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Zur Bedeutung energiereduzierter Lebensmittel für die Gewichtsreduktion

©2013 Examensarbeit 54 Seiten

Zusammenfassung

Im Laufe der Untersuchung werden sowohl die Möglichkeiten als auch die Grenzen des Einsatzes energiereduzierter Lebensmittel zur Gewichtskontrolle dargestellt. Mit dem stetig wachsenden Lebensmittelangebot der letzten Jahrzehnte stieg auch der Verbrauch, was zu einem deutlichen Anstieg der Übergewichtsprävalenz führte und zudem das Interesse an energiereduzierten Lebensmitteln bestärkte. Diskrepanzen in der öffentlichen Diskussion verunsichern Verbraucherinnen und Verbraucher jedoch immer häufiger in ihrer Entscheidung energiereduzierte Lebensmittel zu konsumieren. Da die Verbreitung von Übergewicht trotz eines vermehrten Verzehrs energiereduzierter Lebensmittel in den letzten Jahren angestiegen ist, geht die vorliegende Arbeit der Frage nach, inwiefern energiereduzierte Lebensmittel einen Beitrag zur Gewichtsreduktion leisten können und dadurch Einfluss auf die ansteigende Übergewichtsprävalenz nehmen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Abkürzungen
ADI
Acceptable Daily Intake
BLL
Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde
BMI
Body Mass Index
DGE
Deutsche Gesellschaft für Ernährung
EFSA
European Food Safety Authority
GDA
Guideline Daily Amount
GfK
Gesellschaft für Konsumforschung
WHO
Weltgesundheitsorganisation

1 Einleitung
In den letzten 20 Jahren konnte in Deutschland ein gestiegenes Ernährungs- und Ge-
sundheitsbewusstsein auf Seiten der Verbraucherinnen und Verbraucher verzeichnet
werden (vgl. Hayn et al., 2005, S. 58). Die gestiegene Prävalenz von Übergewicht so-
wie der damit einhergehende Wunsch, mit Hilfe einer vollwertigen Ernährung die Ge-
sundheit aber auch die körperliche Attraktivität zu erhalten, haben das Thema Ernäh-
rung stärker in das Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt (vgl. Petermann und Winkel,
2003, S. 127). Medien berichten seitdem vermehrt über ,,vermeintlich richtige oder
falsche Formen der Ernährung" (Kofahl und Ploeger, 2012, S. 389). Gleichzeitig exis-
tierende und sich widersprechende Ernährungsempfehlungen machen es Verbrauche-
rinnen und Verbrauchern zunehmend schwer die Informationsfülle über verschiedene
Ernährungskonzepte differenziert und kritisch zu betrachten (vgl. Methfessel, 2005, S.
44f.). Auch die Bedeutung des Verzehrs energiereduzierter Lebensmittel zur Unterstüt-
zung einer vollwertigen Ernährung wird in der Öffentlichkeit diskutiert. Verbraucherin-
nen und Verbraucher versprechen sich durch den Verzehr energiereduzierter Lebens-
mittel eine positive Wirkung auf die Gewichtsreduktion. Experten sind sich jedoch nicht
einig, ob energiereduzierte Lebensmittel die tägliche Energiezufuhr begrenzen und so
zu einer dauerhaften Gewichtsreduktion beitragen. Energiereduzierten Lebensmitteln
wird neben der positiven Wirkung auf die Gewichtsreduktion auch eine Schädigung der
Gesundheit sowie die Anregung des Appetits bzw. eine Beeinflussung der Hunger-Sät-
tigung-Regulation nachgesagt. Verbraucherinnen und Verbraucher wollen zwar die Vor-
teile energiereduzierter Lebensmittel für die Gewichtsreduktion nutzen, dabei jedoch
nicht ihre Gesundheit gefährden oder eine erneute Gewichtszunahme riskieren. Diskre-
panzen in der öffentlichen Diskussion verunsichern Verbraucherinnen und Verbraucher
daher in ihrer Entscheidung energiereduzierte Lebensmittel zu konsumieren. Allerdings
beziehen sich Berichterstattungen der Medien nicht immer auf sachlich fundierte Er-
gebnisse, sodass Verbraucherinnen und Verbraucher oftmals haltlos beunruhigt wer-
den (vgl. Tombek, 2010, S. 196).
Da die Verbreitung von Übergewicht trotz eines vermehrten Verzehrs energieredu-
zierter Lebensmittel in den letzten Jahren angestiegen ist (vgl. ebd.), geht die vorlie-
gende Arbeit der Frage nach, inwiefern energiereduzierte Lebensmittel einen Beitrag
zur Gewichtsreduktion leisten können und dadurch Einfluss auf die ansteigende Über-
gewichtsprävalenz nehmen. Die Arbeit gibt einen Überblick über gegenwärtige For-
1

schungsergebnisse verschiedener Studien und stellt anhand dessen die Möglichkeiten
aber auch die Grenzen des Verzehrs energiereduzierter Lebensmittel dar.
In Kapitel zwei wird zunächst das Problemfeld der Ernährung und Gesundheit in der
derzeitigen Überflussgesellschaft skizziert. Nachdem die veränderten Ernährungsbedin-
gungen binnen weniger Jahrzehnte vorgestellt wurden, wird sich der Problematik des
Übergewichts zugewandt. Der Begriff Übergewicht wird definiert und die Ursachen der
Entstehung werden in Zusammenhang mit dem Konsumüberfluss erläutert. Anschlie-
ßend wird die Verbreitung von Übergewicht dargestellt. Anhand der gesundheitlichen
Folgen soll das Erfordernis einer Behandlung bzw. Prävention von Übergewicht verdeut-
licht werden. Im letzten Abschnitt des zweiten Kapitels werden Empfehlungen zur Ge-
wichtsreduktion im Rahmen einer vollwertigen Ernährung behandelt, um in Kapitel drei
eine Verbindung zur Bedeutung energiereduzierter Lebensmittel für die Gewichtsreduk-
tion ziehen zu können. Kapitel zwei gilt demnach als Grundlage, damit der Einsatzener-
giereduzierter Lebensmittel für die Gewichtsreduktion eingehend beurteilt werden kann.
Kapitel drei nähert sich dem thematischen Kern der vorliegenden Arbeit und widmet
sich der Betrachtung energiereduzierter Lebensmittel. Zuerst werden die Erwartungen
an energiereduzierte Lebensmittel und die dadurch steigende Beliebtheit beschrieben.
Nachdem energiereduzierte Lebensmittel definiert sowie von weiteren nährwertbezo-
genen Angaben abgegrenzt wurden, werden im weiteren Verlauf die Möglichkeiten der
Energiesubstitution aufgeführt. Die beiden Unterkapitel des dritten Abschnittes setzen
sich mit den Eigenschaften der verschiedenen Energiesubstitute auseinander und
schaffen zugleich Klarheit darüber, ob der Verzehr energiereduzierter Lebensmittel un-
erwünschte Nebenwirkungen zur Folge hat. Unter Berücksichtigung der bis dahin er-
schlossenen Erkenntnisse werden im vierten Abschnitt die Möglichkeiten und Grenzen
des Einsatzes energiereduzierter Lebensmittel in der Ernährung erläutert. Ausgehend
von der Tatsache, dass sich Übergewicht auf Basis einer chronisch positiven Energie-
bilanz entwickelt, wird überprüft, ob die Ernährungsempfehlungen zur Senkung des
Fett- und Zuckerkonsums sowie der Eingrenzung des gesamten Energieverbrauchs
durch den Verzehr energiereduzierter Lebensmittel erreicht werden können. Der fünfte
Abschnitt gibt einen Ausblick, wie nährwertbezogene Angaben für Verbraucherinnen
und Verbraucher transparenter gestaltet werden könnten und das Ziel einer vollwerti-
gen Ernährung somit vereinfacht würde.
Zum Schluss werden die wichtigsten Erkenntnisse zum Umgang energiereduzierter
Lebensmittel für eine erfolgreiche Gewichtsreduktion zusammengefasst.
2

2 Ernährung und Gesundheit im Überfluss
2.1 Veränderte Ernährungsbedingungen
Die Nahrungsmittelerzeugung nimmt einen existenziellen Bereich im Leben des Men-
schen ein, da Essen und Trinken zu den physiologischen Grundbedürfnissen gehört.
Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts sorgte die Mehrheit der Bevölkerung selbstständig
für die Nahrungsmittelerzeugung (vgl. Kleinschmidt, 2008, S. 41). Die Nahrungsmittel-
versorgung war noch nicht flächendeckend gesichert, zusätzlich haben Naturkatastro-
phen, schlechte Wetterbedingungen sowie Kriege und Krisen zu Lebensmittelknapp-
heit und Hungersnöten geführt (vgl. a.a.O., S. 42). Erst die Ablösung der Selbstversor-
gung durch die Technisierung der Lebensmittelherstellung in der zweiten Hälfte des 20.
Jahrhunderts ermöglichte den Durchbruch der heutigen Überflussgesellschaft (vgl.
a.a.O., S. 42ff.).
Derzeit verfügt Deutschland über ein reichhaltiges und qualitativ hochwertiges Le-
bensmittelangebot, das eine bedarfsgerechte Versorgung der Menschen sichert (vgl.
Mensink, 2002, S. 10). Durch das nahezu unbegrenzte Lebensmittelangebot wird Ver-
braucherinnen und Verbrauchern eine bisher nie da gewesene Auswahl an Lebensmit-
teln ermöglicht (vgl. Kaiser-Roden, 1995, S. 101). Die Lebensmittelauswahl ist heute
nicht mehr davon abhängig, welche Produkte verfügbar sind, sondern welche den Be-
dürfnissen der Verbraucherinnen und Verbrauchern entsprechen. Dies bietet einerseits
Möglichkeiten für ein selbstbestimmtes Handeln im Rahmen der Ernährung, anderer-
seits wird dadurch ein unkontrolliertes Essverhalten gefördert. Sowohl die Auswahl als
auch der Umgang mit Lebensmitteln im Rahmen einer vollwertigen Ernährung fällt Ver-
braucherinnen und Verbrauchern durch das dauerhafte Überangebot an Genuss ver-
sprechenden sowie schmackhaften, leicht zu erreichenden und preiswerten Lebensmit-
teln schwer (vgl. Petermann und Winkel, 2003, S. 127).
Mit dem vielfältigen Lebensmittelangebot stieg auch der Lebensmittelverbrauch,
was bei vielen Menschen zu einer dauerhaft energetischen Überversorgung geführt hat
(vgl. Mensink et al., 2002, S.17). Die Gesamtenergiezufuhr eines Erwachsenen ist seit
den 1960er Jahren um ca. 600 Kilokalorien pro Kopf und Tag gestiegen (vgl. Bischoff
und Beltz, 2010, S. 412). Tabelle 1 beinhaltet die Richtwerte für die tägliche Energiezu-
fuhr bei hoher körperlicher Aktivität für Männer und Frauen verschiedenen Alters.
3

Tabelle 1: Richtwerte für die tägliche Energiezufuhr bei hoher körperlicher Aktivität
Alter (Jahre)
Energiezufuhr Mann Energiezufuhr Frau
15 bis 19
3300 kcal
2600 kcal
19 bis 25
3300 kcal
2600 kcal
25 bis 51
3100 kcal
2400 kcal
51 bis 65
2800 kcal
2300 kcal
über 65
2500 kcal
2100 kcal
Quelle: DGE, 2013, S. 32
Mit einer durchschnittlichen Gesamtenergiezufuhr von 3380 Kilokalorien werden die
Richtwerte des täglichen Energiebedarfs bei beiden Geschlechtern in allen Altersgrup-
pen selbst bei einem aktiven Lebensstil deutlich überschritten (vgl. ebd.). Dies lässt
sich durch die Betrachtung der Tabelle 1 erkennen. Bei mäßiger körperlicher Aktivität
müssen die Richtwerte für die tägliche Energiezufuhr nach unten korrigiert werden, so-
dass die Differenz zwischen der empfohlenen und der tatsächlich zugeführten Kalori-
enmenge wächst.
Neben dem erhöhten Lebensmittelverbrauch wird die Entwicklung der Lebensmittel-
vielfalt hin zu hochverarbeiteten und energiereichen Lebensmittel als wichtige Kompo-
nente für die Entstehung der energetischen Überversorgung gesehen, da dies zu ei-
nem Anstieg des Fett- und Zuckerverbrauchs geführt hat (vgl. Hayn et al., 2005,
S. 8ff.).
Obwohl sich Verbraucherinnen und Verbraucher bei der Lebensmittelauswahl mitt-
lerweile stärker an der Gesundheit orientieren und Ernährungsempfehlungen zur Kauf-
entscheidung heranziehen, bleibt das wichtigste Kaufkriterium der Geschmack (vgl.
a.a.O., S. 58). Fett und Zucker sind nicht nur Energielieferanten, sondern auch wichtige
Geschmacksträger. Hochverarbeitete und energiereiche Lebensmittel werden gerade
wegen ihrer schmackhaften Eigenschaft von Verbraucherinnen und Verbrauchern be-
vorzugt. Die Präferenz für fettreiche und süße Nahrung entwickelte sich bei unseren
paläolithischen Vorfahren, da der Geschmack von Fett und Zucker auf einen hohen
Energiegehalt hinweist, der für Perioden des Nahrungsmangels lebensnotwendig war
(vgl. Junker und Paul, 2009, S. 34). Die veränderten Lebensbedingungen in den letzten
Jahrzehnten hin zum Ernährungsüberfluss mit zeitgleicher Abnahme der körperlichen
Aktivität, machen diese Präferenz erstmalig zu einem Problem. Selbst energiearme Le-
4

bensmittel werden häufig fett- und zuckerreich weiterverarbeitet, was ernährungsphy-
siologisch ungünstig ist, da der zugeführte Energiegehalt keinen Einfluss auf die Sätti-
gung hat (vgl. Schusdziarra und Erdmann, 2010, S. 50). Die Sättigung wird vor allem
durch die Füllung und Dehnung des Magens aktiviert, somit ist das Volumen eines Le-
bensmittels für die Sättigung maßgeblich, nicht aber seine Energiedichte (vgl. von
Koerber et al., 2004, S. 46). Da der Körper die Energiedichte nicht wahrnehmen kann,
werden beim Verzehr energiedichter Lebensmittel bei gleichem Nahrungsvolumen
quantitativ mehr Kalorien zugeführt als bei energiearmen Lebensmitteln (vgl. Schusdzi-
arra und Erdmann, 2010, S. 48ff.). Die Fähigkeit, bei ausreichendem Energieangebot
Fettzellen zu bilden, hat sich in der Geschichte des Menschen als Überlebensvorteil her-
ausgestellt (vgl. DGE, 2008, S. 112). Die Gene des Menschen sind gut darauf eingerich-
tet Hunger- und Mangelsituationen zu meistern, nicht aber den dauerhaften Energieüber-
fluss (vgl. ebd.). Der Überfluss im Lebensmittelangebot macht sich daher nicht nur durch
das vielfältige Produktangebot der Supermärkte, sondern auch an dem zunehmenden,
zu hohen Körpergewicht der Menschen bemerkbar (vgl. Ertl, 2011, S. 6).
Der Nahrungsmittelüberfluss führt zu weitreichenden gesundheitlichen sowie ökono-
mischen Problemen in der Gesellschaft. Aus diesem Grund muss sich die Gesellschaft
heute mit der Frage auseinandersetzen, wie Überernährung als Folge des Nahrungs-
mittelüberflusses verhindert werden kann. Im weiteren Verlauf werden die mit den ver-
änderten Ernährungsbedingungen zusammenhängenden gesundheitlichen Probleme
dargestellt, um die Notwendigkeit einer dauerhaften Stabilisierung bzw. Reduzierung
des Körpergewichts zu verdeutlichen.
2.2 Definition und Entstehung von Übergewicht
Übergewicht wird nach der Weltgesundheitsorganisation (WHO) durch einen Body
Mass Index (BMI)
1
> 25 definiert (vgl. 2000, S. 9). Unter dem Begriff Übergewicht wer-
den Präadipositas und Adipositas zusammengefasst (vgl. Leitzmann et al., 2009, S.
288). Die Unterteilung des Begriffs Übergewicht in Präadipositas und Adipositas er-
möglicht eine differenzierte Aussage über das Maß der Gewichtszunahme sowie über
die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Begleiterkrankungen. Eine Präadipositas
1 BMI = Körpergewicht [kg]/ Quadrat der Körperlänge [m²]
5

liegt bei einem BMI > 25 und eine Adipositas bei einem BMI > 30 vor. In Tabelle 2 wird
die Gewichtsklassifikation anhand des BMI detailliert dargestellt.
Bei Präadipositas und Adipositas handelt es sich um eine Zunahme des Körperge-
wichts, die durch eine über das Normalmaß hinausgehende Vermehrung des Körper-
fettanteils verursacht wird (vgl. ebd.). Je nach Ausmaß des erhöhten Körperfettanteils
steigt das Risiko einer Gesundheitsbeeinträchtigung durch metabolische sowie kardio-
vaskuläre Erkrankungen (vgl. DGE, 2008, S. 100). Das relative Körpergewicht ist je-
doch kein eindeutiger Parameter zur Beschreibung des Fettanteils, da ein erhöhtes
Körpergewicht auch durch die Vermehrung der Muskelmasse oder des Wassergehalts
zustande kommen kann (vgl. DGE, 2000, S. 70).
Tabelle 2: Gewichtsklassifikation bei Erwachsenen anhand des BMI
Kategorie
BMI (kg/m²)
Risiko für Begleiterkrankungen
des Übergewichts
Untergewicht
< 18,5
niedrig
Normalgewicht
18,5 - 24,9
durchschnittlich
Übergewicht
Präadipositas
Adipositas Grad I
Adipositas Grad II
Adipositas Grad III
> 25
25 ­ 29,9
30 ­ 34,9
35 ­ 39,9
> 40
gering hoch
erhöht
hoch
sehr hoch
Quelle: WHO, 2000, S. 8f.
Um eine genaue Auskunft über das metabolische und kardiovaskuläre Risiko bei er-
höhtem Gewicht geben zu können, ist die Messung des Taillenumfangs eine einfache
Methode. Tabelle 3 zeigt, ab welchem Wert ein Risiko für Männer und Frauen besteht.
Tabelle 3: Grenzwerte des Taillenumfangs für ein erhöhtes metabolisches und kardio-
vaskuläres Risiko bei Erwachsenen
Taillenumfang erhöhtes Risiko deutlich erhöhtes Risiko
Männer > 94 cm > 102 cm
Frauen > 80 cm > 88 cm
Quelle: WHO, 2000, S. 9ff.
6

Die Vermehrung des Körperfettanteils entsteht durch eine chronisch positive Energiebi-
lanz, d.h. dem Körper wird über einen längeren Zeitraum mehr Nahrungsenergie zuge-
führt als er für den Grundumsatz, die Thermogenese sowie die körperliche Aktivität be-
nötigt (vgl. Hahn et al., 2006, S. 21). Überschüssig aufgenommene Energie wird in
Form von Fett in den Fettzellen des Körpers gespeichert, sodass es zu einer Gewichts-
zunahme durch die Vermehrung des Körperfettanteils kommt, was langfristig zu der
Entstehung von Präadipositas und Adipositas führt (vgl. ebd.). Auslöser für die Entste-
hung einer positiven Energiebilanz können sowohl endogene als auch exogene Fakto-
ren sein (vgl. Joost, 2005, S. 31). Da die endogenen Faktoren trotz intensiver For-
schung noch nicht ausreichend geklärt sind, werden exogene Faktoren als Ursache für
die Zunahme des Körperfettanteils bei Präadipositas und Adipositas hervorgehoben
(vgl. a.a.O., S. 31f.). Die steigende Prävalenz von Präadipositas und Adipositas lässt
sich im Wesentlichen durch die veränderten Lebensbedingungen der letzten Jahrzehn-
te erklären. Die zu hohe Energieaufnahme durch den vermehrten Verzehr energiedich-
ter Lebensmittel sowie der gesunkene Energiebedarf durch die Abnahme der körperli-
chen Aktivität gelten als konstitutive Ursache für die Entstehung einer positiven Ener-
giebilanz und der damit zusammenhängende Ausbildung von Präadipositas und Adipo-
sitas (vgl. WHO, 2000, S. 101ff.).
2.3 Übergewichtsprävalenz und gesundheitliche Folgen
Die Übergewichtsprävalenz hat in den letzten drei Jahrzehnten nicht nur in Deutsch-
land, sondern weltweit zugenommen (vgl. Garrow, 2000, S. 527). Aufgrund der rapiden
Zunahme von Übergewichtigen in wenigen Jahren geht die WHO bei Präadipositas
und Adipositas von einer globalen Epidemie aus (vgl. 2000, S. 122). Weltweit wird die
Zahl der übergewichtigen Erwachsenen auf 1,4 Milliarden geschätzt (vgl. DGE, 2012,
S. 119).
Im Jahr 1999 waren in Deutschland 41,1 % der Männer und 28,7 % der Frauen
übergewichtig (vgl. a.a.O., S. 124). 2009 waren 60,1 % der Männer und 42,9 % der
Frauen von Übergewicht betroffen (vgl. ebd.). Der Vergleich zeigt, dass die Prävalenz
von Übergewicht sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen in den letzten 10
Jahren um 50 % gestiegen ist. Aus den Jahrzehnten vor 1980 liegen in Deutschland
keine repräsentativen Daten über die Übergewichtsprävalenz vor (vgl. Bergmann et al.,
7

2005, S. 14). Die Daten der Gesundheitssurveys ab 1985 zeigen jedoch deutlich, dass
die Übergewichtsprävalenz bis heute jährlich angestiegen ist (vgl. ebd.). Besonders die
Entwicklung der Adipositasprävalenz sticht hervor. Allein in der Zeitspanne von 1999
bis 2009 ist sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen ein deutlicher Zuwachs
der Betroffenen zu erkennen. Im Jahr 1999 waren 12,1 % der Männer und 11 % der
Frauen adipös, im Jahr 2009 dagegen 15,7 % der Männer und 13,8 % der Frauen (vgl.
DGE, 2012, S. 124). Abbildung 1 zeigt den Verlauf der Prävalenz von Präadipositas
und Adipositas seit 1999 für Erwachsene noch einmal deutlich.
Abbildung 1: Entwicklung der Prävalenz von Präadipositas und Adipositas
Doch nicht nur Erwachsene haben mit der Problematik zu kämpfen, auch immer mehr
Kinder und Jugendliche entwickeln Übergewicht, das sich im Erwachsenenalter weiter
ausbaut (vgl. a.a.O., S. 19). Insgesamt sind 15 % der Kinder und Jugendlichen
2
über-
gewichtig, davon werden 6 % als adipös eingestuft (vgl. DGE, 2008, S. 104). Die Ver-
breitung von Übergewicht ist demnach in jeder Altersgruppe zu verzeichnen.
Die Zunahme der Betroffenen macht deutlich, dass Übergewicht zu einem weitrei-
chenden und bisher nicht gelösten Problem geworden ist (vgl. Garrow, 2000, S. 527).
Vor allem die Zunahme von Adipositas hat weitreichende ökonomische Folgen für das
Gesundheitssystem (vgl. Knoll und Hauner, 2008, S. 198). Die gesundheitsökonomi-
2 Bei der Datenerhebung wurden Kinder und Jugendliche im Alter von 3 bis 17 Jahren berück-
sichtigt. Es wurden keine geschlechtsspezifischen Unterschiede festgestellt (vgl. DGE, 2008,
S. 103)
8
Quelle: DGE, 2012, S. 124

sche Belastung wurde für das Jahr 2010 allein in Deutschland auf ca. 17 Milliarden
Euro geschätzt (vgl. a.a.O., S. 208). Die Gefahr sowie die gesundheitsökonomische
Belastung von Präadipositas und Adipositas liegt besonders in den schwerwiegenden
Folgeerkrankungen (vgl. DGE, 2008, S. 101). Übergewicht ist der am weitesten ver-
breitete Risikofaktor für die Entstehung von Diabetes mellitus Typ 2, Hypertonie und Ar-
teriosklerose sowie Erkrankungen des Muskel- und Skelettsystems (vgl. DGE, 2000,
S.71). Weiter stehen Präadipositas aber vor allem Adipositas mit einem erhöhten
Krebsrisiko sowie Beeinträchtigungen der Lungenfunktion und des gesamten Bewe-
gungsapparats in Verbindung (vgl. Leitzmann, 2009, S. 296). Übergewicht beeinträch-
tigt die Lebensqualität der Menschen und erhöht das Morbiditäts- und Mortalitäsrisiko
(vgl. DGE, 2008, S. 101). Deutlich wird dies daran, dass auch die Morbiditätsrate der
beschriebenen Folgeerkrankungen gestiegen ist und Normalgewichtige seltener betrof-
fen sind (vgl. Mensink, 2002, S. 10). In der EU werden jährlich mindestens 7 % aller
Todesfälle auf Übergewicht zurückgeführt (vgl. DGE, 2005, S. 1). Aber nicht nur die
physischen Folgen von Präadipositas und Adipositas behindern das Leben der Men-
schen. Präadipöse und Adipöse müssen häufig auch mit einer sozialen Benachteili-
gung zurechtkommen, die sich in schlechteren Schulabschlüssen sowie Schwierigkei-
ten in der Berufs- und Partnerwahl äußert (vgl. Leitzmann et al., 2009, S. 294). ,,Psychi-
sche Belastungen durch gesellschaftliche Stigmatisierung und eigener Unzufrieden-
heit" sind keine Seltenheit (König und Konnopka, 2008, S. 198).
Zwar ist das Ernährungs- und Gesundheitsbewusstsein der Verbraucherinnen und
Verbrauchern in den letzten Jahren gestiegen, was sicher auch mit der Präsenz des
Themas Ernährung in den Medien zusammenhängt, dennoch zeigen die gestiegenen
Zahlen der Präadipösen und Adipösen, dass ein Ungleichgewicht zwischen Ernäh-
rungswissen und -handeln besteht. Aufgrund der Gesundheitsrisiken, die mit dem Auf-
treten von Übergewicht zusammenhängen, stellt die WHO die Gewichtsreduktion als
bedeutende Maßnahme zur Gesundheitsförderung heraus (vgl. 2000, S. 69). Der
Mensch muss sich daher der neuen Herausforderung stellen, Nahrungsmittel nach Kri-
terien einer vollwertigen Ernährung auszuwählen, sodass Gesundheit und Wohlbefin-
den lange erhalten bleiben.
9

2.4 Ernährungsempfehlungen
Der Mensch kann seine Gesundheit durch die Ernährung sowohl negativ als auch posi-
tiv beeinflussen. Um Verbraucherinnen und Verbrauchern eine Ernährung zu ermögli-
chen, die die Versorgung mit allen lebensnotwendigen Nährstoffen sichert und ,,gleich-
zeitig zur langfristigen Gesunderhaltung und Prävention von Erkrankungen" beiträgt
(Leitzmann, 2009, S. 162), gibt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) Ernäh-
rungsempfehlungen heraus, die auf den Referenzwerten des täglichen Nährstoffbe-
darfs basieren (vgl. Heseker, 2013, S. 28). Forschungen zum Nährstoffbedarf stellen
sicher, dass die Ernährungsempfehlungen dem aktuellen Wissensstand angepasst
sind, sodass weder nährstoffspezifische Mangelkrankheiten noch eine Überversorgung
mit Energie oder bestimmten Nährstoffen entsteht (vgl. ebd.). Ernährungsempfehlun-
gen tragen dazu bei ,,gesundheitsabträgliche Ernährungsgewohnheiten" zu verbessern
(Rust, 2013, S. 147). Grundsätzlich können alle Lebensmittel der täglichen Ernährung
dienen. Bestimmte Nährstoffe sollten jedoch in Maßen aufgenommen werden, da eine
überhöhte Zufuhr ernährungsbedingte Krankheiten fördert. Wie zuvor schon erläutert
wurde, steht vor allem der übermäßige Konsum von Fett und Zucker in der Kritik, da
dieser durch eine erhöhte Energiezufuhr Präadipositas und Adipositas bedingt.
Ein abwechslungsreicher Verzehr energiearmer und nährstoffreicher Lebensmittel
bildet zusammen mit einer regelmäßigen körperlichen Aktivität ein sicheres Fundament
für den Erhalt der Gesundheit und spiegelt das Konzept der vollwertigen Ernährung wi-
der (vgl. DGE, 2009, S. 5). Die unterschiedlichen Komponenten der vollwertigen Er-
nährung zielen auf das Zustandekommen einer dauerhaft ausgeglichenen Energiebi-
lanz ab, da dies wohl die wichtigste Maßnahme zur Vermeidung ernährungsbedingter
Krankheiten ist (vgl. Elmadfa et al., 2005, S. 132). Damit Verbraucherinnen und Ver-
braucher die Ernährungsempfehlungen im Alltag aktiv umsetzten können, hat die DGE
zehn Regeln zur vollwertigen Ernährung formuliert. Die zehn Regeln der DGE sind in
Abbildung 7 im Anhang einzusehen. An dieser Stelle werden diejenigen Aspekte her-
vorgehoben, die Verbraucherinnen und Verbrauchern zur Prävention oder auch Thera-
pie von Übergewicht in bedeutendem Maße unterstützen.
Fett ist unverzichtbarer Bestandteil einer vollwertigen Ernährung, da es neben Ener-
gie auch essentielle Fettsäuren und fettlösliche Vitamine enthält (vgl. aid, 2008b, S.
18). Allerdings haben die Ernährungsberichte der letzten Jahre gezeigt, dass die Fett-
zufuhr in Deutschland zu hoch ist (vgl. Wolfram, 2013, S. 45). Infolgedessen rät die
10

DGE, Fett in der Ernährung zu reduzieren und Fettsäuren richtig zu kombinieren (vgl.
2009, S. 14). Die Deckung des Gesamtenergiebedarfs durch Fett sollte einen Wert von
30 % nicht überschreiten, da Fett mit neun Kilokalorien pro Gramm äußerst energie-
reich ist (vgl. Vaupel und Biesalski, 2010, S. 85). Von Bedeutung ist jedoch nicht nur
die aufgenommene Menge an Fetten, sondern auch die Qualität der Fette (vgl. aid,
2008b, S. 18f.). Zu viele gesättigte Fettsäuren erhöhen das Risiko einer Herz-Kreislauf-
Erkrankung zusätzlich (vgl. a.a.O., S. 18). Gesättigte Fettsäuren sind in tierischen Fet-
ten wie Fleisch und Wurstwaren, aber auch in Backwaren, fettreichen Süßigkeiten und
Fast Food enthalten (vgl. ebd.). Der Anteil gesättigter Fettsäuren sollte möglichst ge-
ring sein und maximal 10 % des Fettbedarfs decken (vgl. ebd.). Der restliche Anteil der
empfohlenen Fettzufuhr soll durch ungesättigte Fettsäuren gedeckt werden, da diese
sich im Gegensatz zu den gesättigten Fettsäuren positiv auf das Herz-Kreislauf-Sys-
tem auswirken (vgl. ebd.). Ungesättigte Fettsäuren sind in pflanzlichen Ölen und Fisch
zu finden (vgl. ebd.). Insgesamt gilt ein bewusster Umgang mit Fett, der sich vor allem
durch die Wahl fettarmer Produkte in allen Lebensmittelgruppen bemerkbar macht (vgl.
DGE, 2009, S. 16).
Kohlenhydrate sind neben Fett eine wichtige Komponente zur Deckung des Ener-
giebedarfs (vgl. DGE, 2009, S. 17). Da Kohlenhydrate mit vier Kilokalorien pro Gramm
weniger Energie liefern als Fett, sollte der Energiebedarf zu 60 % durch Kohlenhydra-
ten gedeckt werden (vgl. Mensink et al., 2002, S. 17). Im Bereich der Kohlenhydrate
muss jedoch zwischen Polysacchariden und Mono- und Disacchariden unterschieden
werden. Als ernährungsphysiologisch wertvoll gelten Polysaccharide, da sie langsam
resorbiert werden und in der Regel mehr Ballaststoffe, Vitamine und Mineralstoffe ent-
halten, was sich ebenso positiv auf die Energiebilanz wie auf die Deckung des Nähr-
stoffbedarfs auswirkt (vgl. DGE, 2009, S. 18). Mono- und Disaccharide, zu denen auch
Zucker zählt, gelten zur Deckung des Energiebedarfs als ungeeignet. Mono- und Di-
saccharide sind schnell resorbierbare Kohlenhydrate, die zu einer schnellen Steigung
des Blutzuckerspiegels führen, wodurch die Sättigungswirkung nur von kurzer Dauer
ist (vgl. ebd.). Der Kohlenhydratbedarf soll daher vorzugsweise durch Vollkorngetreide-
produkte wie Brot, Reis und Nudeln erzielt werden (vgl. aid, 2008b, S. 8). Dennoch
spricht auch in einer vollwertigen Ernährung nichts gegen die Aufnahme von Mono-
und Disacchariden in Form von Süßigkeiten, wenn diese selten verzehrt und vor allem
bewusst genossen werden (vgl. DGE, 2009, S. 18).
11

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Erscheinungsjahr
2013
ISBN (PDF)
9783958206236
ISBN (Paperback)
9783958201231
Dateigröße
2.5 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Paderborn
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,3
Schlagworte
kalorienarm Energiesubstitut Zuckeraustauschstoff Fettersatzstoff Übergewicht light
Produktsicherheit
BACHELOR + MASTER Publishing

Autor

Denise Jung wurde 1987 in Osterode am Harz geboren. Sie studierte an der Universität Paderborn Germanistik und Hauswirtschaftswissenschaft. Im Jahr 2013 schloss die Autorin ihr Studium erfolgreich mit der ersten Staatsprüfung ab. Im Rahmen der schriftlichen Examensarbeit setzt sie sich intensiv mit den Auswirkungen des Verzehrs energiereduzierter Lebensmittel auseinander.
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