Risikomanagement im Islamic Banking: Sukuk als Instrument zur Reduzierung des Liquiditätsrisikos islamischer Banken
©2013
Masterarbeit
61 Seiten
Zusammenfassung
Das Islamic Banking zählt heute zu den größten Wachstumsmärkten der globalen Finanzwirtschaft. Es weist jährliche Wachstumsraten von ca. 15 Prozent auf. Sowohl die steigende Nachfrage von Muslimen nach schariakonformen Finanzprodukten als auch die steigende Nachfrage von Investoren auf der ganzen Welt führen dazu, dass das Islamic Banking zu einem globalen Phänomen wird. Auch die aktuellen wirtschaftlichen Ereignisse und ihre Auswirkungen auf die globalen Finanzmärkte tragen dazu bei, dass sich die islamkonformen Finanzgeschäfte als eine Alternative zum konventionellen Bankenwesen entwickeln. An den beeindruckenden Wachstumsraten sowie an dem hohen Marktpotenzial partizipieren, neben islamischen Ländern und deren Banken, ebenso viele asiatische und europäische Länder mit ihren global tätigen Großbanken.
Trotz des starken Wachstums sind mit dem Islamic Banking auch Herausforderungen verbunden, die es zu lösen gilt, damit der Markt weiter expandieren kann. Eine besondere Herausforderung für islamische Banken stellt das Risikomanagement dar. Islamische Banken sind in Abgrenzung zu konventionellen Banken, wegen der Prinzipien des Islamic Banking und den darauf aufbauenden Produkten und Dienstleistungen, spezifischen Risiken ausgesetzt, wodurch sich das Risikomanagement anspruchsvoller gestaltet.
Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es zu analysieren, inwieweit die Sukuk dafür geeignet sind, das Liquiditätsrisiko islamischer Banken zu reduzieren.
Trotz des starken Wachstums sind mit dem Islamic Banking auch Herausforderungen verbunden, die es zu lösen gilt, damit der Markt weiter expandieren kann. Eine besondere Herausforderung für islamische Banken stellt das Risikomanagement dar. Islamische Banken sind in Abgrenzung zu konventionellen Banken, wegen der Prinzipien des Islamic Banking und den darauf aufbauenden Produkten und Dienstleistungen, spezifischen Risiken ausgesetzt, wodurch sich das Risikomanagement anspruchsvoller gestaltet.
Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es zu analysieren, inwieweit die Sukuk dafür geeignet sind, das Liquiditätsrisiko islamischer Banken zu reduzieren.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
AAOIFI
Accounting and Auditing Organization for Islamic Financial
Institutions
BIP
Bruttoinlandsprodukt
IFSB
Islamic
Financial
Services
Board
IIFM
International
Islamic
Financial
Market
IIRA Islamic
International
Rating
Agency
LMC
Liquidity
Management
Center
PLS Profit-and-loss-sharing
1.
Einleitung
Das Islamic Banking zählt heute zu den größten Wachstumsmärkten der globalen Finanzwirt-
schaft. Es weist jährliche Wachstumsraten von ca. 15 Prozent auf. Sowohl die steigende
Nachfrage von Muslimen
1
nach schariakonformen Finanzprodukten als auch die steigende
Nachfrage von Investoren auf der ganzen Welt führen dazu, dass das Islamic Banking zu ei-
nem globalen Phänomen wird (Kettel 2010, S. VIII). Auch die aktuellen wirtschaftlichen Er-
eignisse und ihre Auswirkungen auf die globalen Finanzmärkte tragen dazu bei, dass sich die
islamkonformen Finanzgeschäfte als eine Alternative zum konventionellen Bankenwesen
entwickeln. An den beeindruckenden Wachstumsraten sowie an dem hohen Marktpotenzial
partizipieren, neben islamischen Ländern und deren Banken, ebenso viele asiatische und eu-
ropäische Länder mit ihren global tätigen Großbanken (Ernst et al. 2013, S. 15).
Trotz des starken Wachstums sind mit dem Islamic Banking auch Herausforderungen verbun-
den, die es zu lösen gilt, damit der Markt weiter expandieren kann. Eine besondere Heraus-
forderung für islamische Banken stellt das Risikomanagement dar. Islamische Banken sind in
Abgrenzung zu konventionellen Banken, wegen der Prinzipien des Islamic Banking und den
darauf aufbauenden Produkten und Dienstleistungen, spezifischen Risiken ausgesetzt, wo-
durch sich das Risikomanagement anspruchsvoller gestaltet (Gassner und Wackerbeck 2010,
S. 217).
In diesem Rahmen ist als kritischstes Risiko, dem islamische Banken ausgesetzt sind, das Li-
quiditätsrisiko zu nennen. Islamischen Banken mangelt es aufgrund der spezifischen Anfor-
derungen, die sie im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit beachten müssen an Finanz-
instrumenten, mit denen sie sich kurzfristig Liquidität beschaffen können, um somit die Li-
quidität einer islamischen Bank sicherzustellen. Dies hat zur Folge, dass islamische Banken
von einem hohen Niveau an Leerlauf-Bargeld gekennzeichnet sind. Das Hauptrisiko stellt
dabei das Fehlen eines schariakonformen liquiden Sekundärmarktes dar, der islamischen
Banken eine effiziente Fristentransformation ermöglichen würde (Shaikh und Jalbani 2008).
Eine Möglichkeit, dieser Herausforderung zu begegnen, stellt die Einführung von Sukuk, is-
lamischer Bonds, am Sekundärmarkt dar. Die Sukuk sind derzeit mit zweistelligen Wachs-
tumsraten das erfolgreichste islamische Finanzprodukt und zugleich eines der am schnells-
ten wachsenden Produkte weltweit. Sie sind durch eine hohe Innovation gekennzeichnet, bie-
1
Mit ungefähr 1,6 Mrd. Anhängern im Jahr 2010 ist der Islam nach dem Christentum die zweitgrößte Religion
der Welt (Pew Research Center 2012, S. 22).
1
ten flexible Einsatzmöglichkeiten und sind ebenso interessant für internationale Investoren.
Ein besonderer Vorteil von Sukuk für islamische Banken ist, dass sie am Sekundärmarkt han-
delbar sind. Somit könnte durch die Etablierung eines liquiden Sekundärmarktes mittels
Sukuk die Möglichkeit bestehen, dem Liquiditätsrisiko islamischer Banken entgegenzuwir-
ken. Da die Sukuk ein relativ neues Finanzinstrument sind, wurden zu diesem Thema nur we-
nige Untersuchungen durchgeführt (Mohd Zin et al. 2011). Aus diesem Grund ist es das Ziel
der vorliegenden Arbeit zu analysieren, inwieweit die Sukuk dafür geeignet sind, das Liquidi-
tätsrisiko islamischer Banken zu reduzieren.
Die Arbeit beginnt im folgenden Abschnitt 2 mit einer kurzen Darstellung der Konzeption
und der Prinzipien des Islamic Banking. Dazu werden zunächst die Grundlagen des Islam
sowie das aus ihnen resultierende islamische Wirtschafts- und Rechtssystem erläutert, bevor
näher auf das Islamic Banking und dessen spezifischen Prinzipien eingegangen wird.
Darauf aufbauend werden in Abschnitt 3 die Ansätze des Risikomanagements im Islamic
Banking näher dargestellt. Hierfür wird das Risikoprofil islamischer Banken aufgezeigt; an-
schließend wird näher auf die Herausforderungen für das Risikomanagement einer islami-
schen Bank eingegangen.
Abschnitt 4 dient zur Beantwortung der zentralen Fragestellung der Arbeit. In diesem Ab-
schnitt wird analysiert, inwieweit die Sukuk dafür geeignet sind, das Liquiditätsrisiko einer
islamischen Bank zu reduzieren. Hierzu werden zunächst die theoretischen Grundlagen der
Sukuk dargestellt, indem auf die wichtigsten Merkmale, die Struktur, die verschiedenen Arten
sowie die derzeitige Aufstellung der Sukuk-Instrumente am Markt eingegangen wird. Darauf
aufbauend werden die Herausforderungen vorgestellt, mit denen die Sukuk konfrontiert sind.
Im Anschluss wird der Einsatz der Sukuk am Sekundärmarkt zur Reduzierung des Liquidi-
tätsrisikos islamischer Banken untersucht. Dabei wird die Handelbarkeit der verschiedenen
Sukuk-Arten überprüft und anschließend werden die zur Etablierung eines liquiden Sekun-
därmarktes notwendigen Bedingungen dargestellt.
Die Ausführungen schließen in Abschnitt 5 mit einer Zusammenfassung der gesamten Arbeit
sowie einem Ausblick ab.
2
2.
Konzeption und Prinzipien des Islamic Banking
Zu Beginn dieser Arbeit sollen die Grundlagen des Islams, das islamische Wirtschafts- und
Rechtssystem erörtert werden, bevor näher auf das Islamic Banking einzugehen ist. Erst auf
Basis dieser grundlegenden Informationen ist es möglich, die spezifischen Anforderungen für
das Risikomanagement einer islamischen Bank zu verstehen.
2.1
Der Islam
Basis des Islamic Banking ist die durch den heiligen Propheten Mohammed (s. a. w.)
2
ver-
breitete Religionslehre des Islams. Zur Verschaffung eines kurzen Überblicks werden nach-
folgend dessen Grundannahmen sowie das darauf aufbauende Wirtschafts- und Rechtssystem
dargestellt.
2.1.1
Grundlagen des Islams
Das arabische Wort ,,Islam" leitet sich aus den Begriffen selam und silm ab. Selam bedeutet
Glück, Vertrauen und Wohlbefinden, während das Wort silm für Ergebung, Frieden und Ver-
trauen steht. Im allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet Islam ,,Unterwerfung" oder ,,Hingabe
an Gott" (Öztürk 2000, S. 11). Die Grundsätze der islamischen Lehre beruhen auf dem Glau-
ben an die Einheit Gottes, dessen Prophetentum sowie dem Glauben an die Wiederauferste-
hung. Aus dem wichtigsten Element, der Lehre von der Einheit Gottes, resultiert die Vorstel-
lung, dass es nur einen einzigen Schöpfer der Menschheit gibt. Diese Annahme begründet
zugleich das Glaubensbekenntnis eines jeden Moslems. Somit ist der islamische Glaube sei-
nem Wesen nach streng monotheistisch und bezieht die gesamte Menschheit mit ein. Dies hat
zur Folge, dass der Islam die Einheit der gesamten Menschheit lehrt und dass Gerechtigkeit,
soziale Integration und der Zusammenhalt unter den Menschen zentrale Ziele sind. Aus dem
Glauben an das Prophetentum resultiert, dass sich jeder Mensch an die Offenbarungen halten
muss, die von den Propheten verkündet wurden. Mit dem letzten Grundsatz der islamischen
Lehre, dem Glauben an die Wiederauferstehung, ist verbunden, dass jeder Mensch nach dem
Tod für seine Taten zur Rechenschaft gezogen wird (Iqbal und Mirakhor 2011, S. 2f.).
Die grundlegenden Prinzipien des Islams basieren auf fünf Säulen. Diese stellen Aufgaben
dar, die jeder gläubige Moslem im Laufe seines Lebens erfüllen muss. Dazu zählt das Glau-
2
S. a. w. ist die Abkürzung des arabischen Satzes ,,Sallalahu alayhi wasallam" und bedeutet übersetzt: ,,Möge
Allahs Segen und Frieden auf ihm sein". Dieser Zusatz wird durch Muslime bei der Nennung des Propheten
Mohammed hinzugefügt, um diesem Respekt zu erweisen (Canan 2008, S. 136f.).
3
bensbekenntnis, demnach es außer Allah keinen würdigen und anzubetenden anderen Gott
gibt. Das Beten, das Fasten im Monat Ramadan, die Pilgerfahrt nach Mekka sowie die Zah-
lung einer Almosensteuer sind weitere Prinzipien der islamischen Religion (Erdogan 2011,
S. 6). Neben diesen grundlegenden Prinzipien gibt der Islam für jeden Moslem ein Normen-
system vor, das genaue Handlungsanweisungen für alle Lebensbereiche wie Erziehung, Bil-
dung oder Wissenschaft bietet.
Dieses Normensystem findet ebenso Anwendung im wirt-
schaftlichen Handeln, im Rechtssystem des Islam und damit auch im Islamic Banking
(Geilfuß 2009).
2.1.2
Das islamische Wirtschaftssystem
Abgeleitet aus dem uneingeschränkten Glauben an die Einheit Gottes resultiert die Vorstel-
lung, dass jeder einzelne Bereich des Lebens eine Einheit bildet. Folglich ist auch das Wirt-
schaftssystem als ein Teil des Ganzen aufzufassen, das nicht getrennt von politischen, sozia-
len oder religiösen Themen betrachtet werden kann. Dieser Glaube führt zu der Vorstellung
eines Wirtschaftssystems, nach welchem Gott die Menschheit mit ausreichenden Ressourcen
versorgt hat, um ihre Bedürfnisse befriedigen zu können. Nach dieser Vorstellung sind die
Ursachen für wirtschaftliche Probleme wie die Knappheit an Ressourcen oder Gütern nicht
von Gott gewollt, sondern durch menschliches Handeln und Verhalten verursacht (Jackson-
Moore 2009, S. 3). Demzufolge bestehen in Bezug auf das wirtschaftliche Handeln grundle-
gende Unterschiede in den Auffassungen des Islams und der westlichen Auffassung wirt-
schaftlichen Handelns. Nach dem westlichen Modell streben Wirtschaftssubjekte danach, mit
ihrem Handeln ihre individuelle Nutzenfunktion zu maximieren. Ein Ausgleich zwischen den
Interessen aller handelnden Wirtschaftssubjekte wird durch den Markt erreicht. Die individu-
elle Nutzenmaximierung führt in der Theorie sofern kein Marktversagen eintritt zu einer
gesamtgesellschaftlichen Nutzenmaximierung. Ungleichgewichte werden durch staatliche
Eingriffe reguliert. Ziel des westlichen Wirtschaftssystems ist es somit zum einen, ein ge-
samtgesellschaftliches Optimum zu erreichen, in dem Märkte, Institutionen und Ausgleichs-
regelungen daraufhin ausgerichtet werden. Zum anderen ist ein weiteres Ziel, die individuelle
Nutzenmaximierung dazu zu nutzen, um wirtschaftliche Entwicklungen zu generieren. Anders
dagegen richtet sich das wirtschaftliche Handeln im Islam nicht an der individuellen Nutzen-
maximierung. Es wird davon ausgegangen, dass gesellschaftlich erwünschte Ergebnisse nicht
zwangsläufig durch individuelles Handeln erzielt werden können. Demnach ist das wirtschaft-
4
liche Handeln eines Individuums darauf ausgerichtet, ein gesamtgesellschaftliches Optimum
zu erreichen, in dem das Werte- und Normensystem für das individuelle Verhalten entspre-
chend ausgerichtet wird. In die Zielfunktion des Individuums müssen damit die Gerechtigkeit
und das Streben nach Brüderlichkeit, durch geeignete Verhaltensregeln, direkt integriert wer-
den. Die allgemeinen ökonomischen Ziele des islamischen Wirtschaftssystems sind u.a. das
Streben nach wirtschaftlich produktivem Verhalten sowie das Vermeiden von ungerechtfertig-
ter Bereicherung. Schließlich treffen diese generellen ökonomischen Ziele auch auf das
Islamic Banking zu und finden dort Anwendung (Schneider und Klein 2009).
Nach dem islamischen Wirtschaftssystem wird der Umgang der handelnden Wirtschaftssub-
jekte untereinander, durch die beiden wichtigen Normen ,,Al-adl" und ,,Al-ihsan" bestimmt.
,,Al-adl" bedeutet, dass die Menschen bei ihren Tätigkeiten, fair und ehrlich miteinander um-
gehen sollen. Demgegenüber fordert die Norm ,,Al-ihsan" die Menschen dazu auf, sich ge-
genseitig zu unterstützen und dabei ein großes Maß an Güte, Aufopferung und Wohlwollen an
den Tag zu legen.
Darüber hinaus werden im Islam einige spezifische Verordnungen und Pflichten für jeden
gläubigen Moslem vorgeschrieben. Dazu zählen beispielsweise das Geben von Almosen für
Hilfebedürftige, das Versorgen der Familienmitglieder und die karitative Arbeit. Ferner gilt
für alle Wirtschafts- und Finanztransaktionen die Anwendung der Scharia (siehe Abschnitt
2.1.3) (Jackson-Moore 2009, S. 3f.). Innerhalb der Volkswirtschaft müssen alle handelnden
Wirtschaftssubjekte die Prinzipien, Normen und Werte des Islams befolgen. Dadurch, so die
Vorstellung, können sie zu einem gerechten, sozialen und umweltbewussten Handeln in der
Gemeinschaft beitragen (Paul 2010, S. 24).
Aus all dem resultiert, dass die Rechte und Pflichten eines Individuums unabhängig, ob auf
privater, wirtschaftlicher oder internationaler Ebene sowohl in zwischenmenschlichen Be-
ziehungen als auch gegenüber der Natur festgelegt sind. Dies wirkt sich auch unmittelbar auf
das Konzept des Islamic Banking aus (Ashrati 2008, S. 4f.).
2.1.3
Das Rechtssystem im Islam
Die Scharia ist die Gesamtheit aller Gesetze der islamischen Gesellschaft. In ihr sind alle
Normen und Pflichten eines Moslems festgeschrieben; sie beziehen sich auf alle Lebensberei-
che, sind weltweit gültig und anzuwenden. Dieses Rechtsgebilde basiert auf vier Quellen. Die
primären Quellen sind der Koran und die Sunna, während Ijma (Konsens) und Qiyas (Analo-
5
gieschluss) eine sekundäre Bedeutung zukommt. Die Sunna beinhaltet Äußerungen und Ver-
haltensweisen des heiligen Propheten Mohammed (s. a. w.). Die sekundären Quellen Ijma und
Qiyas sind aus dem Koran und der Sunna abgeleitet. Ijma umfasst die Konsensbildung der
Rechtsgelehrten. Das heißt, die Übereinstimmung der Auffassungen und Auslegungen der
Rechtsgelehrten in Bezug auf die Klärung aller offenen Fragen. Qiyas bezeichnet die Suche
nach Lösungen durch Analogieschlüsse. In diesem Sinne werden bereits bestehende Normen
auf neu aufkommende Fragen logisch übertragen (Ayub 2007, S. 21f.).
Die Scharia beinhaltet Regeln zur Ausübung religiöser Praktiken und betrifft das Alltagsleben
sowie alle wirtschaftlichen Aktivitäten der Menschen. So gesehen regelt die Scharia sämtliche
Lebensbereiche der Muslime (Chong und Liu 2009). Demnach ist die Scharia nicht allein als
islamisches Rechtssystem, sondern als Gesamtheit aller Verbote und Gebote zu verstehen und
für jeden gläubigen Moslem verbindlich (Chahboune und El-Mogaddedi 2008).
2.2
Das Islamic Banking
Als Islamic Banking werden finanzielle, nach den Richtlinien der Scharia ausgestaltete und
umgesetzte Transaktionen bezeichnet (Leins 2010). Sämtliche Teilnehmer finanzieller Trans-
aktionen werden dabei als Geschäftspartner betrachtet, die sich die Risiken und Gewinne der
abgewickelten Geschäfte teilen (Imady und Seidel 2006).
Im Folgenden wird die Scharia in ihrer Bedeutung für das Islamic Banking erläutert. An-
schließend werden Institutionen vorgestellt, die die Einhaltung der Scharia-Bestimmungen
überwachen.
2.2.1
Prinzipien des Islamic Banking
Im Rahmen des Islamic Banking gibt es fünf grundlegende Prinzipien, die nach den Vor-
schriften der Scharia eingehalten werden müssen (siehe Abbildung 1). Dazu zählen das Zins-
verbot sowie das Verbot von Glücksspiel und Spekulation. Als weitere Prinzipien sind das
Verbot unethischer Geschäfte wie der Handel mit Waffen, mit Schweinefleisch, mit Drogen
und Alkohol sowie das Prinzip des Profit-and-loss-sharing (PLS) zu nennen. Schließlich muss
jeder Finanztransaktion ein realer Vermögensgegenstand zugrunde liegen, was als Grundsatz
der Wesentlichkeit bezeichnet wird (Beck et al. 2013).
6
Abbildung 1: Überblick über die Prinzipien des Islamic Banking
Quelle: Eigene Darstellung
Zinsverbot
Der Zins ist eine der bedeutendsten finanzwirtschaftlichen Größen. Er beeinflusst die Geld-
entscheidungen von privaten Haushalten und von Unternehmen. Viele Wirtschaftssubjekte
stehen nahezu täglich vor der Frage, ob sie ihr Geld sparen, investieren oder davon lieber
Konsumgüter kaufen sollten (Mishkin 2013, S. 108). Zudem stellt der Zins in der politischen
Öffentlichkeit einen Indikator für die gesamtwirtschaftliche Situation dar.
Der Zins ist das Entgelt für die temporäre Überlassung von Kaufkraft. Dieses Entgelt kommt
dadurch zustande, dass der Haushalt seine einzelwirtschaftlichen Ersparnisse durch Konsum-
verzicht anderen Wirtschaftssubjekten für eine bestimmte Zeit zur Verfügung stellt.
Anders als heute war das Erheben von Zinsen in vielen Religionen, u. a. auch im Christentum
im Zusammenhang mit finanzwirtschaftlichen Aktivitäten bis in das Mittelalter streng verbo-
ten (Gischer et al. 2012, S. 93f.). Dieses Verbot gilt im Islam noch heute und betrifft alle
Formen von Zinsen.
Das Zinsverbot ist ein Hauptunterscheidungsmerkmal zwischen dem sogenannten konventio-
nellen und dem islamischen Bankenwesen. Im Islam gilt der Zins als eine Form von Ausbeu-
tung und wird dementsprechend als ein direktes Machtinstrument verstanden. Schließlich
führt das Erheben von Zinsen zu Abhängigkeiten, was mit der islamischen Vorstellung von
Gerechtigkeit nicht vereinbar ist. Zudem stellen Zinsen eine unzulässige Aneignung fremden
Eigentums dar, die sich negativ auf das Wirtschaftswachstum einer Gesellschaft auswirkt. Der
Islam erkennt zwar die Bedeutung des Zeitwerts von Geld als Bestandteil einer realen Trans-
aktion an, nicht aber Zinseinnahmen auf der Basis von gewährten Krediten (Imam und
7
Kpodar 2010). Deshalb waren im Rahmen des Islamic Banking Finanzinstrumente zu schaf-
fen, die nicht auf Zinsen basieren.
Verbot von Spekulation und Glücksspiel
Ein weiterer wichtiger Bestandteil des Islamic Banking ist das Verbot von Spekulationen
(Gharar) und Glücksspielen (Maysir). Gharar bedeutet in der Auslegung des Korans ,,Risiko",
,,Unsicherheit" oder ,,Spekulation". Im Sinne des Korans sollte jede Transaktion frei von Un-
sicherheit, Risiko und Spekulation sein (Kettel 2011, S. 7). Beim Abschluss eines Vertrages
muss demnach Eindeutigkeit in Bezug auf den Vertragsgegenstand bestehen und es darf keine
Unsicherheit bezüglich des Preises einer Ware vorhanden sein. Alle Vertragsbestandteile
müssen exakt definiert werden. Dieses Verbot zielt darauf ab, dass die Vertragspartner unter-
einander nicht benachteiligt werden. Jeder Vertragspartner soll zu jeder Zeit über das getätig-
te Geschäft und die vereinbarten Bedingungen vollständig und umfassend informiert sein
(Bergmann 2008, 34f.).
Beim Verbot von Glücksspielen (Maysir) geht es um die Vermeidung von Ungewissheiten im
Rahmen einer Tätigkeit, die für einen der Beteiligten besteht. Denn Zweifel über den Ausgang
eines Geschäfts widersprechen den grundlegenden Prinzipien des Islams und sind deshalb
nicht schariakonform. Bezogen auf Finanztransaktionen bedeutet dieses Verbot z. B., dass der
Handel mit Finanzderivaten wie Optionen und Futures unzulässig ist (Geilfuß 2009).
Verbot unethischer Geschäfte
Gemäß den Grundsätzen des Islam dürfen Muslime und damit auch islamische Banken nur
mit Gütern handeln, die nach den Richtlinien der Scharia nicht verboten (arabisch ,,haram")
sind. Hierzu zählen unter anderem (Handels-) Geschäfte mit verbotenen Gütern wie Schwei-
nefleisch, Waffen und Alkohol. Außerdem sind Geschäfte mit Prostitution und Pornografie
nicht schariakonform. Nach dem Islam ist sowohl die direkte als auch die indirekte Beteili-
gung in diese -nach dem Islam- als unethisch angesehenen Aktivitäten untersagt (Khan und
Bhatti 2008).
Prinzip des Profit-and-loss-sharing
Innerhalb des Islamic Banking sind Finanztransaktionen auf Grundlage des Profit- and-loss-
sharing (PLS) durchzuführen. Das bedeutet, dass sowohl Gewinne als auch Verluste bei fi-
8
nanziellen Transaktionen zwischen den Parteien geteilt werden müssen. Folglich erhält ein
Geldgeber nicht nur einen Gewinn, der sich aus der Finanztransaktion ergibt, sondern ist auch
am möglichen Verlust beteiligt. Schließlich wird entsprechend dem islamischen Recht eine
Finanztransaktion als nicht islamkonform angesehen, wenn ein Vertragspartner Verluste er-
leidet, während ein anderer vom Gewinn profitiert. Für eine islamische Bank bedeutet dies,
dass sie nur dann von den zur Verfügung gestellten Kundengeldern profitiert, wenn diese
auch Gewinne erwirtschaften. Im entgegengesetzten Fall müssen beide Seiten einen mögli-
cherweise eintretenden Verlust tragen (Leins 2010). Dieses PLS-Prinzip basiert im Wesentli-
chen auf dem Gedanken der Gharar, also der auszuschließenden Unsicherheit für die Ver-
tragspartner. Da beiden Vertragsparteien sowohl dem Kreditgeber als auch dem Kreditneh-
mer der zukünftige Erfolg bzw. Misserfolg einer Transaktion nicht bekannt ist und auch
nicht vollständig reguliert werden kann, unterliegen beide Parteien dem Gewinn- und dem
Verlustrisiko (Chong und Liu 2009).
Grundsatz der Wesentlichkeit
Nach dem Grundsatz der Wesentlichkeit muss jeder Finanztransaktion direkt ein realer Ver-
mögensgegenstand ein Sachwert oder eine Dienstleistung oder eine wirtschaftliche Trans-
aktion zugrunde liegen. Deshalb sind
im Islamic Banking
beispielsweise
Leerverkäufe oder
ähnliche Finanztransaktionen verboten. Gehandelt werden soll nur mit dem, was ein Ver-
tragspartner auch tatsächlich besitzt
(El-Hawary et al. 2004)
.
2.2.2
Scharia-Boards und wichtige Institutionen im Überblick
Die Regelungen der Scharia werden fortlaufend durch islamische Rechtsgelehrte in ihrer ak-
tuellen Anwendung interpretiert. Durch die Vielzahl der Gelehrten kommt es oft zu unter-
schiedlichen Auslegungen der Scharia hinsichtlich der Finanztransaktionen. Um eine Stan-
dardisierung und somit Verbindlichkeit für die Vertragspartner bezüglich der Scharia-
Konformität ihrer Geschäfte gewährleisten zu können, wurden in den letzten Jahren verschie-
dene Institutionen eingerichtet (Schneider und Klein 2009). In allen islamischen Ländern, mit
Ausnahme von Malaysia, verfügt jede islamische Bank über ein eigenes Scharia-Board, das
unter anderem die Einhaltung der Scharia-Bestimmungen überwacht. Auf globaler Ebene
wurden mehrere internationale Organisationen geschaffen, die zur Standardisierung der Nor-
men beitragen sollen (El-Tiby 2011, S. 14). Dazu zählen insbesondere die Auditing
9
Organization for Islamic Financial Institutions (AAOIFI), die Islamic International Rating
Agency (IIRA), der Islamic Financial Services Board (IFSB), der International Islamic Finan-
cial Market (IIFM) und das Liquidity Management Center (LMC), die im Folgenden näher
erläutert werden.
Scharia-Boards
Scharia-Board ist ein aus islamischen Rechtsgelehrten bestehendes Prüfgremium. Zu den
Hauptaufgaben des Scharia-Board gehören die Entwicklung, Vermarktung und Zertifizierung
von islamkonformen Produkten und Dienstleistungen, bevor diese als schariakonform am
Markt angeboten werden. Zudem ist das Scharia-Board verantwortlich für die Überwachung
und Einhaltung der Scharia-Vorschriften in der Bank. Des Weiteren sind die Scharia-Boards
am Innovationsprozess bei der Entwicklung von neuen schariakonformen Produkten und
Prozessen beteiligt. Schließlich überprüfen dessen Mitglieder die Mitarbeiter und die lau-
fende Geschäftstätigkeit der jeweiligen Bank. Allerdings dürfen Scharia-Boards nicht am ope-
rativen Geschäft einer Bank beteiligt sein (Abdul-Rahman 2011, S. 75ff.).
Accounting and Auditing Organization for Islamic Financial Institutions (AAOIFI)
Die Non-Profit-Organisation AAOIFI entwickelt schariakonforme Standards für islamische
Finanzinstitute bezogen auf Rechnungslegung und -prüfung, Buchführung, Bilanzierung so-
wie Corporate Governance. Als unabhängige internationale Organisation wird die AAOIFI
weltweit von institutionellen Mitgliedern einschließlich Zentralbanken, islamischen Finanzin-
stituten und anderen Gruppen aus der internationalen islamischen Finanzbranche unterstützt.
Durch einheitliche Standards wird eine länderübergreifende Transparenz und Vergleichbar-
keit islamischer Finanzpraktiken gewährleistet. So ist es möglich, islamische Banken und Fi-
nanzinstitute weltweit miteinander zu vernetzen (Nienhaus 2005, S. 173).
Islamic International Rating Agency (IIRA)
Die IIRA ist eine islamische Ratingagentur, die neben den drei namhaften internationalen
Ratingagenturen Moody's, Standard & Poor's und Fitch ein Rating für islamische Finanzin-
strumente anbietet. Zu den weiteren Angeboten von IIRA gehört ein Scharia-Quality-Rating,
welches die Scharia-Konformität islamischer Finanzinstitute analysiert und beurteilt. Ein wei-
teres Angebot ist das Corporate-Governance-Rating, bei dem die Corporate-Governance-
10
Systeme von islamischen Banken und Industrieunternehmen mit internationalen Best-
Practice-Systemen verglichen werden.
Außerdem bietet die IIRA speziell für islamische Banken und deren Produkte ein Kreditrating
sowie ein Staatenrating an. Im Wesentlichen arbeitet die IIRA mit denselben Methoden wie
andere international bekannte Ratingagenturen auch. Da die IIRA den islamischen Markt bes-
ser kennt, hat sie gegenüber den renommierten Ratingagenturen bei der Durchführung der
Ratings einen deutlichen Vorteil (Mahlknecht 2009, S. 202).
Islamic Financial Services Board (IFSB)
Zur weiteren Standardisierung innerhalb des Islamic Banking trägt auch das IFSB bei. Als ein
Schwerpunkt entwickelt dieses Board spezielle Standards im Hinblick auf das Risikomana-
gement von Banken, Regulierungsbehörden und Organe der Bankenaufsicht, die
schariakonform sind. Diese Richtlinien und Bewertungsmaßstäbe ergänzen die Standards des
Baseler Komitees für Bankenaufsicht. Dies ist notwendig, da sich aufgrund der unterschiedli-
chen Risikoprofile (vgl. Kapitel 3) islamischer Banken nicht alle Standards des Baseler Komi-
tees für Bankenaufsicht auf das Islamic Banking übertragen lassen (Ali 2011).
International Islamic Financial Market (IIFM)
Das IIFM-Institut konzentriert sich auf die Standardisierung und Weiterentwicklung islami-
scher Finanzinstrumente und -verträge. Die zentrale Aufgabe des IIFM ist es, einen struktu-
rierten globalen schariakonformen Finanzmarkt zu entwickeln. Dabei liegt der Fokus auf der
Entwicklung eines weltweiten schariakonformen Sekundärmarktes (Ali 2011).
Liquidity Management Centre (LMC)
Auch das LMC wurde gegründet, um einen globalen schariakonformen Geldmarkt zu entwi-
ckeln, damit insbesondere islamische Banken und Finanzinstitute ihren Liquiditätsbedarf effi-
zienter managen können. Das LMC bietet islamischen Finanzinstituten zusätzlich Beratungs-
dienstleistungen u. a. für strukturierte Finanzierungen, Projektfinanzierung und Corporate
Finance an (LMC 2009).
11
3.
Ansätze des Risikomanagements im Islamic Banking
Spätestens seit der Finanzkrise 2008 ist die herausragende Bedeutung des Risikomanagements
für den wirtschaftlich nachhaltigen Erfolg eines Finanzinstituts offensichtlich geworden. Zu-
dem tragen die ständige Entwicklung neuer Finanzprodukte und -dienstleistungen sowie das
Wachstum der globalen Finanzmärkte zu der Notwendigkeit eines gut funktionierenden Risi-
komanagements bei (Van Greuning und Bratanovic 2009, S. 2).
Sowohl konventionelle als auch islamische Banken sind mit Unsicherheiten und Risiken kon-
frontiert. Allerdings ergeben sich in Abgrenzung zu konventionellen Banken, für islamische
Banken, spezifische Risiken, die eine zusätzliche Herausforderung für das Risikomanagement
einer islamischen Bank darstellen. Bedingt wird dies, durch die fünf grundlegenden Prinzipien
des Islamic Banking und den darauf aufbauenden Produkten. Aus diesem Grund werden im
Folgenden die Risiken islamischer Banken dargestellt, um darauf aufbauend die Herausforde-
rungen für das Risikomanagement einer islamischen Bank aufzuzeigen.
3.1
Darstellung der Risiken islamischer Banken
Das Risikoprofil einer islamischen Bank (siehe Abbildung 2) setzt sich im Allgemeinen aus
generischen, also typischen Risiken konventioneller Banken sowie aus spezifischen Risiken,
denen nur islamische Banken ausgesetzt sind, zusammen (Ahmed und Khan 2007, S. 144).
Diese werden im Folgenden erläutert.
Abbildung 2: Risikoprofil islamischer Banken
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an IFSB 2005.
12
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Erstausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2013
- ISBN (PDF)
- 9783956848506
- ISBN (Paperback)
- 9783956843501
- Dateigröße
- 1.1 MB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Universität Kassel
- Erscheinungsdatum
- 2015 (Februar)
- Schlagworte
- Pricing Risiko Sekundärmarkthandel Liquiditätsmanagement Liquidität