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Welche Erkenntnisse kann ein Manager aus der Hirnforschung ziehen? Versuch eines interdisziplinären Transfers

©2010 Bachelorarbeit 54 Seiten

Zusammenfassung

Der Mensch neigt zunehmend dazu, Systeme und Strukturen immer effizienter zu gestalten. Dass dieses Effizienzstreben in letzter Instanz eigentlich auf dem Rücken des einzelnen Mitarbeiters ausgetragen wird, geriet dabei zusehends in Vergessenheit.
Damit Organisationen auch nachhaltig Erfolge verbuchen können, bedarf es mehr Robustheit und Belastbarkeit. Was Albert Einstein schon erkannte - nämlich dass Probleme nur mit anderen Denkweisen gelöst werden können, als diejenigen, die sie verursacht haben - muss häufiger gängige Praxis in Organisationen jeglicher Art werden! Es braucht mehr Vielfalt, eine höhere Bereitschaft zum proaktiven Leben einer Dialogdiskurskultur sowie insgesamt mehr Akzeptanz (vgl. entwickelte Checkliste im Abschnitt 4.3 dieser Arbeit). Diese BA-Arbeit soll mit Hilfe von ausgewählten, führungsrelevanten Erkenntnissen des Neurobiologen Gerald Hüther der Führungskraft Handlungsempfehlungen zur Lösung des von Lietaer aufgezeigten Effizienzproblems liefern. Darin besteht auch ihre Legitimation.
Diese Handlungsempfehlungen sollen der Führungskraft in Form einer Checkliste wieder den Weg hin zu einem Vitalitätsfester ermöglichen. Es soll Abstand von dem klassischen effizienztreibenden Führungsverständnis genommen und stattdessen eines entwickelt werden, das den Weg zu mehr Robustheit und demzufolge auch Nachhaltigkeit in einer Organisation ebnet. Unterstützend wird das Ziel verfolgt, im Rahmen einer umfassenden Grafik für die Führungskraft die aus den neurobiologischen Erkenntnissen resultierenden Implikationen so transparent wie möglich abzubilden. Dargestellt in einem Totalmodell sowie aufbereitet in einer Checkliste wird der Versuch unternommen, die notwendigen Zusammenhänge und Verhaltensempfehlungen für eine Führungskraft am Ende der Arbeit aufzuzeigen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


2. Skizze relevanter neurobiologischer Erkenntnisse nach Gerald Hüther

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

obiologie – Worum geht es dabei?

Der rasante Wandel und die komplexe Dynamik der gegenwärtigen Umwelt[1] verlangt dem Menschen zunehmend einiges ab. Er muss sich den Gegebenheiten anpassen und sich mit ihnen stetig verändern.[2] Auf die Frage hin, wo genau die Veränderung im Menschen vollzogen werden, oder zumindest ihren Ursprung besitzen, findet Albert Schweitzer, Theologe und Friedensnobelpreisträger von 1952, bereits sehr früh eine Antwort: Sämtliche Veränderungen gehen von dem menschlichen Gehirn aus. Dort werden Haltungen programmiert, die sich anschließend im Denken, Fühlen und Handeln äußern.[3] Die Neurobiologie als Teil der Neurowissenschaften legitimiert sich genau durch diese Erkenntnis. Unter der Fragestellung „Wie funktioniert das menschliche Gehirn?“, untersucht die Disziplin den Aufbau und die Funktionsweise. Im Fokus stehen dabei die Erforschung der Entwicklung sämtlicher Konstruktionen von Nervenzellen und aufgabenbezogenen Arealen (bspw. limbisches System, präfrontaler Cortex) sowie deren Interaktion untereinander und die Relation zur Umwelt.[4]

Die Disziplin ist längst nicht mehr neu. Auch im antiken Griechenland, vor über 2.500 Jahren, beschäftigte man sich bereits mit dieser Thematik.[5] Hippokrates lokalisierte dabei z.B. längst das Gehirn als Ort menschlicher Intelligenz.

„Menschen sollten wissen, dass vom Gehirn, und nur vom Gehirn, unser Vergnügen, Freude, Heiterkeit und Humor, aber auch unsere Traurigkeit, Schmerz, Bestürzung und Tränen ausgehen. [...]“ [6]

Als wohl berühmtester Mediziner des Altertums erkannte er, dass der Ursprung jeglichen rationalen und emotionalen Verhaltens im menschlichen Gehirn zu suchen war. Das Zitat geht aus seinen Schriften hervor und verdeutlicht die grundlegende Bedeutung des kompliziertesten Organs, das die Evolution je hervorgebracht hat. Seiner Ansicht zufolge verleiht das Gehirn dem Menschen sein Alleinstellungsmerkmal.[7]

Was allerdings genau unter der Neurobiologie im heutigen Kontext zu verstehen ist, bleibt nicht eindeutig darstellbar.[8] De Facto handelt es sich aber um einen durchaus interdisziplinären Wissenschaftsbereich, welcher Biologie, Medizin und Neurologie, aber auch Psychologie vereint.[9] Vor dem Hintergrund dieser BA-Arbeit, wonach Erkenntnisse aus dieser Disziplin auf die der Betriebswirtschaftslehre (vgl. Kapitel 3) abgeleitet werden sollen, gewinnt der Aspekt der Interdisziplinarität eine ganz neue Bedeutung.

Trotz großer Variation in dem Verständnis von Neurobiologie setzt sie sich formal betrachtet aus den Begrifflichkeiten Neurologie und Biologie zusammen. Da Neuronen als die Nervenzellen im menschlichen Gehirn bekannt sind und die Biologie die Wissenschaft vom Leben ist, kann Neurobiologie gewissermaßen als die Wissenschaft von neuronalen Aktivitäten im Gehirn, kurz als Hirnforschung, definiert werden.[10] Zimbardo/ Gerrig bspw. verstehen in dem Begriff die „wissenschaftliche Erforschung des Gehirns und der Verbindung zwischen Gehirnaktivitäten und Verhalten.“[11] Neben den Verhaltensweisen, die das Ergebnis aus dem Zusammenwirken von Millionen einzelner Nervenzellen sind, versteht sich die Neurobiologie als Teildisziplin der Neurowissenschaften und definiert sich ebenfalls über die Untersuchung des Einflusses externer Größen (bspw. Verhalten anderer Menschen, naturbedingte Umwelt) auf dieses Zusammenwirken der Nervenzellen im menschlichen Gehirn.[12] Zusammenfassend liegt das Interesse der Neurowissenschaftler also in der Erforschung der Wechselwirkungen zwischen Gehirn und Umwelt, aber auch deren gegenseitige Abhängigkeiten.[13]

In einem Punkt sind sich alle Neurowissenschaftler einig: Seit der Einführung der sogenannten „bildgebenden Verfahren“ – das sind technische Geräte (hauptsächlich der Magnetresonanztomograph), mit denen man das Gehirn praktisch dreidimensional abbilden und untersuchen kann – ist die Hirnforschung bedeutend in den Fokus gerückt.[14] Dieser neuartigen Methode ist es zu verdanken, dass ein Gehirn nun ohne chirurgischen Eingriff im Vorhinein detailliert analysiert werden kann. Das Ergebnis aus diesem technologischen „Quantensprung“[15] äußert sich u. a. dadurch, dass die Hirnforschung in den vergangenen zehn Jahren das „am schnellsten wachsende Forschungsgebiet“[16] darstellt. Auch Gerhard Roth, einer der maßgeblichen Biologen Deutschlands, spricht diesem Wandel für die Erkenntnisgewinnung aus der Neurobiologie eine hohe Bedeutung zu.[17]

Die fundamentale und umstrittene Frage der Neurobiologie nach der Plastizität des menschlichen Gehirns trat im Zuge der „bildgebenden Verfahren“ in eine ganz neue Perspektive. Mit der Plastizität sei die Fähigkeit des Gehirns, sich ständig an veränderte Bedingungen anzupassen, gemeint.[18] Gerald Hüther erkannte darin, dass das menschliche Gehirn zeitlebens lernfähig und veränderbar ist. Neuronale Verschaltungen bilden sich dabei lebenslang neu heraus und lösen im Gegenzug alte, nicht Gebrauchte auf.[19] Dies war längst nicht unumstritten, schließlich dominierte fast ein halbes Jahrhundert lang das Dogma von Raymond y Cajal, dass diese bei der Geburt entstandenen Verschaltungen zeitlebens unveränderlich seien. Hüther sprach in diesem Kontext von „alten Schuhen“, die die Entwicklung neuer Erkenntnisse, Wissen sowie Theorien stark einschränkte.[20] Das Thema der Plastizität ist allerdings unter den Experten weiterhin umstritten. Während bspw. Singer streng der Auffassung ist, dass der Mensch vollständig genetisch determiniert und somit zeitlebens unveränderbar ist[21], lehnt Roth die Plastizität nicht grundlegend ab. Mit der Ausnahme von starken positiven oder negativen Erfahrungen ist der Mensch im Alter nur wenig veränderbar, was Roth in folgendem Satz zusammenfasst: „Wir sind Ergebnis unserer selbst konstruierten Wirklichkeit“[22], in welcher sich der Mensch gefangen hält. Seiner Einschätzung zufolge ist der Mensch 40 bis 50 Prozent genetisch determiniert, 30 bis 40 Prozent geprägt durch die ersten fünf Lebensjahre und nur etwa 20 Prozent noch durch Erziehung und Umwelt beeinflussbar.[23] Spitzer sowie auch Hüther hingegen plädieren aktiv für eine hirntechnisch lebenslange Anpassungsfähigkeit des Menschen.[24] Letztere Auffassung soll nun also auch die Grundlage für die weiterführenden Überlegungen mit speziellem Bezug auf dem Werk sowie den daraus ableitbaren Erkenntnissen Hüthers darstellen.

2.2 Das Werk von Gerald Hüther

Prof. Dr. Gerald Hüther zählt zu den bekanntesten Hirnforschern Deutschlands. Er ist Professor für Neurobiologe und leitet die Zentralstelle für Neurobiologische Präventionsforschung der Psychiatrischen Klinik der Universität Göttingen und des Instituts für Public Health der Universität Mannheim/Heidelberg.[25]

Wissenschaftlich befasst er sich u. a. mit der neurobiologischen Verankerung von Erfahrungen sowie dem Einfluss auf die Hirnentwicklung, Auswirkungen von Angst und Stress, nicht zuletzt aber auch mit der Bedeutung emotionaler Reaktionen bei Lernprozessen. Er ist Autor zahlreicher wissenschaftlicher Publikationen und populärwissenschaftlicher Darstellungen. Seine Stärke liegt in der Öffentlichkeitsarbeit. Dabei gelingt es ihm zunehmend, mit leicht zugänglicher Sprache die komplexen Sachverhalte der Neurobiologie in der Gesellschaft zu verbreiten. Hüther selbst versteht sich als „ Brückenbauer “ zwischen wissenschaftlicher Forschung und gesellschaftlicher Lebenspraxis. Das Ziel seiner Aktivitäten ist die Schaffung günstigerer Voraussetzungen für die Entfaltung menschlicher Potenziale, speziell im Bereich Erziehung und Bildung sowie auf der Ebene der politischen und wirtschaftlichen Führung.[26]

Das Werk, i. S. einer umfangreichen menschlichen Tätigkeit, von Hüther umfasst ca. 18 Sachbücher, 94 Buchbeiträge, sowie über 100 Zeitschriftenbeiträge. Ergänzt wird es durch zahlreiche Fernsehauftritte, Radiogastbeiträge wie auch Gastvorträge und Impulsveranstaltungen.[27] Seine aber populärsten Schriftstücke sind die „Bedienungsanleitung für ein menschliches Gehirn“, „Biologie der Angst“ und „Die Macht der Inneren Bilder“.[28] Sollte man sein Werk also in einem Satz zusammenfassen, so würde man folgende Aussage erhalten: Das menschliche Gehirn ist eine programmöffnende[29], „hochkomplexe, vielfach vernetzte und zeitlebens änderungsfähige“[30] Konstruktion. Sämtliche Forschungen, Beiträge sowie Publikationen von Gerald Hüther basieren auf dieser Grunderkenntnis.

Der wohl am kritischsten betrachtete Beitrag von Hüther geht von seinen Untersuchungen über das AD(H)S aus. Darin untersucht er die neurobiologischen Ursachen sowie mögliche Maßnahmen gegen dieses Aufmerksamkeitsdefizit(hyperaktiv)-Syndrom, kurz Zappelphilipp. Häufig äußert sich das AD(H)S durch Unaufmerksamkeit, Unordnung, Unkonzentrierbarkeit sowie das permanente Gefühl, aufgedreht zu sein[31] – Merkmale, die nicht zuletzt im unternehmerischen Umfeld häufig auffindbar sind. Die Ursache liegt meist in der starken Reizüberflutung des menschlichen Gehirns.[32] Die heutige medizinische Musterlösung vieler Experten besteht in der Verabreichung einer starken Beruhigungsdroge namens RITALIN®. Gerald Hüther ist überzeugter Gegner dieser einfachen und sicherlich nachhaltig schädigenden Maßnahme[33] und erforscht demnach natürliche Möglichkeiten, dieser Krankheit zu begegnen. Dabei hat er ein Projekt ins Leben gerufen, dem mit Namen „Via Nova“, in welchem er Kinder für acht Wochen von seinen Eltern trennt und auf der Alm von Grund auf neu aufbaut. Er konfrontiert die Teilnehmer mit simplen Problemen (bspw. das Melken einer Kuh, Bauen einer Brücke, etc.), die in der Gruppe lösbar sind und somit ihnen die so wichtige, fehlende positive Erfahrung zurückgeben. Das dabei entstandene Erfolgserlebnis verankert sich nachhaltig im Gehirn und neutralisiert tatsächlich bei vielen Teilnehmern die Ursachen der AD(H)S-Krankheit.[34]

Von zentraler Bedeutung gilt auch die Unterscheidung des Gehirns in vier maßgebliche Konstruktionen, welche Hüther in seiner Bedienungsanleitung grundlegend aufzeigt. Insbesondere die letzten beiden Konstruktionen finden sich im menschlichen Gehirn wieder und unterstreichen das Alleinstellungsmerkmal des Menschen.[35] Während die wirbellosen Tiere völlig programmgesteuert funktionieren[36], d. h. lebenslang ein fest installiertes Programm im Gehirn abspulen, gelten Wirbeltiere als Initial programmierte Konstruktionen, die sich anfangs auf die Umwelt einlassen und sich ihr anpassen, dann aber im Verlauf des Lebens in ihr vorgeschaltetes Programm im Gehirn zurückfallen (bspw. Löwen jagen Beute).[37] Der charakteristische Unterschied zum Menschen besteht nunmehr in der lebenslangen Anpassungsfähigkeit des Gehirns, welche Hüther als zeitlebens programmierte Konstruktion bezeichnet. Der Mensch zeichnet sich durch seine Intuition, Verankerung von Erfahrungen durch sogenannte neuronale Verschaltungsmuster im Gehirn und insbesondere die Fähigkeit der Integration sowie Nutzung der kollektiven Intelligenz im Verbund einer Gemeinschaft aus.[38] Diese Annahmen von Hüther werden im weiteren Verlauf der Arbeit, speziell in Kapitel 4, für die führungsrelevanten Erkenntnisse von signifikantem Ausmaß sein. Als letzte Konstruktion unterscheidet Hüther die der programmöffnenden. Diesen Typus stuft er selbst als besonders hoch ein. Es geht dabei um die Kunst, lebenslang von bewährten Bewältigungsstrategien abzuweichen und neue auszuprobieren. Seinen Beschreibungen zufolge gilt diese Konstruktion als wünschenswerter Idealzustand.[39]

Um Gerald Hüthers Werk insgesamt besser verstehen zu können, bedarf es jedoch eines umfangreicheren Einblicks in seine aktuellen Erkenntnisse. Wie in diesem Abschnitt bereits offen gelegt, bauen sie auf der Grundprämisse auf, dass das menschliche Gehirn eine zeitlebens änderungsfähige und programmöffnende Konstruktion ist. Im Folgenden werden also ausgewählte Erkenntnisse von Hüther anhand einer problemorientierten Grafik[40] skizziert.

2.3 Erkenntnisse nach Gerald Hüther

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Wichtig ist überhaupt, dass ein Gehirn die Möglichkeit zum Lernen bekommt. Dass der Mensch diese dann auch wahrnimmt, versteht sich unter der Annahme von intrinsischer Motivation aus der Theorie Y nach McGregor [41] von selbst. Mit seinem Zitat[42] macht Gerald Hüther darauf aufmerksam, dass der Prozess des Lernens scheinbar unterbrochen oder ausgeblendet wird. In diesem Abschnitt sollen ausgewählte Erkenntnisse nach Hüther skizziert und erörtert werden. Die Abbildung 2, sowie darauf aufbauend die Abbildung 3, sollen diesem Abschnitt als maßgeblicher Orientierungsrahmen dienen. Dabei zeigen sie die drei zentralen, prozessualen Schritte im menschlichen Gehirn auf, abgebildet in einer von Hüther aufgezeigten Kausalkette[43]. Das Modell wiederum ist eingebettet in zwei externe, von außen beobachtbare Größen. Zum Einen wirkt die Umwelt i. S. einer Inputgröße auf das menschliche Gehirn, zum Anderen steht am Ende des „Produktionsprozesses“ das Output-orientierte Ergebnis. Die Kausalkette verarbeitet nun also die von der Umwelt eingehenden Eindrücke und Sinneswahrnehmungen, sodass am Ende über eine konkrete Entscheidung ein Ergebnis heraus kommt. Problematisch wird es nur, wenn dieser Zwischenschritt der „Wertschöpfung“ durch denkbare Einschränkungen – wie etwa das von Lietaer einleitend aufgezeigte Effizienzproblem – nicht mehr funktioniert. Im Folgenden werden also ausgewählte Erkenntnisse nach Hüther entlang des in Abbildung 2 aufgezeigten Grundmodells skizziert.

Bevor diese Kausalkette jedoch überhaupt aufgegriffen werden kann, muss die grundlegende Erkenntnis über die prozessuale Vorgehensweise des menschlichen Gehirns aufgezeigt werden. Hüther zeichnet dabei ein Gehirn mit lauter kleinen, verwachsenen Feldwegen und Trampelpfaden auf.[44] Im Verlauf der Zeit festigen sich diese verwachsenen Gebilde zu immer deutlicher erkennbareren Wegen, Straßen und schließlich ausgebauten Autobahnen. Mit seiner Metaphorik meint er die Verschaltungen von Nervenzellen im menschlichen Gehirn[45], die sich durch umweltbedingte Nutzungen bilden und meist – damit verbunden – durch Erfahrungen determiniert sind. Diese neuronalen Verbindungen entstehen immer dann, wenn eine Aufgabe und somit ein Problem zu lösen ist. Dabei werden verschiedene Areale im Gehirn aktiviert und miteinander vernetzt.[46] Je häufiger man sich jedoch mit einer gleichen Aufgabe (wie etwa Auto fahren) auseinandersetzt, desto intensiver und fester formen sich die vernetzten Verbindungen im menschlichen Gehirn. Aus kleinen Trampelpfaden werden also vierspurig ausgebaute Autobahnen. Die damit verbundene Problematik lässt sich unschwer erahnen: Der Mensch verfällt zunehmend in eigens kreierte Muster, sogenannte Bewältigungsstrategien, in denen er sich schließlich selbst gefangen hält. Damit einher gehend werden die anderen, weniger benutzten Verbindungen weitgehend vernachlässigt und beginnen demzufolge allmählig zu verkümmern.[47] Allerdings zieht Hüther aus dieser Nachricht auch die positive Erkenntnis, dass jeder Mensch die angeborene und lebenslange Fähigkeit besitzt, die uns neben dem im kommenden Absatz erläuterten präfrontalen Cortex zentral von allen anderen Gehirnkonstruktionen unterscheidet, entstandene Verschaltungsmuster jederzeit wieder aufzulösen.[48] Er bezeichnet diesen hier beschriebenen neuronalen Prozess im menschlichen Gehirn als Kanalisierung oder Bahnung.[49] Betreibt der Mensch diese Strategie aus möglicher Faulheit jedoch zu intensiv, wird er nach den Ergebnissen aus der Forschung von Hüther „Gefangener seiner eigenen Entscheidungen“[50]. Es handelt sich bei dieser grundsätzlichen Erkenntnis zwar eher um eine negativ behaftete, dennoch – glaubt man Hüthers Überzeugungen bezüglich der Plastizität und der programmöffnenden Konstruktion – durchaus heilbar zu sein scheint.[51]

Nach dieser fundamentalen Darstellung der Entstehung neuronaler Verschaltungen sowie synaptischer Verbindungen im menschlichen Gehirn, soll nun an die einleitend angeführte Kausalkette anknüpft werden. Sie gliedert sich in drei wesentliche Bestandteile, welche Gerald Hüther in einem Interview mit dem Titel „Andere motivieren zu wollen, ist hirntechnischer Unsinn“ besonders hervorhebt.[52]

Die Tatsache, dass ein menschliches Gehirn zeitlebens derart formbar und plastisch ist, und sich „[...] so sehr an die Art und die Intensität ihrer Nutzung anpassen [kann]“[53], verdankt es nicht zuletzt dem präfrontalen Cortex (auch Frontalhirn, -lappen). Nach Hüther ist es der wohl interessanteste und einflussreichste Bereich, da sich dort sogenannte Metakompetenzen bilden und zeitlebens verankern.[54] Es handelt sich hierbei insbesondere um die innere Einstellung, Überzeugungen sowie Haltungen von Menschen. Sie bilden insgesamt betrachtet den in Abbildung 2[55] dargestellten Block „Erfahrung“.

Abb. 2: Kausalkette im Grundmodell

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Sie gelten als besonders schwer messbar – trotz bahnbrechender technologischer Innovation im Zuge der „bildgebenden Verfahren“ (vgl. Abschnitt 2.1) – und sind bis heute noch nicht vollständig erforscht. „Gemeint ist mit Erfahrung, dass im Gedächtnis eines Individuums verankerte Wissen über die in seinem bisherigen Leben entweder besonders erfolgreich oder besonders erfolglos eingesetzten, in dieser Weise wieder bestätigt gefundenen und deshalb auch für die Lösung zukünftiger Probleme als entweder besonders geeignet oder eben ungeeignet bewertete Strategien des Denkens und Handelns.“[56] Jeder Mensch verankert seine ganz persönlichen Erfahrungen, die de facto Haltung und Überzeugung grundlegendend determinieren. Die im Abschnitt 2.2 dargelegte Kritik an Hüther bezüglich seiner Auffassung sowie Umgang mit AD(H)S beruht im Kern auf dieser Prämisse. Er setzt exakt dort im menschlichen Gehirn an, nämlich im Areal des Frontalhirns, wo die Ursache lokalisiert ist und Handlungsbedarf besteht.[57] Hüther selbst reflektiert dazu: „Es hat lange gedauert, bis mir das endlich klar wurde und bis ich verstanden hatte, dass das, was uns bei all unseren Entscheidungen leitet, nicht unser Geist oder unser Bewusstsein ist, auch nicht all unser auswendig gelerntes oder von fragwürdigen Quellen übernommenes Wissen, sondern die Erfahrungen, die wir während unserer bisherigen Entwicklung gesammelt haben.“[58] Er resümiert für sich, dass „diese individuell gemachten Erfahrungen also der [wohl] wichtigste und wertvollste Schatz [sind], den ein Mensch besitzt.“[59]

Auf der Grundlage dieser im Gehirn übers Leben hinweg entstandenen und verschalteten Erfahrungen werden Bewertungen gegenüber jeglicher Umweltsituation vorgenommen. Sie beruhen auf „[...] am eigenen Leib gemachten Erfahrungen [...]“[60] und sind größtenteils subjektiv. Dennoch bestimmen sie eine Entscheidung maßgeblich, was in Abbildung 2 deutlich erkennbar wird. Hüther erkennt in den im Frontallappen verorteten Erfahrungen zwei Komponenten und schlägt somit den Link zum limbischen System. Sie bestehen aus einer kognitiven und einer emotionalen Komponente, wobei Emotionen im limbischen System gesteuert werden und somit eine interessante Verbindung zum präfrontalen Cortex herstellen. Während sich die kognitive Komponente eher mit der Frage > Was habe ich erlebt?< befasst, dreht sich die emotionale Komponente um die Frage > Wie habe ich mich dabei gefühlt?<.[61] Betrachtet man die Funktionen beider aus Hüthers Perspektive interessantesten Areale des menschlichen Gehirns, so lässt sich erkennen, dass das limbische System grundsätzlich die eingehenden Wahrnehmungen verarbeitet, bewertet und schließlich die im präfrontalen Cortex verankerten Erfahrungen determiniert. Das erscheint plausibel, denn mit einer Situation assoziierten Gefühle prägen eine Erfahrung nachhaltig positiv oder negativ. Hüther nennt diese bewerteten Erfahrungen „innere Bilder“. Dabei spricht er von besonders positiv oder negativ prägenden Ereignissen, die das künftige Denken, Fühlen und Handeln bestimmen.[62] Je nach Bild, können sie neue Eindrücke hindern oder zulassen. Es obliegt maßgeblich der aus dem inneren Bild entstandenen und gebahnten Haltung, welcher Typ Mensch sich dahinter verbirgt.[63] Einstellungen, Überzeugungen und Haltungen sind also das Ergebnis bewerteter Emotionen aus dem limbischen Areal.[64] Mit Referenz auf eine anstehende Entscheidung stellt dies eine nicht gerade unerhebliche Erkenntnis dar.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Kausalkette im Grundmodell mit Wegfall

Diese bislang aufgezeigten Erkenntnisse zu Erfahrung und Emotion verlieren allerdings zunehmend an Bedeutung. Wie in Abbildung 3[65] dargestellt, erkennt Hüther einen zunehmenden Abbau bis hin zum Wegfall dieser beiden ersten sehr bedeutenden Dimensionen. Sie sind daher von solch großer Bedeutung, weil sie den einzelnen Menschen den so wichtigen Lerneffekt verschaffen. Durch den Wegfall entwickelt sich der Mensch wieder hin zu einer von Frederik W. Taylor bereits implementierten Maschine, die Entscheidungen vorgegeben bekommt und dabei selbst am Problemlösungsprozess gar nicht mehr beteiligt wird.[66] Stattdessen werden Erfahrungen als Pool bereitgestellt und Musterlösungen vorgegeben.[67]

Angst ist dabei ein wohl ganz signifikanter Grund dafür, dass Menschen sich eher für die einfachere und bereits bewährte Lösung entscheiden. Laut Hüthers Auffassung blockiert sie regelrecht die Nutzung des Gehirns. In einem Zustand von Unsicherheit und maßgeblicher Unkontrollierbarkeit, wie es bspw. mit der aktuellen globalen Finanzkrise beobachtbar ist, gerät der Mensch hirntechnisch in einen Lähmzustand.[68] Die in der Abbildung 4 dargestellte Variante, Unkontrollierbarkeit durch einen Wegfall oder eine Vorgabe kontrollierbar zu gestalten, ist ein offensichtlicher Ausdruck dieser Angst. Der Mensch verliert dabei das Bewusstsein darüber, die Dinge unter Kontrolle zu behalten.[69] Nicht zuletzt führt Angst häufig zu Stresssituationen. Als auf kurze Sicht eher unproblematisch eingestuft, gilt Stress über eine Dauer hinweg betrachtet hirntechnisch als sehr negativ. Der Mensch kommt dem Anpassungsprozess nicht mehr nach, verliert das Interesse und somit die Begeisterung, um notgedrungen seine eingefahrenen, routinierten Muster hochzufahren.[70] In einer solchen Situation wird er jedoch gewisser Maßen dazu gezwungen, entscheidungsrelevante Dinge reaktionslos hinzunehmen und somit laut Hüther die im Gehirn verborgenen Potenziale in der Nutzung und Entfaltung bedeutend einzuschränken.[71] Die kreativen und innovativen Zentren des menschlichen Gehirns sind dann unbrauchbar. Man kann dann nicht mehr vernünftig denken, fühlen und handeln. Die Abbildung 3 zeigt diese Problematik des Wegfalls von den eigenen Erfahrungen und Bewertungen hinsichtlich der auf das zielführende Ergebnis bezogenen Entscheidung auf. Meist wird lediglich Abhilfe über das Umsetzen bewährter Strategien, Muster (insbesondere fest gebahnte neuronale Verschaltungen, vgl. Autobahnmetaphorik im Abschnitt 2.2) geschaffen. Das führt den Menschen aber letztendlich in denselben Zustand zurück.[72] Je öfter und intensiver man dann in seine Bahnen zurückfällt, desto stärker festigen sie sich letztlich auch im menschlichen Gehirn.[73] „Da fängt man dann an laut zu werden, Türen zu schmeißen, etc.. Ich räume dann bspw. immer mein Regal auf.“[74] Jeder Mensch hat dahingehend andere Angewohnheiten. Hüther spricht in diesem Zusammenhang oft von sogenannten „Kindheitsstrategien“.[75] Es sind angewohnte Bewältigungsmaßnahmen um ein bekanntes Problem zu lösen oder zu umgehen. Sofern nichts mehr so funktioniert, wie es sollte, fährt das Gehirn ein sogenanntes archaisches Notfallprogramm hoch. Dabei setzen grundsätzlich alle höheren Funktionen (bspw. rationales Denken, Emotionen im limbischen System, Erfahrungen im präfrontalen Cortex) aus und das Gehirn fokussiert sich auf drei Strategien: Angriff, Flucht, oder gänzliche Regungslosigkeit und damit verbundenen Erstarrung.[76] Vertrauen ist dann das einzige langfristig betrachtete Mittel um das Gehirn dann auch wieder zu booten und produktiv aufrecht zu erhalten.[77]

Auf kanalisierte Muster werden im Lebensverlauf immer wieder zurückgegriffen, insbesondere zur Herstellung der inneren Ordnung sowie Abwendung von Gefahr, Angst und Stress. Zu einem solchen Zustand kommt es in der Praxis leider allzu oft, denn Dinge unter Kontrolle zu halten ist gängige Realität.[78] Hüther erklärt, dass geschichtlich betrachtet Machthaber schon immer versucht haben, Angst zu verbreiten. Anschließend wurden Lösungen angeboten, um die Menschen langfristig abhängig zu machen. Das Instrumentarium der Macht hat schon immer effektiv funktioniert, war aber lediglich auf den eigenen Nutzen ausgelegt.[79] Die Abbildung 3 stellt diesen Aspekt sehr kritisch heraus. Der Wegfall aufgrund von der Übernahme bewährter Bewältigungsstrategien macht abhängig, blockiert vielfältigere Lösungsvarianten und bahnt feste Verschaltungsmuster im menschlichen Gehirn. Genauer betrachtet sollte der Mensch jedoch Lösungen nicht als gegeben hinnehmen, sondern Dinge öfter hinterfragen. Er soll selbst am Lösungsprozess beteiligt sein und seine individuellen Erfahrungen machen. Schließlich ist dies die Erkenntnis, die zu einem effizienten und vor allem nachhaltigen Lernerfolg im menschlichen Gehirn führt.[80] Kontrolle stellt sich dabei zunehmend als Hindernis heraus. Es hält den Menschen ab, die Einladung zur Partizipation wahrzunehmen. Hüthers vermutlich zentralste Erkenntnis lautet ohnehin, dass das menschliche Gehirn nicht zum Denken erfunden wurde: „[...] Es ist ein Problemlösungsorgan und dazu optimiert, komplexe Probleme zu lösen.“[81] Dazu muss der Mensch allerdings die Möglichkeit bekommen, Erfahrungen zu sammeln um letztendlich seine persönlichen neuronalen Verschaltungsmuster zu lösen und höhere Qualitäten an Lösungen[82] herbeizuführen. Das einleitende Zitat von Hüther unterstreicht diesen Punkt recht deutlich: Ein Kind und somit im übertragenen Sinne der Mensch als solcher, ist kein Gegenstand, der mit von außen vorgegebenen Informationen gefüllt wird und diese dann wie eine Maschine verarbeitet. Er muss selbst herausfinden, was ihn interessiert. Das geht eben nur über das Sammeln eigener Erfahrungen und Eindrücke, wie es die Abbildung 2 grundlegend aufzeigt. Schließlich strebt jeder Mensch nach Exzellenz[83] – eine Prämisse, die das Problem der Unsicherheit durchaus lösen könnte. Ihn auf diesen Weg jedoch „[...] motivieren zu wollen, [erscheint Hüther wohl eher als] [...] hirntechnischer Unsinn.“[84]

Mit abschließender Reflexion auf das einleitend aufgeführte Zitat von Albert Schweitzer lässt sich an dieser Stelle also nicht nur die Erkenntnis ziehen, dass Veränderungen im menschlichen Gehirn ihren Ursprung haben, sondern vielmehr, dass der Mensch diese Veränderungen auch zulassen muss. In Verbindung mit Hüthers Zitat aus diesem Abschnitt 2.3 kann dann also auch Begeisterung entstehen, was die Grundlage für nachhaltiges Lernen und somit Potenzialentfaltung darstellt. „Das Kunststück bei der Bedienung unseres Gehirns besteht also darin, dass wir versuchen müssen, immer wieder Bedingungen zu schaffen, die es nicht nur möglich, sondern sogar erforderlich machen, all diese Fähigkeiten unseres Gehirns möglichst gleichzeitig zu benutzen und gleichermaßen auszubauen.“[85]

[...]


[1] vgl. Pinnow 2005, S. 20ff.

[2] vgl. Hüther 2006, S. 25 i. V. m. S. 36. Hüther bringt in diesem Zusammenhang die faszinierende Fähigkeit hervor, die der Mensch besitzt, aber zumeist nicht ausreichend nutzt, sich den extern gegebenen Bedingungen und Anforderungen ständig neu anzupassen und diese zu optimieren.

[3] vgl. Hüther 2009a, Vortrag zum 5. Know-how Kongress am 23. September 2009 in Köln

[4] vgl. Roth 1995, S. 9-11. Die beispielhaft genannten Areale werden im Verlauf der Arbeit, insbesondere im Abschnitt 2.3, noch ausführlicher erörtert.

[5] vgl. Reichert 2000, S. 1

[6] Hippokrates 1897, S. 561

[7] vgl. Reichert 2000, S. 1. Auch Hüther 2006, S. 26 bekennt sich dort zu diesem Sachverhalt.

[8] In der Literatur findet sich keine konkrete Definition von Neurobiologie. Meist werden nur Merkmale und Anwendungsgebiete deutlich, aus denen auf die Definition schließen lässt. Die Neurobiologen selbst legen ebenfalls keine Grundlage zum Begriff, sondern wenden problemorientiert an.

[9] vgl. Magerl, Komarek 1998, S. 155 i. V. m. Teepe 2005, S. 9

[10] vgl. Hüther 2006, S. 16 i. V. m. Reich 2005, S. 13 ff.

[11] Zimbardo, Gerrig 2004, S. 77

[12] vgl. Kandel, Schwartz, Jessel 1996, S. 6

[13] vgl. Teepe 2005, S. 9 i. V. m. Beitrag aus selbigem Buch von Gerald Hüther, S. 11. Hüther ergänzt Neider hinsichtlich der Verfahrensweise des Tomographen. Dabei scannt das Gerät den Körper schichtweise, um anschließend die gesammelten Messdaten wieder zusammenzufügen. Diese neue Technik ermöglicht scharfe Bilder aus dem Inneren des menschlichen Körpers.

[14] vgl. Neider 2006, S. 7 sowie Hüther 2009a im Vortrag zum 5. Know-how Kongress am 23.09.2009 in Köln

[15] Hüther 2009a, Vortrag zum 5. Know-how Kongress am 23.09. 2009 in Köln

[16] Zimbardo, Gerrig 2004, S. 77

[17] vgl. Roth 1995, S. 9-11

[18] vgl. Hüther 2009, S. 59

[19] vgl. Hüther 2009a, Vortrag zum 5. Know-how Kongress am 23.09. 2009 in Köln

[20] vgl. Hüther 2006, S. 10

[21] vgl. Singer 2001, Vortrag anlässlich 1. Werkstattgesprächs der McKinsey-Initiative am 21. Juni 2001 in Frankfurt am Main i. V. m. Geyer 2004, S. 30. Singer bestätigt darin, dass „ja ohnehin alles genetisch festgelegt“ sei.

[22] Roth 2001, S. 452

[23] Roth 2001, S. 353

[24] vgl. Spitzer, Bertram 2007, S. VI sowie das Werk von Gerald Hüther, welches im folgenden Abschnitt ausführlich dargelegt wird.

[25] Hüther 2010, Vita. Diese Fakten entstammen so von der offiziellen Homepage von Prof. Dr. Gerald Hüther. AVL: URL: http://www.gerald-huether.de/wissenschaftlich/index.php.

[26] Hüther 2010, Vita. Diese Fakten entstammen so von der offiziellen Homepage von Prof. Dr. Gerald Hüther. AVL: URL: http://www.gerald-huether.de/wissenschaftlich/index.php.

[27] Hüther 2010, Publikationen. Offizielle Homepage von Prof. Dr. Gerald Hüther online im Internet. AVL: URL: http://www.gerald-huether.de/wissenschaftlich/index.php. Darin legt er alle seine Publikationen offen.

[28] vgl. Schmitter 2007, S. 143. In dem Magazinbeitrag des Spiegels werden die wichtigsten Werke Hüthers erwähnt. Dabei bleibt zu bemerken, dass die „Biologie der Angst“ 1997 zwar Hüthers erstes Werk war, die „Bedienungsanleitung für ein menschliches Gehirn“ jedoch als zentrales Werk identifiziert werden kann. In diesem Hauptwerk bezieht sich Hüther auf sämtliche Themenbereiche, zu denen er spezifische Bücher verfasst hat (bspw. Angst & Stress, Liebe, Männer, pränatale Prägung, ADHS, innere Bilder, Generation PC, usw.).

[29] Hüther 2006, S. 62. Dabei unterscheidet er vier zentrale Typen von Konstruktionen, die im weiteren Verlauf noch genauer dargestellt werden. Insbesondere die letzten beiden Typen charakterisieren Hüthers Werk maßgeblich.

[30] Hüther 2006, S. 25

[31] vgl. Eberle, Gugel 2010, ZDF-Beitrag der Sendung „37 Grad“ vom 09. März um 22:15 Uhr mit dem Titel „Wo die starken Kerle wohnen“.

[32] vgl. Hüther 2006, S. 95

[33] Das ist Hüthers Auffassung, die nicht zuletzt durch sein Projekt „Via Nova“ zu Ausdruck gebracht wird.

[34] vgl. Eberle, Gugel 2010, ZDF-Beitrag der Sendung „37 Grad“ vom 09. März um 22:15 Uhr mit dem Titel „Wo die starken Kerle wohnen“. Gerald Hüther zeigt darin ein Projekt auf, welches eine effektive Lösung gegen die „krankhafte Strategie“ darstellt, Kinder durch Drogen langfristig von der Pharmaindustrie abhängig zu machen. Neben der theoretischen Aufbereitung in seinem Buch „Neues vom Zappelphilipp“ 2010, engagiert sich Hüther sehr sozial, um die Gesellschaft aufzuklären und ihr „musterbrechende“ Alternativen aufzuzeigen.

[35] vgl. Hüther 2006, S. 23

[36] vgl. Hüther 2006, S. 37 ff. Hüther spricht in diesem Zusammenhang von Wesen (bspw. Würmer, Schnecken, Insekten), die „[...] Spezialisten aufgeteilt in ökologischen Nischen [...]“ sind. Sie haben einen sehr kleinen Lebensraum und verrichten im Leben meist nur eine einzige Aufgabe. Für diese Aufgabe ist das Gehirn entsprechend geschaltet.

[37] vgl. Hüther 2006, S. 44 ff. Bei diesem Konstruktionstyp prägen die anfangs gemachten Erfahrungen die weitere Entwicklung. Das Gehirn hat ein Areal frei gelassen, welches sich erst durch die Umwelt formt.

[38] vgl. Hüther 2006, S. 53 ff. Diese grundlegenden Eigenschaften sind nach Hüther in jedem Menschen durch Generationen weitergegeben worden und somit vorhanden. Wie genau der Bahnugsprozess im Gehirn funktioniert, soll im darauf folgenden Abschnitt 2.3 erörtert werden.

[39] vgl. Hüther 2006, S. 62 ff.

[40] Damit sei auf die Abbildung 3 im folgenden Abschnitt verwiesen.

[41] vgl. McGregor 2005, S. 59 ff. Im Gegensatz zur Theorie X, wo der Mensch als ausschließlich extrinsisch motivierbar gilt, geht McGregor in der Theorie Y von einem weitaus positiveren Menschenbild aus. Darin beschreibt er den Mensch als ehrgeizig, fleißig, innovativ und vor allem verantwortungsbewusst. Ulich E. (2005, S. 456) bewertet die aus der Theorie X abgeleiteten Bedingungen als einen Teufelskreislauf. Dabei ist der Mitarbeiter verantwortungsscheu und arbeitsunwillig, was wiederum der Vorgesetzte mit rigiderer Kontrolle sowie strengeren Vorschriften auffängt. Diese Auswirkungen werden in Kapitel 4 dieser Arbeit beleuchtet.

[42] vgl. Knetsch 2010. Das Zitat von Gerald Hüther stammt aus einem Sendungsbeitrag vom 23. März 2010 um 18:30 Uhr auf Bayern 2.

[43] vgl. Osmetz 2009, S. 159. In einem Interview mit Dirk Osmetz stellt Hüther einen fundamentalen Zusammenhang zwischen Erfahrung, Bewertung und der letztendlich wirksamen Entscheidung her. Wie der genau aussieht und welche Erkenntnisse entlang dieser Kausalkette zum Tragen kommen, soll in diesem Abschnitt entlang der Abbildung 2&3 erörtert werden. Das hier kreierte Grundmodell ist lediglich angelehnt an Hüthers Aussagen und Überlegungen. Es zeigt einen grafischen Zusammenhang von Informationsverarbeitung und –Verarbeitung im menschlichen Gehirn zwischen Input, Throughput und Output.

[44] vgl. Hüther 1999, S. 5. Dabei stellt dies die Ausgangssituation in der Kindheit dar.

[45] Der Aufbau des Hirns ist spätestens mit der technologischen Einführung der „bildgebenden Verfahren“ zumindest biologisch vollständig erforscht. Dabei besteht es aus Millionen kleiner Nervenzellen, die durch kleine elektrische Signale miteinander kommunizieren und sich vernetzen – wobei die Synapsen die Verwurzelungen zwischen den Nervenzellen darstellen. Reichert (2000, S. 18 i. V. m. 54) beschreibt diesen Aufbau bspw. derartig.

[46] Sobald auf den Menschen umweltbedingt etwas einwirkt – etwa eine Information, Ereignis, oder allgemeiner gesprochen ein Reiz – und er sich damit auseinandersetzt, verknüpfen sich im Gehirn unterschiedlichste Areale miteinander. Manfred Spitzer bspw. zeigt diese Funktionsweise (in Schiepek 2004, S. 42 ff.) auf.

[47] vgl. Hüther 1999, S. 9 i. V. m. S. 99-100 sowie Hüther 2006, S. 85. Diese erhebliche Gefahr, in die der Mensch zwangsläufig fällt, stellt nicht zuletzt ein enormes Risiko dar. Der Begriff der Routine kommt in diesem Zusammenhang oft ins Gespräch. Welche möglichen Maßnahmen man dagegen ergreifen kann, soll Inhalt des Kapitels 4 dieser BA-Arbeit sein.

[48] vgl. Hüther 2006, S. 23. Nicht zuletzt bezieht sich Hüther mit dieser Erkenntnis auch auf die von ihm angestrebte programmöffnende Konstruktion aus dem Abschnitt 2.2 dieser Arbeit.

[49] vgl. Hüther 2006, S. 66. Diese beiden Begriffe sind die neurobiologischen Fachtermini für die Autobahnmetaphorik Hüthers. Die neuronalen Verschaltungen im Gehirn festigen sich je häufiger man eine Sache tut.

[50] Hüther 2006, S. 99-100

[51] Hiermit sei auf Hüthers Auffassung angesprochen, dass der Mensch zeitlebens veränderungsfähig ist. Träfe diese Annahme zu, dann bestünde keine Sorge. Es liegt wohl aber am Menschen selbst, indem er sich dazu entscheidet, wofür er sein Gehirn nutzen mag (vgl. Hüther 2009, S. 64). Trifft er diese Entscheidung nicht, so wird sie durch die genetischen Anlagen übernommen und programmiert (vgl. Hüther 2006, S. 99).

[52] vgl. Osmetz 2009, S. 159. Das Interview stammt aus dem März 2009 und wurde in der zfo veröffentlicht.

[53] Osmetz 2009, S. 159

[54] vgl. Osmetz 2009, S. 159 i. V. m. Neider 2004, S. 69-70, Hüther 2006, S. 14. Der präfrontale Cortex beschäftigt laut Hüther die Hirnforschung schon seit Jahren. Es ist das charakteristische Merkmal des Menschen, was ihn derart von allen anderen Lebewesen differenziert (vgl. Alleinstellungsmerkmal Mensch im Abschnitt 2.2).

[55] Abbildung 2 in Anlehnung an Hüthers Überlegungen aus Osmetz 2009, S. 159-160.

[56] Hüther 2006, S. 11

[57] vgl. Eberle, Gugel 2010, ZDF-Beitrag der Sendung „37 Grad“ vom 09. März um 22:15 Uhr mit dem Titel „Wo die starken Kerle wohnen“. Dieser Handlungsbedarf soll im zusammenführenden Kapitel 4 aufgezeigt versucht werden. Statt den Kindern dieses besagte Medikament zu verabreichen, lässt Hüther sie von Grund auf selbst Erfolgserlebnisse machen und somit überwiegend positive Erfahrungen sammeln. Er leitet im Grunde genommen zur Selbstständigkeit an, was im übertragenen Sinne auch für Führungskräfte gelten sollte.

[58] Hüther 2006, S. 11-12

[59] Hüther 2006, S. 12

[60] Osmetz 2009, S. 159

[61] Osmetz 2009, S. 159. Mit Bezug auf die Abbildung 2 stellt also der präfrontale Cortex wie auch das limbische System im Austausch miteinander eine sehr zentrale Bedeutung für die letztendliche Entscheidung dar.

[62] vgl. Hüther 2006a, S. 10 ff. In seinem Werk “Die Macht der Inneren Bilder” stellt Hüther die Bedeutung dieser Bilder deutlich heraus. Derartige innere Bilder können bspw. erlebte Scheidungen, Entlassungen aus einem Arbeitsverhältnis, der Tod einer nahestehenden Person aber auch die Hochzeit, die Geburt eines eigenen Kindes, oder beruflich betrachtet eine Beförderung sein.

[63] vgl. Hüther 2006a, S. 81. Hüther (2006, S. 86 ff.) zeigt dabei mehrere Typen auf, wie bspw. den Gefühlsmensch, Verstandsmensch, usw. De Facto wurden sie durch meist starke negative Erfahrungen geprägt und handeln dementsprechend so. Die AD(H)S-Krankheit ist nicht zuletzt die Folge aus einem inneren Bild.

[64] vgl. Zimbardo, Gerrig 2004, S. 85-86

[65] Abbildung 3 in Anlehnung an Hüthers Überlegungen aus Osmetz 2009, S. 159-160. Hierbei handelt es sich um eine aufbauende Grafik zu dem Grundmodell der Abbildung 2. Hüther zeigt das aus seiner Sicht sehr entscheidende Problem der heutigen Gesellschaft auf. In Verbindung mit dem von Lietaer in der Einleitung dieser Arbeit (vgl. Kapitel 1) bereits aufgezeigte Effizienzstreben fällt der Eigenbeitrag (Erfahrungen, Bewertung) zunehmend weg. Der harte Pol ist das nach außen beobachtbare Ergebnis, woraufhin die Entscheidung maßgeblich abzielt. Wie der Mensch denkt, fühlt und handelt verliert zunehmend an Bedeutung. Damit verpufft die Vielfalt, welche in Verbindung mit einer Dialogdiskurskultur eine höhere Qualität der Lösung hervorbringen könnte. Diese zentrale Zusammenhang zeigt Wüthrich (2005, S. 299) in einem Beitrag der zfo auf.

[66] vgl. Taylor 1911 wiederaufgelegt durch Forgotten Books (2008, S. 6). Taylor gilt laut Fried (2008, S. 1-4) als Urvater des heutigen Management Begriffs. Im Zeitalter des Ford Models und der frühen Industrialisierung prägte er das „Scientific Management“ als Inbegriff von Effizienzdenken.

[67] vgl. Osmetz 2009, S. 160

[68] vgl. Hüther 2009a, Vortrag zum 5. Know-how Kongress am 23.09. 2009 in Köln

[69] vgl. Hüther 2009a, Vortrag zum 5. Know-how Kongress am 23.09. 2009 in Köln. Der Aspekt der Angst sowie die zentralen Zusammenhänge mit Stress und die daraus folgenden Implikationen sollen Gegenstand des Abschnitts 4.1 darstellen.

[70] vgl. Hüther 1999, S. 19-22 i. V. m. Hüther 1997, S. 23. Tatsächlich geht von der Komplexität der permanent wandelnden Umwelt dauerhafte Angst aus, die sich nicht zuletzt in Dauerstress äußert. Selye (1974) unterschied Stress in Positiven (Eustress) und Negativen (Distress). Hüthers zielt auf den produktiven Eustress ab, in welchem man seine Potenziale frei entfalten kann. Leider bewegt sich der Trend im Zuge des Effizienzdenkens in Richtung Distress.

[71] vgl. Hüther 2009a, Vortrag zum 5. Know-how Kongress am 23.09. 2009 in Köln

[72] vgl. Hüther 1999, S. 27. Der Mensch verfällt regelrecht in seine Bewältigungsmuster und ergibt sich nur allzu oft diesem einfachen Weg. Das liegt in der Natur des Menschen, so sagen es Hüthers Forschungen (1997 i. V. m. 1999, S. 9) deutlich aus. Des Weiteren spricht Hüther permanent davon, dass die Nutzung des Gehirns über Denken, Fühlen und Handeln nach außen getragen und somit sichtbar gemacht wird. Diese Idee findet sich letztendlich auch im Totalmodell des Kapitels 4 wieder.

[73] vgl. Hüther 1999, S. 51

[74] Hüther 2009a, Vortrag zum 5. Know-how Kongress am 23.09. 2009 in Köln

[75] vgl. Hüther 2009a, Vortrag zum 5. Know-how Kongress am 23.09. 2009 in Köln. Diese Bewältigung von Angst findet sich in jedem Menschen in unterschiedlicher Ausprägung wieder. Prinzipiell ist die Ursache sowie meist auch die Reaktion vergleichbar mit der des AD(H)S.

[76] vgl. Hüther 2009a, Vortrag zum 5. Know-how Kongress am 23.09. 2009 in Köln i. V. m. Hüther 2006a, S. 118

[77] vgl. Hüther 2010a, Audiobeitrag aus der Reihe „Stark durch den Sturm“. Darin legt Hüther drei grundsätzliche Vertrauenstypen fest, um mit der Notfallsituation wieder umgehen zu können. Er beschreibt sie als die drei Beine eines Hockers, ohne welche er umfallen würde. Das Vertrauen in sich selbst, in Andere aber auch in die Welt selbst stellen diese Standbeine dar. Welche Beiträge ein Mitmensch (etwa eine Führungskraft) leisten kann, soll im Kapitel 4 näher beleuchtet werden.

[78] vgl. Hüther 2006, S. 81. Mit der inneren Ordnung ist die persönliche Stabilität gemeint. Dabei geht es um die Sicherung der Existenzgrundlage, der individuellen Bedürfnisse und grundsätzlich um die Abwehr von äußeren Bedrohungen (vgl. Hüther 2006a, S. 130). Dabei entstehen ebenfalls bestimmte Musterstrategien, die sich als bewährt heraus gestellt haben und Schutz gewährleisten.

[79] vgl. Hüther 2009a, Vortrag zum 5. Know-how Kongress am 23.09. 2009 in Köln. Dazu wird im kommenden Kapitel dieser Aspekt der Führung näher beleuchtet. Es scheint aber klar, dass das sehr klassische Verständnis von Führung in der heutigen Zeit keine Aktualität mehr hat.

[80] vgl. Hüther 1999, S. 51

[81] Hüther 2009a, Vortrag zum 5. Know-how Kongress am 23.09. 2009 in Köln i. V. m. Hüther 2009, S. 131

[82] vgl. Wüthrich 2005, S. 299

[83] vgl. Osmetz 2009, S. 161. Ein Mensch braucht Aufgaben, an denen er wachsen kann – so kommentiert Hüther die Frage nach dem Streben nach Exzellenz. McGregor (2005, S. 59ff.) impliziert dies auch in seiner Theorie Y.

[84] Osmetz 2009, Titel zum Interview mit Gerald Hüther „Andere motivieren zu wollen, ist hirntechnischer Unsinn“. Es bleibt dem Menschen selbst überlassen, wofür er sich interessiert. Der Affekt zu einer Sache vervielfacht und festigt laut Hüther (Neider 2004, S. 64) Erfahrungen bedeutend besser.

[85] Hüther 2006, S. 26

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2010
ISBN (PDF)
9783956847899
ISBN (Paperback)
9783956842894
Dateigröße
6.3 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität der Bundeswehr München, Neubiberg
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,3
Schlagworte
Robustheit Hirnforschung Mensch Leadership Effizienz

Autor

Sven Hartmann, M.Sc., wurde 1985 in Zwickau geboren. Sein Studium der Wirtschafts- und Organisationswissenschaften an der Universität der Bundeswehr in München schloss der Autor im Jahre 2011 mit dem akademischen Grad Master of Science erfolgreich ab. Während er bereits in seinen beruflichen Aufgaben als angehender Offizier der Luftwaffe wertvolle, praktische Erfahrungen im Bereich Führung sammelte, ergänzte der Autor diese mit den akademischen Erkenntnissen am Lehrstuhl für International Management während seines Studiums sowie in zahlreichen Projekten zusehends. Sein fünfjähriger Auslandsaufenthalt in Brasilien motivierte ihn zusätzlich den Mensch als Mittelpunkt von Führung zu begreifen und aus diversen Perspektiven zu beleuchten. Mit der Inspiration der Musterbrecher sowie den Erkenntnissen im Management entschloss der Autor sich schließlich, eine interdisziplinäre Arbeit auf jenem Gebiet zu verfassen.
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Titel: Welche Erkenntnisse kann ein Manager aus der Hirnforschung ziehen? Versuch eines interdisziplinären Transfers
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