Burnout – Erkennen und Vorbeugen: Durch gezielte Entlastung vorbeugen und Kosten für die Unternehmung sparen
Zusammenfassung
Bei dieser Flut an Informationen ist es schwer, an fachlich korrekte und relevante Informationen zu gelangen.
Trotz der inzwischen durch Studien belegten Einsparung an Kosten, die eine Prävention gegen Burnout erzielen würde, befassen sich nur wenige Unternehmen mit diesem Thema.
Deshalb kommt Führungskräften in einem Unternehmen eine entscheidende Rolle zu. Sie sollten als Erste Anzeichen von Burnout bei ihren Mitarbeitern (und auch bei sich selbst) erkennen und geeignete Maßnahmen ergreifen, z. B. Abeitsstrukturen, die für alle Mitarbeiter nachvollziehbar sind.
In diesem Buch wird aufgezeigt, dass nicht alle Burnout-Tests sinnvoll und aussagekräftig sind.
Die durchgeführte Studie zeigt die Wichtigkeit von Entlastungsfaktoren und Möglichkeiten zur Prävention auf. Dabei wird auch die besondere Rolle der Führungskräfte deutlich.
Eine sinnvolle Prävention und das Wahrnehmen der Verantwortlichkeit gegenüber den Mitarbeiter durch Unternehmen und Führungskräften führt nicht nur zu einer erhöhten Mitarbeiterzufriedenheit und Reduzierung von Burnout, sondern auch zu wirtschaftlichen Einsparungen des Unternehmens und der Volkswirtschaft.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
3 Ursachen
3.1 Arbeitsstruktur
3.1.1 Zunehmende Belastungen
Viele Burnout auslösende Faktoren befinden sich im Arbeitsumfeld. „In 90% aller Betriebe sind seit dem Jahr 2000 die psychischen Belastungen der Beschäftigten gestiegen. Rund ein Drittel melden vermehrte körperliche Belastungen. Das zeigt eine Befragung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung unter mehreren Tausend Betriebs- und Personalräten. Gründe für den wachsenden Stress im Job: Stellenabbau, Arbeitsverdichtung, Zeitknappheit, steigende individuelle Verantwortung der Beschäftigten sowie schlechtes Führungsverhalten.“[1]
Personalknappheit und Personalabbau
Führt zu hoher Arbeitsbelastung, Arbeitsverdichtung, Zeitknappheit, Distress, Gefühl des Versagens, zu wenig Freizeitausgleich (damit zu weniger Erholung) und dem Gefühl oder der Tatsache Arbeiten nicht korrekt ausführen zu können.
Eine Folge chronischer Personalknappheit ist ein von Unternehmen und Gesellschaft erwarteter und anerkannter Dauereinsatz für die Arbeitsstelle. Dies führt im Extremfall bei Mitarbeitern zur Arbeitssucht. „Die Mitarbeiter vernachlässigen ihre Gesundheit, greifen zum Abschalten zu Medikamenten oder Alkohol, und sind oft für ihre Angehörigen nicht mehr zu erreichen.“[2]
Führungsstil und schlechte Führungsverantworung
Sind Verantwortlichkeiten nicht klar geregelt, oder werden aus mangelnder Kompetenz heraus falsche oder gar keine Entscheidungen getroffen, stellt dies eine hohe Belastung der Mitarbeiter dar, da sie unter den Misständen zu leiden haben, und die Nachteile tragen müssen.
In den letzten Jahren hat sich der situative Führungsstil als der effektivste herausgestellt. Die Mitarbeiter werden in die Arbeitsgestaltung mit einbezogen, gefördert und gefordert. Durch Vertrauen, Lob und Anerkennung des Vorgesetzten wird ihre Arbeit wertgeschätzt.
Belastungen im Team
Die Leistung eines Teams ist unter anderem davon abhängig, wie harmonisch das Miteinander ist. In zu großen Teams können sich die Mitarbeiter in der Anonymität verlieren, Beziehungsgestaltung und Rückmeldungen gehen verloren.
In zu kleinen Teams fehlt oft die gesunde Distanz, und durch fehlende Rückzugsmöglichkeiten kann es zu Reibereien und Unzufriedenheit kommen.
Wichtig in einem Team sind vereinbarte und eindeutige Regeln des Umgangs, gemeinsame Ziele und klar definierte Erfolgskriterien. Werden Teams gegen ihren Willen zusammengestellt, gibt es Mitarbeiter die gegen das Team arbeiten oder ist dem Team eine schwache Führungskraft vorgesetzt, können viele negative Gefühle aufkommen und die Mitarbeiter und die Arbeit belasten (z.B. Neid, Mißgunst, Intrigen, Mobbing).
Emotional belastende Arbeiten
„Alle Berufe, die mit den psychischen, physischen oder sozialen Problemen ihrer Klienten ausgesetzt sind, haben eine hohe emotionale Belastung, die zu einem Stresserleben auf breitester Ebene führt.“[3]
Weitere Belastungen
- Unklare, umständliche, verwirrende oder nicht nachvollziehbare Arbeitsabläufe
- Höhere Intensität und Komplexität der Arbeit
- Steigerung der wöchentlichen Arbeitszeit
- Unfreundlicher Umgangston
- Ungerechtigkeit
- Routinearbeit ohne persönliche Herausforderung
Im Krankenhaus bei Pflegekräften gibt es weitere spezielle Belastungen:
- Weisungsgebundener Handlungszwang
- Unvereinbarkeit von Beruf und Familie
- Baulich - räumliche Mängel
- Schichtarbeit
- Dauerkonflikt zwischen Professionen
- Hohe Erwartungshaltung von Patienten
- Aggressive und verwirrte Patienten
- Beengte Krankenzimmer und Arbeitsräume
- Unzureichendes Arbeitsmaterial (qualitativ und quantitativ)
- Unfunktionale Zuordnung der Räume
- Fehlende Arbeits- und Sozialräume
- Hohe psychische Belastung durch Rückschläge (z.B. Progress bei Onkologien, Tod der Patienten, Rückfall in Suchtklinik)
- „Körperlich anstrengende Arbeit (Aus arbeitsphysiologischer Sicht sind vor allem Belastungen durch Hebe- und Tragearbeit in ungünstigen Körperhaltungen (Wirbelsäulenschäden) zu nennen. Das Risiko eines Wirbelsäulenschadens liegt bei Krankenpflegekräften deutlich höher als in der Normalbevölkerung)“[4]
- „Sick-building-syndrom (Zunahme an krankmachenden Stoffen, z.B. Zytostatika, in den Gebäuden)“[5]
3.1.2 Mangelndes Feedback und Kompetenzstreitigkeiten
Mangelndes Feedback
„Die Arbeit in einem sozialen Beruf stellt vielfältigste Anforderungen an die professionellen Helfer. Die Mitarbeiter sozialer Unternehmen müssen nicht nur über ein fundiertes, berufsbezogenes Fachwissen und entsprechende praktische Begabungen und Fertigkeiten verfügen; sie sollen in der Ausübung ihrer Tätigkeit in hohem Maße auch soziale und personale Kompetenzen sowie die Fähigkeit zur Reflexion ihres Handels entwickeln.“[6]
Nur durch regelmäßiges Feedback erkennt der Mitarbeiter, ob er diesen Anforderungen gerecht wird, oder ob es Handlungsbedarf gibt.
Ein ausführliches Feedback kann jedoch nicht kurz zwischendurch stattfinden, sondern sollte mit dem Mitarbeiter in Ruhe unter vier Augen geführt werden. Dem Mitarbeiter sollte rechtzeitig der Grund und der Termin des Gesprächs genannt werden, damit er sich darauf vorbereiten kann.
Finden solche Gespräche regelmäßig statt, und verlaufen sie positiv, wird der Mitarbeiter entspannt und offen in solche Gespräche gehen.
Die Gespräche können zur Korrektur dienen, sollten dem Mitarbeiter aber auf jeden Fall auch positive Rückmeldung und Sicherheit in seine Arbeit geben. Gleichzeitig kann, wenn nötig, ein Abgleich zwischen Fremd- und Selbstwahrnehmung stattfinden. So findet frühzeitig eine Korrektur von unrealistischen Zielsetzungen oder persönlichen Erwartungen ein. Ebenso kann auf Möglichkeiten der Fort- und Weiterbildung eingegangen werden.
Diese Gespräche sind auch deshalb wichtig, da viele Mitarbeiter das Gefühl haben, ihr Vorgesetzter hört ihnen nicht richtig zu. Zielvereinbarungs- bzw. Mitarbeitergespräche sollten mindestens einmal pro Jahr stattfinden.
Für das ganze Team ist ein Feedback ebenso wichtig wie für den einzelnen Mitarbeiter. Monatliche Teambesprechungen sind gute Möglichkeiten, um gemeinsame Absprachen und Ziele zu überprüfen. So können frühzeitig Mißstände, Unklarheiten und Mißverständnisse ausgeräumt werden, aber auch hier sollte mit Lob und Anerkennung nicht gespart werden.
Kompetenzstreitigkeiten
Führen Vorgesetzte auf Kosten der Mitarbeiter Machtspiele aus, z B. durch unterschiedliche Anordnungen, führt das zu einer extremen psychischen Belastung der Mitarbeiter. Sie werden zum Spielball unterschiedlicher Interessen, können sich meist nicht dagegen wehren (das Gefühl der Ohnmacht stellt sich ein) und sind trotz korrekter Arbeit der Kritik konkurrierender Führungskräfte ausgesetzt. Die Arbeitszufriedenheit sinkt rapide.
3.1.3 Geringe Wertschätzung
„Weitere wichtige Risikofaktoren sind eine geringe Wertschätzung am Arbeitsplatz und ungenügende Unterstützung am Arbeitsplatz und durch das soziale Umfeld.“[7]
Das schreibt die Neue Luzerner Zeitung in der Ausgabe vom Samstag, 11. März 2006 zum Thema Burnout. Ebenso wie das soziale Umfeld wichtig ist, stellt die geringe Wertschätzung der Arbeit ein Risiko für Burnout dar.
„Das Gefühl, zu wenig oder keine Anerkennung zu bekommen, wird im Zusammenhang mit dem Burnout-Syndrom oft als wichtiger Faktor genannt. Anerkennung und Wertschätzung gehören zu den wichtigsten sozialen Bedürfnissen jedes Menschen. Manche sind mehr, andere weniger davon abhängig.“[8]
Dieser Mangel an Wertschätzung zeigt sich zum Beispiel in:
- geringe betriebliche Fürsorge um das Wohlergehen der Pflegenden
- geringe als leistungsgerecht erlebte Gratifikation
- wenig betriebliche Informations- und Partizipationspolitik
Bei der durchgeführten Studie war der geringe Respekt und die geringe Wertschätzung (in einem Punkt zusammengefaßt) bei allen teilnehmenden Mitarbeitern, sowohl Pflegekräften als auch Führungskräften, der mit am häufigsten genannte Belastungsfaktor!
3.1.4 Dokumentation
Nach § 280 Abs.I Satz 2 BGB gibt es bei Vertragspartnern eine Beweislastumkehr.
„ 1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. 2) Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.“[9]
Wenn in Gesetzestexten eine doppelte Verneinung steht (hier „gilt nicht ..., wenn ... nicht zu vertreten hat“), ist damit die Beweislastumkehr gemeint. Kann ein geschädigter Vertragspartner (z.B. ein Patient aus einem Behandlungsvertrag heraus) nachweisen, dass eine Kausalität (Zusammenhang) bestehen könnte, zwischen dem von ihm davongetragenen Schaden, und den im Krankenhaus durchgeführten Maßnahmen, ist das Krankenhaus in der Pflicht zu beweisen, dass alles korrekt durchgeführt wurde, und der Schaden NICHT durch einen Fehler des Krankenhauspersonals entstanden ist. Kann das Krankenhaus diesen Beweis nicht antreten, ist es schadensersatzpflichtig.
In den letzten Jahren haben die Klagen gegen Krankenhäuser zugenommen, und die Folge ist eine erhebliche Zunahme der Dokumentation. Nicht nur Patienten, auch Krankenkassen klagen, um Geld einzusparen. So ist es inzwischen üblich, jedes Altersheim bei einem Sturz eines Patienten zu verklagen. Bekommt die Krankenkasse in einem von 20 Fällen recht, rentieren sich die Klagen (das Altersheim muss für die Kosten der Schäden von dem Sturz aufkommen). Da häufig von den Altersheimen nicht nahtlos nachgewiesen werden kann, dass korrekt gearbeitet wurde, liegt die Zahl der gewonnen Fälle für die Krankenkassen höher als 1:20. Somit sind diese Prozesse Kosteneinsparnisse für die Krankenkassen.
Die Folge für die Einrichtungen des Gesundheitswesens sind eine starke Zunahme der Dokumentation. In den Krankenhäusern geht man davon aus, dass in den letzten 7 Jahren die für Dokumentation verwendete Arbeitszeit von ca. 10% auf 40% gestiegen ist. Neben der Kurvenführung über Vitalzeichen (Blutdruck, Puls, Temperatur), Medikamentengabe und den Pflegebericht einmal pro Schicht für jeden Patienten, kamen viele neue Dokumente dazu. Einige Beispiele sind die Pflegeplanung, der Schmerzanamnesebogen, die Skala zur Einschätzung des Dekubitus-Risikos, Schmerzpläne, Pflegeanamnesebogen, Anmeldungen von Untersuchungen über den Computer, das ausdrucken und abheften der Befunde, Ausarbeitung und Anwendung von Pflegestandards, Dokumentation bei Thrombo- und Leukopenie sowie das aushändigen und erklären der dazugehörigen Informationsblätter an den Patienten, der Pflege-Entlassbrief (wenn der Patient pflegebedürftig ist).
Da es keine Personalerhöhung gab, wird die Zeit für die Versorgung der Patienten knapper, was neben der Belastung der Dokumentation zusätzlich zu Frustration bei den Beschäftigen führt.
3.1.5 Nicht planbare Arbeit
Die Pflege hat meist sehr strukturierte und geplante Abläufe, um die anfallende Arbeit gut meistern zu können. Jedoch gibt es viele Faktoren, die nicht planbar sind. Termine für Untersuchungen und Operationen stehen häufig nicht fest, so dass nach spontanen Anrufen aus den Abteilungen Patienten vorbereitet werden müssen (z.B. rasieren, umziehen, Infusionen entfernen, etc.). Ebenso unterbricht das Klingeln der Patienten oder das Ansprechen von Patienten oder Angehörigen oft eine begonnene Arbeit. Durch das häufige Unterbrechen läuft man viele Wege doppelt, muss sich auf mehrere Dinge gleichzeitig konzentrieren, und setzt danach jedes Mal neu an um die angefangene Arbeit zu beenden. Beides kostet viel Zeit. Kommen mehrere Arbeiten gleichzeitig auf eine Pflegekraft zu, kommt es zu erheblichem Stress.
Da zusätzlich noch einige tätigkeitsfremde Arbeiten wieder in die Pflege zurück kommen (z.B. Patiententransport, Betten und Nachttische putzen, Pflanzen auf Station gießen und pflegen, Patienten-Kühlschränke auswischen und desinfizieren) wird die Zeit für die eigentliche Arbeit (Patienten waschen, kleiden, Prophylaxen durchführen, Verbände wechseln, usw.) immer knapper. Trotz häufiger Fortbildung und immer höherer Qualifikation kann das erworbene Wissen wenig angewendet werden.
3.1.6 Extremsituationen
„Arbeit im Krankenhaus stellt häufig Arbeit in Extremsituationen dar und ist mit hohen Anforderungen verbunden, was die psycho-physische Leistungsfähigkeit und die sozio-emotionalen Kompetenzen betrifft.“[10]
Beispiele hierfür:
- unter Zeitdruck Entscheidungen fällen
- die Konsequenzen einer Entscheidung nicht abschätzen können
- negative Rückmeldungen werden erwartet oder treffen ein
Pflegekräfte lernen nur für einige ausgewählten Extremsituationen während der Ausbildung oder durch Fortbildungen, wie sie sich zu verhalten haben. Jedoch erlernen sie nur Maßnahmen, die zu ergreifen sind, um den Patienten helfen zu können. Wie man unmittelbar danach handeln kann, damit aus einem Erlebnis kein bleibendes Trauma wird, lernen sie nicht. Rettungsdienst-, Feuerwehr- und Polizeikräfte können sich nach einem schlimmen Ereignis vom Dienst abmelden (zumindest für diesen Tag) und einen speziell dafür geschulten Psychologen aufsuchen. Bei Pflegekräften ist dies nicht der Fall. Da während einem Notfall oft alle Pflegekräfte mithelfen, werden die anderen Patienten nur notdürftig versorgt, da der Notfall absolute Priorität hat. Nach der Versorgung des Notfalls jedoch haben die Pflegekräfte keine Zeit um sich zu erholen, sondern arbeiten weiter, um die anderen Patienten zu versorgen. Also geht es statt Erholung ohne Pause weiter.
Belastend sind jedoch nicht nur Situationen, in denen man in kürzester Zeit handeln und entscheiden muss, um den Patient retten zu können (bzw. ertragen muss, wenn es nicht gelingt), sondern auch gefährdende Situationen für die eigene Person. Patientenübergriffe wie Schläge, mit Gegenständen oder Messern beworfen zu werden, oder Angehörige die mit Pistole Amok laufen. Meist sind die Mitarbeiter auf solche Vorfälle nicht vorbereitet und geschult, und es steht auch kein Psychologe zur Verfügung, der aufgesucht werden könnte, damit solche Erlebnisse aufgearbeitet und verarbeitet werden können.
3.1.7 Geringe Bezahlung
„Die vielfältigen Belastungen klinischer Arbeitstätigkeit können vor dem Hintergrund geringer Bezahlung und mangelnder Anerkennung gerade unter Krankenpflegekräften zu dem Gefühl eines "Ausgebranntseins" führen. Letzteres ist unter dem Stichwort "Burnout" für das Krankenpflegepersonal in der Vergangenheit bereits durch zahlreiche Studien nachgewiesen worden.“[11]
Geringe Bezahlung ist eng gekoppelt mit geringer Wertschätzung. Der Wert einer Arbeit drückt sich auch in der Bezahlung aus. So verdient eine Stationsleitung mit 10 Jahren Berufserfahrung und Personalverantwortung für 15 Mitarbeiter weniger, als ein Arzt der nach seinem Studium frisch als Assistenzarzt im Krankenhaus beginnt. „Das Durchschnittseinkommen der Frauen, die Vollzeit arbeiten, ist in Westdeutschland 23 Prozent niedriger als das der Männer. In Ostdeutschland beträgt der Unterschied zehn Prozent. Damit gehört Deutschland in der Europäischen Union zu den Schlußlichtern. Nur in Estland und der Slowakei ist die Lohnkluft zwischen Frauen und Männern größer. Das geht aus dem "Frauen-Daten-Report 2005" des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung hervor. Demnach beenden mehr als 40 Prozent der jungen Frauen ihre Schulausbildung mit dem Abitur. Bei ihren männlichen Altersgenossen sind es 37,8 Prozent. Zum Studienanfang und auch beim Hochschulabschluß sind Frauen und Männer gleich stark vertreten.“[12]
Das Gehalt bei Pflegekräften dürfte auch deshalb niedriger sein, da überwiegend Frauen in diesem Beruf arbeiten, und wie das WSI nachweisen konnte, dies zu einer geringeren Bezahlung führt.
3.2 Stress
3.2.1 Definition
„Der ungarisch-kanadische Arzt Hans Selye hat nach Forschungen in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts etwa 1950 den Begriff „Stress“ in die Medizin und die Psychologie eingeführt. Das Wort kommt – wie Burnout – ursprünglich aus dem technisch-physikalischen Bereich, aus der Materialprüfung. Stress bedeutet hier die Anspannung und Verzerrung von Metallen oder Glas. Der plastische Begriff meint im seelischen Bereich etwas ganz Ähnliches: Die Belastungen, Anstrengungen und Ärgernisse, denen ein Lebewesen täglich durch viele Umwelteinflüsse ausgesetzt ist. Es handelt sich um Anspannungen und Anpassungszwänge, die einen aus dem persönlichen Gleichgewicht bringen können und bei denen man seelisch und körperlich unter Druck steht.“[13]
„Bis heute gibt es keine einheitliche Definition für Stress, da der Begriff je nach Forschungsrichtung unterschiedlich genutzt wird. Den meisten Definitionen gemeinsam sind jedoch folgende Merkmale:
- anhaltende physische und/oder psychische Belastung oder Beanspruchung bzw. schädliche Reize
- durch Konflikte und/oder negativ empfundene Ereignisse verursachter seelischer Druck
Die Europäische Kommission hat 1997 folgende Definition für „arbeitsbedingten Stress“ verfasst:
Arbeitsbedingter Stress ist eine emotionale und psychophysiologische Reaktion auf ungünstige und schädliche Aspekte der Arbeit, des Arbeitsumfeldes und der Arbeitsorganisation. Stress ist ein Zustand, der durch hohe Aktivierungs- und Belastungsniveaus gekennzeichnet ist und oft mit dem Gefühl verbunden ist, man könne die Situation nicht bewältigen. (Europäische Kommisssion, Generaldirektion V, 1997).“[14]
„Entwicklungstechnisch benötigen die Menschen den Mechanismus „Stress“ zum Überleben. Die Stressreaktion ist ein reflexhafter Angriffs- und Fluchtmechanismus. Wenn Gefahr droht kommt es zu einer immensen Kraftentfaltung und – bereitstellung. Es handelt sich also um eine notwendige und völlig natürliche Alarmreaktion.“[15]
„ Unsere eigenen Wertvorstellungen werden stark durch gesellschaftliche Normen geprägt. Umgangssprachlich haben anscheinend alle Menschen Stress. Wer gestresst ist, signalisiert, dass er bis an seine äußerte Grenze geht, um seine Aufgabe zu meistern. Diese Haltung resultiert aus unserer Sozialisation in einer Leistungsgesellschaft.“[16]
Die Folge davon ist, dass „ca. 45% aller Deutschen sich häufig gestresst fühlen, 69% sind es bei den 40- bis 49-Jährigen; rd. 33% der Arbeitnehmer leiden an stressbedingter Erschöpfung.“[17]
Bei einer Befragung von 330 Managern vertraten 20% der Manager die Ansicht, „dass...herausragende Positionen nur dann Spitzenleistungen erbringen können, wenn klare Prioritäten für den Beruf gesetzt werden und...Einbußen im körperlichen und privaten Bereich hingenommen werden müssen“[18]
„Problematisch wird es, wenn aus Stress Dauerstress wird, der neben körperlichen, psychischen und sozialen Auswirkungen auch zu Burnout führen kann.“[19]
3.2.2 Eustress und Distress
In der Stress-Forschung unterscheidet man zwei Formen von Stress: Eustress (eu = griech.= gut) und Distress. Bei Eustres erlebt die Person eine Situation als Herausforderung und somit positiv. Die Ursache liegt in der Hoffnung, ein Erfolgserlebnis zu haben oder Anerkennung von anderen zu bekommen. Somit motiviert Eustress und erhöht die Leistungsfähigkeit.
Bei Distress wird die erlebte Situation aufgrund von Angst negativ bewertet. Die Folgen sind der Anstieg von Adrenalin und Noradrenalin, die Anspannung, Herzklopfen, Schweißausbrüche, usw. hervorrufen. Diese Form von Stress ist schädlich.
Wie eine Situation eingeschätzt wird, ist individuell. So kann z.B. das erlernen einer neuen Technik bei einer Person Eustress auslösen (da Freude an dem Thema und neue Herausforderung), bei der anderen Person Distress (Angst es nicht zu verstehen).
Die Einschätzung einer Situation hängt von biographischen Aspekten und von der Persönlichkeit ab. Fazit: „Nicht die Situation selbst löst also Stress aus, sondern die Bewertung der Situation im Kopf!“[20]
Bezogen auf die Stress-Anfälligkeit teilt man die Menschen in zwei Typen ein. Typ A ist ehrgeizig, erfolgsorientiert, ist ständig unter Zeitdruck, leicht aufbrausend, geprägt von hohem Leistungsstreben, Perfektionismus, hohem Verantwortungsbewusstsein, Hektik, Agressionsbereitschaft und starker Zielorientierung. Typ A ist sehr deutlich stressanfällig. Typ B zeigt genau das gegenteilige Verhalten.
Typ A kann ebenso wie Typ B Stress als positiv, also Eustress, erleben. Da er aber viel häufiger in Stress gerät, wird er insgesamt trotzdem mehr Distress mit schädlichen Folgen haben. „Die Stressdosis ergibt sich aus dem Zusammenwirken von Auftretenshäufigkeit von Stressoren, der Vielfalt, der Dauer der Einwirkung und der Intensität. Zu wenig Stress ist interessanterweise (z.B. für Menschen mit epileptischen Anfällen) genauso problematisch wie zu viel: Der Organismus zeigt uns den gesunden grünen Bereich auf.“[21]
3.2.3 Stressoren
„Stressoren sind alle Belastungsfaktoren, Anforderungen, Wahrnehmungen, Verhaltensaufforderungen, Empfindungen, Situationen und Informationen, die eine vegetative Stressreaktion (unspezifischer Alarmreaktion des Organismus) hervorrufen.
„Waren in früheren Zeiten Stressfaktoren wilde Tiere und Naturkatastrophen, sind es heutzutage Faktoren, die es bis vor wenigen Jahrzehnten so noch nicht gab.
- Überbevölkerung der Großstädte mit den damit verbundenen Folgen wie Anonymität, Kriminalität, Verarmung, Ghettoisierung
- Lärm und Reizüberflutung durch Verkehr, Werbung, Wohnsilos, Freizeitaktivitäten (Discotheken), Technisierung der Arbeitswelt-Privatwelt mit den Folgen verschiedenster Erkrankungen wie Hörschäden, Herz-Kreislauf-Störungen, usw.
- Massenmedien liefern Katastrophen „frei Haus“ mit explosionsartigem Wachstum von Nachrichten aus aller Welt. Dadurch wird die Verarbeitung der „totalen Information“ stark reduziert.
- Konkurrenzkampf am Arbeitsplatz durch erhöhte Leistungsanforderungen, um die besseren (und knappen) Plätze in der sozialen Hierarchie besetzen zu können. Entfremdung durch Technisierung und Automatisierung.
- Vermeintlicher Konsumzwang der Mitmensch wird zum Feind. Durch die steigende Anonymität und das beständige Leistungsstreben muss die soziale Position z.B. mit Statussymbolen unterstützt und gestärkt werden. Dieser soziale Zwang führt zur Abgrenzung gegen die Mitwelt und zieht in der Regel einen Konsumzwang nach sich.
- Verlust der Geborgenheit in der Familie. Der gesellschaftliche Wandel bringt alte Familienstrukturen mit ihren Auffang- Sicherungs- und Bestätigungsfunktion für die Mitglieder mehr und mehr zum Erliegen. Die Folge sind viele Single-Haushalte oder Alleinerziehende mit den negativen Begleiterscheinungen wie Isolation, Angst, Depression und Konfliktverdrängung.„[22]
Stressoren kann man in folgende Kategorien einteilen:
„ Arbeitsorganisatorische Stressoren & Leistungsstsressoren
unklare/widersprüchliche Anweisungen, mangelnde Mitwirkungsmöglichkeit, Überforderung, enge Zeit- und Terminvorgaben, ...
Soziale Stressoren
Konkurrenz, mangelnde Anerkennung, ...
Physikalische Stressoren
Lärm, Hitze, ...
Körperliche Stressoren
Verletzungen, Hunger, ...
Individuelle Stressoren
Versagensängste, familiäre Probleme, ...“[23]
3.2.4 Überlastungserscheinungen
„ Im gedanklichen Bereich: Konzentrations-, Gedächtnis- und Leistungsstörungen, Tagträumen, Realitätsflucht, Scheuklappeneffekt: Einengung der Wahrnehmung.
Im Bereich der Gefühle: Agressionsbereitschaft, Angst, Unsicherheit, Unzufriedenheit, starke Gefühlsschwankungen, Nervosität, Gereiztheit, Apathie (Teilnahmslosigkeit), Depression, Leeregefühle, Widerwillen gegen den Beruf und die Kollegen, Selbstmitleid, Labilität, Humorverlust, Hoffnungslosigkeit, Selbstmordgedanken.
Vegetativ-hormonelle Reaktionen: Herzrasen, Herzstolpern, Blutdrucksteigerung, Verdauungsbeschwerden mit Durchfällen, Magen-Darm-Geschwüre durch erhöhte Säureproduktion, Schlafstörungen , sexuelle Schwierigkeiten, Menstruations- und Zyklusprobleme bei Frauen, Schwitzen, Schwindel, Kurzatmigkeit, Kopfschmerzen, Anfälligkeit für Infekte, Gewichtsveränderungen, Übelkeit.
Muskulär: Allgemein erhöhte Muskelspannung bewirkt verminderte Sauerstoffzufuhr mit entsprechenden Folgen. Spannungskopfschmerz, leichte Ermüdbarkeit bei unruhigem Schlaf, Rückenschmerzen, nächtliches Zähneknirschen, die geballte Faust in der Tasche, vor allem die Umgebung bemerkt eine starre Mimik mit maskenhaftem Gesicht, Ticks, fahrige Gestik, Fingertrommeln, Fußwippen.“[24]
Sonstige: Zunahme des Konsums von Tabletten und Alkohol, Rückzug von den Mitmenschen, Desinteresse an der Umwelt, Aufgeben von Hobbys, Widerstand gegen Veränderungen, verringerte Fantasie und Flexibilität.
„Kurzzeitig können wir alle das eine oder andere Anzeichen entwickeln. Bedenklich wird es dann, wenn
1. die Symptome schon bei geringer Stressdosis auftreten
2. die Aktivierung intensiver ist
3. die Erholung langsamer
4. Langzeitschäden feststellbar sind (z.B. erhöhter Blutdruck)“[25]
3.3 Persönlichkeit
Jeder Mensch kann, wenn er über einen längeren Zeitraum mehreren Burnout auslösenden Ursachen oder Umständen ausgesetzt ist, an Burnout erkranken. Es gibt jedoch einige Persönlichkeits- bzw. Charaktermerkmale, die Burnout begünstigen.
„Willensstärke und Entschlossenheit
Menschen mit großer Willenskraft und Entschlossenheit hassen es, aufgeben und eine Niederlage eingestehen zu müssen. Sie treiben sich häufig an ihre physischen und psychischen Grenzen, um etwas auf die Beine zu stellen. Infolgedessen zahlen sie oft einen hohen physischen und psychischen Preis für den Erfolg.
Entscheidungsfreudigkeit
Menschen die gerne und schnell Entscheidungen treffen, riskieren Fehlentscheidungen (da sie zu früh entschieden haben), und müssen das dann mit harter Arbeit ausgleichen.
Autarkie
Solche Menschen neigen dazu, Zeit damit zu verschwenden, lieber etwas selbst herausfinden zu wollen, statt jemand anderen um Hilfe zu bitten. Die verlorene Zeit muß wieder eingeholt werden, und das führt zu Stress.
Übersteigerte Selbstsicherheit
Wer gewohnt ist, Ziele zu erreichen, neigt dazu, andere Leute nicht um Hilfe zu bitten. Auch dann nicht, wenn es eine Arbeitsentlastung darstellen würde. Sie verlassen sich mehr auf sich als auf andere. Ratschläge und Tipps werden nur ungern angenommen. Somit sind auch Hinweise in Bezug auf Burnout bei ihnen nur schwer möglich, da solche Ratschläge nicht gehört werden.
Perfektionismus
Hohe Leistungsansprüche an sich und andere verlangt diesen Menschen ein hohes Arbeitstempo ab. Sie streben danach, bei allem nur das Beste zu machen und hassen schlampige Arbeit. Sie fordern von sich selbst häufig mehr, als es andere von ihnen verlangen. Dadurch setzen sie sich selbst einem sehr hohen Druck aus, um viel mehr als ihre Pflicht und Schuldigkeit zu tun.
Ausgeprägte Zielorientierung
Ziele müssen erreicht werden, egal welche Kräfte dafür mobilisiert werden müssen. Ein Abweichen von dem selbst gesetzten Ziel kommt einem Versagen gleich. Auf Dauer bezahlen solche Menschen dafür einen hohen psychischen und physischen Preis.
Überhöhtes Streben nach Anerkennung und Aufstieg
Häufig steckt hinter diesem Verhalten Unsicherheit über die eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen. Bleibt Anerkennung oder der geplante Aufstieg aus, können diese Menschen sehr depremiert reagieren, da dies ihre Unsicherheit weiter verstärkt. Um diese Situation zu vermeiden gehen sie weit über ihre Grenzen, um den angestrebten Erfolg zu haben.“[26]
„Weitere Charaktereigenschaften die Burnout begünstigen können, sind Konkurrenzdenken, Ungeduld, Hektik, Agressionsbereitschaft, hohes Verantwortungsbewusstsein, Emotionsleugnung, Arbeit als Lebensinhalt, Minderwertigkeitsgefühle, Gefühl benachteiligt zu werden, Schuldgefühle und Ängste.“[27]
„Als protektiver Faktor wirkt eine sogenannte „hardy personality“. Die Forschung zeigt übereinstimmend, dass Personen, die engagiert ihren Alltagsaktivitäten nachgehen, positive Kontrollüberzeugungen in Bezug auf äussere Ereignisse vorweisen und Veränderungen gegenüber offen sind, weniger Gefahr laufen, ein Burnout zu entwickeln. Sie sind weniger erschöpft, haben eine positivere Einstellung zur Arbeit und bewerten ihre Leistungsfähigkeit günstiger.“[28]
3.4 Weitere Ursachen
Alter und Dauer der Berufstätigkeit: „Der Bundesverband der Unfallkassen schreibt, dass die Erkrankung mit der Dauer der Berufstätigkeit zusammenhängt. Da Burnout ein schleichender Prozess ist, tritt er erst mit zunehmender Berufstätigkeit auf. Je länger also ein Mitarbeiter im Beruf ist, desto höher ist sein Burnout-Risiko.“[29] Dem widerspricht Maslach.
“Sie beschreibt einen klaren Zusammenhang zwischen Alter und Burnout. Ältere Menschen haben mehr Arbeits- und Lebenserfahrung, sind stabiler, reifer und weniger anfällig für Burnout als jüngere Menschen. In vielen Untersuchungen zeigt sich, dass Burnout oft in den ersten Berufsjahren auftritt. Die älteren Kollegen haben die erste gefährliche Zeit überstanden, sind den Anforderungen gerecht geworden und sind im Beruf geblieben.“[30]
Zivilstand: „Singles erleben am meisten Burnout, Verheiratete am wenigsten, Geschiedene fallen zwischen die beiden Gruppen.
Auch Kinderlosigkeit scheint ein Risiko für Burnout zu sein. Menschen mit Familie sind älter, im Umgang mit persönlichen Problemen und emotionalen Konflikten erfahren, haben durch die Familie emotionale Unterstützung, und eine andere Sichtweise zu der Arbeit als Singles.“[31]
Geldsorgen: Mangel an Geld (subjektiv oder objektiv) kann Unruhe, schlaflose Nächte, Angst und Kopfschmerz bereiten. Wenn es bis zur Existenzangst geht, löst das enormen Stress bei den Betroffenen aus.
Gesellschaftliche Bewertung: „ Bestimmte Berufsbilder sind mit speziellen Rollenerwartungen verbunden. Diese setzen die Betroffenen unter Druck, da sie kaum den Idealvorstellungen entsprechen können. Bei Pflegekräften wird z.B. Geduld, Freundlichkeit, Verständnis, Ausgeglichenheit und Aufopferung verlangt, ohne berechtigte Ansprüche nach außen stellen zu dürfen. Der Beruf soll nicht der Existenzsicherung dienen, sondern der Helfer soll aus ihm gleichzeitig Kreativität und Lebenssinn bei steigenden unangemessen hohen generellen Erwartungen an den Beruf gewinnen.“[32]
Ernährung: „Neue Beweise belegen die Bedeutung der Ernährung bei der Entstehung und dem Verlauf von Burnout. Untersuchungen an Burnout-Patienten decken häufig einen Mineralstoffmangel , vorrangig von Calcium, Magnesium, Kalium und Zink, auf. Magnesiummangel z.B. löst Konzentrationsstörungen aus. Eine zu geringe Flüssigkeitszufuhr kann zu Durchblutungstörungen im Gehirn, Antriebslosigkeit, Kreislaufstörungen und Konzentrationstörungen führen.“[33]
Multitasking: Der Mensch ist nur sehr bedingt zum "Multitasking" fähig: Hat er visuelle Aufgaben zu bewältigen, lässt seine Aufmerksamkeit für akustische Eindrücke drastisch nach und umgekehrt. Das haben amerikanische Wissenschaftler in Hirnscans mit Freiwilligen gezeigt. Das bedeutet, ohne Verluste an Leistungsfähigkeit geht das gleichzeitige Bearbeiten visueller und akustischer Informationen nicht ab, wie die Wissenschaftler der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore in ihren Experimenten nachweisen konnten. Die Wissenschaftler beobachteten dabei, dass die Aktivität des Gehirns zwischen zwei Regionen hin und her sprang – je nachdem, ob sich die Probanden gerade mehr auf das visuelle oder das akustische Signal konzentrierten. Dies zeige, dass beim Menschen die Verteilung der Aufmerksamkeit auf die verschiedenen Sinne ein Nullsummenspiel sei, erklären die Forscher: Wer sich mehr auf eine visuellen Reiz konzentriert, reduziert unwillkürlich seine Aufmerksamkeit für die akustischen Informationen und umkehrt.“[34] Was sich bei einer ständigen Dauerbelastung dieser Art jedoch sicher erhöht, ist der Stress.
4 Phasen nach Edelwich
4.1 Idealistische Begeisterung
In der Literatur finden sich verschiedene Modelle, die den Verlauf von Burnout beschreiben. Es gibt Modelle mit 3 Phasen, manche nenne sogar 12 Phasen. Selbst Buchautoren verwenden in ihrem 1. Buch z.B. ein 7-Phasen-Modell, in ihrem 2. Buch dann ein 3-Phasen-Modell. Der Verlauf ist bei fast allen Modellen gleich, nur mit mehr oder weniger Punkten bzw. Phasen beschrieben. Das Modell dass den Verlauf am übersichtlichsten beschreibt ist von Edelwich. Die Phasen werden unabhängig von den Ursachen für Burnout durchlebt. Wie die einzelnen Phasen erlebt werden ist individuell verschieden. Der Ablauf von Phase 1 bis Phase 4 bleibt jedoch immer gleich. Der Sinn der Auflistung von Phasen und Warnsignalen ist es, Verhalten besser deuten und Warnsignale auch als solche zu erkennen und wahrzunehmen. Gerade weil die Burnout-Symptomatik so schleichend verläuft und weil die Ausprägungen der Gefühle und des Verhaltens auch im normalen Alltag zu finden sind, bleibt sie oft unbeachtet und unerkannt.
Idealistische Begeisterung
„ Es kommt zum vermehrten Engagement bis hin zur idealistischen Begeisterung. Es wird sehr viel Kraft investiert um den Vorstellungen des idealen Mitarbeiters gerecht zu werden. Noch ist die Person optimistisch, merkt aber, dass die permanente Überforderung zur Erschöpfung führt. Typisch ist eine Überidentifikation mit den Klienten.
Warnsignale dieser Phase sind:
Gefühle und Gedanken: Gefühl der Unentbehrlichkeit, nie Zeit und überschüssige Energie zu haben.
Verhalten: Hyperaktivität, Hektik, freiwillige, unbezahlte Mehrarbeit, Verleugnung eigener Bedürfnisse, Verdrängung von Misserfolgen und Enttäuschungen, Beschränkung sozialer Kontakte auf das Arbeitsumfeld.
Körperliche Merkmale: Beschleunigte Vitalparameter, Schlaflosigkeit, Bedürfnis nach körperlicher Bewegung
Es ist normal, etwas Neues mit verstärkter Begeisterung und Einsatz zu beginnen. Das kann ein neues Arbeitsumfeld oder Hobby sein. Als Warnsignal ist eine überdurchschnittliche Begeisterung nur dann zu beurteilen, wenn andere Lebensbereiche dahinter verblassen, wenn für andere Dinge keine Kraft mehr bleibt. Dann kann es sein, dass generell zu viel Kraft für die Arbeit aufgebraucht wird und zu wenig Kraft aus anderen Gegebenheiten gezogen wird. Dieses Ungleichgewicht endet in Erschöpfung.
4.2 Stillstand
Es kommt zu ersten Enttäuschungen. Alle bisher gebrachten Anstrengungen haben nicht zu den gewünschten Erfolgen geführt, man ist erschöpft und kann das gewohnte Maß an Arbeit und Engagement nicht aufrechterhalten. Das Leben dreht sich noch verstärkter um die Arbeit, Freizeit, Familie und Freunde kommen zu kurz obwohl der Betroffene sich danach sehnt. Es beginnt der Rückzug von den Klienten. In dieser Phase beginnt der Betroffene mit einer reduzierten Selbstachtung. Es kommen zu den körperlichen Symptomen noch psychische Probleme hinzu. Durch die Reduktion an Einsatz und Arbeit (unbewusst als Schutzmechanismus) wird die Resonanz von Klienten und Kollegen negativ, so dass man in einen Teufelskreis gerät.
Warnsignale dieser Phase sind:
Gefühle und Gedanken: Desillusionierung, Verlust von Einfühlsamkeit und positiven Gefühlen gegenüber den Klienten, negative Einstellung zur Arbeit, Widerwillen und Überdruss, Tagträume, Gefühl der mangelnden Anerkennung und Ausbeutung, Schuldgefühle, reduzierte Selbstachtung, Selbstmitleid, unbestimmte Angst und Nervosität, Gefühl der Leere, mangelndes Vertrauen in andere, Bitterkeit, Wut, Aggressionen.
Verhalten: Verringerte Initiative, Produktivität und Kreativität, überziehen von Arbeitspausen, Erhöhung der Fehlzeiten, aufblühen am Wochenende, Zerstreutheit, Humorlosigkeit, geringe Belastbarkeit, Schuldzuweisung an andere oder an „das System“, Verleugnung der Eigenbeteiligung, Ungeduld, Intoleranz, Kompromissunfähigkeit, verbal und pflegerisch grober Umgang mit den Mitmenschen, häufige Konflikte mit anderen, Betäubungsverhalten durch erhöhten Drogenkonsum (Zigaretten, Kaffee, Tabletten, Alkohol, anderen Drogen).
Körperliche Merkmale: Unfähigkeit zur Entspannung, Alpträume, Muskelverspannungen, Kopfschmerzen, Verdauungsstörungen, Magen- und Darmgeschwüre, veränderte Essgewohnheiten, Herzrhythmusstörungen, sexuelle Probleme, Infektanfälligkeit.
4.3 Frustration
Dies stellt die entscheidende Phase des Burnout dar, sie ist gekennzeichnet durch Gefühle der Machtlosigkeit, Zweifel an der eigenen Effektivität und der Einschätzung, dass die Einrichtung den Klientenbedürfnissen nicht gerecht wird. Die einzige Möglichkeit, in dem Beruf, der einem den Lebensunterhalt sichert, zu überleben, ist der innere Rückzug. Gefühle werden eingefroren, da kein Mensch diese Hilf- und Hoffnungslosigkeit aushalten kann. Der Körper reagiert mit Dysfunktionen. Meist ist in dieser Phase ohne therapeutische Hilfe keine Veränderung/Verbesserung mehr möglich. Aber auch schon der Anstoss zu der Inanspruchnahme von Hilfe muss von außen kommen, da der Betroffene selbst dafür keine Energie mehr hat.
Warnsignale dieser Phase sind:
Gefühle und Gedanken: Gefühl der Ausweglosigkeit, Pessimismus, Abstumpfung, Fatalismus, schwarz-weiß-denken, Gleichgültigkeit, Verflachung des Gefühlslebens, Desinteresse, Langeweile, Abneigung Patienten gegenüber, Einsamkeit.
Verhalten: Konzentrations- und Gedächtnisschwäche, Unfähigkeit, komplexe Aufgaben zu lösen, Ungenauigkeit, Desorganisation, Unfähigkeit, Entscheidungen zu treffen und klare Anweisungen zu geben, Dienst nach Vorschrift, verringerte Flexibilität, Widerstand gegen Veränderungen, wenig persönliche Anteilnahme an anderen, aufgeben von Hobbys, starke Bindung an einzelne Personen, Vermeidung von Gesprächen über die Arbeit, in sich zurückziehen.
Körperliche Merkmale: Auftreten und Steigerung der Symptome der 2. Phase, häufige Krankheiten, ständiges Unwohlsein.
4.4 Apathie
Im Endstadium des Burnout schützt sich der Betroffene vor weiterer Enttäuschung und Frustration durch Zynismus, komplettem Rückzug und Vermeidung von Klientenkontakt. In dieser Phase kann eine Suizidgefährdung auftreten. Ohne therapeutische Hilfe und längere Erholungspause kann dem Betroffenen nicht mehr geholfen werden.
Warnsignale dieser Phase sind:
Gefühle und Gedanken: Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit, Gefühl der Sinnlosigkeit, negative Einstellung zum Leben, existenzielle Verzweiflung, Apathie, Selbstmordgedanken.
Verhalten: Kaum Beteiligung am sozialen Leben, Abkapseln, Kündigung, sozialer Abstieg.
Körperliche Merkmale: Langfristige Erkrankungen, erhöhtes Krebsrisiko durch dauerhafte Immunschwäche, erhöhtes Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch Stresshormone.
Nicht nur einzelne Personen können ausbrennen, sondern auch ganze Teams können betroffen sein. Das macht sich durch Reizbarkeit im Kontakt untereinander, durch Aufspaltung des Teams in rivalisiernde Einzelgruppen und durch kollektive Leistungsminderung bemerkbar. Weiterhin tritt in betroffenen Teams allgemeine Selbstentwertung und die Unfähigkeit, diese Stimmungen wieder ins rechte Lot zu bringen, auf. Oft herrscht eine sarkastische Stimmung, die sich in Beschuldigungen, Reflexionsverweigerung, Entschlusslosigkeit und Feindseligkeit ausdrückt. Ressourcen von außen werden nicht wahrgenommen oder sogar verweigert.“[35]
5 Studie mit Pflege- und Führungskräften
5.1 Allgemeine Ergebnisse
5.1.1 Vergleich der beiden Burnout-Tests
Pflegekräfte aus den Bereichen Onkologie, Unfallchirurgie und Intensivmedizin haben an der Studie teilgenommen. Die Verteilung der Führungskräfte: 4 Intensivmedizin, 2 Onkologie, 2 Chirurgie. Es handelt sich jeweils um Stationsleitungen, Stationsleitungsvertretungen und Schichtleitungen. An Pflegekräften haben 7 aus der Chirurgie und 6 aus der Onkologie teilgenommen. Beide Teams (Onkologie/Chirurgie) haben zusammen 22 Mitarbeiter, teilgenommen haben davon 13 Mitarbeiter (= 59%). Zählt man die Führungskräfte bei den allgemeinen Ergebnissen hinzu, so haben 77 % der Mitarbeiter teilgenommen. Insgesamt haben sich 21 Mitarbeiter an der Studie beteiligt.
Alle Mitarbeiter bekamen die gleichen Fragebögen (siehe Anhang). Neben den Fragen zu der Fachabteilung, Position und Dauer der Tätigkeit wurden zwei unterschiedliche Burnout-Tests ausgefüllt. Beide Tests sind anerkannt und in dieser oder ähnlicher Form in vielen Büchern und im Internet zu finden. Das letzte Blatt der Studie enthielt eine Auflistung an Be- und Entlastungsfaktoren. Die Teilnehmer sollten ankreuzen, was auf sie zutrifft.
Bei den Burnout-Tests geht es um die Risiko-Einschätzung; wie gefährdet jemand ist, bzw. ob er bereits an Burnout erkrankt ist.
Im ersten Test gab es nur drei Auswertungsergebnisse:
„ 0 bis 8 Punkte
Sie sind eins mit ihrer Umwelt. Schließlich gestalten Sie Ihre Lebensumstände selbst und sind nicht etwa deren Opfer. Nur weiter so! Sie können sich für etwas begeistern und sind leistungsfähig -–nicht nur im Beruf. Sie wissen außerdem, dass Sie um Ihrer selbst willen gemocht werden.
9 bis 17 Punkte
Sie sind auf dem besten Weg, ein Burnout zu entwickeln. Ihre Chancen stehen jedoch gut, dieser Gefahr noch rechtzeitig zu entkommen. Stellen Sie Ihre eigenen Bedürfnisse und Interessen nicht immer hinten an. Niemand wird es Ihnen jemals danken. Denken Sie daran: Kein Mensch ist unentbehrlich. Der zweite Merksatz für Sie: Anerkennung kommt niemals, wenn wir sie dringend brauchen. Und : Lachen Sie bitte etwas häufiger!
18 bis 24 Punkte
Sie sind gefährdet, auszubrennen. Beginnen Sie gleich damit, Ihren Lebensstil zu ändern, damit Sie nicht ernsthaft körperlich und seelisch krank werden. Erlernen Sie Entspannungsübungen, damit Sie Ihre leeren Krafttank wieder auffüllen. Wichtig: Nehmen Sie nicht alles gleich persönlich.“[36]
Mit diesem Test werden typische Ursachen und Belastungen für und bei Burnout abgefragt. Die höchste Punktzahl eines Studienteilnehmers lag bei 14. Einige der angekreuzten Antworten dieses Teilnehmers waren: seit geraumer Zeit fühle ich eine ungeheure Leere, ich bin kein Optimist mehr, ich habe selten einen guten Tag, ich bin körperlich erschöpft, erkältet und häufig krank, ich bin gefühlsmäßig erschöpft, ich erlebe viel zu selten erfüllende Sexualität und Zärtlichkeit, in der Freizeit kann ich kaum abschalten.
Nach diesem Test wäre diese Person erst auf dem Weg Burnout zu entwickeln.
Vergleicht man die genannten Antworten mit den Phasen von Edelwich, ist diese Person mindestens in Phase 2, vermutlich schon in Phase 3. Sie wird von sich aus vermutlich gar nicht mehr aus dieser Situation herauskommen. Bei der Auswertung des ersten Tests handelt es sich somit um ein eklatante Fehleinschätzung! Dieser Test stammt aus dem Buch eines Psychotherapeuten.
Der 2. Test läßt Aussagen bewerten. Man vergibt einen Punkt, wenn es gar nicht zutrifft, fünf Punkte wenn es ganz klar stimmt. Durch die Möglichkeit, ein bis fünf Punkte vergeben zu können, ist die Antwort differenzierter und genauer. Wenn man nur „Ja“ und „Nein“ ankreuzen kann, werden Menschen sich immer für die bessere Aussage entscheiden. Lautet die Frage zum Beispiel: „Hat Ihr Alkohol- oder Tablettenkonsum stark zugenommen?“, muss diese Aussage schon sehr stark zutreffen, damit „Ja“ angekreuzt wird. Stellt man diese Frage mit Bewertungsmöglichkeit werden eher korrekte Antworten gegeben.
Beim 2. Test wurde ausdrücklich betont, die letzten 6 Monate zu betrachten. Das ist sehr wichtig, da Burnout sich über längere Zeit hin entwickelt.
Die Studien-Teilnehmer sollten beim 2. Test 20 Aussagen bewerten mit 1 bis 5 Punkten. Die Auswertung dieses Tests ist differenzierter.
„ 1. Phase = 20 – 30 Punkte
Keine Gefahr
2. Phase = 31 – 45 Punkte
Einige Symptome sprechen für eine Burnout-Gefährdung
3. Phase = 46 – 60 Punkte
Beginn Burnout
4. Phase = 61 – 70 Punkte
Man befindet sich mitten im Ausbrennen
5. Phase = über 75 Punkte
Fortgeschrittenes Stadium von Burnout“[37]
Der Teilnehmer, der im ersten Test nur auf dem Weg zum Burnout ist, hatte im 2. Test 61 Punkte. Also Phase 4 – Mitten im Burnout! Dieses Ergebnis dürfte das korrektere sein. Im Vergleich haben im ersten Test nur 4 Teilnehmer einige Symptome, die meisten galten als völlig ungefährdet. Im 2. Test gab es mehrere Teilnehmer, die sich in Phase 3 oder sogar Phase 4 befanden.
Fazit: Nicht jeder Burnout-Test ist korrekt! Tests mit Bewertungsmöglichkeit sind differenzierter und genauer. Nur solche Tests sollten durchgeführt werden, um ein korrektes Ergebnis zu erzielen.
5.1.2 Vergleich der Ergebnisse nach Fachrichtung und Position
Verglichen wurden die Ergebnisse des 2. Tests. Für jeden Mitarbeiter wurde errechnet, in welcher Phase er sich anhand seines Testergebnisses befindet, und daraus der Durchschnitt für entsprechende Gruppen.
Allgemein wird beschrieben, dass Mitarbeiter von Onkologien ein hohes Burnout-Risiko haben. Bei der Studie hatten jedoch die Mitarbeiter der Chirurgie die höchste Gefährdung mit dem Durchschnitt von 2,3. Die Mitarbeiter der Onkologie hatten nur 1,5. Also fast eine Phase Unterschied.
Vergleich Mitarbeiter Onkologie/Chirurgie
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Graphik „Vergleich Mitarbeiter Onkologie/Chirurgie“
Bei den Führungskräften war es genau umgekehrt. Die Führungskräfte der Chirurgie hatten im Durchschnitt die Phase 1,5; die Führungskräfte der Onkologie und der Intensivstation jeweils 2,0.
Vergleich Führungskräfte
Abbildung 2: Graphik „Vergleich Führungskräfte“
Bei der Aufschlüsselung nach den Jahren der Tätigkeit war das höchste Risiko bei 6-9jähriger Tätigkeitsdauer. In dieser Gruppe waren ausschließlich Mitarbeiter der Chirurgie, die auch insgesamt das höchste Risiko hatten.
Burnout-Gefährdung nach Jahren der Tätigkeit
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Graphik „Burnout-Gefährdung nach Jahren der Tätigkeit“
Tabelle 1: „Burnout-Gefährdung nach Jahren der Tätigkeit“
Einige Fragen der Fragebögen wurden besonders häufig mit „Nein“ angekreuzt. Bei den Mitarbeitern waren es:
- Ich bin von meiner Arbeit begeistert
- Ich bin ein Optimist
- Ich habe oft einen guten Tag
- Wenn ich morgends aufstehe, freue ich mich auf den Tag
Fragen, die besonders häufig mit „JA“ beantwortet wurden:
- Ich merke, wie ich morgens nicht aus dem Bett will
- Es scheint, als würde ich schwerer arbeiten, aber weniger damit ausrichten
- Ich werde immer unzufriedener mit dem, was ich erreiche
- Es scheint, dass sich nichts ändert, oder es sogar schlimmer wird
Bei den Führungskräften wurden folgende Fragen am häufigsten mit „Ja“ beantwortet:
- Irgendwie empfinde ich Nähe inzwischen häufig als Stress
- Ich finde es traurig, dass so wenig zurückkommt für das, was ich leiste
- Ich scheine weniger physische Kraft zu haben als früher
- Mich stören Dinge, die mir früher nichts ausgemacht haben
- An manchen Tagen möchte ich einfach vor allem weglaufen
- Ich merke immer häufiger, wie ich morgens nicht aus dem Bett möchte
- Mit „NEIN“ beantwortet: Ich bin ein Optimist
Belastungsfaktoren:
Faktoren, die Mitarbeiter laut der Studie am meisten belasten:
- Geringe Bezahlung der Arbeit 69%
- Dokumentation 69%
- Wenig Respekt und Wertschätzung der geleisteten Arbeit 61,5%
Interessant ist, dass die geringe Bezahlung der Arbeit überwiegend von Mitarbeitern der Chirurgie angegeben wurde. Ebenso fanden 60% der Chirurgie-Mitarbeiter unplanbare Arbeit als belastend. Diesen Punkt hat im Gegensatz dazu kein Mitarbeiter der Onkologie angekreuzt.
Führungskräfte belasten nach der Studie diese Faktoren am meisten:
- Wenig Respekt und Wertschätzung der Arbeit 75%
- Unfreundlicher Umgangston/Ärger über Ungerechtigkeiten 75%
- Hohe Arbeitsbelastung 62,5%
- Umständliche, verwirrende, nicht nachvollziehbare Arbeitsabläufe 62,5%
Interessant ist auch, was NICHT als belastend empfunden wurde. Die genannten Punkte wurden nicht oder nur einmal genannt. Sowohl bei Führungskräften als auch bei den Mitarbeitern:
- Tod und Sterben
- Patienten betreuen während einer Schmerzattacke/Atemnot
- Von Patienten/Angehörigen anvertraute Sorgen und Probleme
- Gerüche (z.B. Wunden) – Entstelltes Aussehen von Patienten
Diese Punkte werden häufig in der Literatur beschrieben, als für Pflegekräfte am höchst belastend. Genau das Gegenteil ist der Fall. Warum das so ist, konnte in der Studie allerdings nicht aufgezeigt werden.
5.2 Einfluß von Entlastungsfaktoren
5.2.1 Allgemeiner Einfluß
Das letzte Formular der Studie enthielt Be- und Entlastungsfaktoren. Zum einen um festzustellen, welche Faktoren die größte Be- und Entlastung darstellen. Bei dem Ergebnis wurde noch ein weiterer interessanter Aspekt aufgezeigt. Unabhängig von der Anzahl der genannten Faktoren ist entscheidend, in welchem Verhältnis Be- und Entlastungsfaktoren stehen. Hatten Teilnehmer mehr Ent- als Belastungsfaktoren genannt, lag ihr Risiko für Burnout sehr niedrig. Meist in Phase 1 oder 2. War es jedoch umgekehrt, dass mehr Belastungsfaktoren genannt wurden, stiegt das Risiko auf Phase 3 oder 4 an. Für jeden Teilnehmer wurde anhand einer Formel das Risiko für Burnout nur mit diesen Faktoren berechnet und mit dem Ergebnis des Burnout-Tests vergleichen. Dafür wurde die Anzahl der Belastungsfaktoren durch die Anzahl der Entlastungsfaktoren geteilt. Zum Beispiel:
- 5 Belastungsfaktoren
- 7 Entlastungsfaktoren
5 : 7 = ca. 0,7
Bei allen Teilnehmern, die ein Formel-Ergebnis unter 1,0 hatten, war das Ergebnis der Burnout-Tests Phase 1 oder 2, keine Gefährdung oder nur wenige Symptome für Burnout. Bei Teilnehmern die als Ergebnis über 2,0 hatten, war die Gefährdung deutlich höher, meist Phase 3. Bei drei Mitarbeitern mit dem Formelergebnis 2,25 bis 3,5 war bereits Phase 4 erreicht (bereits an Burnout erkrankt).
Für die Teams der Onkologie und der Chirurgie (Mitarbeiter und Führungskräfte) wurde die durchschnittliche Anzahl der genannten Be- und Entlastungsfaktoren errechnet. Die Mitarbeiter der Onkologie hatten 6,875 Belastungsfaktoren (also mehr als die Chirurgen mit 5,6), jedoch 8,375 Entlastungsfaktoren. Das Ergebnis nach der Formel beträgt ein Risiko von 0,82. Dieses Ergebnis ist vergleichbar mit dem Ergebnis der Burnout-Tests. Dort war der Durchschnitt der Mitarbeiter in Phase 1,625. Bei dem Team der Chirurgie waren 5,6 Belastungsfaktoren genannt worden, jedoch nur 3,44 Entlastungsfaktoren, nach der Formel ein Ergebnis von 1,6. Das bestätigt der Durchschnitt im Burnout-Test wonach die Mitarbeiter Phase 2,1 haben.
In der Abbildung ist das Verhältnis Be- und Entlastungsfaktoren zu Formelergebnis deutlich zu erkennen.
Hinweis: Um das Verhältnis des Burnout-Risikos beider Stationen zu verdeutlichen, wurde das Formelergebnis für die graphische Darstellung mit 10 multipliziert.
Risikoeinschätzung nach Be- und Entlastungsfaktoren
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Graphik „Risikoeinschätzung nach Be- und Entlastungsfaktoren“
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2: „Risikoeinschätzung nach Be- und Entlastungsfaktoren“
In der Abbildung 5 ist der direkte Vergleich des Formel-Ergebnisses der Be- und Entlastungsfaktoren zu den von den Teilnehmern angegebenen Ergebnissen des Burnout-Tests dargestellt.
Vergleich Formel „Risiko für Burnout“ zu Testergebnissen der Teilnehmer
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Graphik „Vergleich Formel „Risiko für Burnout“ zu Testergebnissen der Teilnehmer“
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 3: „Vergleich Formel „Risiko für Burnout“ zu Testergebnissen der Teilnehmer“
Man kann somit unabhängig von Burnout-Tests nur anhand des Verhältnisses Be- zu Entlastungsfaktoren erkennen, ob ein Mitarbeiter gefährdet ist oder nicht. Ebenso bedeutet eine Reduzierung der Belastungsfaktoren, beziehungsweise eine Erhöhung der Entlastungsfaktoren eine Reduzierung des Burnout-Risikos.
5.2.2 Meistgenannte Faktoren bei Pflegekräften
1. Familie und Freunde - 92% Im Privatleben Zeit für sich haben – 92%
2. Gemeinschaftssinn / Rückhalt im Team – 85%
3. Ausruhen / Schlafen/ Fernsehen – 46 %
4. Anerkennung und Belohnung – 38%
5. Sinnvolle und wertvolle Arbeit – 30% (dieser Punkt wurde ausschließlich von Mitarbeitern der Onkologie angekreuzt)
6. Fairness, Respekt und Gerechtigkeit – 23% (dieser Punkt wurde ausschließlich von Mitarbeitern der Onkologie angekreuzt) Sport, Yoga, autogenes Training, etc. – 23% Glaube an Gott
7. Ertragbare Arbeitsbelastung – 15% Gefühl von Entscheidungsfreiheit und Kontrolle – 15% Vorgesetzte – 15%
8. Ausreichende Ausstattung an Arbeitsmaterial – 8% Im Durchschnitt gab jeder Mitarbeiter 5 Faktoren zur Entlastung an.
5.2.3 Meistgenannte Faktoren bei Führungskräften
1. Familie und Freunde - 100%
2. Gemeinschaftssinn / Rückhalt im Team - 87,5%
3. Sport, Yoga, autogenes Training, etc. - 75%
4. Fairness, Respekt und Gerechtigkeit - 62,5% Sinnvolle und wertvolle Arbeit - 62,5% Im Privatleben Zeit für sich haben - 62,5% Ausruhen / Schlafen / Fernsehen - 62,5%
5. Gefühl von Entscheidungsfreiheit und Kontrolle - 50% Ausreichende Ausstattung von Arbeitsmaterialien - 50%
6. Ertragbare Arbeitsbelastung - 37,5% Anerkennung und Belohnung - 37,5% Vorgesetzte - 37,5% Glaube an Gott - 25% Im Durchschnitt gab jede Führungskraft 7,5 Entlastungsfaktoren an. Also über 30 % mehr als die Mitarbeiter.
[...]
[1] Vgl. http://www.innovations-report.de/html/berichte/medizin_gesundheit/bericht-36933.html
[2] Vgl. Kolitzus, H. (2003). Das Anti-Burnout Erfolgsprogramm
[3] Vgl. Domnowski, M. (2005). Burnout und Stress in Pflegeberufen S. 108
[4] Vgl. Hofmann, Stößel, Duringer et al., 1991
[5] Luczak, H., Cakir, A. E. & Cakir, G. (Hrsg.) (1993).
[6] Röhrig,S.; Reiners-Kröncke,W. (2003) Burnout in der Sozialen Arbeit
[7] http://www.ksl.ch/gsd/ksl/Web/KSLwww.nsf/97690887911c88b9c12568da004c3929/76100c3524197abbc125709d00307faf/$FILE/Burnout_06.pdf.
[8] Vgl. http://www.ichkannsonichtarbeiten.net/blog/index.php/archives/2004/07/
[9] Bürgerliches Gesetzbuch § 280 Abs. I Satz 1 und 2
[10] Luczak, H. (1991). Work under extreme conditions. Ergonomics
[11] Vgl. Feuerstein, G. & Badura, B. (1991). Patientenorientierung durch Gesundheitsförderung im Krankenhaus. Hans-Böckler-Stiftung, Düsseldorf.
[12] Bothfeld, S./ Klammer, U./ Klenner, Ch./ Leiber, S./ Thiel, A./ Ziegler, A.: WSI-FrauenDatenReport 2005
[13] Kolitzus, H. (2003). Das Anti-Burnout Erfolgsprogramm. S. 41
[14] Bundesverband der Unfallkassen (2005). Psychische Belastungen am Arbeits- und Ausbildungsplatz S. 51
[15] Vgl. Kolitzus, H. (2003). Das Anti-Burnout Erfolgsprogramm. S. 42
[16] Vgl. Schmidt, B. (2004). Burnout in der Pflege S. 63
[17] www.work-and-life.de
[18] www.work-and-life.de
[19] Vgl. Kolitzus, H. (2003). Das Anti-Burnout Erfolgsprogramm. S. 51
[20] Domnowski, M. (2005). Burnout und Stress in Pflegeberufen S. 63
[21] Vgl. Kolitzus, H. (2003). Das Anti-Burnout Erfolgsprogramm. S. 44
[22] Vgl. Domnowski, M. (2005). Burnout und Stress in Pflegeberufen S. 62 - 63
[23] Bundesverband der Unfallkassen (2005). Psychische Belastungen am Arbeits- und Ausbildungsplatz S. 53
[24] Vgl. Kolitzus, H. (2003). Das Anti-Burnout Erfolgsprogramm. S. 49
[25] Vgl. Kolitzus, H. (2003). Das Anti-Burnout Erfolgsprogramm. S. 49
[26] Vgl. Rush, M. (2002) Brennen ohne auszubrennen. S. 49 - 52
[27] Vgl. Domnowski, M. (2005). Burnout und Stress in Pflegeberufen. S. 73
[28] Vgl. http://www.swissburnout.ch/aktuell.htm
[29] Vgl. Bundesverband der Unfallkassen (2005). Psychische Belastungen am Arbeits- und Ausbildungsplatz S. 89
[30] Vgl. Maslach, C. (1982). Burnout - the cost of caring.
[31] Vgl. Maslach, C. (1982). Burnout - the cost of caring.
[32] Vgl. Schmidt, B. (2004). Burnout in der Pflege und Domnowski, M. (2005). Burnout und Stress...
[33] Vgl. Domnowski, M. (2005). Burnout und Stress in Pflegeberufen. S 114, 115
[34] Vgl. http://www.new-worxs.de/de/worxsnews/detail/128.html
[35] Vgl. Edelwich, J. & Brodsky, A. (1984). Ausgebrannt Vgl. Schmidt, B. (2004). Burnout in der Pflege
[36] Kolitzus, H. (2003). Das Anti-Burnout Erfolgsprogramm S. 33
[37] Vgl. Rush, M. (2002) Brennen ohne auszubrennen. S. 25
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Erstausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2007
- ISBN (PDF)
- 9783956848629
- ISBN (Paperback)
- 9783956843624
- Dateigröße
- 4.9 MB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie Rhein-Neckar e. V.
- Erscheinungsdatum
- 2015 (Februar)
- Note
- 1,3
- Schlagworte
- 4 Phasen-Modell nach Edelwich Berufsgruppen Arbeitsstruktur Zunehmende Belastungen Belastungsfaktoren reduzieren Prävention Entlastungsfaktoren Burnout-Gefährdung
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