Latente Funktionen von Karriereförderung in Unternehmen
Zusammenfassung
Meine These lautet, dass es ein breites Angebot genannter Maßnahmen braucht, um glaubhaft die Existenz von transparenten, leistungsgerechten Kriterien und Verfahren bzgl. des Karriereaufstiegs transportieren zu können.
Der Selbstbeschreibung von Organisationen nach, wird leistungsgerechte Beförderung praktiziert und dementsprechende Chancengleichheit über alle Schichten, Geschlechter und nationale Hintergründe gewährleistet. Dieser widerspricht jedoch die faktische Verteilung der Führungspositionen erheblich. Offenbar werden in Organisationen regelmäßig Personalentscheidungen gefällt, die nicht auf meritokratischen Prinzipien beruhen.
Aus anderer Perspektive betrachtet, kommt der Existenz und Außendarstellung von Karriereförderungsinstrumenten die latente Funktion einer Verschleierung der Relevanz von Karrierefaktoren wie Selbstdarstellung, Mikropolitik, Netzwerken und vor allem dem ‘richtigen Stallgeruch’ zu.
Diese Arbeit beschäftigt sich mit den latenten Funktionen eines Angebots von Karriereförderungsmaßnahmen in Unternehmen und will dabei folgende Fragen beantworten: Warum passen sich Firmen in ihren Außendarstellungen an gesellschaftliche Wertmaßstäbe von Leistungsgerechtigkeit und Chancengleichheit an, wie bewerkstelligen sie dies und welchen Strukturschutz erfährt eine Organisation dadurch?
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
Schlägt man studentische Magazine, wie die ‚ZEIT Campus‘ oder den ‚Hochschulanzeiger der F.A.Z.‘ auf, fällt ins Auge, dass ein großer Teil des Inhaltes aus Inseraten von Unternehmen besteht, die mittels dieser Medien vielversprechenden Nachwuchs aus den Reihen der Leserschaft akquirieren wollen. Auf den Webseiten großer Unternehmen unter der Rubrik ‚Karriere‘ finden sich schließlich, werbewirksam präsentiert, zahlreiche Informationen zum dortigen Ein- und Aufstieg.
Die Bestrebungen, sich im ‚Kampf‘ um qualifiziertes und leistungsbereites Personal möglichst attraktiv darzustellen, manifestieren sich in einem auffallend einheitlichen Sprachgebrauch. Allerorts wird mit folgenden Attributen geworben: Chancen; persönliche Entwicklung; intensive Förderung; Aufstieg; Transparenz; und die Verheißung, seine Karriere bei entsprechender Leistung selbst zu steuern – „Aus Chancen werden bei uns Karrieren.“ (BASF); „Mit der Unterschrift unter Ihrem Arbeitsvertrag hat Ihre Reise bei der Deutschen Bahn gerade erst begonnen. Wohin sie führt, haben Sie selbst in der Hand. [..] wir begleiten Sie auf Ihrem Weg und werden Ihre persönliche Entwicklung bei uns intensiv fördern.“ (DB); „Wir fördern und entwickeln unsere Führungskräfte systematisch, vom Managementnachwuchs bis zum Top-Manager.“ (VW).[1]
Um diese ‚Versprechungen‘ zu untermauern, werden umfassende Maßnahmen der Karriereförderung in Aussicht gestellt: etwa Trainings, Coachings, Potenzialbeurteilungen und Programme der Führungskräfteentwicklung. Die in diesem Zusammenhang angepriesenen Möglichkeiten, fallen in die Zuständigkeit der Abteilung ‚Personalentwicklung‘ eines Unternehmens. Die wissenschaftliche Definition von Personalentwicklung aus Unternehmensperspektive meint indes, weit nüchterner als die zitierten Beschreibungen, die „Vermittlung jener Qualifikationen, die zur optimalen Verrichtung der derzeitigen und der zukünftigen Aufgaben in einem Unternehmen erforderlich sind.“ (Bröckermann, 2001: 30)
Die Wortwahl, in der Darstellung des Angebots entsprechender Maßnahmen nach außen, orientiert sich hingegen an den Bedürfnissen, Wünschen und Erwartungen (potenzieller) Mitarbeiter an die Personalentwicklung – wie eben der Realisierung beruflicher Ziele. Die Inaussichtstellung von Karrieremöglichkeiten hat, im Sinne des Begriffs „Karrieremacht“ (bei Luhmann (2003: 104ff.) „Personalmacht“), in besonderem Maße eine motivierende Wirkung bzgl. der Arbeitsleistung von Angestellten (vgl. Kühl, 2009: 58f.). Der Inaussichtstellung von Karriereförderungsmaßnahmen kommt also ein werbewirksamer Nutzen im Zuge der Personalbeschaffung eines Unternehmens zu.
Auf den ersten Blick erscheint Personalentwicklung als wenig erklärungsbedürftig – Unternehmen zielen darauf ihre Mitarbeiter zu qualifizieren, die ihrerseits motiviert sind entsprechende Qualifizierungen vorzunehmen, um beruflichen Zielen näher zu kommen. Eine vertiefte Auseinandersetzung mit diesem Feld führte allerdings an einigen Punkten zu Verwunderung und Irritation und schließlich der Veranlassung, mich im Rahmen dieser Arbeit näher mit den verschieden Angeboten sowie der Außendarstellung von Personalentwicklungsmaßnahmen – im Sinne von ‚Karriereförderungsmaßnahmen‘ – zu befassen.
Verwundert hat, dass zum einen relativ viel Geld in genannten Bereich investiert wird, zum anderen die Abteilung weder hierarchisch hoch angesiedelt ist, noch die entsprechenden Tätigkeiten systematisch in die Unternehmensstrategie implementiert werden. Auch die Planung und Durchführung der Maßnahmen selbst irritiert, da beispielsweise die Klärung des Auftrags und der zu erreichenden Lernziele häufig rudimentär verläuft und Formate nicht nachhaltig konzipiert sind – wie etwa Trainings, die meist einmalig und nicht als Follow-Up-Veranstaltungen angeboten werden, was aus trainingspsychologischer Sicht sehr wichtig für den Erfolg wäre (vgl. Ameln, 2009: 217f.). Auch die Evaluation von Personalentwicklungsmaßnahmen stellt sich häufig unsystematisch dar, bzw. beschränkt sich meist auf ‚Happiness-Indexe‘, die die Zufriedenheit mit beispielsweise einem Training oder Coaching seitens der Mitarbeiter messen (vgl. Kühl, 2009: 55).
Fisch & Fiala kommen in einer Studie zu Führungstrainings zu folgendem Ergebnis : „Im deutschen Sprachraum gibt es unverhältnismäßig wenig systematische Untersuchungen über die Wirksamkeit von Führungstrainings. Dies steht in bemerkenswertem Kontrast zu den personellen und finanziellen Aufwendungen für das Führungstraining in Wirtschaft und Verwaltung.“ (Ameln, 2009: 217)
Die Tatsache, dass annähernd jede größere Organisation, trotz der zweifelhaften Wirkung von Seminaren und Trainings u. Ä., über ein breites Angebot dessen verfügt, lässt sich mit der ‚Tendenz zum mimetischen Isomorphismus‘, also der Tendenz sich den etablierten Standards anderer Organisationen anzupassen, erklären (vgl. Ameln, 2009: 218). Auch Gasch betrachtet den ‚Boom‘ von Personalentwicklungsmaßnahmen als ‚Markt und Mode‘ (vgl. ebd.: 221), während Kühl weiter fasst und diesen als Reaktion auf das Aufkommen zahlreicher Personaldiagnostikinstrumente versteht (vgl. Kühl, 2009: 49).
Diesen Auffassungen schließe ich mich grundsätzlich an, möchte mich in dieser Arbeit jedoch speziell der Darstellungsweise von Karriereförderungsmaßnahmen und deren Außenwirkung widmen. Meine These lautet, dass es ein breites Angebot genannter Maßnahmen braucht, um glaubhaft die Existenz von transparenten, leistungsgerechten Kriterien und Verfahren bzgl. des Karriereaufstiegs transportieren zu können. Dieses ‚Bild‘ findet rege Verwendung in der Anwerbung von Personal und so ist die ‚Außendarstellung‘ im wortwörtlichen Sinne, für eine außenstehende Beobachterin wie mich, besonders greifbar und wird in dieser Arbeit immer wieder Ansatzpunkt sein. Die Kommunikation des genannten Bildes ‚nach innen‘, also adressiert an die Organisationmitglieder, dürfte jedoch sehr ähnlich sein und dementsprechend in seinen Auswirkungen nahezu äquivalent ausfallen.
Aus anderer Perspektive betrachtet, kommt der Existenz und Außendarstellung von Karriereförderungsinstrumenten die latente Funktion einer Verschleierung der Relevanz von Karrierefaktoren wie Selbstdarstellung, Mikropolitik, Netzwerken und vor allem dem ‚richtigen Stallgeruch‘ zu. So ergibt eine Studie von Hartmann, der die Lebensläufe von 6500 Promovierten untersucht hat, den Befund, dass es von den Personen aus der Arbeiterklasse und den Mittelschichten nur ungefähr jeder Elfte bis in die Chefetagen geschafft hat. Bei einer sozialen Herkunft aus dem gehobenen Bürgertum schaffte dies jeder Achte und wer aus dem Großbürgertum stammt, hat bereits eine Chance von eins zu vier (vgl. Hartmann/Kopp, 2001: 436). Selbst nach Absolvierung des höchsten Bildungsabschlusses, wenn sich gewissermaßen schon ‚die Spreu vom Weizen getrennt hat‘, was Ehrgeiz, Eigeninitiative und Leistungsbereitschaft betrifft, hat die soziale Herkunft einen nicht unerheblichen Einfluss auf Aufstiegsprozesse.
Der Selbstbeschreibung von Organisationen nach, wird leistungsgerechte Beförderung praktiziert und dementsprechende Chancengleichheit über alle Schichten, Geschlechter und nationale Hintergründe gewährleistet. Dieser widerspricht jedoch die faktische Verteilung der Führungspositionen erheblich. Offenbar werden in Organisationen regelmäßig Personalentscheidungen gefällt, die nicht auf meritokratischen Prinzipien beruhen. Beispielsweise wenn darauf hingewirkt wird, dass ein bestimmter ‚Wunschkandidat‘, bei dem ‚die Chemie‘ stimmt, durch ein offiziell transparentes, leistungsbezogenes Assessmentcenter ‚geschleust‘ wird (vgl. Kühl, 2009: 61). Oder wenn jemand, trotz mangelnder Passung mit einem definierten Anforderungsprofil, aufgrund von ‚Bauchgefühlen‘ der Entscheider den Vorzug für eine Stelle erhält. Diese Mechanismen sind illegitim, können nicht offen thematisiert werden und bedürfen daher einer Verschleierung.
Unter der Hinzuziehung der Ursprünge von Personalentwicklung in Unternehmen, die gerade in der Herstellung bzw. Darstellung von Chancengleichheit liegen, lässt sich diese These untermauern. Gasch bezeichnet die Motive von Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten – geschichtlich betrachtet – als ‚sozialen Akt‘. Einige Arbeitgeber versuchten ihren Angestellten ‚Bildung‘ als eine freiwillige soziale Leistung zu gewähren. Später verwandelten diese sich in ein ‚soziales Gut‘, auf das ein Arbeitnehmer Anspruch habe, unabhängig davon, wie und wo er arbeitet. So bestimmte vielmehr der Gedanke von ‚sozialer Gerechtigkeit‘ die Planung und Teilnehmerrekrutierung bei Fortbildungsveranstaltungen, denn eine organisatorische Notwendigkeit (vgl. Ameln: 2009: 219).
Ich möchte mich also in dieser Arbeit mit den latenten Funktionen eines Angebots von Karriereförderungsmaßnahmen in Unternehmen beschäftigen und dabei folgende Fragen beantworten: Warum passen sich Firmen in ihren Außendarstellungen an gesellschaftliche Wertmaßstäbe von Leistungsgerechtigkeit und Chancengleichheit an, wie bewerkstelligen sie dies und welchen Strukturschutz erfährt eine Organisation dadurch?
Gegliedert ist meine Arbeit so, dass ich zunächst einige zentrale Begriffe erläutere (Personalentwicklung, Personalbeurteilung und Karriereförderung sowie Personalmarketing und Employer Branding), um anschließend die hier thematisierten Selbstbeschreibungen von Unternehmen unter der Rubrik „Karriere“ zu umreißen. Schließlich nehme ich eine theoretische Einbettung selbiger vor, um aufzuzeigen, wie sich Organisationen Nichtmitgliedern gegenüber darstellen und ein tieferes Verständnis des heute verwendeten Sprachgebrauchs der Selbstbeschreibungen von Organisationen zu ermöglichen. Schließlich gehe ich darauf ein, welchen Werten diese Beschreibungen gerecht werden wollen und in welchem Zusammenhang dies mit der Rekrutierung und Motivierung von Arbeitnehmern steht. Weiters stelle ich verschiedene Einflussfaktoren von Karrieren dar, mit besonderem Schwerpunkt auf dem klassespezifischen Habitus, als einen Faktor jenseits transparenter bzw. kommunizierbarer Kriterien. Daran anknüpfend führe ich in die Theorie latenter Funktionen ein, um diese schließlich auf zuvor geschilderte Gegebenheiten anzuwenden. In einer Schlussbemerkung werde ich meine Arbeit resümieren, diskutieren und einen Ausblick liefern.
2. Tätigkeiten des Personalwesens
Der Fokus meiner Arbeit richtet sich auf Angebote der Karriereförderung in Unternehmen und die Darstellung dieser nach außen. Ich werde die Aufgabenbereiche „Karriereförderung“ und „Personalmarketing“ daher kurz in den Gesamtzusammenhang des Gefüges von Unternehmen stellen und schließlich einige konkretere Erläuterungen beider Begriffe anfügen.
Unternehmen sind so aufgebaut, dass die Produktion ihrer Güter möglichst reibungslos abläuft. Dazu wird festgelegt, wer für welche Aufgaben zuständig ist – in den meisten größeren Unternehmen gibt es sechs Abteilungen: Unternehmensleitung, Finanzen, Personal, Vertrieb/ Marketing, Einkauf und Produktion. Der Aufbau richtet sich dabei nach der Größe des Unternehmens und nach den hergestellten Produkten.
Die wesentlichen Funktionen des Personalwesens sind: Personalführung, Personalplanung, Personalentwicklung, Personalbeschaffung, Personalkommunikation, Personalverwaltung, Personaleinsatz, Personalcontrolling, Entgeltmanagement und Personalbetreuung (vgl. Hentze/ Kammel, 2001: 189 ff.). Themen des Bereichs „Karriereförderung“ obliegen der Abteilung Personalentwicklung, während Aufgaben des „Personalmarketing“ bzw. „Employer Branding“ der Personalbeschaffung zuzuordnen sind – letztere werde ich im folgenden Kapitel umreißen.
Auf den Webseiten großer Unternehmen wird mit zahlreichen Maßnahmen der sogenannten „Karriereförderung“ geworben – näheres dazu in Kapitel 3.1. An dieser Stelle fällt auf, dass die „Karriereförderung von Mitarbeitern“ kein ursprüngliches Aufgabengebiet in einer Unternehmung ist. Vielmehr versuchen Unternehmen ihre Mitarbeiter im Sinne der betriebswirtschaftlichen Definition von Personalentwicklung „optimal für die Bewältigung gegenwärtiger und zukünftiger Herausforderungen zu qualifizieren“ (vgl. Hungenberg/ Wulf: 401f.).
In der Bezeichnung der dafür ausgewählten Maßnahmen als „Angebote der individuellen Förderung“ steckt zum einen bereits eine Werbebotschaft, die darauf abzielt als attraktiver Arbeitgeber zu gelten und zum anderen eine gewisse Verschleierung der Interessen von Unternehmen, diese Angebote überhaupt zu machen. In Kapitel 6.2 schließt sich eine Auseinandersetzung mit den latenten Funktionen von Karriereförderung an – doch zunächst folgt ein Überblick über verschiedene Aspekte von Personalentwicklung in ihrem definitorischen bzw. idealtypischen Sinne.
2.1 Personalentwicklung, Personalbeurteilung und Karriereförderung
Mit dem Begriff der Personalentwicklung werden alle Programme, Systeme und Maßnahmen bezeichnet, welche der Aus-, Fort-, und Weiterbildung der Mitarbeiter eines Unternehmens dienen. Ziel ist es, die Belegschaft hierarchieübergreifend für aktuelle Erfordernisse sowie für künftige Anforderungen zu befähigen – beispielsweise durch die Vermittlung tätigkeitsspezifischen oder allgemeinen Wissens, kognitiver Fähigkeiten, sozialer Kompetenzen, Führungskompetenzen und sonstiger Schlüsselqualifikationen (vgl. Franzke/ Wien, 2013: 18).
Zur Relevanz von Personalentwicklung sagen Franzke & Wien: „Eine Unternehmung wird von ihrem Umfeld, also von den zu Grunde liegenden Rahmenbedingungen des jeweiligen Standortes, geprägt. Der Fortschritt und die sich ständig ändernden Bedingungen erfordern ein gesteigertes Maß an Flexibilität im Rahmen des Unternehmens. Damit sich ein Unternehmen den Bedingungen anpassen kann, bedarf es einer regelmäßigen Personalentwicklung. Denn eine angepasste und systematisch ausgerichtete Personalentwicklung ist der entscheidende Faktor für den Unternehmenserfolg.“ (ebd.: 1) Die gegenwärtig verstärkte Bedeutung von Personalentwicklung begründet sich in den meisten Darstellungen durch folgende Umstände: Schnellen Wandel der Arbeitswelt, innovativen Druck bei Produkten und Dienstleistungen, demographische Entwicklung sowie Reorganisation (vgl. ebd.: 14).
Zielorientierte Personalentwicklung, die die Interessen der Mitarbeiter und des Unternehmens in Einklang bringt, muss vier Aufgaben erfüllen, die gemeinsam den (idealtypischen) Prozess der Personalentwicklung bilden: 1. Bestimmung von Entwicklungszielen und Entwicklungsbedarf (in Form von Personalbeurteilung durch Assessment-Center, 360-Grad-Feedback etc.); 2. Gestaltung geeigneter Entwicklungsmaßnahmen; 3. Durchführung von Maßnahmen; und 4. Evaluation des Entwicklungserfolgs (vgl. Hungenberg/ Wulf, 2011: 412ff.).
Personalbeurteilung, die entscheidende Grundlage für die Personalentwicklung, kann grundsätzlich in die Leistungs- und Verhaltensbeurteilung, die Potentialbeurteilung und die Persönlichkeitsbeurteilung unterteilt werden. Bei der internen Besetzung von Positionen wird häufig ein ‚Development Center‘ durchgeführt, durch das der Ausleseprozess für alle Beteiligten transparent gemacht werden soll. Darüber hinaus signalisiert das Unternehmen, dass es sich um Chancengleichheit bemüht. Um Transparenz und Objektivität zu gewährleisten wird meist eine Mehrfachbeurteilung vorgenommen. Durch die Bündelung vieler Perspektiven können subjektive Beobachtungs- und Bewertungsfehler aufgehoben und die die Ergebnisse aller Beobachter verdichtet und in eine Bewertung überführt werden. (vgl. ebd.: 417ff.).
Personalbeurteilung erfüllt damit drei wichtige Funktionen im Rahmen der Personalentwicklung: 1. Unterstützung der Personalentwicklungsplanung; 2. Basis für die ergebnisorientierte Kontrolle von Personalentwicklungsmaßnahmen; 3. Motivationssteigerung seitens der Mitarbeiter, da für viele Menschen die Tatsache, dass sie beurteilt werden, eine leistungsstimulierende Wirkung besitzt, während kritische Beurteilungen Potenzial hinsichtlich Verhaltensänderungen bergen (vgl. ebd.: 417f.).
Um Mitarbeiter zu qualifizieren, existieren vielfältige Methoden. Dementsprechend finden sich in der Literatur auch ganz unterschiedliche Systematisierungen dieser. Die wohl gängigste Einteilung gliedert Maßnahmen nach dem „Lernort“ - nämlich Personalentwicklung „into the job“ (Einführungsprogramme, Traineeprogramme), „on the job“ (Projektarbeit, job enlargement, job rotation), „parallel to the job“ (Coaching, Mentoring), „near the job“ (Lernstatt, Qualitätszirkel), „off the job“ (Vorträge, Workshops, Trainings, Rollenspiele, Fallstudien) und „out of the job“ (Ruhestandsvorbereitung) (vgl. ebd.: 405ff.).
Große Unternehmen benennen ihre Programme und Methoden oft im Sinne ihrer ‚Corporate Identity‘ und verleihen ihnen damit das Angesicht eines hohen Professionalisierungsgrades: Die Firma Siemens[2] bietet mit „My Career@Siemens“ ein computerbasiertes Programm zur Einschätzung und Beurteilung persönlicher Ziele und Entwicklungsgebiete. Unter den Begriffen „Learning Campus“ und „Siemens Leadership Excellence“ werden alle Aktivitäten zum Kompetenzaufbau der Mitarbeiter zusammengefasst. Bei der Deutschen Bahn[3] will das „DB Entwicklungswege Tool“ Transparenz darüber verschaffen, welche Voraussetzungen und Qualifizierungen für die verschiedenen Karriereschritte erforderlich sind.
Um den Personalentwicklungsprozess zu schließen, muss letztlich noch der Entwicklungserfolg der durchgeführten Maßnahmen evaluiert und somit die aufgewandten Kosten für Personal, Material, Reisen, Unterkünfte etc. in ein Verhältnis zum Ertrag gestellt werden.
Der Theorie nach bewertet die Kontextkontrolle sämtliche Aktivitäten, die im Zuge der der Planungsphase vorgenommen werden. Lernfortschrittskontrollen überprüfen den Zuwachs an Wissen und Kompetenzen sowie die Lernmotivation und die verwendeten Methoden und Medien. Und schließlich evaluiert die Transferkontrolle im Arbeitsfeld selbst, in welchem Ausmaß sich das Gelernte tatsächlich positiv in der Praxis auswirkt (vgl. ebd.: 412ff.). Insbesondere Transfer- und Geschäftserfolg lassen sich in der Praxis schwer bemessen, das gilt vor allem für die monetäre Bestimmung von komplexen Leistungen, wie der Tätigkeit von Führungskräften. Generell lässt sich das Verhalten von Individuen schwerlich kausal auf den Effekt einer Entwicklungsmaßnahme zurückführen. (vgl. Kühl 2009: 55ff.).
Zieht man einen Vergleich zwischen der wissenschaftlichen (bzw. betriebswirtschaftlichen) Definition von Personalentwicklung und wie diese auf den Webseiten großer Unternehmen dargestellt wird, werden bereits erste Diskrepanzen ersichtlich. Der Einsatz von Mitarbeiterbeurteilungen und Personalentwicklungsmaßnahmen soll immer auch zu Leistungssteigerungen der Mitarbeiter beziehungsweise des Unternehmens führen und kann auch als Instrument der Disziplinierung oder Stabilisierung von bestehenden Macht- und Herrschaftsverhältnissen Anwendung finden. Um jedoch eine breite Akzeptanz seitens der (potenziellen) Belegschaft zu generieren, werden die Vorteile der Beurteilungen und Entwicklungsmaßnahmen in den Vordergrund gestellt. Zu nennen wären hier beispielsweise die Honorierung guter Leistungen, die Möglichkeit auf persönliche Entwicklung oder die Förderung der Leistungsgerechtigkeit im Unternehmen (vgl. Breisig, 2005: 346f.). Allgemein lässt sich eine Tendenz erkennen, dass die im Vordergrund bestehenden Zwecke unzureichend erfüllt, hingegen latente Funktionen wesentlich stärker wirken.
2.2 Personalmarketing und Employer Branding
„Personalmarketing stellt [..] die Erschließung, insbesondere des externen Arbeitsmarktes, durch den Auf- und Ausbau eines positiven Images auf den beschaffungsrelevanten Arbeitsmarktsegmenten eines Betriebes dar. [..] Letztendlich geht es darum, dass sich bei vakanten Stellen eine Vielzahl von qualifizierten Personen zu einer Bewerbung entschließt. Dies kann z.B. geschehen durch den koordinierten Einsatz bestimmter Kommunikationsmittel.“ [4]
Die meist ausgefeilte Webseiten-Rubrik „Karriere“ ist Teil der Personalbeschaffung bzw. des Personalmarketings eines Unternehmens. Zum einen werden aktiv vakante Stellen ausgeschrieben und alle für eine Bewerbung notwendigen Informationen zur Verfügung gestellt. Zum anderen wird die Rubrik genutzt, um allgemeinere Auskunft über Unternehmenswerte, Karrierepfade und die verschiedensten Angebote der Mitarbeiterförderung zu geben und so die Reputation des Unternehmens als Arbeitgeber zu verbessern und dieses für qualifizierte Bewerber interessanter zu machen. Durch das Bild, das eine Organisation darstellt, entsteht auch eine Selbstselektion auf Seiten der potenziellen Mitglieder (vgl. Mayntz, 1968: 121).
Die Außendarstellung großer Firmen erfolgt gemäß des unternehmensweiten Employer-Branding-Konzepts. ‚Employer Branding‘ (dt. Arbeitgebermarkenbildung) umfasst alle strategischen Maßnahmen, die ein Unternehmen insgesamt als attraktiven Arbeitgeber darstellen und im Arbeitsmarkt positionieren sollen. Die Definition der Deutschen Employer Branding Akademie von 2006[5] lautet wie folgt: „Employer Branding ist die identitätsbasierte, intern wie extern wirksame Entwicklung und Positionierung eines Unternehmens als glaubwürdiger und attraktiver Arbeitgeber.“
So bestehen die Ziele von Employer Branding vornehmlich darin vielversprechende Bewerber zu rekrutieren und leistungsstarkes Personal an das Unternehmen zu binden. Employer Branding hat aus Arbeitgebersicht die Funktionen der Präferenzbildung, der Differenzierung und der Emotionalisierung, während seitens (potenzieller) Arbeitnehmer Orientierung, Vertrauen und Identifikation bereitgestellt werden sollen. Insgesamt zielt Employer Branding auf die Wirkungsbereiche Mitarbeitergewinnung, Mitarbeiterbindung, Unternehmenskultur, Unternehmensmarke sowie Leistung und Ergebnis.
Mit ihrer Außendarstellung reagieren die im Rahmen dieser Arbeit exemplarisch betrachteten Unternehmen insbesondere auf Vorstellungen, die die sogenannten Generation Y[6] von einem attraktiven Arbeitgeber hat. Angehörige der Generation wünschen sich Transparenz über die Entwicklungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten und die Schaffung von individualisierten Aufstiegspfaden. Sie erwarten regelmäßiges, differenziertes Feedback betreffend ihrer Leistungen und Bedürfnisse, da sie es aus den Aktivitäten im Internet gewohnt, Transparenz zu erfahren und sich spielerisch weiterzuentwickeln. Weiters bevorzugen sie teamorientierte Führungskräfte, die für Gleichbehandlung, Solidarität und ein gutes Betriebsklima sorgen. Darüber hinaus messen sie Leistung und Kompetenz mehr Wert bei als hierarchischen Positionen.[7]
Auch eine Studie von Kring[8] kommt zu der Erkenntnis, dass die Generation Y Arbeitsverhältnissen, in denen man neue Fähigkeiten erlernen kann, einen hohen Wert beimisst und Trainingsmöglichkeiten und eine systematische Personalentwicklung von dieser Zielgruppe geschätzt werden. Die Möglichkeit, sich innerhalb des Unternehmens weiterzubilden, sei der Generation Y sehr wichtig. Demnach sollte ein Arbeitgeber ein Angebot alternativer Karriere- und Entwicklungspfade bieten, um dem Drang der Generation, sich über ihre Arbeit zu verwirklichen, Prestige zu erlangen und Bestätigung für erbrachte Leistungen zu erhalten zu begegnen. Die Generation Y lasse sich gut durch Aufstiegschancen motivieren und diesem Aspekt sollten Unternehmen mit möglichst steilen und gleichzeitig variantenreichen Karrieremöglichkeiten begegnen.
3. Selbstbeschreibungen von Organisationen
3.1 Eine kleine Empirie
Schaut man sich die Webseiten großer Unternehmen an, findet sich stets die Rubrik „Karriere“, in der zum einen auf aktuelle Vakanzen hingewiesen wird, die aber vor allem Informationen zum Ein- und Aufstieg enthält. Unternehmen nutzen diesen Bereich, um sich als attraktiver Arbeitgeber zu präsentieren bzw. sich als Arbeitgebermarke – auch ggü. Organisationsmitgliedern – zu positionieren.
So wird angepriesen, was das Unternehmen bezogen auf Themenbereiche wie „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“, „Verantwortung und Engagement“, „Gesundheit und Vorsorge“ oder „Diversity“ bieten kann. Auch ein Eindruck von der Unternehmenskultur wird vermittelt.
Zum anderen werden mögliche Perspektiven beschrieben, die einem Mitarbeiter in Aussicht stehen. Vorgestellt werden typischerweise die Geschäftsbereiche und die oft vorhandene internationale Ausrichtung, darüber hinaus die verschiedenen Maßnahmen der Personalentwicklung – oft etikettiert als „Karriereförderung“ – wie Training, Coaching, Supervision, Mitarbeitergespräch, 360°-Feedback, computergestützte Personaldiagnostik (Personalauswahl und Potenzialdiagnostik) und spezielle Führungskräfteentwicklung und schließlich die Möglichkeit des Erwerbs bestimmter Bildungszertifikate oder einer Teilnahme an Auslands- und Projekteinsätzen.
Auffallend ist, dass sich die Selbstbeschreibungen von Unternehmen in der Rubrik „Karriere“ stark ähneln. Ein Überblick der Webseiten der ‚25 umsatzstärksten Unternehmen in Deutschland‘[9] zeichnet folgendes Bild:
‚Erfolgreich wird sein, wer Spitzenleistungen erbringt und wer motiviert ist; Leistung wird anerkannt; Konzepte zur Managemententwicklung stellen den Rahmen bereit, dass sich die besten Leute an die Spitze setzen; es wird Wert gelegt auf offene Dialoge und eine aktive Rolle des Mitarbeiters im Zielvereinbarungsprozess; Voraussetzungen und Qualifizierungen, die für bestimmte Karriereschritte erforderlich sind, werden transparent gemacht; ebenso transparent werden die Kriterien gemacht, an denen Erfolg und Vergütung gemessen werden; besonders betont wird, dass die Maßnahmen allen Mitarbeitern offen stehen – besonders adressiert werden jedoch die ‚Motivierten und Leistungsstarken‘ – und sich jeder nach seinem Gusto weiterentwickeln kann; Entwicklung wird systematisch gefördert – vom Nachwuchsführungskräften bzw. allen die es werden wollen, bis zum Topmanagement; Personalauswahl- und Personalentwicklungsprozesse erfolgen standardisiert und systematisch; es wird jedem Mitarbeiter ermöglicht, seine Fähigkeiten und Kompetenzen weiterzuentwickeln, sein Potenzial auszuschöpfen, seine Stärken zu entfalten; nicht nur die fachliche, sondern auch die persönliche Entwicklung wird gefördert; wohin sich Mitarbeiter auch bewegen möchten, sie werden vom Unternehmen begleitet.[10] Die Beschreibungen suggerieren, dass Kriterien für Leistung transparent seien und man mit entsprechender Leistung und Motivation seinen Karriereweg selbst bestimmen könne.
In diesem Zusammenhang meint Jost: „Mit der Konstruktion der Wirklichkeit, dass Aufstiege steuerbar sind, wird gleichzeitig Über- und Unterordnung gerechtfertigt.“ (Jost, 1996: 66) Auch ergibt sich das Bild, dass man nahezu alle nötigen Fähigkeiten für eine steile Karriere im Unternehmen erwerben könne. Die Rubrik ‚Karriere‘ auf den Webseiten großen Unternehmen mutet ähnlich an, wie der Büchermarkt an Ratgebern, der die Lehr- und Trainierbarkeit von Sozialkompetenzen propagiert. Als seien Individuen beliebig gestaltbar, wenn sie nur ernsthaft wollen und ein paar gute Ratschläge befolgen und als sein ihnen dadurch eine vielversprechende Karriere garantiert (vgl. Prisching, 2003: 63).
In diesem Zusammenhang ist noch von Interesse, dass ‚Leistung in einer Führungsposition‘ offenbar eine gehörige Portion (trainierbarer?) Sozialkompetenzen meint bzw. voraussetzt. Ein Überblick[11] über verschiedene Stellenanzeigen für Managementpositionen erlaubt einen Eindruck, welche Fähigkeiten von besonderer Relevanz zu sein scheinen.
Die Inserate nennen bestimmte Fachkompetenzen als Grundvoraussetzung für die Besetzung einer Stelle, mit bemerkenswerter Intensität wird jedoch nach Soft Skills (und damit ist weder Knigge noch sozialpolitisches Engagement gemeint) gefragt, wie z.B.: ‚Kommunikation, souveränes Auftreten, unternehmerisches Denken, ein hohes Maß an Selbstdisziplin und Charakterstärke, Führungsverhalten, Teamfähigkeit, Konfliktlösung, Rhetorik und Präsentation, Arbeitstechniken und Zeitmanagement.‘ Die gegenwärtige Arbeitswelt brauche Persönlichkeiten, Individuen, die kreativ, innovativ, durchsetzungsfähig und stilsicher sind.
3.2 Selbstbeschreibung und Selbstdarstellung von Organisationen
Im Folgenden werde ich die Außendarstellung von Unternehmen theoretisch einbetten, in dem ich einen Überblick der Beiträge von Luhmann ‚Die Darstellung eines Systems für Nicht-Mitglieder‘ bzw. von Kieserling ‚Selbstbeschreibung von Organisationen‘ gebe.
Die wichtigste Funktion von Organisationssystemen kann in der Modellierung von relativ ungeordneten, spontanen Interaktionsprozessen in steuerbare Abläufe strategisch relevanter Handlungsprozesse gesehen werden. Organisation bezeichnet einen Systemtyp, der für die Erfüllung eines spezifischen Zwecks bzw. um einer bestimmten Leistung willen eingerichtet ist. Wichtige Voraussetzung für den Leistungsgewinn einer Organisation ist, dass das System zwischen (mindestens) zwei Umwelten – seinen Mitgliedern und seinen Nichtmitgliedern – adäquat unterscheiden kann (vgl. Luhmann, 1969: 394).
Die Kommunikation nach außen läuft selektiv ab. Es wird ein Teil der Wirklichkeit präsentiert und das ist eine Darstellung, die nicht einfach vorhanden ist, sondern aufgebaut, verbessert und verändert werden muss (vgl. Luhmann 1972: 113). „Wie für die internen Funktionen der formalen Systeme Symbole und Erwartungen generalisiert werden müssen, so sind im externen Verkehr Idealisierungen erforderlich.“ (ebd.: 113) Dazu sagt Simon etwas drastischer: „Administrative description suffers currently from superficiality, oversimplification, lack of realism.” (Simon, 1946: 63)
Die im vorangegangenen Abschnitt skizzierten Selbstbeschreibungen von Unternehmen, adressieren v.a. die Nichtmitglieder (bzw. potentiellen Mitglieder) der Organisation. Verfasst wurden die Texte der Webseiten, wie schon im vorherigen Kapitel beschrieben, (vermutlich) von der Abteilung ‚Employer Branding‘ oder ‚Personalmarketing‘, deren Aufgabe es schließlich ist, fähiges und leistungswilliges Personal zu beschaffen. Die Arbeit einer solchen Abteilung dient also dem Zweck der Rekrutierung von Mitgliedern, um letztlich zu der Erfüllung des Oberzwecks einer Organisation beizutragen, wie bspw. im produzierenden Gewerbe der Herstellung von Autos (vgl. Kühl, 2011: 23).
Nach Luhmann wird Nichtmitgliedern gegenüber keinesfalls das gesamte System faktischen Verhaltens sichtbar gemacht, sondern eine „[..] begrenzte, idealisierte, zusammenstimmende Auswahl von Themen, Symbolen und Erwartungen, die den Leitfaden für die Situationsdefinition geben, wenn Nichtmitglieder anwesend sind oder sonst Einblick nehmen könnten.“ (Luhmann, 1972: 112) – wie im Falle der Betrachtung einer Unternehmenswebseite. Aus diesem Grund verliere die formale Organisation auch an Relevanz, sobald Schnittpunkte mit der Umwelt abnehmen. Die formale Organisation bilde also die ‚Schauseite‘ (vgl. ebd.: 112f.). Dazu müssen alle sichtbaren Gegebenheiten aufbereitet, von Makeln und Unstimmigkeiten befreit und möglichst auf akzeptierbare Werte überhöht werden. Das Resultat müsse „den Eindruck selbstverständlicher Richtigkeit, Vollkommenheit und Allgemeingültigkeit erwecken“ (ebd.: 113)
Die Anpassung von Selbstbeschreibungen an kulturell vorgegebene Muster – zu denen auch ‚allgemein akzeptierte Werte‘ zählen – hat auch Kieserling thematisiert. Er hat sich in seinen Ausführungen vor allem auf den Zweckbegriff und die Hierarchiekonzeption fokussiert (vgl. Kieserling, 2005: 53ff.), wobei der Versuch einer Maximierung von Konsens mit der Umwelt durch geeignetes Vokabular, sich wohl auf verschiedenste Selbstaussagen von Unternehmen beziehen lässt
Organisationen verwenden also vorzugsweise Formeln der Selbstbeschreibung, für die gesellschaftsweite Zustimmung in Aussicht steht. „In der empirischen Forschung entspricht dem der Befund, dass Selbstbeschreibung und faktisch benutzte Systemstruktur divergieren.“ (ebd.: 53) Muster die konsensfähig sind, vermögen kein zutreffendes Bild über die tatsächlichen Systemstrukturen zu vermitteln.
Beispielsweise Zweckbegriff und Hierarchiekonzeption unterlagen in der Moderne mehrfachen Umdeutungen, denn sie wurden relativiert und durch andere Selbstbeschreibungen ergänzt, wenn nicht gar ersetzt. Im Zuge dieses Prozesses fand eine Angleichung von Organisationen an die Gesellschaft statt – im Sinne einer Gesellschaft im Kleinformat, eben ohne Hierarchie und instrumentelle Vernunft (vgl. ebd.: 78 ). „Die Hierarchie wird nicht mehr als Hierarchie bezeichnet. Stattdessen spielt man soziale Gleichheit.“ (ebd.: 75) Der Begriff ‚Zielvorhaben‘ werde durch ‚Zielvereinbarungen‘ ersetzt. Während derlei Euphemismen sich längere Zeit auf die Ebene des unmittelbaren Kontaktes beschränkten, dringen sie heute mehr und mehr auch in die offizielle Selbstbeschreibung der Organisation ein. Gerade um die spezifische Individualität auszudrücken, muss eine Organisation eine Sprache verwenden, die nicht nur auf ihren eigenen Fall passt (vgl. ebd.: 51).
Der Systemzweck hingegen degradiere zu einem ‚Wert neben anderen. Organisationen bekennen sich zu diversen Grundwerten ihrer Umwelt und verkaufen diese als Ausdruck ihrer eigenen ‚Kultur‘. Denn Grundwerte wie Frauenförderung oder Umweltschutz eignen sich in den allermeisten Fällen besser für die Konsensmaximierung als der Systemzweck selbst (vgl. ebd.: 77ff.). Werte, die ursprünglich nur in sehr begrenzter Form relevant waren, werden zu Werten des Gesamtsystems hochstilisiert: “Die Zwecke des Systems werden wie Nebenbedingungen behandelt, die bei der fortschreitenden Verwirklichung von Grundwerten der Political Correctness zu beachten seien.“ (ebd.: 84)
[...]
[1] Eine Auswahl aussagekräftiger Zitate, entnommen von den Webseiten der 25 größten Unternehmen Deutschlands, befindet sich samt Quellen im Anhang.
[2] Webseite der Fa. Siemens (2013): Rubrik Arbeiten bei Siemens
[3] Webseite der Deutschen Bahn AG (2013): Rubrik Perspektiven bei der DB
[4] Personalmanagement.info(o.D.): Personalmarketing
[5] DEBA (2006): Definition Employer Branding
[6] Mit der Generation Y werden jene Personen erfasst, die zwischen 1981 und 2000 geboren wurden und allgemeinhin für die Eigenschaft bekannt sind, vieles zu hinterfragen (‚why?‘).
[7] Wirtschaftswoche (2013): Generation Y – Wie die Chefs von morgen ticken; 15.4.2013
[8] Kring, Thorn (2013): Generation Y – Anforderung an Personal- und Organisationsentwicklung
[9] Jährlich veröffentlicht die Süddeutsche Zeitung eine Liste „Top 100 in Deutschland“ – ein Ranking der 100 umsatzstärksten Unternehmen (ohne Banken und Versicherungen).
[10] Wie schon erwähnt, befindet sich eine Aufführung von Zitaten der Webseiten samt Quellenangabe im Anhang.
[11] Prisching hat Stellenanzeigen der Printmedien ZEIT, Frankfurter Allgemeine, Wirtschaftswoche und andren zusammengetragen (vgl. Prisching, 2009: 54ff.).
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Erstausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2013
- ISBN (PDF)
- 9783956849138
- ISBN (Paperback)
- 9783956844133
- Dateigröße
- 731 KB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Universität Bielefeld
- Erscheinungsdatum
- 2015 (Februar)
- Note
- 1,3
- Schlagworte
- Personalentwicklung Leistungsgerechtigkeit Meritokratie Recruiting Employer Branding
- Produktsicherheit
- BACHELOR + MASTER Publishing