd.) bezeichnet.

Bis anhin wurde versucht, unterschiedliche kritische Auffassungen der Globalisierung aus dem europäischen Kontext darzustellen, „Die Globalisierung wird zur Herausforderung für die Industrieländer selber“ (Gerster, 2002, S. 62). In einem nächsten Schritt wird untersucht, inwieweit die Globalisierung mit der Entstehung des Sozialmanagements zu tun haben kann.

[...]


[1] „Abweichendes Verhalten (Devianz) ist ein Verhalten, das die Verletzung sozialer Normen sowie Sanktionen impliziert.“ (Carigiet/ Mäder/ Bonvin 2003, S. 9).

[2] Siehe auch Kapitel 7 für die wissenschaftliche Zuordnung des Sozialmanagements.

[3] wird im Kapitel 6 „Wohlfahrtstaat“ und „Welfare“ definiert und erklärt.

[4] „Als wirtschaftliche Handlung werden alle planmäßigen menschlichen Handlungen verstanden, die unter Beachtung des ökonomischen Prinzips mit dem Zweck erfolgen, die – an den Bedürfnissen der Menschen gemessen – bestehende Knappheit der Güter zu verringern.“ (Schellberg nach Wöhrle 2004, S. 23).

[5] Siehe Kapitel 6; „Wohlfahrtstaat“ und „Welfare“.

[6] Siehe Kapitel 6; „Workfare“.

[7] Siehe Kapitel 1.4.

[8] Dieses Modell der integrativen Wirtschaftsethik wird in Kapitel 7 als eine Handlungsmöglichkeit vorgeschlagen.

[9] In Anlehnung an Dr. Gisela Rudoletzky, Papers 2006.

[10] „Das Wechselverhältnis der drei ineinandergreifenden Grundannahmen der Container-Theorie der Gesellschaft (die Einheit von Territorium, Souveränität und Staat; die Grenzziehung durch Entgegensetzungen und die staatliche Hegemonie über die Gesellschaft), erzeugen den Anschein der Selbstverständlichkeit, "Natürlichkeit" und "Unüberwindbarkeit" dieser Container-Theorie der Gesellschaft.“ (www.awista.uni-linz.ac.at/polsoz/ref_mayr.html, Zugriffsdatum: 29.03.07).

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2008
ISBN (PDF)
9783956847929
ISBN (Paperback)
9783956842924
Dateigröße
7.5 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Evangelische Fachhochschule Freiburg
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
2
Schlagworte
Sozialmanagement Ethik der Sozialen Arbeit wirtschaftliches Handeln Management Ethik

Autor

Dr. Morris Setudegan, dipl. Sozialarbeiter, wurde 1968 im Iran geboren. Sein Studium des Sozialmanagements an der Freiburger Universität in Breisgau schloss der Autor im Jahre 2008 mit dem akademischen Grad der Master of Arts erfolgreich ab. Anschliessend absolvierte er sein PhD an der International Atlantic university in den USA. Bereits während des Studiums sammelte der Autorin umfassende praktische Erfahrungen in der Thematik Migration, Sucht und Prävention, außerdem unterrichtete er als Dozent an Hochschulen Sozialmanagement in der Schweiz, Kanada und Südkorea. Fasziniert von der koreanischen Kultur und Sprache, verbrachte der Autor mehr als drei Jahre in Kanada, USA und Korea, um die Besonderheiten des asiatischen Managements kennenzulernen. Heute arbeitet er erfolgreich in der Schweiz als Sozialmanager und vermittelt sein Wissen an Hochschulen.
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Titel: Sozial Management und Ethik: Sozialmanagement im Spannungsfeld zwischen Ethik der Sozialen Arbeit und wirtschaftlichem Handeln
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