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Mobbing in der Schule: Ursache, Auswirkung und Prävention

©2008 Studienarbeit 35 Seiten

Zusammenfassung

Der Begriff „Mobbing“ hat seit Anfang der 90er Jahre in Deutschland eine große Aufmerksamkeit erregt. In vielen Medien (Zeitungen, Fernsehen, Bücher…) wird über dieses gezielte Tyrannisieren und Schikanieren berichtet. Hierbei beschränkt sich Mobbing oft nur auf den Arbeitsplatz und somit auf die Erwachsenenwelt. Leider findet Mobbing in den letzten Jahren auch vermehrt unter Kindern und Jugendlichen statt. Viele fragen sich seitdem, wie Mobbing in der Schule aussieht und wie es sich auswirkt.
Das bis vor kurzem nur vage bekannte Phänomen unter Schülern ist nur schwer zu erkennen. Eltern erleben ein sich zunehmend zurückziehendes und isolierendes Kind und werden möglicherweise mit Schulunlust und aktiver Schulverweigerung konfrontiert. In mindestens 50% der Fälle bleibt die Ursache unklar, da Kinder wegen der Sorge, dass sie keine Chance auf Besserung der täglichen Schikanen in der Klasse haben, oft nichts davon erzählen.
Seit es Anfang der 70er Jahre in Schweden erstmals beschrieben wurde, hat Mobbing als soziale Aggression unter Schülern in den letzten zwanzig bis dreißig Jahren erhebliches Forschungs- und starkes Medieninteresse erfahren (vgl. Schäfer, o.J.). Laut Mechthild Schäfer (o.J.) gehört Mobbing sozusagen zur Schülerkultur, denn an deutschen Schulen wird mindestens eines von zehn Kindern ernsthaft schikaniert und mehr als eines von zehn Kindern schikaniert andere. Es ist jedoch immer noch strittig, welche Ausmaße Mobbing einnimmt und welche Ursachen man für dieses Phänomen heranziehen sollte. Heitmeyer und Schröttle (2006, S. 189) finden insbesondere die Frage relevant, „ob die Institution Schule durch Schulklima, Notengebung etc. auch Gewalt mitverursacht oder ob die Schule „nur“ der Ort ist, der die Gelegenheit zur Gewalt bietet“. Für die Autoren (vgl. Heitmeyer & Schröttle, 2006) scheint eine anspruchsvolle Kombination von Prävention und Qualitätsentwicklung von Schule notwendig zu sein.
In dieser Arbeit soll zuerst näher beschrieben werden, wie Mobbing in der Literatur definiert wird und wo sein Ursprung liegt. Weiter werden präventive Maßnahmen vorgestellt.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


B. Mobbing – psychosoziale Belastungen in der Schule

1. Mobbing – was ist das?

Vor einiger Zeit war der Begriff „Mobbing“ vielen Menschen noch völlig unbekannt. Auch wenn man selbst Opfer dieser Form von Gewalt war oder selbst Strategien des „Mobbens“ exzellent beherrschte und anwendete, war dies der Fall. Doch das Blatt hat sich gewendet und diese Form von Gewalt hat sich so verbreitet, dass sich nicht nur die Wissenschaft intensiv mit diesem Geschehen, das unter anderem immer mehr an Schulen auftritt, intensiv auseinandergesetzt hat.

1.1 Definition und Geschichte von Mobbing

Das Wort „Mobbing“ stammt aus dem Englischen und wurde von „to mob“ abgeleitet. Wörtlich übersetzt heißt es soviel wie „angreifen, anpöbeln, schikanieren“ und bedeutet, dass Menschen über etwas herfallen oder sich auf etwas stürzen. Im deutschen Sprachraum arbeiten Wissenschaftler „vornehmlich mit Übersetzungen wie „Schikanieren“, „Plagen“ (Schweiz) oder „Sekkieren“ (Österreich)“ (Smith et al., 2001, zitiert nach Schäfer, o.J., S. 1). Desweiteren wird der von Olweus definierte Begriff „Mobbing“ überwiegend in Nordeuropa benutzt, wobei in den englischsprachigen Ländern eher der Begriff „Bullying“ Verwendung findet (vgl. Schäfer, o.J.). Abgeleitet von „to bully“ bedeutet er in etwa „sich rüpelhaft aufführen, tyrannisieren, schikanieren“ (Korn, 2006, S.4) und ersetzt den Begriff „Mobb(n)ing“. Bis vor einigen Jahren galt die Unterscheidung zwischen Bullying, welches für den schulischen Bereich und Mobbing, welches in der Arbeitswelt benutzt wurde. Da diese Unterscheidung zunehmend bedeutungslos wird, werden auch in diesem Text die Begriffe Bullying und Mobbing synonym verwendet.

Ursprünglich wurde der Begriff von Konrad Lorenz verwendet um das Angreifen mehrerer Tiere auf ein anderes zu beschreiben. Der bekannte Verhaltensforscher beobachtete bei seinen Studien, dass Tiere einzelne Artgenossen in manchen Situationen aus einer Gruppe ausstoßen um sie anschließend massiv anzugreifen. Dieses im Tierreich beobachtete Verhalten bezeichnete er als „Mobbing“ (vgl. Schäfer, o.J.).

In den 70er Jahren interessierte sich der schwedische Forscher Dan Olweus für dieses Phänomen und begann mit anderen Wissenschaftlern, insbesondere mit Heinemann, der das Synonym Anfang der 60er Jahre benutzte, um das Verhalten von schikanierenden und angreifenden Schülern in der Schule zu definieren, Mobbing in Schulklassen systematisch zu erforschen. Die Untersuchungen wurden durch Selbstmordfälle ausgelöst, „bei denen in gefundenen Tagebucheinträgen Mobbingattacken detailliert beschrieben waren und die Opfer des Mobbings keinen Ausweg mehr sahen“ (Korn, 2006, S. 4). Viele Kinder und Jugendliche wurden in den folgenden Jahren von Olweus, der sogar eine Kompletterhebung an allen norwegischen Schulen durchführte, befragt und untersucht. Er entwickelte in Schweden eine Definition von Mobbing, die besagt, dass ein Schüler dann viktimisiert wird, „wenn er oder sie wiederholt über längere Zeit negativen Handlungen von einem oder mehreren Mitschülern ausgesetzt ist“ (Olweus, 1991, zitiert nach Schäfer, 2001, S.1).

Der schwedische Psychologe Heinz Leymann, der den Mobbing-Begriff Anfang der 90er Jahre prägte, definierte Mobbing als „negative kommunikative Handlungen, die gegen eine Person gerichtet sind (von einer oder mehreren anderen) und die sehr oft und über einen längeren Zeitraum hinaus vorkommen und damit die Beziehung zwischen Täter und Opfer kennzeichnen“ (vgl. Leymann, 1993, zitiert nach Schäfer, o.J.). In der praktischen Arbeit zeigte sich jedoch, dass diese Definition nicht ausreicht. Aus dem Grund formulierte er 1995 eine neue Definition:

„Unter Mobbing wird eine konfliktbelastende Kommunikation am Arbeitsplatz unter Kollegen oder zwischen Vorgesetzten und Untergebenen verstanden, bei der die angegriffene Person unterlegen ist (1) und von einer oder einigen Personen systematisch, oft (2) und während längerer Zeit (3) mit dem Ziel und/oder dem Effekt des Ausstoßens aus dem Arbeitsverhältnis (4) direkt oder indirekt angegriffen wird und dies als Diskriminierung empfindet“ (Leymann, 1995, zitiert nach Schäfer, o.J.).

Nach Leymann ist Mobbing dann gegeben, wenn eine oder mehrere der 45 von ihm beschriebenen Handlungen über ein halbes Jahr oder länger mindestens einmal pro Woche vorkommen. Diese Liste, die im Kapitel 4 noch ausführlicher beschrieben und behandelt wird, ist zwar nicht allumfassend und berücksichtigt nonverbale Angriffe leider nur wenig, gibt jedoch einen groben Überblick um Mobbing-Prozesse zu veranschaulichen. Sie reicht jedoch nicht aus, um alle Aktionen zu erfassen, die von Menschen gegenüber anderen ausgeübt werden können.

Zur selben Zeit, in der Olweus und andere ihre Forschungen in Skandinavien und Schweden durchführten, begannen sich auch in anderen Ländern Forscher dem Thema anzunehmen. Jedoch hat die Zahl der Veröffentlichungen erst in den letzten Jahren erheblich zugenommen. So begannen die Forschungen in Deutschland erst vor ca. zehn Jahren als unter anderem auch an der LMU München Mechthild Schäfer, Marija Kulis und Stefan Korn die Arbeitsgruppe S.A.M.S. (Soziale Aggression und Mobbing in Schulklassen) bildeten und verschiedene Untersuchungen durchführten, an denen insgesamt mehr als 5000 befragte Schülerinnen und Schüler teilnahmen (vgl. Korn, 2006).

Nach Schäfer (2001) ist Mobbing eine Form offener und/oder subtiler Gewalt gegen Mitmenschen über einen längeren Zeitraum, mit dem Ziel der sozialen Ausgrenzung. Es beschreibt das „aggressive, systematische und wiederholte Schikanieren Schwächerer und ist über alle Klassenstufen hinweg zu beobachten“ (Smith, Morita, Olweus, Junger-Tas & Slee, 1999, zitiert nach Schäfer, o.J., S.2). Nicht systematisch auftretende Aggressionen oder Situationen, in denen „zwei die gleich stark sind, miteinander Krach haben“ (Smith et al., 1999, zitiert nach Schäfer, 2001, S.1) werden ebenso wenig als Mobbing bezeichnet wie kurzfristige Konflikte. Schäfer und Korn (vgl. 2001, S.1) beschreiben Bullying als eine „spezifische Form aggressiven Verhaltens“ mit der Intention der „beabsichtigten und gezielten Viktimisierung physisch oder/und psychisch Schwächerer“ um den eigenen sozialen Status aufzuwerten.

Da Mobbing den wiederholten und systematischen Missbrauch einer sozialen Machtposition beschreibt, beobachtet man es hauptsächlich in gefügten, „nicht frei gewählten Gruppen innerhalb hierarchisch strukturierter Systeme“ (Schäfer, o.J., S.2) wie beispielsweise beim Militär, in Haftanstalten, verschiedenen Arbeitskontexten oder in der Schule. Da für den Einzelnen das Entkommen hier erschwert oder oft unmöglich ist, beeinflusst das sowohl den Täter, weil ihm das Opfer nahezu täglich in unzähligen Situationen zur Verfügung steht, als auch das Opfer, welches jederzeit damit rechnen muss attackiert zu werden. Ebenso werden die Mitschüler beeinflusst, die beim Fortschreiten von Mobbing in ihrer Klasse eine zunehmend tragende Rolle einnehmen (vgl. Schäfer, o.J.). Eine starre Gruppenstruktur mit Kräften, die so stark sind, dass der Weggang Einzelner erschwert wird, garantiert dem Täter sozusagen sein „Spielfeld“.

Mobbing, ein originär kollektiver Prozess, ist nur auf der Basis schon existierender Beziehungen möglich und erschöpft sich nicht immer in Dyaden zwischen Opfer und Täter. In 50% der Fälle berichten Opfer, dass mehrere Täter am Mobbing-Prozess beteiligt sind. Es richtet sich immer gegen „ als unterlegen empfundene Einzelpersonen“ (vgl. Schäfer, o.J.).

1.2 Ausmaß und Verteilung von Mobbing

Mechthild Schäfer beschrieb 1996 in ihrem Artikel „Aggression unter Schülern (Bullying). Ausmaß, Arten und Prozesse der Stabilisierung – Ein Überblick“ wie oft und in welchem Ausmaß Bullying in der Schule auftritt.

Wie bereits erwähnt findet Bullying etwa zu „50% in dyadischen Interaktionen und zu 50% als Aggression mehrerer Schüler gegen ein Opfer statt“ (Olweus, 1993; Whitney & Smith, 1993; Schäfer, 1996a; zitiert nach Schäfer, 1996, S. 2). Obwohl unterschiedliche Angaben über das Ausmaß von Bullying vorliegen, welche man im wesentlichen mit Methodenvarianz und wegen unterschiedlicher definierter Schärfe erklärt, lässt sich nach Schäfer (vgl. 1996) ein Richtwert ausmachen. Demnach wird in weiterführenden Schulen durchschnittlich einer von sieben Schülern manchmal schikaniert und 4% der Schüler berichten, dass sie ein- oder mehrmals pro Woche gemobbt werden. In der Grundschule dagegen liegen die Zahlen deutlich höher: bei 8% ist anzunehmen, dass sie ein- oder mehrmals pro Woche schikaniert werden, bei 27% der Schüler tritt Mobbing manchmal auf. Es gilt als bestätigt, dass das Ausmaß der Viktimisierung mit zunehmendem Alter abnimmt, zumal es in der Grundschule definitiv über dem in der weiterführenden Schule liegt und außerdem „einen höheren Anteil physischer Aggression als zu späteren Zeiten“ erhält (Schäfer, 1996, S. 3).

Weiterhin soll noch einmal angemerkt werden, dass Mobbing nicht nur in Schulklassen, sondern z.B. auch unter Erwachsenen im Arbeitsleben, beim Militär und in Gefängnissen weit verbreitet ist, während es in offenen Organisationsstrukturen wie Universitätskursen und -seminaren kaum nachweisbar ist (vgl. Schäfer, o.J.).

In einem weiteren Artikel („Mobbing im Klassenzimmer“) zeigt Schäfer (o.J.) die Prävalenzraten von Mobbing, welche „die Häufigkeit des Auftretens von Individuen innerhalb einer Stichprobe“ beschreibt, „die von anderen Individuen gemobbt werden (Opfer) oder andere aktiv mobben, resp. sich daran beteiligen (Täter)“ (Schäfer, o.J., S. 9). In der Gruppe der Opfer erkennt man ein deutliches Absinken der Prävalenzraten von hohen Werten in der Grundschule (15% bis 35%) zu offenkundig niedrigeren Werten in der weiterführenden Schule (5% bis 16%). Dagegen erkennt man kaum eine Veränderung der Prävalenzraten der Täter, welche in der Grundschule 7% bis 12% haben und in weiterführenden Schulen rund 10% aufweisen (vgl. Schäfer, o.J.).

Man könnte versuchen die hohen Prävalenzraten im Grundschulalter dadurch zu erklären, da jüngere Schüler ein breiteres Konzept von Mobbing aufweisen und/oder weniger effektive Strategien besitzen, um sich gegen Mobbing wehren zu können. Eine weitere Erklärung könnte sein, dass Kinder in der Grundschule eine geringere Sensibilität gegenüber sozialen Normen besitzen. Eventuell kann auch ein Opfer, das viktimisiert wurde, irgendwann entkommen, wohingegen ein Täter meist „immer Täter“ bleibt. Diese Überlegungen können die aufgezeigten Raten jedoch nur zum Teil erklären (vgl. Schäfer, o.J.).

2. Entstehung von Mobbing

Allgemein wird Mobbing möglich, wenn die sozialen Kräfte einer Gruppe nicht ausbalanciert sind. Es ist ein Phänomen, das besonders in sozialen Gruppen vorkommt, in denen klare hierarchische Strukturen herrschen. Jedoch ist jeder Mobbing-Vorfall individuell und unterschiedlich (vgl. Schäfer, 1996).

2.1 Mobbing als Prozess

Mobbing kann zum Beispiel alleine dadurch anfangen, dass einzelne Kinder durch ver­schiedene Vorfälle, ohne Freunde in der Klasse dastehen. Dies kann allein dadurch zustande kommen, dass ein Schüler durchgefallen ist, ein anderer die Schule wechseln musste oder ein Kind aufgrund des Zerbrechens einer Freundschaft, plötzlich alleine ist. Solche Ereignisse führen zu besonderen Verletzlichkeiten des Einzelnen und zu Schutzlosigkeit. Demzufolge kann Mobbing nur dort entstehen, wenn unklare soziale Konstellationen diesem Spielraum bietet (vgl. Schäfer, o.J.).

Durch geschicktes Vorgehen attackieren die Täter die Schwächeren in der Klasse und missbrauchen ihre manipulativen Eignungen gegenüber den Mitschülern, um ihre soziale Macht innerhalb der Klasse zu stärken. Kinder, welche Ansehen anstreben bzw. Anerkennung benötigen, sind besonders erfahren, Spielräume zu erkennen und Opfer zu finden. Belegt wurde auch, dass Kinder, die andere mobben, ihre Umwelt meist nach Gewinnern und Verlieren einteilen, sich selbst eher bei den Gewinnern sehen und sich entsprechend mit den Tätern verbünden bzw. solidarisieren (vgl. Schäfer, 1996).

Das gesamte System der Schikane kann man in drei Phasen einteilen. Zu Beginn steht die Anfangsphase in welcher der Täter mit kleinen Gemeinheiten gegen einzelne Mitschüler ein geeignetes Opfer sucht. In der zweiten Phase beginnen schließlich die systematischen Attacken gegen das Opfer. Das Verhalten der Mitschüler und Lehrer spielt in diesem Stadium eine zentrale Rolle. Nichteingreifen und Zuschauen deuten die Täter als Zustimmung. Wichtig ist, dass im Fall einer Intervention in diesem Stadium das Mobbing-Verhalten unbedingt unterbrochen werden muss. Kommt es schließlich zur dritten Phase des Mobbing-Prozesses, hat es der Täter geschafft, die Klasse davon zu überzeugen, dass die Attacken und Aggressionen gegen das Opfer gerechtfertigt sind. Das Opfer muss ab dem Zeitpunkt nicht nur offene Ablehnung und Angriffe von Seiten des Täters über sich ergehen lassen, sondern von einem Großteil der Klasse (vgl. Korn, 2006).

Mobbing beginnt meist harmlos und schleichend, da auch die Opfer die anfänglichen Gehässigkeiten und Sprüche gegen ihre Person zuerst nicht ernst nehmen. Zudem kommt hinzu, dass niemand dieses Schikanieren wahrhaben will. Die andauernden Angriffe unter­höhlen jedoch im Endeffekt das Selbstvertrauen des Opfers, es verliert zunehmend an An­sehen in der Klasse und wird offiziell als „Buh-Mann“ abgestempelt (vgl. Schäfer, o.J.).

2.2 Die Rolle der Mitschüler

Sobald ein Verhalten eines Schülers von mehreren Mitschülern nicht akzeptiert wird, werden gruppendynamische Prozesse wirksam. Der Täter hat dann ein leichtes Spiel, das Opfer z.B. als „Streber“ dastehen zu lassen. Sobald das Opfer von mehreren Mitschülern ignoriert oder abgelehnt wird, wird die Viktimisierung durch den Täter weniger Ablehnung in der Klasse finden. Allgemein suchen sich Täter jedoch verstärkt Opfer, welche entweder in der Klasse noch nicht richtig integriert sind oder von den Mitschülern bereits abgelehnt werden. Dadurch handelt sich der Täter weniger Ablehnung von Seiten der Mitschüler ein (vgl. Schäfer, o.J.).

Je länger Mobbing dauert, desto mehr Mitschüler kann der Täter überzeugen, dass durch die Reaktionen des Opfers, die „internen Klassenregeln“ verletzt werden. Somit schafft es der Täter während eines Mobbing-Prozesses immer mehr Akzeptanz zu gewinnen, während das Opfer immer mehr an Ablehnung erfährt (vgl. Schäfer, o.J.)

Die Mitschüler nehmen beim Mobbing vier typische Rollen ein. Zum einen gibt es die Assistenten und Unterstützer des Täters, welche nie von sich aus mit dem Schikanieren anfangen würden, sich jedoch sofort einmischen, wenn einer damit anfängt. Desweiteren gibt es die Verteidiger des Opfer, welche für sich sprechen und die Rolle der Außenstehenden. Die Außenstehenden wissen zwar, was in der Klasse vor sich geht, beziehen selbst aber keine Stellung und halten sich komplett aus der Angelegenheit raus. Insgesamt wurde festgestellt, dass man 90% der Klasse eine solche Rolle zuteilen kann (vgl. Korn, 2006).

Pepler und Kollegen (vgl. 2005) fanden in einer Studie an kanadischen Schulen heraus, dass in Mobbing-Situationen nur 31% der Mitschüler zum Opfer freundlich waren, während es zum Täter 57% der Klasse waren. Zudem waren 48% der Mitschüler aktiv am Mobbing beteiligt und immerhin 30% der Mitschüler zeigten rege Anteilnahme, wenn es zu Mobbing kam (vgl. Schäfer, o.J.).

3. Die Ursachen von Mobbing

Da nun Mobbing definiert wurde und auch die Entstehung von Mobbing erläutert wurde, sollen hier die Ursachen beschrieben werden. Schüler mobben Schüler, Schüler schikanieren Lehrer und werden sogar von Lehrern gemobbt. Und auch in der Arbeitswelt ist Mobbing keine Seltenheit. Doch was sind eigentlich die Interessen der Täter? Befürchtet er etwas? Worum kämpft er? Die Ursachen von Mobbing können von vielfältiger Natur sein und sowohl im Täter, im Opfer als auch in den Rahmenbedingungen liegen.

3.1 Ursachen im Täter

Mobbing-Experten sind sich darüber einig, dass stets ein Konflikt der Auslöser für Mobbing ist. Wenn man Konflikte nicht konstruktiv und offen lösen kann, anderen Wohlstand und Erfolg neidet oder sich in seiner Position nicht sicher ist, neigt man dazu, andere zu mobben. Nach Esser und Wolmerath (vgl. 1999) gibt es also immer rationale und emotionale Wurzeln - Mobbing aus reiner Boshaftigkeit, pathologischem Hass oder aus purer Langeweile ist eher selten vorzufinden.

Bezüglich der Ursachen im Täter kann man insgesamt von vier persönlichen Voraussetzungen ausgehen, die jedoch nur in ihrem Zusammenspiel zu Mobbinghandlungen führen. Die Autoren Esser und Wolmerath (vgl. 1999) nehmen erstens an, dass sich der Täter in irgendeiner Weise beeinträchtigt oder beschädigt fühlt oder seine Zukunft gefährdet sieht. Die Gründe hierfür können offen oder verborgen sein. Sowohl die Gefährdung des sozialen Ansehens und des Status, die Gefährdung des Arbeitsplatzes und der beruflichen Position, als auch die Gefährdung der Handlungs- und Entscheidungsfreiheit und/oder die Gefährdung der Sicherheit und Anerkennung können als Motive angenommen werden.

Zweitens wird angenommen, dass eine offene und faire Austragung des Konflikts für den Täter eine riskante Auseinandersetzung ist. Er findet vielleicht keinen anderen, „normalen“ Weg seine eigenen Interessen durchzusetzen, weil er kein anderes Konfliktverfahren kennt – nur den Kampf.

Als dritter Punkt wird aufgeführt, dass die moralischen Bedenken für den Täter geringer sind als das Eigeninteresse. Ist ihm letzteres übermäßig wichtig und will er es auf jeden Fall durchsetzen, so ist ihm sozusagen „jedes Mittel recht“.

In der Theorie vom „Sündenbock“ wird nicht nach tiefergehenden oder übergreifenden Ur­sachen von Problemen gesucht, sondern es wird angenommen, dass der Täter die Welt aus einer „Er-oder-ich-Perspektive“ sieht. Verursacht eine Person ein Problem, so muss diese Person gehen, damit auch das Problem nicht mehr vorhanden ist. Hierbei wird jede Bereit­schaft nach einer sachlichen Suche von Kompromissen durch die personalisierte Sichtweise verbaut (vgl. Esser & Wolmerath, 1999).

Zusätzlich fanden Weiss, Dodge, Bates und Pettit (vgl. 1992, zitiert nach Schäfer, 1996) heraus, dass man Impulsivität, Aggressivität und tendenzielle Unkontrolliertheit als Charakteristika bei Tätern zählen darf. Außerdem durchlaufen sie häufig eine familiäre Situation, „die das Spektrum ihrer Interaktionen und möglicher Reaktionen auf die indi­viduelle Durchsetzung von Zielen mit aggressiven Mitteln verengt“ (Schäfer, 1996, S. 6).

3.2 Gibt es das „typische Opfer“?

Nachdem nun einige Punkte genannt wurden um die Ursachen für Mobbing im Täter zu erklären, soll hier geklärt werden, ob und welche Ursachen es beim Opfer gibt. Gibt es sozusagen „typische Opfer von Mobbing“? Laien würden sagen, dass die typischen Opfer „dick und unsportlich“ oder „Brillenschlangen“ sind. Prinzipiell kann jedoch jeder Mensch Mobbing-Opfer werden. Nach Resch und Huber (vgl. 1994) gibt es jedoch Kennzeichen, die auf eine Mobbing-Gefahr hindeuten. Hierzu zählen äußerliche Kennzeichen wie Brille oder rote Haare, Leistungsschwächen („Looser“) oder Leistungsstärken („Streber“). Als weitere Kennzeichen werden psychische Auffälligkeiten, soziale Anpassungsprobleme und viele mehr genannt. Korn (vgl. 2006) jedoch gibt an, dass solche Stereotype wissenschaftlich allerdings nicht haltbar sind. Nach eigenen Untersuchungen hängt die Rolle des Opfers nicht von seinen Eigenschaften ab, sondern jedem Schüler kann eine dieser Eigenschaften zugeschoben werden. „Opfern wird von ihren Klassenkameraden (zusätzlich auch häufig von den Lehrenden!) immer eine Abweichung vom „Normalen“ angedichtet […]“ (Korn, 2006, S. 6). Prinzipiell weicht jeder Mensch von diesem „Normalen“ in irgendeiner Weise ab und trotzdem gibt es „viele übergewichtige Kinder mit Sommersprossen und seltsamer Brille, die nie Mobbingopfer waren“ (Korn, 2006, S. 6). Nach Korn (vgl. 2006) funktioniert diese Er­klärung nur im Nachhinein.

Auch Schäfer (vgl. o.J.) geht in ihrer Arbeit „Mobbing im Klassenzimmer“ näher auf vermeintliche Kennzeichen des Opfers ein. Die Situation der Opfer von Mobbing, ihre familiären und personalen Merkmale und ihre Stellung in der Peergroup wurden in einer Vielzahl von Studien analysiert und bestimmte Risikofaktoren für Viktimisierung identifiziert. Neuere Ergebnisse spezifizieren die Befunde: „Nicht Introvertiertheit oder physische Schwäche prädisponieren für die Opferrolle, sondern die relative Position im sozialen Gefüge der Klasse determiniert die Gefährdung für die Opferrolle“ (Schäfer, o.J., S.6). Ein physisch schwächeres Kind kann also durch andere Fähigkeiten, die es besitzt trotzdem hoch angesehen in der Klasse und somit ganz ungefährdet sein. Dagegen kann man als sozial kompetentes Kind in einer ungünstigen Klassenkonstellation leicht zum geeigneten Opfer werden.

Nach Lowenstein (1995, S.29, zitiert nach Schäfer, o.J., S.5) beschreiben Täter die Kennzeichen von Opfern als „die, die sich nicht wehren, nicht sehr stark sind und die sich zu sehr fürchten, dem Lehrer oder jemand anderem davon zu erzählen“, wohingegen Kristi Lagerspetz (1982, zitiert nach Schäfer, o.J., S.13) die Sicht der Opfer folgendermaßen formuliert: „Das Problem ist nicht, dass andere dir gegenüber aggressiv sind, oder einem die Fähigkeiten fehlen, sich angemessen zu wehren: Das Problem ist, dass man […] eine Rolle zugeteilt bekommt, die zugleich die Basis für mehr und mehr Viktimisierung darstellt“.

Im Prinzip kann also jeder das Opfer von Bullying werden (vgl. Smith, 1994). Als bevorzugte Charakteristika bei Opfern, die eine bestimmte Rolle im Bullying-Prozess zunächst wahrscheinlicher machen, zählen, dass Opfer häufiger als andere Kinder „unbeliebt, überbehütet und in eng aufeinander bezogenen Familienstrukturen aufgewachsen“ sind (Berdonini & Smith, 1996; Bowers, Binney & Smith, 1992, zitiert nach Schäfer, 1996, S. 6). Nach Olweus (vgl. 1984) und Slee (vgl. 1994) zeigen sie außerdem ein geringes Selbstwertgefühl und generelle Ängstlichkeit, neigen zu sozialer Isolation und haben Angst, sich zu wehren (zitiert nach Schäfer, 1996).

3.3 Ursachen in den Rahmenbedingungen

Frank Schallenberg (vgl. 2007) erläutert in seiner Informationsbroschüre „Mobbing“ vom Jugendinformationszentrum München (JIZ) noch weitere Ursachen, die der Grund dafür sein können, dass Mobbing stattfindet. Als erstes wird das Versagen der Verantwortlichen genannt, was für die Schule bedeutet, dass die Lehrkräfte das Problem Mobbing nicht erkannt haben, den Prozess sogar noch ignorieren und/oder keinerlei Erfahrungen und Wissen mit/über Mobbing besitzen. Ein solches Verhalten seitens der Lehrkräfte fördert einen Mobbingprozess.

Desweiteren spielen gruppendynamische Aspekte eine große Rolle, zumal Mobbing oft dort beginnt, wenn „die sozialen Kräfte einer Gruppe nicht ausbalanciert sind“ (Schäfer, o.J., S. 2), also dann, wenn Gruppen neu zusammengestellt werden oder sich aus Teilgruppen zusammensetzen. Ebenso hat man als „Neuer“ in der Klasse meistens einen schweren Stand. Mobbing kann auch durch den Zu- oder Weggang eines Kindes oder durch das Zerbrechen von Freundschaften beginnen, denn oftmals gerät ein Kind dadurch plötzlich in eine sozial nicht definierte Situation. Solche oder ähnliche Ereignisse führen zumindest teilweise zu einer Umstrukturierung des sozialen Gefüges, was wiederum zu einer „besonderen sozialen Verletzlichkeit oder Schutzlosigkeit Einzelner in der Klasse“ führt (Schäfer, o.J., S. 2). Nach Dominanz strebende Kinder erkennen leicht Spielräume, die durch unklare soziale Kon­stellationen zustande kommen und nutzen diese aus um soziale Macht in der Klasse zu gewinnen. Schlecht liegende hierarchische Strukturen in der Klasse begünstigen das Opfer nicht, denn es wird deutlich konsistenter von den Tätern attackiert und verliert zunehmend an sozialer Kontrolle über seine soziale Situation, weil es immer seltener auf Unterstützung durch die Mitschüler rechnen kann. In solchen Strukturen haben Mitschüler einerseits Angst, selbst Opfer von Attacken zu werden, wenn sie versuchen einzuschreiten oder fühlen sich entmutigt zu intervenieren, weil die Assoziation mit „den Stärkeren“ cooler, angenehmer oder sicherer ist (vgl. Schäfer, o.J.).

Mobbing kann ebenso als Zeichen gestörter Kommunikation und mangelnder Aufklärung gesehen werden (vgl. Schallenberg, 2007). Wird in der Klasse nicht über das Geschehen gesprochen und es stattdessen ignoriert oder bekommt der Täter kein negatives Feedback über die Konsequenzen seines Handelns, so werden die Opfer mehr und mehr isoliert. Die Gruppe übernimmt – eventuell aufgrund mangelnder Aufklärung – nicht die notwendige Ver­antwortung und kann dem Opfer nicht helfen.

3.4 Risikofaktoren für schulische Gewalt

Der folgende Abschnitt soll über (weitere) Risikofaktoren allgemein schulischer Gewalt aufklären, da Mobbing einen wesentlichen Bestandteil der Gewalt in der Schule darstellt. Insofern können Verbindungen zu Mobbing gezogen werden, wenn die im Folgenden genannten Faktoren auch nicht explizit von den Autoren im Zusammenhang mit Mobbing untersucht wurden.

Bezüglich der Persönlichkeitsmerkmale von Opfern und Tätern erkannten Klewin und Tillmann (vgl. 2006) bei Opfern von schulischer Gewalt bzw. Mobbing ein unter­durchschnittliches Selbstwertgefühl, welches sie entweder schon vor den Angriffen besaßen oder erst durch die Attacken der Mitschüler bekommen haben. Beim Täter hingegen liegen widersprüchliche Ergebnisse vor: „Lösel u.a. stellen ein ebenfalls mangelndes Selbst­wertgefühl bei Täter/innen fest, während in anderen Studien über ein durchschnittliches oder sogar leicht erhöhtes Selbstwertgefühl berichtet wird“ (Klewin & Tillmann, 2006, S. 202).

In Hinsicht auf die familiären Faktoren, welche in Studien oftmals große Aufmerksamkeit bekommen, gibt es bei den Variablen Familienform, Größe der Familie, Position innerhalb der Geschwisterreihe und Wohnsituation so gut wie keinen Zusammenhang zur schulischen Gewalt. Bedeutsam jedoch ist ein geringes Bildungsniveau der Eltern, ein rigide-autoritärer Erziehungsstil, die mangelnde Akzeptanz im Elternhaus, sowie eine unsichere Berufssituation des Vaters und eigene Gewalterfahrungen in der Familie. Auch wenn diese Faktoren in einem Zusammenhang zur Schülergewalt stehen, so merken die Autoren (vgl. Klewin & Tillmann, 2006) an, dass sie die Problematik aber nicht allein erklären können.

Studien, die sich mit Faktoren des Peer-group-Kontext und des Freizeitbereiches be­schäftigten, kamen zu einem übereinstimmendem Ergebnis: Schulische Gewalthandlungen werden massiv sowohl durch die Einbindung in aggressive Jugendcliquen als auch durch den intensiven Konsum von Horror- Gewalt- und Pornofilmen erhöht, wenn die Zusammenhänge auch deutlich stärker bei Jungen als bei Mädchen ausgeprägt sind.

Desweiteren wurden Bedingungen des Zusammenhangs des schulischen Kontextes und Gewalt untersucht, wobei die Meinung vieler, dass große Schulen bzw. große Klassen und damit größere Anonymität vermehrt zu Gewalt führt, nicht bestätigt wurde. Dagegen erwiesen sich das Sozialklima und die Lernkultur als wesentlich wichtiger. So geht beispielsweise ein großes Interesse an den Unterrichtsinhalten, wenig Leistungsdruck und Unterstützung durch Lehrkräfte (Lernkultur), sowie wenig Konkurrenz und ein guter Zusammenhalt in der Klasse (Sozialklima) einher mit einem geringeren Ausmaß an Gewalthandlungen. Haben jedoch Schüler das Gefühl „in eine Schublade gesteckt zu werden und [werden] unabhängig von ihrem Benehmen immer als Schuldige/r gesehen“ (Klewin & Tillmann, 2006, S. 203), so wenden sie häufiger Gewalt an. Etikettiertes Verhalten spielt also eine bedeutsame Rolle in Bezug auf Gewalthandlungen.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass man in allen Lebensbereichen von Jugendlichen verursachende und verstärkende Faktoren von Gewalt finden kann. Trotz der großen Zahl der Variablen kann „nur ein Teil durch sie erklärt werden“ (Klewin & Tillmann, 2006, S. 204). Ebenso stellen Klewin und Tillmann (2006, S. 204) fest, „dass die außerschulischen die schulischen Faktoren deutlich überwiegen“ und man vom Vorhandensein einer Häufung von Risikofaktoren bei Tätern ausgehen kann. Es gibt nicht „die Mobbingursache“ schlechthin. Da Schülergewalt und somit auch Mobbing ein vielschichtiges Problem mit vielfältigen Ursachen ist, welches, wie in Kapitel 5 noch weiter ausgeführt wird, gravierende Folgen für die Opfer verursachen kann und man dank den bisherigen Ergebnissen mittlerweile Ansatz­punkte innerhalb und außerhalb der Schule kennt, muss man diesem Problem dringend entgegenwirken. Darauf wird in Kapitel 6 näher eingegangen.

4. Mobbinghandlungen

Allgemein soll bei Mobbing das Opfer durch die Handlungen des Täters seine Konkurrenzfähigkeit verlieren und in der Gemeinschaft als Unglaubwürdig hingestellt werden. Bei einer einzigen gewaltsamen Tat wird jedoch noch nicht von Mobbing ge­sprochen. Dafür müssen sich die Attacken wiederholen, über einen längeren Zeitraum andauern und systematisch auftreten (vgl. Schäfer, o.J.).

4.1 Arten und Formen

Unterschieden wird Mobbing, nach körperlichen, verbalen, direkten und indirekten Hand­lungen. Unter körperliches Mobbing fallen schlagen, stoßen und treten. Drohen, hänseln und „dumme Sprüche“ zählen zu verbalen Attacken. Bei einer indirekten Interaktion ist dem Opfer die Täterschaft meist unklar und die sozialen Beziehungen des Opfers werden dabei langsam hinter dessen Rücken manipuliert. Von direkten Angriffen spricht man, wenn das Opfer direkt getroffen wird, z.B. durch die Sprache.

Je nach Geschlecht des Täters werden unterschiedliche Handlungen angewendet. Die indirekte Aggression des Mobbings wird von den meisten Kindern schon früh als aggressiv erkannt, jedoch mit zunehmenden Alter signifikant häufiger von Mädchen eingesetzt. Die Jungen praktizieren dagegen mehr direktes körperliches Mobbing oder benutzen direkte verbale Kränkungen (vgl. Schäfer & Korn, 2001).

Allgemein kann man Mobbinghandlungen (in Schule und Beruf) auch in fünf Bereiche einteilen. Zum einen gibt es Angriffe auf die Möglichkeit sich mitzuteilen, welche sich z.B. in ständigen Beschimpfungen, Kritik an der Arbeit und Telefonterror zeigen. Desweiteren werden Angriffe auf die sozialen Beziehungen definiert, wobei beispielsweise das Opfer total ignoriert wird. Man lässt sich in dem Fall weder vom Opfer ansprechen, noch redet man selber mit ihm. Zudem kommen Angriffe auf das soziale Ansehen vor, bei welchen sich z.B. über das Privatleben, die Religion oder die Nationalität des Opfers lustig gemacht wird. Außerdem gibt es Angriffe auf die Qualität der Schul- und Lebenssituation. Dabei gibt man dem Opfer beispielsweise entweder Aufgaben, die weit unter seinem Niveau liegen, oder man teilt ihm gar keine Arbeit zu. Schließlich werden zum Beispiel durch Zwang zu gesund­heitsschädlichen Arbeiten oder durch Androhen von Gewalt, Angriffe auf die Gesundheit des Opfers ausgeübt (vgl. Schallenberg, o.J.).

4.2 Handy und Internet als weiterführende Formen

Als Cyberstalking wird eine neue Form des Mobbings und der Verfolgung anderer Personen verstanden, bei der sich Täter und Täterinnen der neuen Medien bedienen. Sehr beliebt ist dabei die Nutzung des Internets. Da diese Art erst seit kurzem aufgekommen ist, gibt es zu Cyber-Mobbing noch keine Betroffenenzahlen, das Ausmaß ist noch weitestgehend un­bekannt.

Weit verbreitet ist das Mobben per SMS oder Email besonders unter Mädchen. Cliquen versammeln sich dabei an einem Computer und verschicken unter einer neuen Email-Adresse beleidigende und irreführende Nachrichten an ihre Opfer (vgl. Unbekannt, 2007).

Früher war das Mobben weitestgehend auf die Schule als Ort begrenzt. Durch die neuen Medien kommt das Opfer jedoch in die zermürbende Situation, nirgends vor den Tätern sicher zu sein. Das Internet-Mobbing ist oft eine weitere Variante zum Mobbing, welches schon in der Schule stattfindet. Häufig kommt es jedoch auch vor, dass es ungewiss ist, wer sich hinter den anonymen Cyber-Mobbing-Vorfällen verbirgt.

Untersuchungen aus anderen Ländern haben auch gezeigt, dass viele Internet-Mobber oft auch selbst per Internet oder Handy gemobbt werden (vgl. Unbekannt, 2007).

Eine weitere Form der Demütigung sind gefilmte Bilder von Personen in verfänglichen Situationen, welche auf Internet-Plattformen wie YouTube.de, Clipfish.de und myVideo.de, hochgeladen werden. Diese Art des Schikanierens stellt ebenso eine Blamage für das Opfer dar, da diese Seiten im Internet öffentlich zugänglich sind. Viele Videoclips, die auf solche Seiten hochgeladen werden, sind jedoch auch manipuliert (vgl. Unbekannt, 2007).

In einigen Ländern sind auch schon Fälle von Lehrer-Mobbing aufgetreten. Jedoch gibt es keine bekannten Fälle aus Deutschland. Dabei wurden unter anderem Köpfe von Lehrern in Hinrichtungs-Videos oder Porno-Fotos hineinkopiert.

Zum anderen gibt es seit Ende Januar 2007 die Internet-Seite spickmich.de, auf welcher Lehrer von Schülern auf einer Skala von 1-6 benotet werden können. Es gab hierzu schon mehrere Versuche von Seiten der Lehrerschaft, diese Seite verbieten zu lassen, jedoch konnte das bis jetzt noch nicht durchgesetzt werden. Verboten ist zumindest, Fotos oder Videos von Lehrern hineinzustellen. Sollte dies entdeckt werden, werden diese von den Betreibern von spickmich.de sofort gelöscht (vgl. Unbekannt, 2007).

Weitere gewalttätige und unethische Formen, welche durch die ansteigenden Handynutzung entstanden sind, sind „happy slapping“ und „snuff videos“ (Unbekannt, 2007, S.1). Beide Varianten sind Aufnahmen durch Fotohandys. Unter „happy slapping“ (deutsch: „fröhliches Schlagen“) werden grundlose Angriffe auf unbekannte Personen bezeichnet. Jugendliche, die sich meist in der Überzahl befinden, greifen wahllos Passanten auf der Straße an und nehmen ihre Gewalttaten mit Handy-Videosequenzen auf, um diese anschließen im Internet zu veröffentlichen. Dieser Trend begann vor etwa 3 Jahren in England.

„Snuff videos“ (deutsch: to snap: „jemanden auslöschen“) wiederum sind Bilddarstellungen und Videofilme, auf denen unter anderem Menschen auf grausame Weise gefoltert und hingerichtet werden. Diese Filme und Fotos kann jeder aus dem Internet herunterladen. Die Jugendlichen tauschen solche Videos meist auf dem Schulhof mit ihrem Handy untereinander aus und derjenige, der das brutalste Video gefunden hat, erntet Lob und Anerkennung von seinen Mitschülern (vgl. Unbekannt, 2007).

5. Auswirkungen von Mobbing auf Opfer und Täter

Smith (vgl. 2001) fand heraus, dass früh erlebtes Mobbing bei Erwachsenen ein tiefprägendes Erlebnis in ihrem Leben darstellt. Viele dieser Erwachsenen geben an, dass diese Erlebnisse ihr Leben weitgehend prägten und dass es bis hin zu einem Vertrauensverlust in Beziehungen bzw. zu anderen Menschen führte. Die Viktimisierung durch Mobbing von früher hat eine langfristige Auswirkung auf ihr weiteres Leben (vgl. Schäfer et al., 2004).

Als direkte Folgen von Mobbing werden Kopf- und Bauchschmerzen, Albträume, Angst­zustände und der Verlust des Selbstwertgefühls beschrieben. Allerdings leiden viele Mobbing-Opfer noch Monate und Jahre nach der Tat an körperlichen und seelischen Schäden (vgl. Schäfer et al., 2004).

Hawker und Boulton (vgl. 2000) dokumentierten, dass eine Viktimisierung beim Mobbing zu starken Depressionen führen kann. Zudem wurde bei vielen Opfern ein geringeres Selbst­bewusstsein, welches mit sozialen Ängsten verbunden ist, festgestellt. Auch Gilbert, Bau­meister und Leary (vgl. 1995) fanden heraus, dass Depressionen durch Attacken auf den sozialen Status in Gruppen mit Gleichaltrigen stabilisiert werden und dass Ängstlichkeit, Einsamkeit und Depressionen durch die Bedrohung sozialer Beziehungen hervorgerufen werden können (vgl. Schäfer et al., 2004). Aufgrund der Attributionen der negativen Erfahrungen auf die eigene Person kommt es zu einem zunehmenden Schaden für das Selbstvertrauen bzw. Selbstwertgefühl der Opfer (vgl. Schäfer, 1996).

Studien belegen auch, dass frühere Mobbingopfer in der Schule auch häufiger Opfer für Mobbing-Attacken in weiterführenden Schulen oder der Berufswelt sind. Die Wahr­scheinlichkeit ein Mobbingopfer zu bleiben, steigt zudem mit zunehmendem Alter an. Jungen, die in der Grundschule schon gemobbt werden, haben ein um den Faktor 2 erhöhtes Risiko, in den weiterführenden Schulen weiterhin in der Opferrolle zu bleiben. Jedes Mal wieder tragen die Opfer seelische Schäden davon (vgl. Schäfer & Korn, 2001).

Bei langfristigem Mobbing spielt die soziale Ablehnung der Mitschüler eine große Rolle. Diese Erfahrung manifestiert sich in den Opfern, wodurch sie in ihrem späteren Leben große Probleme im Umgang mit anderen Menschen haben werden. Ihr Vertrauen in andere Per­sonen ist durch das Mobbing gestört worden (vgl. Schäfer, o.J.).

Täter werden in der Regel oft als impulsiv, aggressiv und tendenziell unkontrolliert charak­terisiert. Zudem werden ihnen Externalisierungsprobleme nachgewiesen, das heißt, sie haben eine verstärkte Ursachenzuschreibung auf äußere Faktoren und eine stark erhöhte spätere Straffälligkeit. Als langfristige Folgen für Täter wurden auch ein erhöhtes Risiko für Depressionen und ein negatives Selbstwertgefühl festgestellt (vgl. Schäfer, o.J.).

6. Was kann man gegen Mobbing tun?

Da es in Deutschland eine Schulpflicht gibt und diese ohne die Garantie der Grundrechte des Kindes undenkbar ist, sind Aufklärungen bzw. Präventionen und Interventionen bezüglich Mobbing an Schulen zwingend nötig, zumal ein Opfer in seiner Würde massiv beeinträchtigt werden kann. Da sogar Jahre nach dem Schulabschluss Mobbing-Opfer unter anderem durch einen ängstlichen Beziehungsstil charakterisiert sind und auch, wie bereits erwähnt, viele negative Folgen für die Opfer auftreten können, darf man nicht einfach über Mobbing hinwegsehen. Es gibt unterschiedliche und erfolgreiche Wege um gegen das Schikanieren aktiv vorzugehen. Unerlässlich hierzu ist jedoch die erklärte Einigkeit von Schülern, Lehrern und Eltern, dass Schikanieren eine absolut unerwünschte Verhaltensform ist, die an der Schule unter keinen Umständen geduldet werden soll (vgl. Schäfer, 1996). Im Folgenden werden, nach der Erläuterung der Wichtigkeit der Lehrerausbildung und –fortbildung, schul­spezifische Präventionsansätze und Interventionsmöglichkeiten bei Mobbing aufgezeigt. Zu­sätz­lich werden Beispiele für schulische Präventions- und Interventionsprogramme genannt.

6.1 Lehrerausbildung und –fortbildung

Es ist unumstritten, dass Mobbing unter anderem durch das soziale und erzieherische Klima im Klassenzimmer und in der Schule beeinflusst wird. Da nur eines von zwei Opfern seinen Eltern vom Mobbing erzählt, was mangelndes Vertrauen in die Änderbarkeit der Situation und Angst vor Kontrollverlust impliziert und ein Schulwechsel oftmals der einzige Ausweg ist, indiziert, dass die Schule nicht fähig ist, die körperliche und seelische Sicherheit der Schüler sicherzustellen. Das empirisch gesicherte psychologische Wissen über Mobbing muss essentieller Teil der Lehrerausbildung und -fortbildung werden. Ein Lehrer muss ein Modellverhalten an den Tag legen, das sowohl schülerbezogen, sorgend und aufmerksam, als auch beobachtend und kompetent sein sollte. Es ist besonders wichtig, dass sich Lehrer dieser Funktion als Modell bewusst sind und begreifen, dass dies ein Teil ihrer Aufgabe als Lehrer ist (vgl. Schäfer, o.J.).

Da Studien belegen, dass Lehrer zu selten bei Mobbing eingriffen (in 4% der Fälle auf dem Schulhof und in 18% der Fälle im Klassenzimmer) sollten sie auch nach der Ausbildung die Möglichkeit haben, den Umgang mit Mobbing erlernen bzw. vertiefen zu können, denn das Bewusstsein der Verantwortung gegenüber den Schülern muss geschärft und die Wahr­nehmung von Mobbing sensibilisiert werden. Nach Schäfer (o.J., S. 21) sollte eine solche Ausbildung folgende Kernelemente beinhalten: Training aller Mitarbeiter der Schule, verbesserte Supervision während der Pausen, klare Verhaltensregeln, System der nach­vollziehbaren Dokumentation, Verbesserung der Kommunikation zwischen Schule und Eltern. Nur wenn die Lehrkräfte richtig ausgebildet sind und wissen wie sie richtig handeln können, können sie präventiv arbeiten oder Opfern helfen. In Schweden z.B. mussten alle Schulen ein Interventionskonzept für den Umgang mit akuten Fällen von Mobbing vorlegen. Derartige Interventionsprojekte sollten in ihren Anliegen teilweise präventiv, teilweise aber auch gezielt auf die Identifikation von Mobbing-Problemen und die direkte Intervention gerichtet sein. Leider gibt es bisher kaum Evaluation die beweist, dass derartige Maßnahmen wirkungsvoll sind (vgl. Schäfer, o.J.).

6.2 Schulspezifische Präventionsansätze

Nach Melzer, Schubarth und Ehninger (vgl. 2006) können schulspezifische Präventions­ansätze in drei Konzepte untergliedert werden: Primärprävention, Sekundärprävention und Intervention. Es sei anzumerken, dass in jedem der Fälle „die drei Sozialisationsinstanzen Familie, Schule und Peers zu berücksichtigen“ sind (Melzer, Schubarth & Ehninger, 2006, S. 220), da sie bereits als Risikofaktoren herausgearbeitet wurden und dass vor allem bei der primären Prävention die Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternhaus wichtig ist.

Primäre Prävention wird allen Schulen empfohlen. Als Ziele nennen die Autoren (2006, S. 221) sowohl die „Förderung und Stabilisierung des Selbstwertgefühls bzw. des Vertrauens in andere Personen“, die „Erziehung zum „Triebaufschub“ durch Anerkennung körperlicher Integrität des Kindes“, „die Verstärkung prosozialer Einstellungen und Motive“, als auch die „Förderung und Erhaltung von Kommunikations- und Interaktionskompetenzen“. Für die Schulen bedeutet das, dass sie die Gewaltlosigkeit als Erziehungsstil sehen und als Er­ziehungsziel realisieren. Ebenso sollte darauf geachtet werden, dass Konflikte in Familie und Schule gewaltfrei ausgetragen werden. Wichtig ist es auch, Gewalt und Aggression im Unterricht zu thematisieren, so dass Schüler durch Aufklärung sensibilisiert und ermutigt werden, bei auftretenden Gewalthandlungen einzugreifen. Zusätzlich ist eine Verbesserung des Schulklimas und der Lernkultur unabdingbar (vgl. Melzer, Schubarth & Ehninger, 2006). Hierfür sollte man dringend in der Klasse und in der Schule über bestehende Regeln reden und gemeinsam klar definierte neue Regeln gegen die direkte und indirekte Gewalt schaffen. Sowohl Schüler als auch Lehrer sollten sich daran beteiligen, zumal sich viele Schüler nur mit den entworfenen Regeln identifizieren und sie anerkennen, wenn sie diese mit ausgearbeitet haben. Um die Angriffsfläche für Mobbing zu reduzieren, müssen zwischenmenschliche Probleme direkt thematisiert, also offen in der Klasse besprochen werden. (vgl. Schäfer, o.J.).

Sollte eine Schule sich bereits in einer gewissen Problemlage befinden, so sind kontext- und individuumsbezogene Maßnahmen der sekundären Prävention, wie beispielsweise Ver­haltens­training sinnvoll. Das Ziel ist es, sowohl potentielle Opfer und Täter durch Antistress- und Anti-Aggressionstraining zu immunisieren, als auch den richtigen Umgang mit Unterrichtsstörungen zu wählen und „pädagogische Arbeit mit Schulversagern, Schul­verweigerern, Tätern und Opfern“ zu leisten (Melzer, Schubarth & Ehninger, 2006, S. 221).

Stark gewaltbelasteten Schulen, die eine Minderheit darstellen, wird von den Autoren (2006, S. 220) geraten, interventive Maßnahmen durchzuführen, das heißt „korrektiv-personale Interventionen, die auf Verhaltensmodifikationen bei Jugendlichen setzen“. Die Maßnahmen sollen zu einer Besserung und Resozialisierung führen. Therapeutische Verfahren setzen in der Art an, dass sich Jugendliche für den Umgang mit Problemsituationen qualifizieren. Die Einbeziehung von unterstützenden Institutionen wie beispielsweise dem schulpsycho­logischem Dienst scheint unbedingt notwendig.

In Bezug auf die schulische Prävention verweist die Gewaltforschung auf fünf Bereiche, in denen eine Schule wirksame Prävention durchführen kann. Wie bereits in Kapitel 3.4 erwähnt, wirken sich zum Beispiel ein schülerorientierter Unterricht oder geringer Leistungs­druck (schulische Lernkultur) positiv auf Gewalt in der Schule aus. Insofern kann eine Schule mit Unterrichts- und Projektarbeit, die die Lernmotivation erhöht, auch leistungs­schwachen Schülern positive Anerkennung vermittelt und sich auf praktisches Handeln fokussiert, einen „bedeutsamen Beitrag zur Reduzierung des Gewaltrisikos leisten“ (Melzer, Schubarth & Ehninger, 2006, S. 222).

Einen ebenso wichtigen Faktor stellt die Gestaltung des Sozialklimas dar, in dem es sowohl um die Beziehungen der Schüler untereinander geht, als auch um das Verhältnis der Lehrer zu den Schülern. Soziale Desintegrationserfahrungen sollten möglichst vermieden und der Gruppenzusammenhalt gestärkt werden. Da ein restriktives und autoritär-disziplinierendes Verhalten von Lehrern Gewalt eher begünstigt, sollten Lehrer-Schüler-Verhältnisse von Wertschätzung und Akzeptanz geprägt sein.

Aufgrund der bisher erwähnten Ergebnissen und negativen Auswirkungen der Etikettierung und Stigmatisierung, sollten sich Lehrkräfte bewusst sein, dass es ihre Aufgabe ist, solche „Negativkarrieren“ zu unterbrechen. Hierzu benötigen sie „ein hohes Maß an Fallverstehen, Diagnose- und Interventionskompetenz“ (Melzer, Schubarth & Ehninger, 2006, S. 223), welches sie beispielsweise in Fort- und Weiterbildungen lernen können bzw. sollten!

Die bereits erwähnten gemeinsam ausgearbeiteten Regeln gehören ebenso zur Etablierung von Regeln und Setzen von Grenzen wie die Absprache im Kollegium, in welchen Situa­tionen interveniert werden soll und welche Vorgehensweise benutzt wird, um den Konflikt produktiv zu bearbeiten und nicht nur zu unterdrücken.

Als ebenso bedeutsam stellt sich die Kooperation mit außerschulischen Partnern heraus, zu denen in jedem Fall die Eltern zählen. Stammen Schüler jedoch aus problembelasteten Familien, können oder wollen die Erziehungsberechtigten ihre Aufgabe nicht qualifiziert übernehmen. Sollte die Schule „als kompensatorische Instanz überfordert“ sein, beispiels­weise in „Fällen mit schwierigen familialen und sozialen Hintergründen“, so muss sie, um die „Lage und Perspektive der Betroffenen nachhaltig zu verbessern“, mit der Jugendhilfe zusammenarbeiten (Melzer, Schubarth & Ehninger, 2006, S. 223).

6.3 Intervention bei Mobbing

Kommt es trotz präventiven Maßnahmen zu akuten Gewaltvorfällen oder gewalthaltigen Konfliktsituationen, muss dringend interveniert werden.

Zuallererst ist es als Lehrer wichtig, durch verbale Aufforderung oder Dazwischengehen in die Auseinandersetzung einzugreifen und die Gewalt zu unterbrechen. Wichtig ist es, sich einen Überblick der Lage zu verschaffen und dem Opfer Hilfe, sei es seelischer Beistand oder Erste Hilfe, zu geben. Nachdem man den oder die Täter gefunden hat, sollte man diesen klare Signale geben und ihnen die Konsequenzen verdeutlichen. Eventuell ist es nötig sich Unterstützung von Schülern oder Lehrkräften zu holen. Um die Konfliktparteien beruhigen zu können, nachdem der Lehrer Zuschauer weggeschickt hat, damit ein Stören durch andere vermieden wird, ist sowohl räumliche Trennung notwendig als auch die Bereitschaft, den Schülern die Möglichkeit zu geben, ihre Gefühle äußern zu können. Um den Konflikt aufarbeiten zu können, muss gemeinsam der Konfliktverlauf geklärt und Lösungen erarbeitet werden. Wichtig ist in jedem Fall das Ziehen von Konsequenzen. Hierbei kann man Vereinbahrungen ausarbeiten, Strafen abwägen und eventuell Mediation heranziehen (vgl. Melzer, Schubarth, Ehninger, 2006).

Sollte ein Lehrer durch aufmerksames Beobachten entdecken, dass sich Mobbing in der Klasse abspielt oder nur der Verdacht bestehen, dass Mobbing in einem systematischen Zusammenhang zu körperlichen oder psychischen Beschwerden steht, so ist besonders schnelle Intervention nötig. Es sollte unverzüglich eingeschritten und Hilfe organisiert werden. Um sich ein präzises Bild der Faktenlage verschaffen zu können und eine gute gemeinsame Strategie zu planen, um effektiv und nachhaltig eingreifen zu können, ist ein sofortiger Austausch mit den Kollegen hilfreich. „Je eher eingeschritten wird, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass erfolgreich gegen Mobbing vorgegangen werden kann“ (Schäfer, o.J., S.10).

Anschließend ist es wichtig, das Opfer zu ermutigen, über die Probleme zu sprechen und ihm dann auch den Glauben zu schenken, da sie meistens niemandem etwas von den Vorfällen berichten. Diesen Vertrauensbeweis muss man, sowohl als Lehrkraft, als Mitschüler als auch als Erziehungsberechtigter unterstützen. Um das oberste Ziel, das Opfer zu schützen, erreichen zu können, ist eine schnelle Einschätzung der Situation wichtig.

Um effektiv intervenieren zu können, kann sich eine Schule an einer Vielzahl von international breit gestreuten und publizierten Projekten orientieren, die in den meisten Fällen Elemente des Olweus-Programms beinhalten. Die Intervention sollte auf verschiedenen Ebenen (Individuum, Klasse, Schule) geplant und durchgeführt werden, also auch über die Schule hinaus (z.B. soziale Einrichtungen). Außerdem muss die Intervention an Alter, Entwicklungsstand, Motivation, Verletzlichkeit und Gruppendynamik angepasst werden. Die Mitschüler müssen dringend mit einbezogen werden, da Mobbing ein Gruppenphänomen ist – im Gegensatz zu normaler schulischer Gewalt (vgl. Schäfer, o.J.).

Unabdingbar sind Sanktionen gegen die Täter, denn sie stellen eine Aussage über den Gültigkeitsbereich gesetzter Normen dar. Es werden einerseits die Verteidiger des Opfers gestärkt und andererseits wird dem Täter und seinen Unterstützern die konsequente Ablehnung für aggressive Strategien seitens der Schule demonstriert. Es ist jedoch zu bedenken, dass, wenn die Umsetzung der Strafe falsch verläuft, das Gegenteil eintreten kann. Ebenso muss aufgepasst werden, dass die Täter nicht selbst zu Opfern werden (vgl. Schäfer, o.J.). Um das Leiden von Mobbingopfern verkürzen und möglichst schnell beenden zu können, sollte man nach Schäfer alles gut dokumentieren. „Jeder Beleg physischer oder psychischer Beeinträchtigung durch den Kinder- oder Jugendarzt“ kann ein „wertvolles Dokument sein, Aktivitäten voranzutreiben und zu beschleunigen“ (Schäfer, o.J., S. 10).

Eltern neigen dazu, Lehrern oder der Schule die Schuld für den Schaden, den ihr Kind in der Schule erleidet, zuzuschreiben. Aus diesem Grund sollten sie soweit wie möglich besänftigt werden, um das betroffene Opfer zu schützen. Auch wenn Eltern es oftmals nicht glauben, so haben viele Schulen mehr Kompetenzen im Kollegium als angenommen. Sollte es den Eltern dennoch nicht gelingen, die Schule zu aktivieren, sofort gegen Mobbingprozesse vorzugehen, „sind eine Dienstaufsichtsbeschwerde […] oder eine Anzeige gegen die Schule […] Mittel, die nötig werden können“ (Schäfer, o.J. S. 10), zumal es sich um die Vernachlässigung bzw. Verletzung der Persönlichkeitsrechte des Kindes bzw. des Jugendlichen handelt.

Gelingt es der Schule, erfolgreich gegen Mobbing vorzugehen, so kann dies als Chance zu einem besseren Miteinander verstanden werden. Bei der richtigen Umsetzung präventiver und interventiver Maßnahmen, kann die ganze Klasse lernen, dass es konstruktive Wege gibt, Konflikte zu bewältigen. Schüler können die Lektion bekommen, dass man zwar nicht jeden mögen muss, jemanden aber deswegen nicht mobben sollte. Die Prävention und Intervention ist unter anderem ein wichtiger Erziehungsauftrag der Schule (vgl. Schäfer, o.J.).

6.4 Beispiele für schulische Präventions- und Interventionsprogramme

Nachdem nun ausführlich über die Vorgehensweise, Wichtigkeit und Umsetzung von Prävention und Intervention geschrieben wurde, sollen abschließend noch zwei Beispiele für schulische Präventions- und Interventionsprogramme kurz vorgestellt werden. Vorliegende Erfahrungsberichte, zum Teil sogar Evaluationsstudien belegen, dass diese Programme, die auf die Steigerung der Lebensbewältigungskompetenzen gerichtet sind, für den Kampf gegen Gewalt bzw. Mobbing geeignet sind. Eine Übersicht über alle Programme, die in den letzten Jahren entwickelt wurden, kann bei Melzer, Schubarth und Ehninger (vgl. 2006) auf Seite 227 nachgelesen werden.

Bei der Auswahl eines Programms sollte darauf geachtet werden, ob und inwiefern unter­stützende Institutionen und Personen im Umfeld vorhanden sind, die das Programm anbieten und „bei der Umsetzung flankieren können“ (Melzer, Schubarth & Ehninger, 2006, S. 226). Desweiteren spielen finanzielle Gesichtspunkte eine Rolle.

Das Berner Präventionsprogramm gegen Gewalt im Kindergarten und in der Schule „Be-Prox“ ist ein ganzheitliches und flexibles Anti-Mobbing-Programm in dessen Zentrum die Lehrpersonen stehen und die Überzeugung beinhaltet, „dass konsequente Regeldurchsetzung seitens der Erwachsenen zur Pflicht einer Erziehungsperson sowie zum Recht jedes Kindes gehört“ (Melzer, Schubarth & Ehninger, 2006, S. 228). In Form einer Kette von wieder­kehrenden Strukturen werden immer neue Präventionselemente vermittelt: „Information zu Mobbing – Diskussion der Implikationen – Umsetzungsaufgabe – Vorbereitung der Um­setzung – Umsetzung – Diskussion der Umsetzung – neue Information usw.“ (Melzer, Schubarth & Ehninger, 2006, S. 228). In den ersten der vorgeschlagenen acht Sitzungen werden die Teilnehmer für Mobbing sensibilisiert, außerdem stehen ihre Erfahrungen und die Grundideen des Programms (frühe Thematisierung von Mobbing, Einbezug unbeteiligter Kinder und Eltern, Beobachtung und Protokollierung von Mobbingphänomenen) im Mittelpunkt. Der Entwurf von Regeln gegen das Mobbing, die Thematisierung von Mobbing­fällen und „Unbehagen beim Sanktionieren“ (Melzer, Schubarth & Ehninger, 2006, S. 228) geschehen in weiteren Sitzungen. Zusätzlich geht es unter anderem um die Verstärkung der Regeldurchsetzung und die Umsetzungserfahrungen werden diskutiert.

Ein weiteres Anti-Mobbing-Programm, das vom norwegischen Psychologen Dan Olweus entwickelte Olweus-Programm, ist ein Interventionsprogramm, welches vor allem die Verbesserung der Beziehungen untereinander und eine deutliche Gewaltminderung als Ziel hat. Es soll Bedingungen schaffen, damit sowohl Täter als auch Opfer besser miteinander auskommen, sie ihre soziale Kompetenz steigern und das Schulklima bzw. den Zusammenhalt verbessern. Die Maßnahmen auf Schul-, Klassen- und persönlicher Ebene bilden den Kern des Programms, wobei der Schwerpunkt auf der Klassenebene liegt. Es werden Klassenregeln eingeführt, Konsequenzregeln erarbeitet und konkrete Strafen für die Nicht-Einhaltung der Regeln festgelegt (vgl. Melzer, Schubarth & Ehninger, 2006).

Weitere Programme wie beispielsweise das „Streitschlichter-Programm“ können im Artikel „Positives Sozialverhalten von Schülerinnen und Schülern ist ein Bildungswert“ (vgl. Melzer, Schubarth & Ehninger, 2006) ab Seite 228 nachgelesen werden und werden hier nicht weiter erläutert.

Abschließend kann von den Verfasserinnen angemerkt werden, dass im Gesamtkontext der Mobbingverhinderung beziehungsweise -bekämpfung von allen Beteiligten (Lehrkräfte, Eltern u. sonstigen beteiligten Institutionen) mit äußerster Sensibilität und Umsicht im Interesse der Opfer verfahren werden muss. Aber auch die Täter dürfen in der Gesamt­bewertung nicht vergessen werden, denn auch sie haben ein Anrecht auf eine gerechte und faire Behandlung beziehungsweise Verfahrensweise, denn bei allen Beteiligten handelt es sich schließlich um Menschen.

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Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2008
ISBN (PDF)
9783956849428
ISBN (Paperback)
9783956844423
Dateigröße
4.4 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1
Schlagworte
psychosoziale Belastung Opfer Täter schulische Gewalt Intervention Schüler Schikane
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Titel: Mobbing in der Schule: Ursache, Auswirkung und Prävention
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