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Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung: Ein Schritt zu mehr gesellschaftlicher Teilhabe

©2009 Studienarbeit 22 Seiten

Zusammenfassung

Die 2008 in Kraft getretene UN-Konvention hat das Ziel, Menschen mit Behinderung eine maximale gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Durch ein effektives Monitoring soll gesichert werden, dass die Vereinbarungen der Konvention nicht nur schöne Worte bleiben, sondern auch zu einer tatsächlichen Verbesserung der Situation von Menschen mit Behinderungen führen.
In diesem Beitrag werden die verschiedenen Bereiche, auf die sich die Konvention richtet, im Überblick dargestellt. Vertiefend wird auf die Auswirkungen im Bereich von Bildung und Erziehung eingegangen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Thesen.

These 1.

These 2.

These 3.

These 4.

These 5.

These 6.

These 7.

These 8.

These 9.

These 10.

These 11.

These 12.

These 13.

These 14.

These 15.

These 16.

These 17.

These 18.

These 19.

Persönliches Resümee und Ausblick.

Literatur.

Anhang..

Einleitung

Nur schöne Worte oder auch Perspektive der Verbesserung?

Meinem Thema habe ich einen etwas provokanten Untertitel gegeben. Er formuliert eine Frage, die vielleicht schon implizit in Ihren Köpfen ist. Sehr wahrscheinlich wird sie sich Ihnen aber spätestens im Verlaufe meiner Ausführungen stellen: Sind die Texte der Konvention letztlich nur schöne Worte, oder auch Perspektive der Verbesserung?

Wie kam es nun zu einer eigenen Konvention zum Schutz der Rechte behinderter Menschen?

These 1

Die Menschenrechtserklärung der UN von 1948 hatte Menschen mit Be­hinderung nicht im Blick!

1948 erfolgte die allseits bekannte Erklärung der Menschenrechte der UN. Danach darf, wie bekannt ist, niemand wegen seines Alters, seines Geschlechts, seiner ethnischen Herkunft und seiner Religion diskriminiert werden. Soweit die Gründe, deretwegen niemand diskriminiert werden darf. Was auf den zweiten Blick erstaunt und vermutlich nicht jedem vorher bewusst war: bei diesen Gründen ist Behinderung n i c h t aufgeführt. Und auch die zusätzlich vorhandene Auffangklausel „andere Gründe“ wurde über die Jahre hinweg nicht wirklich genutzt.

Diese Vernachlässigung oder Ignoranz in der Menschenrechtserklärung der UN von 1948 hatte zur Folge, dass Menschen mit Behinderung vielfach die ausdrückliche Anerkennung ihrer Menschenrechte verwehrt wurde (vgl. SCHULZE 2009, 20).

These 2

Der Anstoß zur Verhandlung der Rechte von Menschen mit Behinderung wurde von den Organisationen der Menschen mit Behinderung gegeben.

Gegen diese Situation machten sich zunehmend Organisationen stark. Es waren dies jedoch keine offiziellen Regierungsorganisationen, sondern die Vertretungen der Menschen mit Behinderungen selbst.

Deren Initiativen hatten schließlich zur Folge, dass der Staat Mexiko 2001 eine Verhandlung der Menschenrechte in der UN bewirken konnte. Sieben Runden waren dann noch notwendig, bis es zur Verabschiedung der Konvention kam. Am 13. Dezember 2006 wurde das Übereinkommen zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderung angenommen (a. a. O., 21). Die Bundesregierung unterzeichnete das Abkommen am 30. März 2007. Seit dem 24.03.2009 ist die deutsche Rechtsordnung verpflichtet, den Inhalt der UN-Konvention zu befolgen und in deutsches Recht zu übertragen (vgl. JACOBS 2009, 6).

These 3

Die Konvention formuliert keine „neuen“ Menschenrechte, denn sie baut auf dem bereits etablierten Menschenrechtskanon auf. Die Betonung von Barrierefreiheit und Inklusivität ist jedoch eine an vielen Stellen der Konvention sichtbar werdende Weiterentwicklung.

In der Konvention zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderung werden

k e i n e „n e u e n“ Menschenrechte formuliert: Die Konvention baut auf dem bereits etablierten Menschenrechtskanon auf. Mit der Herausarbeitung der Barrierefreiheit und der Inklusivität geht sie dennoch nach meiner Ansicht durch diese spezifische Schwerpunktlegung auch inhaltlich über das Vorhandene hinaus (vgl. SCHULZE 2009, 22).

These 4

Die Menschenrechte von Menschen mit Behinderung können in fünf Bereiche unterteilt werden:

- Personenschutzrechte
- Selbstbestimmungsrechte
- Recht auf Barrierefreiheit und Partizipation
- Freiheitsrechte
- Wirtschaftliche und soziale Rechte

Die UN-Konvention ist ein umfangreiches, sehr differenziertes Dokument.

In einer vereinfachten Form kann es aus dem Internet heruntergeladen werden.

Die einzelnen Rechte der Konvention lassen sich grob in die folgenden Gruppen aufteilen:

1. Personenschutzrechte

Diese Rechte umfassen im Einzelnen:

- Recht auf Leben
- Freiheit von Folter, grausamer oder erniedrigender Behandlung
- Freiheit von Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch
- Schutz der Unversehrtheit der Person.

Wichtige Aspekte der Ausführungen in dieser Gruppen sind:

- Schutz vor medizinischen und wissenschaftlichen Experimenten sowie

- Kontrolle von sämtlichen Einrichtungen, die für Menschen mit Behinderungen bestimmt sind (Artikel 16).

2. Selbstbestimmungsrechte

Als ein zentrales Anliegen der Konvention ist die Anerkennung der Rechts- und Geschäftsfähigkeit anzusehen (vgl. SCHULZE 2009, 23). Der Entscheidungsprozess von Menschen mit Behinderung ist zu unterstützen, darf jedoch nicht von einer dritten Person ersetzt werden.

Artikel 19 enthält eine umfassende Bestimmung zu selbstbestimmtem Leben mit dem klaren Ziel, maximale Unabhängigkeit und soziale Inklusion zu er­reichen.

3. Recht auf Barrierefreiheit und Partizipation

Die Rechte dieser Gruppe zielen auf die Identifikation von physischen und kommunikativen Barrieren sowie deren Beseitigung. Insbesondere geht es ihnen auch um den Zugang zur Justiz und um politische Mitgestaltung.

4. Freiheitsrechte

Unter die Freiheitsrechte fallen persönliche Mobilität, grundsätzliche Freiheits- und Sicherungsrechte, Bewegungsfreiheit sowie das Recht auf Nationalität. Von spezifischem Interesse bezogen auf Menschen mit Behinderung sind zwei Aspekte:

- Das Recht von Eltern, für ihr behindertes Kind zu sorgen und

- das Recht von Eltern, die eine Behinderung haben, für ihre Kinder zu sorgen.

5. Wirtschaftliche und soziale Rechte

In diese Rubrik fallen eine ganze Reihe von Menschenrechten:

- Bildung
- Gesundheitsversorgung
- Arbeit und adäquater sozialer Schutz

These 5

Fragen der Organisation des Unterrichts von Schülern mit Behinderung fallen in den Bereich der „sozialen Rechte“.

Unter die Rubrik „soziale“ Rechte fällt somit die Bildung. Von der Konvention wird das Konzept inklusiver Bildung als Menschenrecht verankert. Danach dürfen „in keiner Bildungsstufe… Menschen mit Behinderungen von Bildungseinrichtungen auf Grund einer Behinderung ausgeschlossen werden“ (SCHULZE 2009, 23).

These 6

Die UN-Konvention favorisiert ein egalitäres, inklusives Schulsystem, schließt aber besondere pädagogische Maßnahmen nicht aus.

Das Recht auf Bildung ist in Artikel 24 der UN-Konvention detailliert(er) beschrieben. Ich habe Ihnen deshalb die deutsche Übersetzung auf ein separates Blatt aufgeschrieben (siehe Anhang). Die durch Fettdruck erfolgten Markierungen stammen von mir.

Favorisiert wird, so ELLGER-RÜTTGARDT (2009, 446), ein egalitäres, inklusives Schulsystem. Allerdings ist der englische Terminus „inclusive“ auch in der deutschen Übersetzung (der Bundesregierung) wieder – wie in der Salamanca-Erklärung – falsch, nämlich mit „integrativ“ übersetzt!

Was bedeutet Inklusion?

These 7

Erziehungs-, Bildungs- und Leistungsangebote für Menschen mit Behinderung sind keine Selbstverständlichkeit und haben historisch unterschiedliche Formen hervorgebracht.

Ein Erziehungs-, Bildungs- und Leistungsangebot für Menschen mit Behinderung ist keine Selbstverständlichkeit, wie die historische Betrachtung zeigt.

Mit SANDER (2003) können in der Geschichte des Umgangs mit Menschen mit Behinderung vielmehr die folgenden Phasen unterschieden werden:

Umgang mit Menschen mit Behinderung (nach SANDER 2003)

1. Exklusion: Kinder mit Behinderung sind von jeglichem Schulbesuch aus­geschlossen.
2. Separation oder Segregation: Kinder mit Behinderung besuchen eigene abgetrennte Bildungseinrichtungen (Sonderschulen).
3. Integration: Kinder mit Behinderung können mit sonderpädagogischer Unterstützung Regelschulen besuchen.
4. Inklusion: Alle Kinder mit Behinderung besuchen wie alle anderen Kinder Regelschulen, die die Heterogenität ihrer Schüler und Schülerinnen schätzen und im Unterricht fruchtbar machen.
5. „Vielfalt als ‚Normalfall‘“ (Wilhelm/Bintinger): Inklusion ist überall

Selbstverständlichkeit geworden, der Begriff kann daher in einer ferneren Zukunft vergessen werden (vgl. SANDER 2003, 317).

These 8

Deutschland befindet sich in der Praxis schwerpunktmäßig in der Phase der Separation.

Wo befindet sich nun Deutschland auf diesem Entwicklungskontinuum? Angesichts des Umstandes, dass nur 14 % der Schüler eine integrative Regelklasse besuchen, ist in der Praxis sicherlich von einem Schwerpunkt der Separation mit gleichzeitig geringanteiliger Integration zu sprechen.

Auf der Ebene der Theorie hingegen ist eine Weiterentwicklung hin zur Inklusion festzustellen (vgl. Themenheft 4/2003 der Zeitschrift Sonderpädagogische För­derung). Was genau ist nun unter „Inklusion“ zu verstehen und worin liegt der Unterschied zur Integration?

These 9

Inklusion überwindet das Zwei-Gruppen-Denken der Integration, wendet sich von der Defizitorientierung ab und begreift Vielfalt als Normalität und Bereicherung. „Inklusion“ überwindet die Problematik, für die im Fachjargon die folgenden Bezeichnungen benutzt werden: „Zwei-Gruppen-Theorie“ und „paradoxe Grund­bedingung der Integrationspädagogik“. Anja Tervooren beschreibt das damit Gemeinte wie folgt:

Die sich seit den 80er-Jahren des 20. Jahrhunderts etablierende Integrations-pädagogik sah sich von Anfang an der Schwierigkeit ausgesetzt, dass sie , wollte sie einen vorhandenen Ausschluss rückgängig machen, diesen zuallererst anerkennen und mit seinen Kategorien und Bedingungen arbeiten musste . Bereits der Begriff ›Integration‹ impliziert ein spezifisches Spannungsverhältnis zwischen einer Gruppe, die integriert werden auf der einen und einer, die integrieren soll, auf der anderen Seite. Die Verwendung des Begriffs gibt demnach nicht nur eine Bewegungsrichtung, sondern darüber hinaus ein Verhältnis von Passivität und Aktivität der jeweiligen Gruppen vor. Durch diese Behauptung wird auf der Seite derjenigen, die integriert werden sollen, ein Defizit platziert, während die Notwendigkeit zur Integration der anderen Gruppe angetragen und diese damit zur dominanten gemacht wird “ (LINDMEIER 2003, 303).

Hilfreich für das Verständnis von Inklusion ist auch die von Christian LINDMEIER vorgenommene Gegenüberstellung unterscheidender Merkmale:

Unterscheidung von Integration und Inklusion in Anlehnung an Lindmeier:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Lindmeier 2003, 303 f.)

HINZ beschreibt 2003 den spezifisch inklusiven Fokus wie folgt:

- Menschen mit Behinderung werden als eine von vielen Minderheiten betrachtet.
- Sie werden nicht mehr als eindeutig abgrenzbare Gruppe angesehen.
- Sie werden nicht mehr als „funktionsgemindert“ eingestuft.
- Es werden alle Dimensionen von Heterogenität betrachtet, nicht mehr nur die mehr oder weniger behinderten Entwicklungsmöglichkeiten.
- Inklusion kämpft gegen jede Form der gesellschaftlichen Marginalisierung, geht also über den Bereich der Pädagogik hinaus (HINZ 2003, 332).

These 10

„Inklusion“ kann (auch) als neues Paradigma der Heilpädagogik begriffen werden.

Das Inklusionsparadigma

Inklusion ist eines d e r neuen Paradigmata in der Heilpädagogik. Der Begriff „Paradigma“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet wörtlich „Beispiel“ oder „Muster“. Im Bereich der Wissenschaft versteht man unter Paradigma einen Komplex zusammenhängender Annahmen und Regeln, mit denen es möglich ist, ein anstehendes Problem wissenschaftlich besser als bisher zu lösen. Ein Wechsel des Paradigmas bedeutet demnach einen Wechsel in Bezug auf bisher geltende Modelle.

These 11

Die UN-Behindertenkonvention ist mit der Vision einer Menschenwelt ver­bunden, in der Menschen mit Behinderung selbstverständlich leben und sich zugehörig fühlen können.

Zielsetzung und Einschätzung

Nach Einschätzung von JACOBS ist die UN-Konvention das fortschrittlichste Instrument der Vereinten Nationen, das jemals zum Schutz der Menschenrechte erarbeitet worden ist. Erklärtes Ziel dieser Konvention ist es, Menschen mit Behinderung weltweit zu vollwertigen Bürgern ihres Landes zu machen (vgl. JACOBS 2009, 3).

BIELEFELDT zufolge markiert die UN-Konvention zum Schutze der Rechte von Menschen mit Behinderung einen grundlegenden Wandel: sie ersetzt den traditionellen, primär am Defizit orientierten Ansatz durch einen „diversity-Ansatz“, der Leben mit Behinderungen als Ausdruck gesellschaftlicher Vielfalt positiv würdigt (vgl. BIELEFELDT2006, 6 f.)

Und last but not least ist die Konvention mit einer veränderten Vision verbunden: „Gegen die Vision einer künftigen Gesellschaft ohne Behinderung stellt sie die Konvention das Bild einer Menschenwelt, in der Behinderte selbstverständlich leben und sich zugehörig fühlen können“ (Vgl. ebd.).

„Das alles bringt doch eh nix!“

Dies ist, so Marianne SCHULZE, die Einschätzung vieler Menschen, wenn es um die Einschätzung der tatsächlichen Wirksamkeit der Menschenrechte geht.

Diese Einschätzung wird sicherlich auch durch Erfahrungen genährt, die mit der Durchsetzung von Menschenrechten gemacht wurde.

Ich bin jedoch der Ansicht, dass es gute Chancen gibt, dass die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung Wirkungen zeitigt. Die Gründe dafür werde ich im Folgenden darlegen.

These 12

Die UN-Behindertenkonvention betritt mit ihren Durchführungsbestimmungen menschenrechtliches Neuland.

Die UN-Behindertenkonvention betritt mit zwei Durchführungsbestimmungen menschenrechtliches Neuland:

- Es sollen Daten und Statistiken erhoben werden, die Menschen mit Be­hinderungen und ihre Bedürfnisse konkret(er) erfassen.

- Es wird bestimmt, dass Menschen mit Behinderungen in sämtliche Phasen der Durchsetzung ihrer Rechte eingeschlossen werden müssen.

These 13

Durch den Monitoringausschuss wird die Umsetzung der UN-Konvention unter­stützt.

Die Umsetzung wird allem voran dadurch unterstützt, dass die Vertragsstaaten verpflichtet sind, den Vereinten Nationen über die Umsetzung Bericht zu erstatten. Zur Erfüllung dieser Ausgabe wurde in der Bundesrepublik ein Monitoring-

ausschuss eingerichtet. Diese Aufgabe ist dem Deutschen Institut für Menschen­rechte Berlin übertragen worden.

Personen mit Behinderung, die ihre Rechte verletzt sehen, können sich an nationale Beschwerdestellen wenden. Sind deren Rechtsmittel ausgeschöpft, so kann eine übernationale Beschwerdestelle angerufen werden.

These 14

Die EU unterstützt die Umsetzung und arbeitet dabei mit der Universität Leeds (Professor Mark Priestley) zusammen.

Eine Umsetzungspflicht besteht auch gegenüber der EU im Rahmen des Disability Action Plan (DAP). Dessen Strategien für 2008-2009 decken sich mit den Zielen der UN-Konvention. Der DAP soll deshalb laut EU zur praktischen Umsetzung der UN-Konvention beitragen.

Daneben gibt es ein transnationales Netz unabhängiger Forschungseinrichtungen und Expertinnen zur Unterstützung der Umsetzung der Beschlüsse. Dieses ist bei der Universität Leeds (GB) angesiedelt und wird maßgeblich von Professor Mark Priestley koordiniert.

These 15

Gemäß dem Theorieansatz der konstruktivistischen Schule unterstützt der Menschen­rechts d i a l o g die Umsetzung der Menschenrechte.

Ein solcher D i a l o g kann auch die Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung unterstützen.

Viele sprechen im Zusammenhang mit den Menscherechten von einer Implemen­tierungskrise. Wie Hathaway von der Universität Yale in einer Studie 2002 auf­gezeigt hat, führte die Ratifizierung von Menschenrechtsabkommen in vielen Staaten auch nach längeren Zeitperioden nicht zu einer statistisch signifikanten Ver­ringerung von Menschrechtsverletzungen. Dies, so ihre Erklärung, weil es an einem effektivem Monitoring mangele (vgl. WÜRTH/SEIDENSTICKER 2005, 11). Ratifizierung ist deshalb e i n Ziel, Durchsetzung der Bestimmungen e i n weiteres (und: anderes). Die Durchsetzung kann jedoch von Dialogen erheblich unterstützt werden. Dialoge, das sind öffentlich angekündigte Verfahren, mit denen Staaten politische Gespräche über Menschenrechte einleiten (vgl. HÜRTH/SEIDEN­STRICKER 2005, Einleitung Seite 9).

Die sogenannte realistische Schule nimmt einzig und allein wirtschaftlichen Zwang als wirksames Motiv für die Umsetzung von Menschenrechten an. Sie gibt keine Erklärung dafür, wie wirtschaftlich starke Staaten zur Umsetzung der Menschen­rechte gebracht werden können.

Das konstruktivistische Modell argumentiert anders. Zwar hat auch dieses Modell Schwächen. Es erscheint mir persönlich aber, allerdings in einer noch weiter erlaborierten Form, gegenwärtig als das erklärungsstärkere.

Auf dieses Modell kann hier nicht im Detail eingegangen werden. Von HÜRTH und SEIDENSTICKER wird jedoch weiterführende Literatur genannt, die eine gründ­lichere Auseinandersetzung ermöglicht.

Es können hier nur die fünf von diesem Modell angenommenen Phasen vorgestellt werden, in deren letzter die Möglichkeit zur Normbeachtung besteht. Phase 1: Repression

schwache Opposition; Informationen über Menschenrechtsverletzungen gelangen nur spärlich nach außen

Phase 2: Bestreitung der Geltung

Die universale Geltung von Menschenrechtsnormen wird systematisch bestritten

aber: Auch die Negierung der Geltung von Menschenrechtsverletzung rückt diese schon ins Zentrum der Aufmerksamkeit

Phase 3: Taktische Konzessionen und Selbstverstrickung

Opposition fühlt sich aufgrund massiven Drucks (durch Drohungen und Sanktionen) geschützt

Phase 4: Status der Anerkennung

Über die Ratifikation hinaus werden die Menschenrechte in nationales Recht überführt.

Phase 5: Normgeleitetes Verhalten

Sofern die lokale und internationale Mobilisierung auch nach Phase 4 erhalten bleibt, kann es zu normgeleiteten Verhalten kommen.

Die Rolle von Forschung bei der Umsetzung der UN-Konvention

These 16

Die derzeitigen nationalen politischen Strategien in Österreich sind auf Normali­sierung und Integration, nicht aber Inklusion ausgerichtet. Analoge Entwicklungen sind für die Bundesrepublik Deutschland zu vermuten.

Unter der Überschrift „Die Rolle der Forschung bei der Umsetzung der UN-Kon­vention“ haben PLANGER und SCHÖNWIESE einen sehr lesenswerten Beitrag geschrieben, in dem sie sich auf die Situation in Österreich beziehen. In Österreich wurde die UN-Konvention einige Monate früher als in Deutschland ratifiziert. Und wegen der nach meiner persönlichen Erfahrung großen Überschneidungen zwischen Österreich und der Bundesrepublik Deutschland im Bereich der Sonderpädagogik kann ich deshalb diesen sehr informativen Beitrag wie auch das ganze Heft nur wärmstens empfehlen.

Ein erstes Ergebnis der Forschungen unter Leitung von Professor Schönwiese ist, dass das Recht auf soziale Inklusion durch die derzeitigen nationalen politischen Strategien in Österreich konterkarier t wird. Diese Konzepte zielen nicht auf Inklusion, sondern auf Integration und Normalisierung (vgl. PLANGGER/ SCHÖNWIESE 2009, 29). Und sie ziehen das Fazit: „Der zentrale Paradigmenwechsel, der durch das soziale Modell von Behinderung in der Präambel der UN-Konvention formuliert wird, findet in der derzeitigen Gesetzgebung keinen Durchschlag. Zu sehr herrscht eine medizinisch-rehabilitative Sichtweise auf Behinderung vor, die den politischen Diskurs dominiert und in den Gesetzen ihren Ausdruck findet. Paradigmatisch wird das Pflegesicherungsgesetz vom Jahr 1993 angeführt, das monetäre Leistungen vom Ausmaß der Pflegebedürftigkeit abhängig macht. Die Betonung liegt auf der Pflege und somit entspricht es einer medizinischen Sichtweise“ (PLANGGER/SCHÖNWIESE 2009, 29).

These 17

In Österreich fehlen fundierte Studien und Daten zur Lebenssituation und sozioökonomischen Situation von Menschen mit Behinderung.

Aus den ersten Berichten in Österreich geht auch hervor, dass zur Lebenssituation von Menschen mit Behinderung keine eindeutigen Daten vorliegen (vgl. ebd.). Ähnlich ist es bezüglich der sozioökonomischen Situation von Menschen mit Behinderung: auch hier fehlen für Österreich fundierte Daten und Studien (vgl. PLANGGER/SCHÖNWIESE 2009, 30.

These 18

Es müssen Wirksamkeitsindikatoren bezogen auf alle Rechte von Men­schen mit Behinderung erarbeitet werden.

Schon jetzt aber ist deutlich, dass Menschen mit Behinderung in vielen Fällen aus der Arbeitswelt ausgeschlossen sind, was zugleich die Gefahr (weiterer) sozialer Isolation und Ausgrenzung mit sich bringt.

Letztlich wird es darum gehen müssen, Wirksamkeitsindikatoren für sämt­liche Bereiche der Rechte von Menschen mit Behinderung zu entwickeln und zu evaluieren. In die Entwicklung und Evaluation dieser Indikatoren müssen Menschen mit Behinderung selbst mit eingeschlossen werden (vgl. PLANGGER/SCHÖNWIESE 2009, 32).

Universitäten kann hierbei die folgende Aufgabe zukommen:

- Trans- und interdisziplinäre Forschungsprojekte ins Leben rufen sowie

- fundierte Methoden und Indikatoren zur Wirkungsanalyse und Daten­sammlung entwickeln und umsetzen

These 19

Inklusive Forschung ist Forschung von Menschen mit Behinderung und muss deren Lebensbedingungen zugute kommen. Was dies konkret bedeutet, ist ebenfalls noch differenziert(er) darzustellen.

Von GOEKE und TERFLOTH (2006) sind Anforderungen zusammengestellt worden, die an eine inklusive Forschung zu stellen sind.

Danach ist inklusive Forschung

- Forschung v o n Menschen mit Behinderung
- durch Dialog gekennzeichnet
- mit dem Erlernen neuer Handlungsmuster verbunden
- praxisrelevant
- ein gemeinsamer Lernprozess aller Beteiligten
- von allen Beteiligten zu nutzen
- ein Beitrag zu mehr Inklusion

Damit erscheint mir der grobe Rahmen einer inklusiven Forschung umrissen, die innere Struktur aber noch der Konkretion, insbesondere durch (mehr) Beispiele bedürftig.

[...]

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2009
ISBN (PDF)
9783956848575
ISBN (Paperback)
9783956843570
Dateigröße
5.5 MB
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Schlagworte
Inklusion Menschenrecht Monitoring Seperation Selbstbestimmung

Autor

Christel Rittmeyer, Dr. phil. habil., ist Diplom-Pädagogin und Lehrerin für Grund-, Haupt- und Sonderschulen. Derzeit arbeitet sie als Konrektorin an der Alfred-Adler-Schule Düsseldorf und Apl. Professorin an der Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg.
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