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Genderbezogene Pädagogik in Kindertageseinrichtungen unter besonderer Berücksichtigung der Jungen

©2006 Studienarbeit 25 Seiten

Zusammenfassung

„Jungen machen Krach, Staub und Lärm, toben und raufen, sausen mit ihren Papierfliegern quer durch den Gruppenraum…“ Warum nehmen pädagogische Fachkräfte das Spielverhalten von Jungen so verstärkt wie auch häufig als störend wahr? Weil sie es selbst nicht nachvollziehen können?!
Die vorliegende Veröffentlichung soll dazu beitragen, dass geschlechtsbezogene Arbeit als bedeutungsvolle Querschnittsaufgabe in Kindertageseinrichtungen begriffen wird. Zu diesem Zweck wird der Blick zunächst auf die im Spiel gezeigten Verhaltensweisen von Mädchen und insbesondere Jungen gerichtet sowie anschließend in geschlechtsspezifischen Ursachen begründet. Zusammenhänge von Sozialisationsbedingungen und der Entwicklung der Geschlechtsidentität werden erläutert. In diesem Kontext werden auch Entwicklungsfelder einer leider – vielfach noch – unsensiblen geschlechtsbezogenen Pädagogik in Kindertageseinrichtungen aufgezeigt und schließlich Lösungsansätze für eine geschlechtsbezogene Pädagogik in Kindertageseinrichtungen aufgezeigt.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


2. Die Freispielsituation in Kindertageseinrichtungen

Viele pädagogische Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen berichten davon, wie anstrengend sich die Arbeit mit den Jungen in der Gruppe gestaltet. Häufig ist der Lautstärkepegel hoch, es wird getobt und gerannt, was zur Folge hat, dass andere Kinder gestört werden und sich in Folge dessen nur selten untereinander ein intensives Spiel entwickeln kann. Diese Verhaltensweisen, die das Freispiel, sowie den Tagesablauf störend beeinflussten, sollen häufiger bei den Jungen, als bei den Mädchen zu beobachten sein.

2.1 Kinderspiele als Aufführungsorte von Geschlechterdifferenzen

Im freien Spiel der Mädchen und Jungen und in der Art und Weise, wie sie mit Räumen und Spielmöglichkeiten umgehen sind unterschiedliche Verhaltensmuster zu beobachten, die sich häufig, aber auch nicht ausschließlich mit geschlechttypischen Vorstellungen der pädagogischen Fachkräfte decken. Untersuchungen haben ergeben, dass Jungen oft „raumgreifend“ spielen, größere Räume als Mädchen kontrollieren und sich weiter aus der Aufsicht der Erwachsenen entfernen. Sie sind häufiger in der Turnhalle und im Außengelände zu finden, haben ein großes Bedürfnis nach Action, bauen und konstruieren gern und bevorzugen grobmotorische Spiele (vgl. DIEKEN/ ROHRMANN 2003, S.27). „Kampfspiele sind bei Jungen als Ausdrucksweise von körperlichen Lustgefühlen normal und werden selten aggressiv gespielt. (Raufen, Kräfte messen, Wettspiele)“ (BLANK-MATHIEU 1999, o.S.). Mädchen hingegen spielen eher „raumsparend“ in Innenräumen, bevorzugen feinmotorische Spiele, sie basteln und malen gern und lieben Rollenspiele in der Puppenecke. Während im Rollenspiel der Jungen männliche (Medien-)helden überwiegen, werden von Mädchen vorwiegend Szenen aus dem häuslichen Umfeld wiederholt. Fantasiespiele lehnen sich an das weibliche Ideal an, Mädchen spielen Prinzessin oder Krankenschwester (vgl. BLANK-MATHIEU 1999, o.S.).

Beide Geschlechter suchen gern Möglichkeiten zum Rückzug und Nischen auf. Insbesondere Kinder, die bald eingeschult werden, sondern sich gern von der Gesamtgruppe ab, wobei Jungen häufiger vorziehen unter sich zu bleiben. Mädchen sind dagegen stärker interessiert, in der Nähe der Erzieherin zu spielen und sich mit ihr zu unterhalten (vgl. ROHRMANN/THOMA 1998, S. 156). Sie spielen weniger konkurrenzorientierte Spiele, „bevorzugen kooperative Spiele und selbstgesetzte Ziele. Jungen haben Interesse an geregelten Wettkämpfen mit festgesetzten Zielen und erklärten Siegern. [...]Mädchenspiele enthalten als Spielsinn, Gemeinsamkeiten zwischen den Spielerinnen herzustellen, Jungenspiele bringen die Teilnehmer gegeneinander“ (FAULSTICH-WIELAND 2001, S. 8).

Das Spielverhalten von Mädchen und Jungen ist nicht als vollkommen gegensätzlich anzusehen. Jungen und Mädchen zeigen mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede in ihren Spielinteressen. In vielen Verhaltensbereichen ist davon auszugehen, dass es keine generellen Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen gibt. Dennoch unterscheiden sich ihre Spielwelten, und sie bevorzugen unterschiedliche Spielorte. In der Literatur heißt es, dass „der Rollenspielraum und die Mal- und Bastelecke beliebte Orte der Mädchen, der Bauraum und der Werkraum bevorzugte Orte der Jungen sind. Dabei treffen Jungen und Mädchen am ehesten beim Malen und Basteln, bei Rollenspielen und bei Regelspielen aufeinander“ (ROHRMANN/THOMA 1998, S.155 f.).

Warum gibt es denn nun diese geschlechtlichen Unterschiede im Spielverhalten?

3. Die Entwicklung der Geschlechtsidentität

Als „typischer“ Junge oder „typisches“ Mädchen wird niemand geboren. Jungen und Männer, sowie Mädchen und Frauen sind nicht einfach so, sie werden so. Die Behauptung, geschlechtstypisches Verhalten sei ausschließlich genetisch vorgegeben, ist nicht korrekt. Die heutige Gehirnforschung betrachtet zwar z.B. solche „Aussagen als wissenschaftlich erwiesen [...], dass Jungen und Mädchen durch die Einwirkung von Geschlechtshormonen eine unterschiedliche Gehirnstruktur bekommen“ (BLANK-MATHIEU 2002a, o.S.), aber neben den biologischen Vorraussetzungen und Entwicklungsprozessen haben noch äußere Einflüsse durch Erziehung und Gesellschaft sowie die inneren Bedürfnisse und Entwicklungsprozesse signifikanten Einfluss auf die Entwicklung der Geschlechtsidentität (vgl. ROHRMANN 1997, o.S.). Bis heute ist es jedoch immer noch ungewiss, in welchem Ausmaß die Geschlechterunterschiede angeboren oder durch die Umwelt bedingt sind.

In unserer westlichen Kultur wird davon ausgegangen, dass es genau zwei Geschlechter gibt: das männliche und das weibliche. Beide sind unveränderbar und deutlich voneinander abzugrenzen. An das Wissen über diesen Geschlechterdualismus sind Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit gebunden, die jeweils einen ganzen Kanon von Eigenschaften, Verhaltensweisen, Ambitionen und Emotionen umfassen. Die männlichen Attribute stellen dabei einen Gegenpol der weiblichen Attribute dar. Adjektive wie stark, hart, groß, rational, zielorientiert sind an das männliche Geschlecht geknüpft. Folglich werden Adjektive wie schwach, weich, klein, emotional, prozessorientiert dem weiblichen Geschlecht zugeordnet.

Ein Mädchen ist nur dann ein „richtiges“ Mädchen, wenn ihr soziales Geschlecht dem biologischen entspricht. Diese Ordnung des Geschlechterdualismus, anders ausgedrückt der „Kultur der Zweigeschlechtlichkeit“, wird durch ein Wertesystem aufrechterhalten, welches abweichendes Verhalten negativ sanktioniert. Vielfalt und Ambivalenzen werden folglich nicht zugelassen (vgl. DROGAND-STRUD/RAUW 2005, S.169 f.).

Es lässt sich also die These aufstellen, dass Jungen und Mädchen in Bezug auf die Entwicklung der Geschlechtsidentität eine weitgehend passive Haltung einnehmen, da sie von ihrer Biologie gesteuert werden oder aber Opfer ihrer Sozialisationsbedingungen sind. Die neuere Geschlechterforschung betont allerdings einen anderen Blickwinkel, nämlich, dass Mädchen und Jungen ihre Geschlechtsidentität und das Verhältnis der Geschlechter aktiv entwickeln und gestalten. In den Vordergrund treten individuelle Unterschiede und Vielfältigkeiten beider Geschlechter, sowie „Konstruktionsprozesse“, mit denen geschlechtsbezogene Zuordnungen im Alltag von Frauen und Männern, Mädchen und Jungen selbst „hergestellt“ werden (vgl. ROHRMANN 2005b, o.S.).

Demnach stellt die Inszenierung der eigenen Geschlechtsidentität erstens einen praktischen Gestaltungsprozess dar, welcher lebenslang bearbeitet und definiert werden muss. Geschlechtsidentität ist somit nicht klar, eindeutig, selbstverständlich, wie sie es früher zu sein schien. Sie muss neu gedacht werden: kontingent, fluid, nur zeitweise fixiert. Zweitens bedeutet dies auch, dass Geschlechtsidentitäten nicht mehr auf die zwei Polaritäten „weiblich“ und „männlich“ reduziert, sondern in unzähligen Mustern produziert werden. In der Literatur wird in diesem Zusammenhang von einer „Pluralität in der Geschlechterdualität“ gesprochen (vgl. ROSE 2005, S. 154), welche die individuellen Unterschiede und Vielfältigkeiten der beiden Geschlechter erklärt, vor Pauschalisierungen bewahrt und überraschende Verhaltensweisen bei Mädchen und Jungen zulässt (vgl. ROHRMANN 2006, S. 8).

Die Durchsetzung der aktiven Gestaltung der Geschlechtsidentität, welche die „Pluralität in der Geschlechterdualität“ mit sich bringt, hat sich bisher jedoch noch nicht, bzw. nur ansatzweise vollzogen. Sie stellt also einen Idealentwurf für die Zukunft dar, wie in der folgenden Ausarbeitung noch deutlich wird.

3.1 Auswirkungen der Sozialisationsbedingungen

Jungen und Mädchen unterscheiden sich zunächst durch äußere Geschlechtsmerkmale, welche schon ab der 17. bis 20. Schwangerschaftswoche erkannt werden können. Mit diesem möglicherweise frühzeitigen Wissen um das Geschlecht des Kindes werden bei beiden Elternteilen Fantasien und unbewusste Vorstellungen in Gang gesetzt. Spätestens nach der Geburt wird das Kind, ob Junge oder Mädchen, von den individuellen Wünschen und Vorstellungen seiner Eltern begeleitet. Vater und Mutter haben Männerbilder und Frauenbilder im Kopf und diese Erwartungshaltungen bestimmen ihr Verhalten gegenüber ihrem Kind. „Nach Untersuchungen von Spitz wurden männliche Säuglinge als stark, durchsetzungsfähig und kräftig wahrgenommen, während dieselben Säuglinge, wenn sie als Mädchen präsentiert wurden als zart und hilflos erlebt wurden“ (BLANK-MATHIEU 1999, o.S.). Tatsächliche Verhaltensweisen, die das Kind zeigt, werden dann geschlechtsspezifisch verstärkt oder abgeschwächt.

Auch wenn heute die Entwicklung zu beobachten ist, dass Eltern zunehmend ähnliche Erwartungen an Mädchen und Jungen stellen und sich in erster Linie wünschen, dass ihr Kind klug, einigermaßen durchsetzungsfähig und angstfrei ist, hat sich gezeigt, dass die Erwartungshaltung der Erwachsenen sowie das, was sie nach außen hin vertreten, weniger Einfluss auf das kindliche Verhalten nimmt, als ihre eigene Modellfunktion. Und diese orientiert sich vorwiegend noch an traditionellen Rollenmustern (vgl. KASÜSCHKE 2001., o.S.) beziehungsweise Geschlechterrollenstereotypien, also an den als angemessen betrachteten, kulturell erwarteten oder vorgeschriebenen Verhaltensweisen, Fähigkeiten, Einstellungen und Persönlichkeitseigenschaften, welche typisch für Frauen oder Männer gelten.

Die Modellfunktion Erwachsener stellt folglich einen Teufelskreis dar, da traditionelle Geschlechtsrollenstereotype von einer Generation an die nächste weitergegeben werden; zunächst durch Beobachtung und Nachahmung bestimmter Verhaltensmuster, später durch Verinnerlichung der diesen Mustern zugrunde liegenden Vorstellungen und Meinungen (vgl. FRIED 2004, o.S.).

Inzwischen erfahren Kinder, dass sich das traditionelle Geschlechterrollenverhältnis teilweise im Umbruch befindet und dass folglich in manchen Fällen eine eindeutig voneinander abzugrenzende weibliche oder männliche Rolle nicht mehr existiert. Frauen erobern zunehmend männliche Domänen, so dass die Männer gezwungen sind, umzudenken und sich neu orientieren müssen. Es ist jedoch so, dass in der Gesellschaft immer noch feste Vorstellungen von Mann- und Frausein existieren, die (wie oben erläutert) tief verankert sind und aufgrund dessen die Entwicklung in Richtung Abwendung von traditionellen Rollen behindern (vgl. BLANK-MATHIEU 2006, o.S.). Besonders die Medien tragen zu einer Verfestigung überkommener Rollenvorstellungen bei. „Egal, ob es sich um Reklame im Fernsehen, um die Darstellung von Männer und Frauen in Zeitschriften, um Erzählungen und Geschichten handelt, die von Kindern auf Kassette oder CD gehört werden. Welche Rolle darin von Frauen und Männern, Jungen und Mädchen übernommen werden, prägt auch das eigene Rollenbild“ (BLANK-MATHIEU 2006, o.S.).

3.1.1 Notwendigkeit der Geschlechterrollenstereotype

Was die Eltern schon möglicherweise bei einem Besuch beim Frauenarzt erfahren, nämlich welchem Geschlecht der Fötus angehört, wird dem Kind im Alter von etwa zwei Jahren bewusst. Laut Literatur lernen Kinder die Unterscheidungen zwischen weiblich und männlich in einem komplexen Prozess, in welchem die Selbstkategorisierung ebenfalls eine Rolle spielt. Es wird davon ausgegangen, dass sie auf dem Weg der primären Sozialisation zunächst ein festes Fundament (Geschlechtsrollenstereotypen) erwerben, auf dem sie schließlich als Individuum ihre eigene Stellungnahme abgeben. Dies kann im Kindergarten beobachtet werden: Kinder malen Männer und Frauen als stereotype Wesen, Männer bekommen z.B. Muskeln, Frauen werden mit Schönheitsidealen bestückt. In Gesprächen mit Kindern wird jedoch deutlich, dass sie Frauen und Männer durchaus real wahrnehmen, z.B. genau wissen, dass die Erzieherin kurze Haare sowie Hosen trägt. Der Stereotyp bildet ein Raster, an dem sich dann neue Erfahrungen ausrichten können (vgl. BLANK-MATHIEU 1999, o.S.). Es ist davon auszugehen, dass Kinder zunächst die Geschlechtsrollenstereotype benötigen und anhand dieser ihre eigene Geschlechtsidentität entwickeln sowie ihre Rolle in der Gesellschaft ausloten. Dabei geht es dann um die Fragen: Wer bin ich als Mädchen oder Junge? Wie sehen mich andere in meiner Mädchen- oder Jungenrolle? Welche Eigenschaften schreiben mir die anderen zu? Wie soll ich mich nach Meinung anderer verhalten? Auf der Suche nach der eigenen Position orientiert sich das Kind am Verhalten von anderen Mädchen/Frauen und Jungen/Männern. Dabei entwickelt das Kind mit der Zeit eigene Vorstellungen von sich selbst, wie es sein möchte und wie es sein darf. Mit etwa drei bis dreieinhalb Jahren besitzen Kinder, wenn sie in den ersten Jahren verlässliche Bezugspersonen erleben, stabile Bilder von Mutter, Vater und sich selbst (vgl. KASÜSCHKE 2001, o.S.).

3.1.2 Konsequenzen der „Unterpräsentation“ der Männer

Wie bereits schon angemerkt ist es nach wie vor so, dass Kinder während ihrer primären Sozialisation Frauen und Männer im Alltag immer noch überwiegend in ihren klassischen Rollen erleben. Es sind überwiegend Frauen, die den Lebensraum der Kinder gestalten: als Mutter und Hausfrau, als Erzieherin, in der Grundschule als Lehrerin. Väter und Männer sind meist abwesend: zu Hause nur abends und am Wochenende verfügbar, in Kindertageseinrichtungen nur als Ausnahme erlebbar. Kinder erleben ständig Frauen in ihrem Alltag, was sie tun, wie sie sich geben und verhalten. Aufgrund der Unterpräsentation von Vätern bzw. von Männern, fehlt den Kindern eine aktive Auseinandersetzung mit realer, vielfältiger und „begreifbarer“ Männlichkeit (vgl. DROGAND-STRUD/RAUW 2005, S.169 f.). Dass Jungen beim Erwerb der Geschlechterrolle folglich auf mehr Schwierigkeiten stoßen, lässt sich bereits jetzt schon ansatzweise vermuten. In den anschließenden Abschnitten sollen diese etwas differenzierter erläutert werden:

Obwohl bereits die dreijährigen Jungen das Wissen besitzen, dass sie männlich und nicht weiblich sind (Kerngeschlechtlichkeit nach Mertens), orientieren sie sich noch an allen Kindern, die sich ihnen zuwenden. Das Grundbedürfnis nach Zuwendung und Akzeptanz scheint zunächst stärker zu wirken als das Bedürfnis zu Kontakten der eigenen Geschlechtergruppe. Je älter sie jedoch werden, desto mehr ist das Spiel mit älteren Jungen und die Konzentration auf männliche Verhaltensweisen zu beobachten. Abgrenzungstendenzen zu Frauen und Mädchen nehmen zu (vgl. BLANK-MATHIEU 2002b, o.S.). Häufig bilden Jungen geschlechtshomogene Gruppen, in denen sie sich darüber austauschen, was Männer tun, wie Männer sind. Da es den Jungen an männlichen Identifikationsmöglichkeiten und -figuren in ihrer Nähe fehlt, sind sie gezwungen sich von den Frauen abzugrenzen und sich als Nicht-Frau zu betrachten: „Wenn ich ein Junge sein will und ein Mann werden möchte, dann darf ich mich nicht weiblich verhalten!“. Laut Kasüschke bieten sich zur weiteren Orientierung hauptsächlich stereotype Rollenangebote der Spielzeug-, Fernseh- und Werbeindustrie an. Wie ein Mann zu sein hat, kann ein Junge dabei allenfalls erraten bzw. sich darüber mit gleichaltrigen Jungen austauschen. „Dieses Wissen orientiert sich jedoch an überhöhten Männlichkeitsidealen. Dadurch kommt es dann zu diesen „klassischen Mustern“, wie sie pädagogische Fachkräfte täglich im Kindergarten erleben können: Mädchen, die sich überwiegend unauffällig in den Tagesablauf integrieren, und Jungenhorden, die durch Lautstärke, raumgreifende Tätigkeiten und z. T. aggressive Verhaltensweisen auffallen“ (KASÜSCHKE 2001., o.S.).

Auf der Suche nach der Identität erproben Jungen und Mädchen „Mann-Sein“ sowie „Frau-Sein“. Mädchen dürfen sich dabei schwach, lieb und weich geben, weinen, sich wie Jungen benehmen und wild sein. Für gewöhnlich wird ihnen das gesamte Spektrum an menschlichen Regungen und Gefühlen zugestanden. Den Jungen, später den Männern, wird diese Menschlichkeit „abgezapft“. Selbst wenn die ersten drei Jahre eines Jungenlebens noch einigermaßen positiv verlaufen, nähert sich unausweichlich der Augenblick, in dem die Gesellschaft mitsozialisiert (vgl. MUCK 2005, o.S.): Ein Junge, der sich die Nägel lackiert oder ein Kleid aus der Verkleidungskiste anzieht, wird ausgelacht oder erbost darauf hingewiesen, dass man das nicht macht. Jungen werden also rigorosen Rollenklischees unterworfen, werden gehemmt das „Frau-Sein“ zu erproben und erkennen, dass sie immer Junge bleiben werden.

Unverkennbar wird deutlich, dass hier reagiert werden muss – und zwar mit einer Erziehung zur Chancengerechtigkeit. Die Antwort auf die geschlechtsbezogenen Benachteiligungen lautet:

[...]

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2006
ISBN (PDF)
9783956849435
ISBN (Paperback)
9783956844430
Dateigröße
5.6 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Technische Universität Dortmund
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1
Schlagworte
Geschlechtsidentität Geschlechterdifferenzen Geschlechtsspezifische Sozialisation Kinderspiele Feminisierung der Kindheit

Autor

Corinna Kühn wurde 1984 in Münster geboren. Sie ist staatlich anerkannte Erzieherin und schloss an der Technischen Universität Dortmund im Jahr 2011 ihr Studium für das Lehramt an Berufskollegs mit der beruflichen Fachrichtung Sozialpädagogik und dem Unterrichtsfach Deutsch ab. Im Jahr 2013 absolvierte sie in Münster das 2. Staatsexamen. Seitdem ist sie an der Liebfrauenschule in Coesfeld tätig und unterrichtet neben angehenden Erzieherinnen und Erziehern weitere Schülerinnen und Schüler in Bildungsgängen mit einem pädagogischen Schwerpunkt.
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