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Lernen ist schön! Das IntraActPlus-Konzept in Heilpädagogischen Schulen

©2009 Diplomarbeit 98 Seiten

Zusammenfassung

Dieses Buch gibt einen Einblick über die Wichtigkeit von positiven Beziehungs- und Verhaltensmodifikationen bei Schülerinnen und Schülern mit Lern- und Leistungsstörungen. Lernen macht Spass und dieser bildet sich bei einer positiven und unterstützenden Beziehung zwischen dem Lernenden und Lehrenden. Besonders Kinder und Jugendliche mit Lern- und Leistungsstörungen reagierten beim schulischen Lernen und Anforderungen mit Widerständen verschiedenster Art und Weise und sind auf eine positive Beziehung beim Lernen angewiesen. Wie diese entsteht und Widerstände und Machtkämpfe positiv aufgelöst werden können, wird durch eine wissenschaftliche und praxisbezogene Betrachtung auf der Basis von Ergebnissen der psychologischen und biologischen Grundlagenforschung erklärt. Weiterhin werden die Möglichkeiten und Grenzen von Beziehungs- und Verhaltensmodifikationen aufgezeigt, sowie deren Einflu¨sse auf Resilienz förderndes Verhalten.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


3. Die Grundlagenforschungen hinter IntraActPlus

„Ein ungeübtes Gehirn ist schädlicher für die Gesundheit als ein ungeübter Körper.“

Georg-Bernard Shaw, 1856–1950

3.1 Einleitung

Das IAP-Konzept stützt sich auf Forschungsresultate, die der Wissenschaft schon seit Jahrzehnten bekannt sind. Die beiden Psychologen Walter Schneider und Richard Shiffrin (1977a) publizierten zwei Studien im Fachmagazin „Psychological Review“, die heute als Meilensteine in der Geschichte der Forschung gelten. Sie entdeckten zwei grundlegende Arten des Verhaltens und bezeichneten diese als bewusst kontrolliertes und automatisches Verhalten und fanden heraus, dass sich Abläufe im Gehirn unter zwei Bedingungen automatisieren lassen:

1. Eine hohe Anzahl von Wiederholungen. Einmal pro Woche üben reicht nicht. Bei vier Mal pro Tag sieht es andererseits sehr gut aus für den Lernerfolg.
2. Ein Reiz soll immer mit dem gleichen Verhalten beantwortet werden. Wer also beim Üben „A“ auf dem Papier sieht, soll auch „A“ sagen. Wird „A“ zu oft als „B“ bezeichnet, wird kein oder gar ein falsches Verhalten antrainiert.

Warum dauerte es drei Jahrzehnte, bis die Studienresultate – endlich in brauchbare Form gefasst – bei den Schülern auf den Tischen lagen, wie zum Beispiel das von Jansen und seinen Mitarbeitern entwickelte Lese- und Rechtschreib-Lehrmittel? „Bei Grundlagenforschern gibt es immer eine gewisse Arroganz. Sie haben kein Interesse an der Praxisanwendung ihrer Forschung“, ausserdem hätten Lehrpersonen und Heilpädagogen wenig Interesse an komplizierten Fachartikeln, sagte Jansen am Rande eines Seminars am Kinderspital Zürich. Die Bedingungen sind also ideal dafür, dass Wissen in den Bücherregalen verstaubt.

3.2 Das Gehirn

„Das Gehirn des Menschen ist die wohl komplizierteste Struktur im ganzen Universum“ (Thomsen, 2001, 7). Es wiegt etwa 1,4 Kilogramm und macht ungefähr 2% des Körpergewichts aus, verbraucht aber mehr als 20% der Energie des gesamten Körpers. Von den verschiedenen Arealen, Schichten und einigen Milliarden Neuronen ist noch nicht vollständig geklärt, welche Funktion sie haben (Spitzer, 2007, 30). Neuronen verarbeiten bei Erregung mehr Informationen und tragen zum Wachstum von Nervenzellen bei. Damit erreicht das Gehirn eine unglaubliche Flexibilität in rasch wechselnden Umgebungen und Aufgaben sowie Spezialisierungen in verschiedenen Tätigkeiten. „So ist auch unser Gehirn für das Lernen optimiert“ (Spitzer, 2007, 14).

Heute geht die Neurowissenschaft davon aus, dass Bereiche des Gehirns bestimmte Funktionen (Sprachverarbeitung, visuelle Wahrnehmung) biologisch vorgegeben verarbeiten und diese bei einer Beschädigung von anderen Gehirnregionen übernommen werden können. „Als Kennzeichen für alle Lernvorgänge betrachten wir den Umstand, dass eine anpassende Veränderung in der ‚Maschinerie‘ vor sich geht, das heisst also in Strukturen der Sinnesorgane und des Nervensystems, deren Funktion das Verhalten ist. Eben in dieser Veränderung der Struktur liegt ja der Gewinn der Information, und, da die Veränderung mehr oder weniger permanent ist, auch ihre Speicherung. (…) In der ganzen uns bekannten Welt gibt es kein komplexeres System als die zentralnervöse Organisation, die dem Verhalten der höheren Lebewesen zu Grunde liegt“ (Lorenz[1], 1973, 95f).

3.2.1 Leistungsfähigkeit

Eine gute Leistungsfähigkeit beim Lernen, so Borkowski (1992 in Irblich & Stahl, 2003, 198) zeichnet sich dadurch aus, dass

1. Informationen schnell aufgefasst und weiterverarbeitet werden,
2. aktiv über mehrere Gedächtnisstrategien verfügt wird, die flexibel und gezielt nutzbar sind, und
3. zusätzlich zum strategischen Wissen auch über ein bereits inhaltliches Wissen spezifischer Vorkenntnisse für Analogieschlüsse verfügt wird.

Diese Bedingungen lassen sich auch ohne, oder zumindest mit einem halben Gehirn gut umsetzen. Werth[2] (2007 in G&G 12: 28-32, 2007) schreibt von einem siebenjährigen Jungen, dessen Grosshirn fehlte und der dennoch eindeutig auf Geräusche reagierte. Der Raum, den sonst das Grosshirn einnimmt, war bei ihm mit Flüssigkeit gefüllt, der Hirnstamm war aber gut entwickelt. In Experimenten stellte er fest, dass der noch intakte Hirnstamm Hörreize registrieren konnte und Reaktionen darauf entwickelt hatte.

Dass das Gehirn trotz Schädigungen oder Behinderungen atemberaubende Leistungen erbringen kann, beweisen auch Autisten mit Asberger-Syndrom. Einer der berühmte-sten Menschen mit Asperger-Autismus ist Kim Peek[3]. „Er kennt den Inhalt von 12‘000 Büchern auswendig, er kennt jede US-Stadt, jede Strasse, jede Postleitzahl. Daheim in Salt Lake City kennt er sogar jeden Einwohner und dessen Telefonnummer, weil er alle Telefonbücher der Stadt gelesen hat“ (Ludwig, 64-67, 2007).

Bislang wissen die Forscher nicht, wie Begabungen von Asberger-Autisten entstehen. Michael Fitzgerald[4] meint, dass neuronale Fehlschaltungen dafür verantwortlich und vermutlich einfach bestimmte Hirnareale ausgeschaltet seien, welche die Reserven anderer Bereiche freisetzen und dadurch die Leistungsfähigkeit erhöhen (Ludwig, 64-67, 2007).

3.3 Das Gedächtnis

Das Gedächtnis ist ein komplexes Geflecht ineinandergreifender Systeme. Alle Wahrnehmungen oder Einfälle werden zuerst nur für kurze Zeit aufbewahrt und dann entweder vergessen oder ins Langzeitgedächtnis überführt. Waugh und Norman (1965 in Solso 2005, 220f) haben das erste moderne verhaltenswissenschaftliche Modell ent- wickelt, das sich mit dem Gedächtnis befasst. Sie gingen davon aus, dass es ein primäres (Kurzeit-Speichersystem) und sekundäres (Langzeit-Speichersystem) Gedächtnis gebe. Atkinson u. Shiffrin (1968 in Solso 2005, 221f) führten das Modell weiter und gehen von drei Speichersystemen aus, die das heutige Verständnis über das Gedächtnis massgebend beeinflussen.

3.3.1 Wiederholung vor Vergessen

Hermann Ebbinghaus[5] (1885), der zu seiner Zeit die wohl bahnbrechendsten Forschungen über die Leistungsfähigkeit des Gedächtnisses machte, setzte die Forschungen über dieses komplexe System in Gang. Er konnte seine Vorstellung über das Gedächtnis nie belegen, aber er konnte – und das war bahnbrechend – festhalten, wie es arbeitet.

In einem zeitlichen Rhythmus von 20 Minuten, einer Stunde, acht bis neun Stunden, 20 Stunden und nach einem Tag wiederholte er Silben und schrieb sie auf. Seine Ergebnisse hielten die Listenlänge, die Lernzeit, die Effekte der Übung auf das Lernen, sowie das Lernen und das Erinnern seriell angeordneter Silben fest. Diese Art zu lernen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1. Vergessenskurve nach Ebbinghaus (1885)

Die Abbildung zeigt den Verlauf des Vergessens eines Lernstoffes. Die Y-Achse zeigt, wie viele Prozent des gelernten Stoffes nach einer bestimmten Zeit (X-Achse) noch korrekt wiedergegeben werden. In den ersten 20 Minuten vergisst man über 40%. Danach flacht die Kurve stark ab und die Vergessensrate wird langsamer.

Jansen, der die Methode seriellen Lernens in die Praxis umsetzt, beruft sich auf die Erkenntnisse von Ebbinghaus. Sein Fazit: „Je dichter der Abstand bis zur nächsten Wiederholung, desto mehr Zeit wurde beim Wiederholen gespart“ (Jansen, 2006, 79). Für den Unterricht bedeutet das: Wiederholen derselben Aufgabe in einem kurzen zeitlichen Abstand. Wer so lernt, hat nicht automatisch Erfolg, denn ein Schüler vergisst nicht alles, was er gelernt hat gleich schnell. Darüber hinaus wirkt sich auch der so genannte Primacy-Effekt[6] von Atkinson & Shiffrin (1968) auf die Speicherung von Informationen aus, der besagt, dass erste von mehreren Elementen am stärksten und zuverlässigsten erinnert wird.

3.4 Funktionsweisen des Gedächtnisses

Das Gedächtnis arbeitet zeitabhängig und wird in drei unterschiedliche zeitabhängige Speichertypen unterteilt, in denen Informationen unterschiedlich lang eingelagert werden. Je grösser die Bedeutung der Information ist und je häufiger man sie wiederholt, desto länger bleibt die Erinnerung. Den ersten Speicher dieses Systems bezeichnet man als Ultrakurzzeit (UZG) oder sensorisches Gedächtnis, den zweiten als Kurzzeitgedächtnis (KZG) und den dritten als Langzeitgedächtnis (LZG) (Markowitsch 2002).

3.4.1 Ultra-Kurzzeit-Gedächtnis

Das sensorische Gedächtnis (UZG) liegt im Bereich von Millisekunden. Es wird im visuellen Bereich genauer unterschieden und als ikonisches Gedächtnis bezeichnet[7] (Neisser 1967/1974 in Solso, 2005, 75). Eine visuelle Erinnerung bleibt für etwa eine halbe Sekunde bestehen. Das ikonische Gedächtnis hat eine höhere Speicherkapazität als das Kurzzeitgedächtnis, trotzdem verblassen seine Informationen schnell, nämlich schon nach weniger als 200 bis 400 Millisekunden. Informationen, die so kurzfristig gehalten werden, können nur unbewusst wiedergegeben werden. Für das Lernen von Fertigkeiten wie beispielsweise Lesen und Schreiben machen sie keinen Sinn, denn sie werden schnell wieder von neuen Reizen „überschrieben“.

3.4.2 Kurzzeitgedächtnis

Das Kurzzeitgedächtnis (KZG) speichert Informationen während Sekunden bis zu wenigen Minuten. Sir William Hamilton sagte im 19. Jahrhundert angeblich: „Wenn man eine Hand voll Murmeln auf den Boden wirft, wird man es als schwierig empfinden, mehr als sechs oder höchstens sieben auf einmal zu betrachten, ohne sie durcheinander zu bringen“ (zitiert nach Miller 1956 in Solso, 2005, 185). Was Hamilton zu seiner Zeit schon merkte, sagen auch Ikon und Sperling (1972 in Miller, 63: 81-97, 1956). Sie erforschten die Aufnahmekapazität des KZG und entdeckten ein charakteristisches Phänomen: Kinder ab 3 Jahren können sich nicht mehr als 7 ± 2 Informationseinheiten wie Ziffern, Buchstaben oder sieben (vertraute) Wörter merken.

3.4.3 Langzeitgedächtnis

Das Langzeitgedächtnis umfasst alles, was über den Minutenbereich hinausgeht. Die Anzahl der im Kurzzeitspeicher festgehaltenen Elemente können durch Training nicht erhöht werden. Eine Kapazitätserweiterung ist nur durch Wiederholung oder durch Neuanordnung von Lerninhalten mittels chunking[8] oder über das one-trial-learning[9] möglich.

In Sonderschulen sollten Lerninhalte weitgehend zusammengezogen werden. Wichtig für das Verstehen des zeitabhängigen und episodischen Gedächtnisses ist folgendes: Das Speichern von Informationen ist keine lineare Aktion. Ein häufigerer Abruf von Informationen führt zu einer häufigeren Einspeicherung, wodurch Informationen tiefer gespeichert werden. Jede Erinnerung wird auch durch gegenwärtige Befindlichkeiten beeinflusst, weshalb sich die Informationen verändern können[10]. Das kann dazu führen, dass sich bei der Abfrage von Zahlenreihen Ungewissheiten einzelner Schüler so stark einspeichern, dass sie schliesslich zur Gewissheit werden. Darüber hinaus gibt es eine gewisse Auswahl, die wir speichern, behalten oder vergessen. Diese ist u.a. unabhängig von der Zeit[11].

Abb. 2. Der Ablauf von Gedächtnisfunktionen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Abbildung zeigt, wie Informationen über die jeweiligen Speicherebenen im Gehirn abgelegt werden. Viele Informationen gehen unmittelbar oder nach einiger Zeit verloren. Wir können uns nicht an alles gleich gut erinnern. Die Aufmerksamkeit und andere Faktoren spielen eine grosse Rolle. Wichtig für eine gute Informationsspeicherung ist die Wiederholung respektiv die Automatisierung im Kurzzeitspeicher. Schlechte Nutzung der Speichermöglichkeiten kann Lern- und Leistungsstörungen verstärken.

3.5 Unterschiedliche Gedächtnisformen

Drei Komponenten von Gedächtnisformen werden unterschieden: 1. Das semantische Gedächtnis enthält Fakten und Zahlen (Wie heisst mein Lehrer? Wie ist meine Telefonnummer?). Persönliche Erlebnisse kommen darin kaum vor. Tulving (1989 in Solso, 2005, 229f) meinte, dass Begebenheiten aus dem eigenen Leben im 2. episodischen Gedächtnis landen. An dessen Inhalte erinnern wir uns oft ohne die exakten Rahmen- daten (etwa wann und wo wir etwas gelernt haben). Episodisches und semantisches Gedächtnis werden auch als deklaratives Gedächtnis zusammengefasst und beinhaltet alles Gelernte, das man mit Worten ausdrücken kann. (Solso, 2005, 254). Solche Inhalte werden mit bewusster Anstrengung über das explizite Gedächtnis gelernt. Das 3. implizite Gedächtnis steht für automatisierte Handlungsabläufe: Will ein Schüler schnell Lesen lernen oder auf Zehn zählen, muss er nicht immer bewusst nachdenken – das wäre sogar eher hinderlich. Ebenso schlecht können wir beschreiben, was wir im Moment genau tun. Die entsprechenden motorischen Programme hat das Gehirn implizit verinnerlicht.

Abb. 3. Gedächtnismodell

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Abbildung zeigt die inhaltliche Unterteilung des Langzeitgedächtnisses/ -speichers. Es handelt sich um ein allgemein anerkanntes und heute gängiges Gedächtnismodell.

3.6 Vergessen

Der dem Gedächtnis gegenläufige Vorgang ist Vergessen. Dieser Vorgang ist noch weitgehend ungeklärt. Manche Formen von Gedächtnisverlusten betreffen nur eine Komponente unseres Gedächtnisses, andere bleiben weitgehend intakt.

Die Forscherin Faraneh Vargha-Khadem[12] (1997 in Schumacher[13] & Stern, 21-27, 2007) berichtete über drei Kinder, die nach Hirnschädigungen unter so genannter antero-grader Amnesie[14] litten: Ihr implizites und ihr semantisches Gedächtnis waren zwar intakt, allerdings konnten sie keine neuen Inhalte episodischer Art behalten. Den Lehrstoff in der Schule lernten sie zufriedenstellend, hatten aber am Abend vergessen, dass sie überhaupt dort waren. Sie lebten in einem schmalen Streifen Gegenwart – die Vergangenheit versank nach wenigen Stunden im Nichts des Vergessens.

Auch wenn wir in Sonderschulen nicht gerade auf Amnestiker stossen, lernen viele Schüler, ohne wirklich etwas zu wissen, weil viele cerebrale Teilleistungsstörungen psychische oder bewussteinsmässige Störungen und Behinderungen aufweisen. Die Schüler pauken täglich Kulturtechniken, ohne sichtliche Erfolge. Aus verschiedenen Gründen können sie ihr Wissen auf Nachfrage nicht angeben. Ein Grund kann darin liegen, dass das betreffende Wissen unbewusst ist. Es ist auch möglich, dass sie ihr Wissen aufgrund mangelnden Zutrauens in die eigenen Fähigkeiten[15], fehlender Kenntnisse oder ungenügender Automatisierung nicht preisgeben, wegen psychischer Störungen nicht lernen oder sich nicht genügend konzentrieren können.

3.7 Automatisch lernt sich einfacher

Unbewusstes Lernen ist ein Phänomen, das uns aus dem Alltag bestens vertraut ist. Es wird im psychologischen Fachjargon als „implizites Lernen“ bezeichnet und wie folgt charakterisiert: Es findet beiläufig statt und erfolgt ohne bewusste Lernabsicht und ohne Ausrichtung der Aufmerksamkeit auf die einzelnen Lernschritte. Kinder lernen ihre Muttersprache, ohne dass sie sich ausdrücklich dazu entschliessen müssen. Das Wissen, das im Zuge impliziten Lernens erworben wird, ist unbewusst und steht für Beschreibungen nicht zur Verfügung[16]. Nur die wenigsten Sonderschüler sind in der Lage, grammatikalische Regeln der Muttersprache zu beschreiben – obwohl sie ein- fache Regeln korrekt anwenden.

Nicht alles lässt sich unbewusst lernen. Manche Kompetenzen, wie z.B. Lesen und Schreiben oder das Binden der Schuhe, werden nur erworben, wenn die Aufmerksamkeit durch gezielte Instruktionen auf die einzelnen Lernschritte gelenkt wird. Die Frage ist, wo die Grenzen unbewussten Lernens liegen und warum es sie gibt. Die Beantwortung dieser Frage ist von grosser pädagogischer und didaktischer Bedeutung, schliesslich ist es für die Gestaltung des Schulunterrichts entscheidend, welche Inhalte und Fähigkeiten sich unbewusst und beiläufig vermitteln lassen – und in welchen Fällen eine gezielte Instruktion notwendig ist.

3.7.1 Unterschiede zwischen bewusstem und automatisiertem Verhalten

Die Experimente von Schneider und Shiffrin (1977 in Schneider u. Shiffrin; Shiffrin u. Schneider, 1977a, b) und ihre Erkenntnisse über bewusstes und unbewusstes Verhalten untermauern die Aussagen von Jansen und Streit (2006, 87) über die Wichtigkeit automatisierten Lernens. Ein Beispiel: Neulenker fahren gefährlicher, weil sie mehrere Dinge gleichzeitig bewusst steuern und kontrollieren müssen. Die Gefahr, etwas zu über- sehen ist sehr gross. Routinierte Lenker fahren weitgehend unbewusst. Sie können Radio hören, Gespräche führen und gleichzeitig das Fahrzeug sicher lenken, weil sie die Fertigkeiten dafür hoch automatisiert haben.

Abb. 4. Unterschiede von bewusstem und unbewusstem Verhalten

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Abbildung zeigt den Unterschied zwischen bewusst kontrolliertem und automatischem Verhalten.

3.7.2 Durch kortikale Neuorganisation entsteht Leistungssteigerung

Erarbeiten Schüler einen neuen Lernstoff, können sie sich diesen zu Beginn nur Schritt für Schritt aneignen. Das Gehirn verarbeitet aufgrund seiner noch wenig effektiven Organisation die Verarbeitungsschritte nacheinander (sequenziell). Im weiteren Lernprozess erreicht es durch umfassende Synapsenbildung und Neuorganisation eine parallele Verarbeitung und damit eine unglaubliche Ökonomie neurornaler Prozesse. Weniger Hirnareale leisten bei geringerer Aktivität die gleiche Aufgabe schneller und fehlerfrei und erreichen ab einem bestimmten Punkt eine Leistungssteigerung bis zu 2000%. Das konnten Jansma et al. (2001 in Jansen, 2005, 86) aufzeigen.

In der Praxis ist diese Erkenntnis für Schüler mit Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom (ADS) oder anderen „Verhaltensschwierigkeiten“ von enormem Nutzen. Wird positives Verhalten automatisiert, haben sie in bezug auf ihr Verhalten keine Nachteile mehr, weil sie sich bereits unbewusster (oder auch gewohnter) anders verhalten. Wie sich das im Einzelfall konkret umsetzen lässt, ist damit allerdings noch nicht beantwortet[17].

3.8 Das Aktivierungsniveau

Wer aufmerksam ist, lernt mehr und ist in einer optimalen Lernaktivierung. Die Grundlagenforschung kennt die Zusammenhänge zwischen körperlicher Aktivierung, die sich anhand des Blutdruckes messen lässt, und der Lern- und Leistungsfähigkeit. Fernandez-Duque & Posner (1997 in Spitzer, 2007, 141) sprechen von Aufmerksamkeit im Sinne von Vigilanz[18] als zeitlicher und selektiver Aufmerksamkeit, als räumliche Prozesse, die unabhängig voneinander operieren.

Die selektive Aufmerksamkeit wird von der allgemeinen Aufmerksamkeitserhöhung (Erhöhung der Vigilanz) unterschieden. Jansen et al. (1990a, b in Jansen, 2006, 66ff) entwickelten eine Untersuchungsform, um Auswirkungen von Unter- und Überaktivierung auf das Lernverhalten zu erklären. Der Zusammenhang wurde auch in anderen Studien ermittelt (etwa Yerkes u. Dodsen 1908; Freemann 1940; Wood u. Hokanson 1965 in Jansen, 2006, 72) und mit einer U-Form erklärt.

Abb. 5. Die Aktivierungskurve

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Abbildung zeigt den Aktivierungsbogen nach Yekes u. Dodson (1908). Bei zunehmender Erregung (links) nimmt die Leistungsfähigkeit zunächst zu, erreicht ein Optimum (markierter Bereich) und nimmt dann wieder ab (rechts). Unteraktivierte Kinder (aufgrund von ADS, psychischen Störungen, bewusstseinsmässigen oder cerebralen Behinderungen usw.) brauchen in der Regel mehr Erregung, um eine optimale Leistung zu erreichen. Eine Unteraktivierung ist immer ungünstig, weil das Gehirn vermindert aktiviert ist.

Zu hohe oder zu niedrige Aktivierung beim Lernen wirkt sich ungünstig aus. Durch den Abfall der intellektuellen Leistungsfähigkeit erlebt ein Kind unangenehme Gefühle, wie Unter- oder Überforderung oder Müdigkeit. Jansen (2006, 66) betont, dass Kinder mit Lern- und Leistungsstörungen durch das zu niedrige Aktivierungsniveau viele Misserfolge erleben, was ihr Selbstwertgefühl beeinflussen kann.

3.9 Lernen

Konrad Lorenz schreibt in „Die Rückseite des Spiegels“: „Es gab kaum einen grösseren Irrtum in der menschlichen Geistesgeschichte als die Meinung der Empiristen, dass der Mensch vor jeder individuellen Erfahrung ein unbeschriebenes Blatt, eine ‚tabula rasa‘ sei. Ebenso gross ist allerdings der nur scheinbar entgegengesetzte, im wesentlichen aber identische Irrtum, dem viele nicht biologisch denkende Psychologen huldigen und der in der Annahme besteht, dass Lernen ganz selbstverständlich an allen, auch noch so kleinen Elementen tierischen und menschlichen Verhaltens beteiligt sei. Beide Irrtümer haben die verderbliche Folge, dass sie das zentrale Problem allen Lernens verschleiern. Dieses liegt in der Frage: Wie kommt es, dass Lernen die arterhaltende Wirkung des Verhaltens verbessert?“ (Lorenz, 1973, 96)

Lernen besagt, dass sich Verhalten aus bewusster und unbewusster Erfahrung und Übung ändert oder ein Organismus anders agiert, weil er bereits bestimmte Konsequenzen erfahren hat (im Sinne operanten Lernens). Das Wahrnehmen von Zusammenhängen bestimmter Reize aufgrund von Bedeutungszuweisungen ist (Solso, 2006, 514) ebenso Lernen wie die Veränderung von Verhaltensweisen und nahezu alles, was wir denken und tun. Nicht alles, was wir gelernt haben, machen wir auch so, und nicht jede Verhaltensänderung lässt darauf schliessen, dass etwas gelernt wurde.

Kinder sind die Akteure ihrer eigenen Entwicklung – zumindest gehe ich persönlich davon aus. Anlage und Umwelt und wie stark sie sich auf die Entwicklung und die Fähigkeiten vom Menschen mit bewusstseinsmässigen Behinderungen auswirken, sind zentrale Fragen. Lernerfolg erlebt, wer mit allen Sinnen wahrnimmt, seine Selbständigkeit nutzt, günstige Bewertungen schafft und bestehendes Wissen mit neuen Informationen verknüpft. Das pädagogische Handeln der Erziehenden sehe ich als massgebenden Faktor. Die Erfahrungen des Kindes wahrnehmen, seine Denk- und Handlungswege verstehen und gute Beziehungen fördern das erfolgreiche Lernen.

3.10 Schlussfolgerung

Es versteht sich von selbst, dass Menschen mit bewusstseinsmässigen Behinderungen in der Entwicklung ihrer physischen, psychischen, sozialen und bewusstseinsmässigen Kompetenzen keineswegs dem so genannten „Durchschnittsmenschen“ entsprechen, dass sie aber dennoch nach den gleichen allgemein bekannten Prinzipien lernen. Also müssen Aussagen zu den verschiedenen Dimensionen des allgemeinen menschlichen Erlebens und Verhaltens auch auf Menschen mit bewusstseinsmässigen Behinderungen zutreffen, vorausgesetzt, die jeweiligen Dimensionen haben bei ihnen überhaupt eine wahrnehmbare und beobachtbare Ausprägung:

- Lernen aus psychologischer Sicht vollzieht sich bei lernfähigen Organismen nach den zu Grunde liegenden Lernprinzipien. Die elementaren Lernformen der klassischen und operanten Konditionierung und die Speicherabläufe gelten, je nach Entwicklungsstand, auch für Menschen mit bewusstseinsmässigen Behinderungen.
- Der Spracherwerb, als konkretes Beispiel, verläuft vereinfacht dargestellt in den Schritten: Lallen, Ein-Wort-Sätze, Zwei-Wort-Sätze, Mehr-Wort-Sätze mit zunehmender Grammatik bis zur Umgangssprache. Dieser Verlauf findet sich auch bei Menschen mit bewusstseinsmässigen Behinderungen – sofern die organischen und kognitiven Voraussetzungen dies erlauben.
- Faktoren, die Lern- und Leistungsstörungen, psychosomatische Erkrankungen und psychische Störungen erhöhen oder verhindern können, wirken sich bei Menschen mit bewusstseinsmässigen Behinderungen gleich aus wie bei anderen.
- Überforderung wirkt sich im Lernprozess weniger schlimm aus als Unterforderung, die den Lernenden lähmt und den Lernerfolg zunichte machen kann.

Die Aussagen der allgemeinen Psychologie über Lernprinzipien müssen auch auf Menschen mit Behinderungen zutreffen. Allerdings stelle ich die Frage, wie allgemeingültig diese Prinzipen und Theorien sein müssen, damit sie diesen Personenkreis tatsächlich einschliessen?

4. Das IntraActPlus-Konzept von Jansen und Streit

„Alles, was gegen die Natur ist, hat auf Dauer keinen Bestand.“

Charles Darwin, 1809–1882

4.1 Einleitung

1992 veröffentlichten Fritz Jansen und Uta Streit das Buch „Eltern als Therapeuten“. Die Autoren betonen darin die Wichtigkeit der Elternarbeit und weiten den Begriff „Eltern“ auf alle Bezugspersonen eines Kindes aus, weil die psychologischen Gesetzmässigkeiten einer Beziehung immer die selben sind. Der Ansatz wurde von ihnen weiterentwickelt und es zeigte sich, dass die Gesetzmässigkeiten für die Beziehung mit leichten Abwandlungen auch für Bezugspersonen untereinander galten, wie z.B. am Arbeitsplatz, Lehrern und Schülern, Ehepartner und Gruppen. Die Tatsachen erforderten, die Bezeichnung „Eltern als Therapeuten“ weiter zu fassen:

Eine Gruppe sammelt sich um eine Person, mit der sie kommuniziert, oder einzelne Personen bilden Gruppen und kommunizieren miteinander. Diese beiden Faktoren finden sich auch bei Schülern, Lehrern, Familien, Projektgruppen, usw. Die Anwendungsbereiche zeigen, dass Beziehungen von innen nach aussen ebenso wie von aussen nach innen und innerhalb eines Systems stattfinden.

Aufgrund der Erkenntnisse suchten die Autoren nach einer neuen Bezeichnung für ihren Ansatz und wählten dafür IntraActPlus. „Intra“ (lateinisch) bedeutet innerhalb; „Act“ (englisch) bedeutet „handeln“ und steht für aktive Veränderung und aktives Handeln. „Plus“ bezeichnet die positive innere Haltung.

Das IAP-Konzept ist ein Therapie- und Interventionsansatz, wird seit über 20 Jahren weiterentwickelt und baut auf den Ergebnissen der Grundlagenforschung auf. Das Konzept setzt Ergebnisse aus der biologischen und allgemeinen Psychologie, u.a. von Niels Birbaumer[19] oder Wilhelm Glaser, um und entwickelt daraus neue Therapiebausteine.

4.2 Konzept und Anwendung

Jansen und Streit betonen, dass sich ihr Konzept mit den meisten Lehrplänen und Bildungskonzepten kombinieren lässt, wie etwa mit dem Regel-, Sonderschul- und Fremdsprachenunterricht usw., machen aber weder Aussagen über die Wichtigkeit der Lerninhalte noch darüber, welche Ziele und Werte im Schulbereich wichtig sind, denn diese werden durch gesellschaftliche Prozesse bestimmt (Jansen 2006, 314).

Das Konzept deckt den gesamten Altersbereich vom Säugling bis zum Erwachsenen ab, weil sich die Autoren auf biologische Vorgänge berufen. Das ist erstaunlich, weil es von unterschiedlichen und konkurrierenden didaktischen Methoden nur so wimmelt. Nachfolgend werden Anwendungsbereiche des IAP-Konzeptes vorgestellt.

4.3 IntraActPlus als Therapie für Therapeuten

Das Therapiekonzept arbeitet mit einem Vorgespräch zwischen zwei oder mehreren Parteien, bei dem die Anamnese erhoben und die aktuelle Situation besprochen wird. Es werden di individuellen Ziele und ihr Umgang mit der aktuellen Situation besprochen und danach gemeinsame Ziele festgelegt. Als nächstes werden Standardsituationen gefilmt und am Video mit den Klienten besprochen. Mit der Video-Diagnose werden auch das Konzept von IAP und die Lernprinzipien erläutert.

Danach werden für das Lernen und die Beziehung günstige Verhaltensweisen geübt. Allgemeine Lernprinzipien wie das Reagieren im Sekundenfenster, die Auswirkungen von Bestrafungs- und Belohnungstyp 1 und 2[20] und die Auswirkungen von ungünstigen Signalen in Rollenspielen usw. werden erklärt, wodurch das eigene Verhalten und die Auswirkungen auf den Lernenden bewusst werden. Am Video wird beobachtet, bis die Bezugspersonen die eigenen Signale und die des Lernenden erkennen, wonach man die Situationen im Rollenspiel so lange übt, bis sie verstanden oder „überlernt“ sind.

4.3.1 Kinder und Jugendliche

Beziehung ist der Schlüssel zur Vermittlung von Werten und Zielen und unverzichtbar für die Motivation und positive Eigensteuerung. An der Erarbeitung eines Oberzieles orientieren sich die nötigen Massnahmen. Oberziele sind die höchsten Ziele eines Menschen und wirken hierarchisch auf die unter ihnen liegende Ebene. Oberziele können Bereiche wie „Beruf“, „Familie“ oder „Lernen wollen“ sein. Je höher sie sind, desto grösser ist ihr Einfluss auf die Persönlichkeit, weil sie alle tieferen Ziele beeinflussen und der Mensch sich nach dem Oberziel ausrichtet.

Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen wird in Therapie und Beratung mit Videoanalysen optimiert. Die bildlich unterstützte Gesprächsführung zeigt allen Beteiligten das unbewusste Verhalten und die unbewussten Beziehungssignale auf. Das führt bei allen Teilnehmern zu einer besonders guten Mitarbeit.

4.3.2 Erwachsene

Hier wird die Gesprächsführung stärker betont. Wichtig ist das Sensibilisieren für unbewusste Strafreize in Gesprächen, positive Veränderungen im Gesprächsverlauf und deren Übernahme bei gleichzeitiger Grenzsetzung. Geübt werden der Umgang mit Strafreizen resp. solche zu unterlassen, die Analyse und die Möglichkeiten der Veränderung durch Lob, das Wahrnehmen der Oberziele des Gesprächspartners usw.

4.4 IntraActPlus als Lehrmittel

Für die erfolgreiche Lernarbeit im Unterricht ist die Beziehung zwischen Lehrern und Lernenden die wichtigste Voraussetzung. Sie entscheidet über die Eigensteuerung eines Kindes und für welche Lerninhalte es sich motiviert. Das IAP-Konzept basiert auf der Kooperation aller Bezugspersonen (Kind, Lehrer, Eltern, Therapeuten). Das Hauptaugenmerk beim Lernen wird auf häufige Wiederholung und Festigung der Lerninhalte gerichtet. Lerngeschwindigkeit, Aufmerksamkeit, Wahrnehmung und Antwortverhalten sind besonders wichtig. Gruppenarbeiten und gegenseitiges Beobachten am Video werden in den Schulalltag einbezogen. Ausser verhaltenstherapeutischen Umsetzungen bietet Jansen mit Hilfe seines neuen Lese- und Schreib-Lehrmittels auch einfachere Hilfestellungen für Lehrpersonen und Schüler an.

4.5 Grundlegende Prinzipien des IntraActPlus-Konzepts

Im folgenden Kapitel werden die wichtigsten Prinzipien des IAP-Konzepts erläutert und auf Experimente der Grundlagenforschung hingewiesen.

4.5.1 Lernen oder Nichtlernen

Die wichtigste Frage für Jansen ist: „Lernt mein Kind, oder lernt es nicht?“ Die Antwort führt zum besseren Verständnis des Lernenden. Lernen ist nur erfolgreich, wenn man sich anstrengt, was bedeutet: Die Eigensteuerung des Lernenden (also die Bereitschaft zu lernen) ist zunächst wichtiger als der Lerninhalt.

„Jedes Verhalten eines Kindes, Jugendlichen oder Erwachsenen wird immer durch seine Eigensteuerung gelenkt“ (Jansen 2006, 4). Meist ohne es zu wissen, formen die Bezugspersonen durch ihre Signale und die gewählten Aufgaben und Lernwege die Eigensteuerung eines Kindes oder Jugendlichen.

Die Eigensteuerung ist eine biologische Fähigkeit, über die alle Lebewesen verfügen. Sie ist ein äusserst intelligentes System, das biologisch gesehen immer optimal reagiert und uns auf einfachste Art die Selbstorganisation erlaubt. Das Gehirn verarbeitet alle Informationen und reagiert optimal darauf, wodurch die zielorientierte Adaption der Eigensteuerung ermöglicht und selbständig neue Fähigkeiten und Ziele aufgebaut werden. Erstaunlich ist, dass das Gehirn bei diesem komplexen Verarbeitungsprozess auch noch lernt.

Abgesehen von neurologischen Leistungsbetrachtungen stellt Pawlik (2006, 727) die Frage, weshalb einige Schüler motivierter lernen als andere. Das Leistungsmotiv wird hochgradig durch die Hoffnung auf Erfolg und die Angst vor Misserfolg beeinflusst. Das Selbstbild eines Schülers hängt von seiner Reaktion auf Erfolge und Misserfolge ab. Scheitert er wiederholt an einer Aufgabe, zeigt er typische Hilflosigkeitsreaktionen. Er macht sich Vorwürfe, bewertet sich und seine Leistung negativ und/ oder fühlt sich blamiert. Warum solche Unterschiede in der Leistungsmotivation? Nach Cain u. Dweck (1995 in Pawlik, 2006, 727) scheinen Vorstellungen über die eigene Begabung und Intelligenz entscheidend zu sein. Kinder, für die Intelligenz und Begabung stabile Persönlichkeitsmerkmale sind, entschuldigen damit ihre schlechte Leistung, statt sich mehr anzustrengen. Kinder, die sich auf die Aufgabe statt auf sich selbst konzentrieren, strengen sich mehr an. Aus diesem Grund sollten Bezugspersonen nach Jansen (2006, 8f) folgende Punkte genau beachten (verkürzte Aufstellung):

- Lernsituationen, bei denen Schwierigkeiten zu erwarten sind, nicht ausweichen.
- Das Lerntempo so wählen, dass alle Informationen gut verarbeitet werden können.
- Das Lerntempo so langsam wählen, dass es zu einem guten Gefühl kommt.
- Am Fehler das Arbeitstempo noch weiter verlangsamen.
- Sich am Fehler nicht bestrafen.
- Lerninhalte ausreichend lang im Kurzzeitspeicher halten.

Kinder speichern nach Jansen (2006, 6) günstige oder ungünstige Informationen, die sie von Bezugspersonen erhalten, wissens- und gefühlsorientiert ab und stellen sie in die für das Lernen wichtigen fünf Kernbereiche, die ihre Eigensteuerung beeinflussen:

1. Ziele
2. Gedankliche Selbststeuerungen
3. Allgemeine Lernstrategien
4. Fachbezogene Lernstrategien
5. Hier sind die hirnorganisch mitgegebenen Fähigkeiten enthalten. In diesem Bereich liegen auch die cerebralen Teilleistungsstörungen[21]. Diese Fähigkeiten sind nur die Kernbereiche der Eigensteuerung und sind ein Teil von 60 weiteren Fähigkeiten.

4.5.2 Die wichtigsten Lernmethoden

Die einfachste und bedeutendste Lernmethode bei IAP heisst nach Mutters alter Schule „Wiederholen.“ (Anschliessend die wichtigsten fünf Methoden):

- Ausreichend langsames Arbeiten
- Ausreichend langes Halten der Lerninhalte im Kurzzeitspeicher
- Angemessenes Wiederholen
- Angemessene Beurteilung des eigenen Lernverhaltens
- Guter Umgang mit Fehlern

Es spielt keine Rolle, ob die Lerninhalte leicht oder schwierig sind. Bei schwierigen Lerninhalten empfiehlt Jansen, die Speicherung in mehreren Verarbeitungsschritten, also einzelne Lernschritte ausreichend lange zu wiederholen (Jansen, 2006, 106).

4.5.3 Beziehungssignale

„Eltern und andere Bezugspersonen senden im Zusammenhang mit dem Lernen ständig unbewusste und bewusste Signale an das Kind. Es entnimmt diesen Signalen – ebenfalls unbewusst und bewusst – atemberaubende Informationen“ (Jansen, 2006, 5). Welche Informationen entnimmt das Kind den Signalen? Bezugspersonen stellen oft fest, dass Kinder die Information nicht so verstanden haben, wie erwartet wurde.

Wir kommunizieren, auch wenn wir nicht miteinander sprechen. Der Satz „Man kann nicht nicht kommunizieren“ des Wissenschaftlers Paul Watzlawick entspringt nicht dem Wunsch, mit allem und jedem zu kommunizieren. Ein Organismus kann ohne Kommunikation nicht leben. Neurologisch gesehen kann das Gehirn nichts anderes als Impulse aus der Umwelt zu verarbeiten und darauf zu antworten. Hört es damit auf, ist es klinisch tot[22].

Zwischen 90 und 100% aller Signale aus der Umwelt werden unbewusst verarbeitet. Das ist sehr effizient. Wird das Gehirn vom Bewusstsein nicht gestört, arbeitet es parallel an mehreren Signalen und ist erst noch schneller. Sigmund Freud verglich das Bewusste mit der Spitze eines Eisbergs (10 Prozent) und das Unbewusste mit dem grossen Rest unter Wasser (90 Prozent). Das gilt auch für belohnende und bestrafende Beziehungssignale. Diese werden laut Jansen (2006, 6) in wissens- und gefühlsorientierte Informationsinhalte aufgeteilt:

Wissensorientierte Informationsinhalte der Bezugsperson können dem Lernenden ungünstige Signale mitteilen, z.B. (verkürzte Aufstellung):

- Schwierige Stellen sollten möglichst schnell gelöst werden, was Lernen erübrigt.
- Lernen kann insgesamt schnell hinter sich gebracht werden.
- Der Lerninhalt ist wichtiger als das eigene Bemühen.
Gefühlsorientierte Informationen der Bezugsperson können dem Lernenden mitteilen: - Lernen ist schön.
- Fehler und schwierige Lernstellen sind unangenehm usw. usf.

Die innere Einstellung der Bezugspersonen gegenüber dem Lernenden und dem Lerninhalt wirkt sich positiv oder negativ auf das Lernverhalten des Lernenden aus, weil entsprechende Gedanken und Gefühle erzeugt werden, die zum aktiven Lernen oder zum Vermeiden des Lernens führen.

4.5.4 Oberziele und Ziele

Ziele sind für das Verhalten und die Persönlichkeitsentwicklung von enormer Bedeutung. Fragt sich, wie es gelingt, dass Kinder und Jugendliche wichtige Ziele übernehmen? Von der Evolution sind wir nach Jansen (2006, 21) mit einer Anzahl genetisch gegebener Ziele ausgestattet, wie z.B. Nähe, Anerkennung, Körperkontakt, Kontrolle, ein angemessenes Aktivierungsniveau, Nahrungsaufnahme usw.

Forschungsergebnisse aus der Motivationspsychologie lassen darauf schliessen, dass Verhalten erst durch psychischen Repräsentationen (Vorstellungen und Ziele) gesteuert wird. Ziele und Zielhierarchien entscheiden darüber, ob wir Anstrengungsbereitschaft, Motivation und Engagement zeigen. Obwohl in Pawlik (2006, 239ff) der Begriff Motivation durch verschiedene Autoren im weiteren Sinn synonym mit Motiv (Beweggründe) in Verbindung gebracht wird, beschreibt er in der Psychologie die Gesamtheit der psychischen Prozesse. Der Mensch verfügt über die Fähigkeit, durch Lernen auf verschiedenen Ebenen neue Ziele zu definieren und zu bilden. Jansen (2006, 19) spricht von Ober- und Unterzielen und weist darauf hin, dass die Beziehung das wichtigste genetische Ziel für das Erlernen von Deutsch, Mathematik usw. oder das Mitmachen in Fördersituationen ist, also der Wunsch nach Nähe, Wärme und Anerkennung. Je wichtiger das Ziel für ein Kind ist, desto umfassender adaptiert es sein Verhalten und organisiert sich dadurch so, dass es dieses möglichst schnell erreicht.

Abb. 6. Hierarchischer Aufbau von Ober- und Unterzielen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Darstellung zeigt die Zielhierarchie eines Kindes mit dem Oberziel „Lernen wollen“. Das Kind richtet sein Verhalten nach dem höchsten Ziel aus. Es bemüht sich um Konzentration und darauf, bei schwierigen Aufgaben langsamer zu arbeiten, sich auf das Lernen einzulassen, nicht mehr an einem Machtkampf teilzunehmen und seine Zeit einzuteilen.

4.5.5 Teilleistungsstörungen sind keine Lern- und Leistungsstörungen

Für Jansen ist eine Behinderung nicht das gleiche wie eine Lern- und Leistungsstörung. „Eine Lern- und Leistungsstörung ist in der Entstehungsphase zuerst einmal die Antwort des intelligenten Systems ‚Eigensteuerung’ auf die meist unbewussten Signale der Bezugspersonen und schlecht gewählten Aufgaben und Lernwege“ (Jansen, 2006, 4). Eine Lern- und Leistungsstörung ist dann vorhanden, wenn „mit dem Lernen unvereinbare Ziele, wie etwa Vermeiden und Machtgewinn, zu häufig aufgerufen werden“ (Jansen, 2006, 11).

Wer eine bewusstseinsmässige/ cerebrale Behinderung hat, hat nicht zwingend eine Lern- und Leistungsstörung. Er kann trotz seiner Behinderung Erstaunliches lernen. Michael Winterhoff[23] sagte in einem Interview in „Psychologie Heute“: „(...) Solange Lehrern und Erziehern die fehlende Reife der Kinder nicht bewusst ist, überfordern sie die Kinder permanent. Frühkindlich narzisstisch fixierte Kinder reagieren auf pädagogische Konzepte gar nicht oder sehr aggressiv. Grundsätzlich sind Kinder bemüht, jedoch nur, wenn sie auf der Entwicklungsstufe angesprochen werden, auf der sie sich gerade bewegen. Nur wenn Kinder in ihren Fehlentwicklungen erkannt werden, ist auch mit entsprechenden Konzepten eine Weiterentwicklung durch Lehrer und Erzieher möglich“ (Winterhoff, PS, 63). Auch die Theorie der erlernten Hilflosigkeit von Seligman (1975 in Rustenmeyer, 2004, 19) weist darauf hin, dass nicht in erster Linie Teilleistungsstörungen Lern- und Leistungsstörungen verursachen, sondern der hohe Erwartungsdruck[24].

4.6 Das diagnostische Verfahren bei IntraActPlus

Wenn Eltern und Lehrkräfte nicht verstehen, weshalb ein Kind beim Lernen oder in anderen Situationen auf eine bestimmte Weise reagiert, empfiehlt Jansen, die unbewussten Beziehungssignale der Bezugsperson zu beachten. Seine einfache Devise ist: „Kinder verhalten sich nicht zufällig. Es gibt immer einen Grund für das Verhalten des Kindes“ (Jansen, 2006, 112). Oft findet man den Grund in den unbewusst gesendeten Beziehungssignalen der Bezugsperson. Wer stets nur ins Lehrbuch statt in die Augen seiner Schüler schaut, muss sich nicht über mangelnde Aufmerksamkeit wundern. Die Videoarbeit im IAP-Konzept macht solche Prozesse für die Betroffenen sehr schnell sichtbar und nimmt daher eine zentrale Stellung ein.

4.6.1 Die drei Ebenen des Verhaltens

Das diagnostische Verfahren berücksichtigt drei Ebenen der Verhaltensbeschreibung. Das IAP-Konzept geht davon aus, dass Informationen sowohl gefühls- wie auch wissensorientiert verarbeitet werden, was auch bei Teilleistungsstörungen der Fall ist. Das Verhalten wird immer von verschiedenen Faktoren bestimmt.

Abb. 7. Drei Ebenen des Verhaltens

Die Ebenen des Verhaltens „Offenes Verhalten“, „Emotionen“ und „Kognition“ beeinflussen sich gegenseitig. Das heisst, Verhalten ist nicht ein-, sondern mehrdimensional. Dieses Denkmodell erklärt die Ebene des offenen, aggressiven Verhaltens mit kognitiven und emotionalen (gefühlsmässigen) Faktoren.

4.6.2 Video Standardsituationen

In der Therapie werden sieben verschiedene Standardsituationen zwischen Kind und Bezugsperson aufgenommen (durch den Autor vereinfacht dargestellt):

1. Spielen: Die Familie spielt ein Spiel, das alle kennen und gern spielen.
2. Lernen: Das Kind lernt mit den Bezugspersonen den festgelegten Lerninhalt, bei dem die typischen Lernschwierigkeiten deutlich werden.
3. Lernen unter veränderten Rahmenbedingungen: bei Lern- und Leistungsstörungen ist es wichtig herauszufinden, welche Einflüsse bestimmte Rahmenbedingungen auf das Lernverhalten des Kindes haben. Deshalb wird das Kind gefilmt beim
a. selbständigen Lernen
b. Lernen mit unterschiedlichen Bezugspersonen
4. Planungsgespräch: Ein bevorstehendes Ereignis wird geplant; die Situation soll nicht gestellt sein.
5. Konfliktgespräch: Es wird ein Thema besprochen, bei dem es öfters Auseinandersetzungen gibt.
6. Körperkontakt: (Anmerkung: Auf diesen Bereich wird nicht eingegangen, weil er mit den Themen der Diplomarbeit nichts zu tun hat.)
7. Weitere Situationen: Sie gehören nicht zu den eigentlichen Standardsituationen. Je nach Problemstellung werden Situationen mit verschiedenen Bezugspersonen aufgenommen.

Nach Jansen (2006, 113ff) sind die aufgeführten Standardsituationen in der Praxis für systematische Verhaltens- und Interaktionsanalysen besonders geeignet und haben sich bei der Diagnose von Lern- und Leistungsstörungen und anderen Schwierigkeiten bewährt. Jede Situationen erlaubt nicht nur, besondere Fragestellungen in gewissen Bereichen zu beantworten, sondern auch einen problemübergreifendes Verhaltensbild.

4.6.3 Beobachtungsbögen

Die Eigensteuerung des Lernenden wird in einem standardisierten Erhebungsverfahren/Beobachtungsbogen[25] festgehalten. Bei der Bezugsperson werden die Fertigkeiten erhoben, die für einen erfolgreichen Aufbau beziehungsweise eine Stabilisierung der entsprechenden Fähigkeiten des Kindes erforderlich sind. Jansen (2006, 119) geht von insgesamt 62 Eigensteuerungen aus, die für ein positives Lernen wichtig sind. Diese werden mit drei Beobachtungsbögen systematisch erfasst. Mit der Beobachtung am Video und der Auswertung der Beobachtungsbögen kann eine Diagnose über die Verhaltensinteraktionen und deren Auswirkungen gestellt werden. Das diagnostische Verfahren[26] ist meiner Meinung nach auch in Sonderschulen denkbar; auch wenn es sehr viel Zeit erfordert, lohnt sich die Mühe, in bestimmten Fällen „genauer hinzuschauen“.

4.7 Schlussfolgerung

Das IAP-Konzept ist sehr umfassend und komplex. Viele Bausteine beruhen auf der Umsetzung von Erkenntnissen aus der Grundlagenforschung und haben deshalb eine weiträumige Wirkungsweise, die sich nicht auf Kinder und Jugendliche beschränkt, sondern auf jedes Lebens- und Lerngebiet. Gerade wegen dem soliden Fundament scheint es sich speziell auch für den Sonderschulunterricht zu eignen. Die Ziele sind von entscheidender Bedeutung und die eigentliche Motivation für das Lernen. Dabei ist festzustellen, dass Ziele in der Regel unbewusst gesetzt und verfolgt werden, was durchaus missbraucht werden kann, wenn sie von Aussenstehenden durchschaut und manipuliert werden.

Eigensteuerung und Beziehung sind äusserst wichtige Elemente des Lernens und entscheiden massgebend über Erfolg oder Misserfolg der Bemühungen, weshalb Eigensteuerung vor Lerninhalt geht, was heisst, dass die Bemühung wichtiger ist als der Lernerfolg, der sich bei entsprechender Bemühung von selbst einstellt. Bei IAP wird mehr beobachtet als gesprochen, indem die unbewussten Signale bewusst gemacht werden, um sie dann zu verändern und neu zu automatisieren.

Lern- und Leistungsstörungen und Teilleistungsstörungen entscheiden bei Jansen nicht über den Lernerfolg, was sein Konzept für Sonderschulen besonders interessant macht und für die Schüler gute Lernerfolge in Aussicht stellt.

Das IAP-Konzept verwendet bewährte und seit langem bekannte verhaltenstherapeutische Verfahren und gleichgestellt aktuelle Forschungsergebnisse, um Verhalten auf verschiedenen Ebenen zu erklären. Die theoretischen Grundlagen des Konzepts sind die Basis für die Erkenntnis und Erklärung von Jansen und Streit, nämlich, dass ein grosser Teil von Lern- und Leistungsstörungen durch Fehlverhalten „künstlich“ erzeugt ist, was ernsthaft zu denken geben sollte.

[...]


[1] Konrad Lorenz gilt als einer der bedeutendsten Verhaltensforscher. Er war Begründer der vergleichenden Verhaltensforschung und befasste sich u.a. mit der evolutionären Erkenntnistheorie, die systematische Beziehungen, Wechselwirkungen und Gesetzmässigkeiten zwischen der biologischen und der soziokulturellen Evolution aufzeigte.

[2] Reinhard Werth ist Neuropsychologe und Privatdozent für Medizinische Psychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München.

[3] Peek war das Vorbild für den Autisten Raymond, den Dustin Hoffman im Film „Rain Man“ spielte. Der Film offenbarte 1988 einem Weltpublikum die verschlossene Welt der Autisten.

[4] Neben Fitzgerald hat auch der australische Forscher Allan Snyder mit einer elektromagnetischen Stimulation bestimmte Fähigkeiten von Asperger-Autisten bei normalen Menschen generiert und diese erforscht. Er setzte die Köpfe der Probanden einer Apparatur mit starker elektromagnetischer Strahlung aus. Einige der Versuchsteilnehmer wurden so kurzzeitig zu Rechenkönigen, andere konnten plötzlich detailgetreu Tiere zeichnen. Als Snyder die Magnetstrahlung ausschaltete, brachten die Probanden wieder nur hilfloses Gekritzel zu Papier.

[5] Hermann Ebbinghaus gilt als Begründer der experimentellen Erforschung des Gedächtnisses und als Entdecker der Lern- und der Vergessenskurve, die er durch das Lernen sinnfreier Silben erstmals experimentell an sich selbst erforschte.

[6] Der Primacy-Effekt besagt, dass man sich an früher eingehende Informationen besser erinnert als an später eingehende. Dem Primacy-Effekt steht der Recency-Effekt gegenüber, bei dem später eingehende Information stärkeres Gewicht erhalten. Es hängt von der Situation ab, welcher der beiden Effekte stärker ausgeprägt ist. Bei der Reproduktion längerer Informationsketten werden jedoch generell eher die zuerst und die zuletzt gelernten Begriffe erinnert.

[7] Das Ikonische Gedächtnis (Ikonischer, sensorischer Speicher) ist eine bestimmte Modellvorstellung über das Gedächtnis. Es bezeichnet den Ultrakurzzeitspeicher (UZG), der für visuelle Informationen zuständig ist.

[8] Chunking bedeutet, dass jedes der 5-9 Elemente mehr Inhalt fassen kann. Das bedeutet: Wer sich Telefonnummern merken will, macht sich „Eselsbrücken“. Die Zahlenreihe wird beispielsweise in einen Satz „verpackt“. So ist es möglich, sich beliebig viele Telefonnummern zu merken. Chunking-Techniken gibt es sehr viele. Erst individuelle Chunking-Techniken führen zum Lernerfolg.

[9] Bezeichnet den Erwerb einer Fähig- oder Fertigkeit in einem einzigen Lernschritt. Bsp: Kind berührt eine heisse Herdplatte -> Schmerzen -> macht es nicht mehr.

[10] Dieses Phänomen wird auch als Ekphorie bezeichnet. griech.: die durch einen Reiz ausgelöste Aktivierung von Gedächtnisinhalten und Erinnerungsvorgängen.

[11] vgl. Kap. 3.6

[12] Die iranische Neuropsychologin Dr. Varaneh Vargha-Khadem ist u.a. durch ihre Mitarbeit an der Erforschung von Genen, die Sprachstörungen verursachen, bekannt geworden.

[13] Ralph Schumacher ist Philosoph und Projektleiter am Institut für Verhaltenswissenschaften der ETH Zürich.

[14] Bei der anterograden Amnesie (Gedächtnisstörung) ist die Merkfähigkeit für neue Bewusstseinsinhalte massiv reduziert. Neue Dinge können nur noch für ein bis zwei Minuten im Gedächtnis erhalten werden, ehe sie wieder vergessen werden.

[15] vgl. Kap. 3.4.3 Die Fähigkeit, mehrere Informationen aufzunehmen (chunking) und zu speichern, haben auch Menschen mit bewusstseinsmässigen Behinderungen, sofern sie keine entsprechenden organischen Schäden aufweisen.

[16] vlg. Kap. 3.5

[17] vgl. dazu das „Würzburger Trainingsmodell“ von (Schneider et al. (1998 in Jansen 2005, 241)

[18] Man spricht von Aufmerksamkeit im Sinne von Vigilanz und meint einen quantitativ angehbaren Zustand des Organismus, der von hellwach bis (im Extremfall) kontaminös reicht. Jansen nennt dieses Phänomen „Aktivierungsniveau“. Von der allgemeinen Vigilanzerhöhung (eng.: alerting) ist die selektive Aufmerksamkeit (engl.: orienting) zu unterscheiden.

[19] Deutscher Psychologe u. Neurobiologe. Beschäftigt sich u.a. mit neuraler Plastizität und Lernen, mit Aspekten der Epilepsie, Schmerzerkrankungen und auch an Gehirn-Computer-Schnittstellen (Brain-Computer Interface BCI).

[20] Belohnung:

Typ 1. Dem Verhalten folgt etwas Angenehmes (Hausaufgaben lösen -> Süssigkeit);

Typ 2. Etwas Unangenehmes wird nach dem Verhalten vermieden (Hausaufgaben lösen -> nicht Abwaschen).

Bestrafung:

Typ 1. Dem Verhalten folgt etwas Unangenehmes (keine Hausaufgaben lösen -> schlechte Noten);

Typ 2. Etwas Angenehmes wird nach dem Verhalten vermieden (keine Hausaufgaben lösen -> Abwaschen).

[21] Sind isolierte Beeinträchtigungen einzelner oder mehrerer Funktionen im Gehirn (Cerebrale Beeinträchtigungen).

[22] Klinischer Tod, bezeichnet den völligen Kreislaufstillstand und u.a. die Aufhebung jeder Grosshirnaktivität.

[23] Jahrgang 1955, studierte Medizin und arbeitet als Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie. Schwerpunkt seiner Interessen sind psychische Entwicklungsstörungen im Kindes- und Jugendalter.

[24] vgl. Kap.6ff

[25] vgl. Anhang 14.2 und 14.3

[26] siehe Beobachtungsbogen und Jansen, (2006, 112-126).

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2009
ISBN (PDF)
9783956849374
ISBN (Paperback)
9783956844379
Dateigröße
11.4 MB
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Schlagworte
Leistungsstörung Lernstörung Umgang bei Widerständen Verhalten IntraActPlus

Autor

Natan Bjnar Tadeus Brand, B.A., wurde 1982 in Winterthur, Schweiz geboren. Sein Studium der Schulischen Heilpädagogik an der Höheren Fachschule der Berufs-, Fach- und Fortbildungsschule Bern schloss er im Jahre 2009 als Schulischer Heilpädagoge B.A. EDK erfolgreich ab. Bereits vor seinem Studium engagierte sich der Autor in der Behindertenarbeit bei verschiedenen Vereinen und Organisationen, was ihn auch zum späteren Studium motivierte. Neben seinem Studium lies sich der Autor zum IntraActPlus-Trainer ausbilden und spezialisierte sich auf die Arbeit mit Kindern im Grundschulalter mit Lern- und Leistungsstörungen. Seine mehrjährige Berufserfahrung an Schulen im In- und Ausland und als freischaffender Verhaltenstrainer und Erziehungsberater motivierten ihn, sich der Thematik des vorliegenden Buches zu widmen.
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Titel: Lernen ist schön! Das IntraActPlus-Konzept in Heilpädagogischen Schulen
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