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Die jungen Alten: Best Ager als Zielgruppe im Marketing

©2004 Diplomarbeit 47 Seiten

Zusammenfassung

Das Buch befasst sich mit der Gruppe der sog. ‘Best Ager‘, sprich der Über-50-jährigen als wachsende Zielgruppe im Marketing. Dabei werden die besonderen Aspekte und Merkmale dieser Zielgruppe analysiert. Denn gerade die werbliche Ansprache kann nicht wie bei anderen (jüngeren) Zielgruppen erfolgen.
Das insbesondere diese Zielgruppe aufgrund der demographischen Entwicklung auch für Unternehmen und somit die Werbung immer relevanter wird, wird anhand von zahlreichen Beispielen und Erfahrungen aus der Praxis dargestellt und untermauert.
Das Buch verfügt über einen praxisorientierten Aufbau und beschreibt die Lebenswirklichkeit der Best Ager. Es zum besseren Verständnis dieser besonderen Zielgruppe bei und zeigt Handlungsmöglichkeiten praxisnah auf.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


2.3. Definition „Werbepolitik“

Der Begriff Werbepolitik setzt sich zusammen aus den Teilbegriffen Werbung und Politik.

Der Begriff Werbung wird im allgemeinen als eine überzeugende kommerzielle produkt- und unternehmensbezogene Kommunikation beschrieben, die gegen Bezahlung erfolgt. Unter Zuhilfenahme von Massenmedien sollen Kenntnisse, Einstellungen und Verhaltensweisen einer Zielgruppe in eine für den Werbetreibenden günstige Richtung beeinflusst werden.[1]

Unter dem Begriff Politik versteht man u.a. ein zielbewusstes und konsequentes Handeln.[2]

Es geht demnach darum, die Werbung möglichst zielbewusst und konsequent einzusetzen.

In diesem Kontext ist der Begriff Werbestrategie synonym mit dem Begriff Werbepolitik zu verstehen.

Die werbestrategische Ausrichtung umspannt ein Bündel strategischer Entscheidungen, bei der die zu verfolgenden Prioritäten eines Werbetreibenden festgelegt werden. Die Prio-ritätenentscheidungen umfassen dabei folgende Kriterien, die berücksichtigt werden müssen:

- Zu verfolgende Werbeziele,
- Anzusprechende Zielgruppen,
- Werbeobjekte (Einzelmarken, Dach-Kampagnen etc.),
- Medienstrategie (einzusetzende Medien: TV, Print, Internet etc.),
- Werbemittel (Werbegestaltungsmittel – z.B. Bilddominante Werbung)
- Zeitlicher Einsatz (zyklische, antizyklische Werbung usw.).[3]

Durch die wachsende Bedeutung von Best Agern als Zielgruppe, müssen sich auch die Werbestrategien dem anpassen. Trotzdem nehmen Best Ager bisher eine verhältnismäßig unbedeutende Rolle bei der werblichen Ansprache ein. Die Berücksichtigung dieser Zielgruppe wird adäquat vernachlässigt, obwohl ihr eine immense Bedeutung zukommt und auch in Zukunft zukommen wird. Die werbliche Ansprache der Zielgruppe der über 50-jährigen gilt als ausgesprochen schwierig, da die individuellen Bedürfnisse dieser Zielgruppe sich stark unterscheiden.[4]

3. Rahmenbedingungen der Best Ager

3.1. Demographische Gegebenheiten und Entwicklung

Die demographische Entwicklung in Deutschland ändert sich drastisch. Im Jahr 2004 stellen die über 40-jährigen die größte Altersgruppe dar. Bei einer Gesamtbevölkerung von 82,5 Millionen Einwohnern sind 45 Millionen Menschen in Deutschland über 40 Jahre alt. Dieses ist auf die geburtenstarken Jahrgänge um 1964 herum zurückzuführen.

Im Jahr 2050 wird nach den Bevölkerungsvorausberechnungen des Statistischen Bundesamtes die Hälfte der Bevölkerung älter als 48 Jahre sein. Ein Drittel der Bevölkerung wird älter als 60 Jahre sein. Darüber hinaus wird sich die Einwohnerzahl in Deutschland bis zum Jahr 2050 verringern. Zu einem langfristigen Bevölkerungsrückgang kommt es, da in Deutschland mehr Menschen sterben als Kinder geboren werden. Die Einwohnerzahl wird bis zum Jahr 2050 auf 75 Millionen absinken.[5]

Wie die im Anhang (s. Abb. 1) abgebildeten Bevölkerungspyramiden eindrucksvoll verdeutlichen, wird sich die Bevölkerungsentwicklung von 1950 bis 2050 von einer Pyramide zu einem Pilz verschieben.

Die Bevölkerungsentwicklung zeigt deutlich, wie sich das Altersgefüge in Deutschland verschieben wird. Aufgrund von Geburtenrückgängen, medizinischen Fortschritten, einer höheren Lebenserwartung, einem gesünderen Lebensstil und anderen Faktoren sind die obigen Prognosen durchaus als realistisch zu betrachten.

Die Bevölkerungsprognosen werden jedoch zum Teil auch kritisch beurteilt. Es wird angeführt, dass die Altersentwicklung nicht für die nächsten 50 Jahre vorhersehbar ist. Wirtschaftliche, politische sowie gesellschaftliche Entwicklungen sind nur schwer vorauszusagen. Auch werden die Erhebungstechniken zum Teil kritisiert. Grundsätzlich besteht jedoch Einigkeit darüber, dass die Anzahl der Best Ager den größten Teil der Bevölkerung ausmachen und dass die zahlenmäßige Dominanz dieser Altersgruppe zunehmen wird.[6]

3.2. Altersbedingte Charakteristika

Wie Eingangs bereits erwähnt, sind Best Ager nicht mit dem klischeehaften Bild von Senioren zu vergleichen. Mit dem Eintritt der Nachkriegsgeneration in das Best Ager-Alter, hat sich das Konsumverhalten stark verändert. Innerhalb der Zielgruppe gibt es bedeutende Unterscheidungen, so dass die „Senioren“ nicht als homogene Zielgruppe angesehen werden können. Die Generation der über 70-jährigen ist weitestgehend noch traditionell geprägt und setzt in ihren Konsumentscheidungen vor allem auf Bewährtes. Dagegen demonstrieren die „jungen Alten“ ihre Konsumerfahrung und sind in ihren Konsumentscheidungen wesentlich offener, kritischer und flexibler.[7]

Ebenfalls merklich auf die Situation der Best Ager wirkt sich das Bildungsniveau dieser Zielgruppe aus. Je älter die Best Ager sind, desto weniger qualifiziert ist der Schulabschluss. Dies ist noch als Folge des zweiten Weltkrieges anzusehen. Erst die Nachkriegsgenerationen verfügen über höhere Bildungsabschlüsse, die sich auch auf die Konsumentscheidungen auswirken. Dies hat zur Folge, dass die Nachkriegsgeneration weniger traditionell geprägt ist, sondern im Gegensatz zu den „Senioren“ die Entscheidungen aufgrund eigener Erfahrungen und veränderter Maßstäbe trifft.[8]

Ein weiterer Faktor, der bei den Best Agern beachtet werden sollte, ist die Tatsache, dass dieser Personenkreis in der Regel gesund, vital und voll leistungsfähig ist. Sie werden nicht durch körperliche oder psychische Krankheiten eingeschränkt. Best Ager sind überdurchschnittlich bestrebt, die Vitalität und den Gesundheitszustand zu erhalten. Denn sie wissen, dass die Gesundheit das Grundkapital für einen angenehmen Lebensabend ist.[9]

Freizeit und Vergnügen nehmen eine hohe Priorität bei den Best Agern ein. Insbesondere sind folgende Punkte für die „jungen Alten“ besonders wichtig:

- Gesundheit, Jung bleiben, Aktivität und Erlebnis
- Finanzielle Sicherheit
- Selbständigkeit und Unabhängigkeit
- Soziale Kontakte und Anerkennung, Gesellschaftliche Integration
- Sicherheit bei der Kaufentscheidung
- Ruhe und Muße[10]

Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Best Ager Konsumbedürfnisse haben, die sich nicht maßgeblich von jüngeren Zielgruppen abheben. Jedoch sind die Prioritäten anders gelagert. Die Best Ager von heute sind dynamisch, gut gebildet, gesund, vital, unabhängig, konsumerfahren und verfügen zudem über die nötige finanzielle Ausstattung, wie das nächste Kapitel verdeutlicht.

3.3. Einkommenssituation / Vermögen

Best Ager gehören zu der einkommensstärksten Gruppe in Deutschland. Sie verfügen über das höchste Haushaltsnettoeinkommen (vgl. Abb. 2 im Anhang). Bei einem durch-schnittlichen Haushaltsnettoeinkommen von bundesweit 2.126,- Euro im Monat (2.369,- Euro in West-Deutschland und 1.883,- Euro in Ost-Deutschland) liegen die Best Ager fast 1.000,- Euro über dem Durchschnitt.[11]

Sie stellen somit die finanziell potenteste Verbrauchergruppe dar. Für Marketing und Werbung liegen sie mit ihrem Einkommen weit vor der viel umworbenen jüngeren Zielgruppe. Besonders bei der Kriegs- und Nachkriegsgeneration ist dies auf einen unbehinderten Vermögensaufbau nach dem zweiten Weltkrieg zurückzuführen. Das angesparte Vermögen wird vermehrt für Konsumwünsche verwendet. Hauptsächlich hängt dies mit dem „Generationenwechsel“ in der Zielgruppe bei den über 50-jährigen zusammen.[12]

Bezüglich der Einkommenssituation von Best Agern ist auch zu beachten, dass diese Altersgruppe die größte Erbengeneration darstellt. Erbschaften bedeuten für die Best Ager frei verfügbares Geld, das nicht nur für die Alterssicherung verwendet wird, sondern für Konsumerfüllung fest eingeplant wird.

Ca. 60 % aller Erben sind zwischen 40 und 65 Jahren alt. Ca. 35 % der Erben sind über 65 Jahre alt. Dieses zeigt deutlich, dass jüngeren Altersgruppen in diesem Zusammenhang so gut wie keine Bedeutung zukommt.[13] Hinzu kommt, dass das Erbschaftsvolumen nach Prognosen in den Jahren 2003 bis 2013 über 70 % ansteigen wird (gegenüber 10 Jahren zuvor). So wird das Erbschaftsvolumen von 2011-2015 bei ca.1.469 Mrd. Euro liegen (siehe Abb. 3 im Anhang).[14]

3.4. Kaufkraft und Kaufentscheidungen von Best Agern

Sie gelten als die kaufkräftigste Gruppe, die es gibt. Aufgrund des hohen Einkommens und auch der vorher beschriebenen Erbschaftssituation verfügen die Best Ager über das meiste Geld aller für das Marketing relevanten Zielgruppen (siehe Anhang Abb. 4).

Ab der Lebensmitte erhöht sich die Kaufkraft und der Lebensstandard bei den meisten Verbrauchern. Ein wesentlicher Grund mag sein, dass kaum noch Ausgaben für Kindererziehung und Unterhalt anfallen. Die meisten Kinder sind bereits ins Berufsleben eingestiegen und haben ihr eigenes Einkommen. Jedoch stehen Best Ager (und Senioren) häufig für die jüngere Generation als „Finanzquelle“ zur Verfügung. Hinzu kommt, dass oft die Hypotheken abbezahlt sind und viele Best Ager mietfrei in den eigenen vier Wänden leben.[15]

Gemäß der Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse 2004 steht keiner anderen Einkommensgruppe so ein hoher finanzieller Spielraum zur Verfügung wie den Best Agern. 27,4 % der 50 bis 69-jährigen stehen mehr als 500,- Euro im Monat zur freien Verfügung. Bei den 30 bis 49-jährigen sind es hingegen nur ca. 22 %, denen im Monat mehr als 500,- Euro zur Verfügung steht. Bei den jüngeren Altersklassen sind es noch weniger, nämlich 15,5 %, bei den 20 bis 29-jährigen und 5,6 % bei den 14 bis 19-jährigen, denen monatlich mehr als 500,- Euro zur freien Verfügung steht.[16]

Die Kaufkraft der Best Ager erstreckt sich hauptsächlich auf von ihnen bevorzugte Artikel und Warengruppen. Im Rahmen der Kaufkraft muss jedoch auch beachtet werden, dass die Best Ager einen maßgeblichen Einfluss auf andere Zielgruppen haben. So fungieren sie häufig als sog. „Opinion Leader“, indem sie anderen Konsumenten bei Kaufentscheidungen behilflich sind und Ratschläge geben. Die große Konsumerfahrung verbunden mit einem hohen Bildungsniveau machen sie zu gut informierten und kompetenten Ratgebern. Dieses gilt im übrigen für die beiden angrenzenden Zielgruppensegmente. Sie beraten nicht nur ihre eigenen Kinder in Konsumfragen, sondern sind auch bei Kaufentscheidungen der Eltern (der „alten Senioren“) behilflich. Hinzu kommt, dass jüngere Konsumenten häufig nicht über ausreichend Zeit verfügen, Angebote sorgfältig zu vergleichen und zu testen. Sie verlassen sich daher auf die Ratschläger ihrer Eltern.[17]

Eine Werbung, die die Rolle des Best Ager als „Opinion Leader“ aufgegriffen hat, ist die bekannte Werbung von Fielmann, in der zwei Freunde am See sitzen. Der ältere von beiden lässt seinen Freund, in leicht humorvoller Art, an seiner Lebenserfahrung teilhaben, nämlich, dass er von Anfang an seine Brillen hätte bei Fielmann kaufen sollen (siehe Abbildung A).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. A: Fielmann-Spot, Quelle: http://www.fielmann.com/de/ueber_fielmann/werbung.php

Diese Werbung zeigt nicht nur die Rolle der Best Ager als „Opinion Leader“, sondern zeigt auch, wie Best Ager authentisch und zielgruppenorientiert dargestellt werden können. Diese wichtigen Faktoren werden jedoch später noch ausführlich erläutert.

Selbst im „Baby- und Kindersegment“ gelten Best Ager als eine kaufkräftige Gruppe wie folgendes internationales Beispiel belegt: Im Jahr 1997 haben „Selpies“ (Second Life People) allein bei dem US-Unternehmen „Grand Kids Ltd.“ für fast eine Milliarde Dollar eingekauft. Zudem verdeutlichen Untersuchungen, dass 25% aller Spielsachen von Best Agern gekauft werden, die darüber hinaus auch bei den Kaufentscheidungen für Spielsachen mitwirken.[18]

Dieses Beispiel zeigt deutlich, dass der Einfluss von Best Agern bei Kaufentscheidungen sich auf fast alle Alterssegmente erstreckt.

Dennoch gibt es auch unter den Best Agern klare Prioritäten bezüglich der Produkte und Konsumausgaben. An dieser Stelle sollen die wichtigsten drei Bereiche genannt werden, die im Bezug auf die Freizeitgestaltung Best Ager besonders interessieren. Sie decken sich auch mit den bereits erwähnten „alterbedingten Charakteristika“. Best Ager legen einen großen Wert auf ihre Freizeitgestaltung, so dass folgende Bereiche als besonders attraktiv von den Best Agern betrachtet werden:

- Gesundheit, Beauty und Wellness
- „Do it yourself“, Gartenarbeit und ein gastliches Zuhause
- Reisen, Kulturprogramm, Fitness (Schwimmen, Wandern etc.)[19]

4. Best Ager als Zielgruppe im Marketing

4.1. Besonderheiten der Zielgruppe

Wie bereits erwähnt, sind Best Ager oft gut gebildet, konsumerfahren, vital und in der Regel finanziell abgesichert. Diese pauschalisierten Kriterien treffen auf einen großen Teil der Best Ager zu. Dennoch gibt es bedeutende Unterschiede innerhalb der Zielgruppe z.B. durch unterschiedliche Berufswege, Lebenserfahrungen und Wertvorstellungen.[20] Im Auftrag des Bayerischen Rundfunks hat Infratest Bourke eine Typologisierung der über 50-jährigen vorgenommen. Nach dieser Studie werden die Best Ager in 5 Gruppen unterteilt:

- Der „selbstbewusst-kritische junge Alte“
- Der „aufgeschlossene, interessierte junge Alte“
- Der „aktive, flexible, junge Alte“
- Der „passive, graue Alte“
- Der „abgeklärt-zufriedene Alte“ [21]

In der obigen Klassifizierung sind alle Gruppen vom Potential her ähnlich stark ausgeprägt. Sie macht deutlich, welche Unterschiede innerhalb der Zielgruppe bestehen.

Die o.g. Best Ager sind neben ihrer Konsumfreudigkeit durchaus zum Markenwechsel bereit.[22] Anders verhält es sich bei den „alten Alten“. Diese Gruppe zeichnet sich durch eine hohe Sparbereitschaft aus und übt sich in einer Entbehrungsmentalität. Diese eher traditionsverwurzelten „Senioren“ haben wenig mit den „jungen Alten“ gemeinsam, die ihr Geld lieber ausgeben, statt es zu vererben.[23]

Das Marketing richtet daher seinen Fokus auf die Best Ager (jungen Alten) und versucht, diese Zielgruppe zu erschließen. Diese Zielgruppe gilt jedoch im allgemeinen als schwer erreichbar. Bei der Erschließung dieses Marktsegments Fehler zu vermeiden, ist äußerst schwierig. Dies lässt sich insbesondere auf zwei Kriterien zurückführen. Zum einen ist es schwer, eine Massen-Zielgruppe wie die Best Ager zielgerichtet zu umwerben, da diese in Ihren Ausgestaltungsformen unterschiedlich ist, wie die obige Typologisierung gezeigt hat. Des Weiteren gilt „Alter“ immer noch als ein Tabu-Thema in der Werbung, zumal sich viele der Werber nicht mit der Zielgruppe identifizieren können.[24]

4.2. Ansprüche von Best Agern

Best Ager haben im allgemeinen recht hohe Ansprüche und möchten nicht mit standardisierten Produkten und standardisierter Werbung umworben werden.[25]

Die 50plus Generation hat Bedürfnisse, die sich nicht unmittelbar über das Alter definieren lassen. Dennoch haben sie ganz spezielle Interessen und wollen auch auf die Bedürfnisse angesprochen werden und nicht auf das Alter. Hier macht sich stark die hohe Konsumerfahrung bemerkbar, so dass Best Ager meist höhere Ansprüche haben als die Zielgruppe der 14 bis 49-jährigen Kunden.[26]

Auch wenn man die unterschiedlichen Lebensstile der Best Ager betrachtet, so lassen sich trotzdem einige allgemeingültige Aussagen zu den Ansprüchen und zum Kaufverhalten feststellen. Best Ager sind heute im allgemeinen konsumfreudiger als es früher der Fall war. Dieses gilt insbesondere für die Nachkriegsjahrgänge, die nicht unter Entbehrungen aufgewachsen sind. Diese Best Ager zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich gerne etwas leisten.[27]

Fakt ist, dass sich die Konsumausgaben und Ansprüche maßgeblich von denen der früheren Generation unterscheiden. Neben dem hohen Einkommen ist es vor allem der Wertewandel, der sich sehr stark im Genuss und in der Kauflust niederschlägt. Dabei ist die Art der Produkte variabel. Reisen, ein neues Auto, eine neue Küche oder die Hobbys und Freizeitaktivitäten werden mit zunehmenden Enthusiasmus verfolgt. Der Konsument ab 50 ist jedoch vor allem anspruchsvoll. Qualität und Service spielen eine große Rolle bei Kaufentscheidungen. Hochpreisartikel werden bevorzugt, wobei die Qualität der Produkte und der Dienstleistung im Vordergrund steht. Bei der Wahl der Produkte achten sie weniger auf spektakuläre Produktverpackungen, sondern legen vielmehr Wert auf den Inhalt. Der Nutzen eines Produktes steht an erster Stelle, dann folgt die Ästhetik. Der Preis spielt bei den Best Agern eine untergeordnete Rolle. Ihre Forderung besteht primär in einem angemessenen Preis-Leistungs-Verhältnis.[28]

Die Rolle der Best Ager als „Opinion-Leader“ wurde bereits angesprochen. In diesem Zusammenhang noch ein weiterer Aspekt: Viele Unternehmen haben bereits erkannt, dass Produkte und auch Dienstleistungen, die originär auf die Bedürfnisse von Best Agern ausgerichtet sind, häufig auch für eine jüngere Zielgruppe interessant sind. In diesem Zusammenhang ein Beispiel: In Österreich öffnete 2003 der erste Supermarkt für „Ältere“ seine Tore. Das Prinzip des Geschäftes war es, keine Barrieren aufkommen zu lassen und den Laden großzügig und übersichtlich zu gestalten. Dieses gefiel auch der jüngeren Altersgruppe so gut, dass der Geschäftsinhaber erstaunt feststellte, dass zum Beispiel Mütter mit Kindern zu seinen neuen Stammkunden zählen. Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass Erleichterungen und Vereinfachungen prinzipiell von allen Kunden befürwortet werden. Dem gegenüber steht jedoch, dass komplizierte Produkte oder Dienstleistungen für Best Ager kaufverhindernd sind, wobei sie bei allen anderen lediglich kaufhemmend sein können.[29]

4.3. Werte und Einstellungen der Best Ager

Kaum eine Zielgruppe im Marketing hat sich in der Vergangenheit in Bezug auf Werte und Einstellungen so stark verändert wie die Best Ager. Werte sind Auffassungen von Gutem und Wünschenswertem. Sie bestimmen unsere Wahrnehmungen, unsere Bewertungen und unser Handeln. Dadurch werden natürlich auch unsere Konsumabschichten und Kaufentscheidungen beeinflusst. Werte und Einstellungen verändern sich im Laufe der Zeit. Die Traditionen, Werte und Normen nach denen die frühere Generation handelte, gelten häufig nicht mehr. Ein grundlegender Wertewandel bei den Best Ager hat bereits stattgefunden. Dennoch sind Vorurteile bezüglich des Älterwerdens weit verbreitet und dieser Lebensabschnitt geht häufig noch mit negativen Assoziationen einher. Fakt ist jedoch, dass die Best Ager noch nie so jung waren, wie heutzutage.[30]

Während für frühere Generationen Werte wie Bescheidenheit, Verzicht, Fleiß, Disziplin und Sparsamkeit im Vordergrund standen, handeln die heutigen Best Ager wesentlich Ich-bezogener. Bei den Best Agern steht im Vordergrund, dass sie in ihrer Freizeit und nach dem Berufsleben ein schönes Leben haben möchten. Hinzu kommt, dass die Best Ager nach ihrem Berufsleben selbst bestimmen können, was sie machen. Im Rahmen der Fremd- zur Selbstbestimmung wollen die Best Ager insbesondere ihr Leben in vollen Zügen genießen.[31]

Durch diesen Wertewandel ergibt sich, dass den Best Agern langsam aber stetig eine höhere Gewichtung zukommt. Sie haben völlig andere Wert- und Normvorstellungen als vorherige Generationen.

Maßgebliche Bedeutung haben bei den Best Agern insbesondere die Bereiche: Gesundheit, Fitness, Wohlbefinden, Familie und Freunde, Partnerschaft sowie Beruf und Weiterbildung.[32] In diesem Zuge hat sich auch ihr Konsumstil maßgeblich verändert. Aktivitäten und Freizeitverhalten haben in keiner anderen Zielgruppe in der Vergangenheit so stark an Bedeutung gewonnen, wie bei den Best Agern.[33]

4.4. Präferenzen, Prioritäten und Bedürfnisse

Best Ager haben andere Präferenzen und Bedürfnisse als jüngere Zielgruppen. Wie bereits erwähnt, gibt es jedoch auch starke Unterscheidungen innerhalb der Zielgruppe. Als sehr grobe Einteilung kann man einerseits die eher häuslich, traditionsbewussten Best Ager sehen und zum anderen, die aktiven, vitalen, lebensfrohen und unternehmungslustigen Best Ager. Meist gehören die jüngeren Best Ager zur zweiten Gruppe.

Die sog. Traditionsverwurzelten gehören häufig dem älteren Segment der Best Ager an. Sie zählen zum Teil noch zur Kriegsgeneration. Diese Zielgruppe vertritt die Auffassung, dass man auch was zum Vererben haben muss. Werte wie Ordnung, Sauberkeit, Anstand und Pflichterfüllung genießen einen hohen Stellenwert in ihrem Leben. Der Anteil dieser Zielgruppe geht kontinuierlich zurück. Dennoch beträgt ihr Marktanteil ca. 15 %. Das kleinbürgerliche oder auch traditionsverwurzelte Milieu machte vor 20 Jahren noch ca. 28 % aus. Im Jahr 2010 wird es nur noch ca. 9 % ausmachen. Die Vorlieben und Interessen der Traditionsverwurzelten lassen sich wie im Anhang (Abb. 5) darstellen.

Die Traditionsverwurzelten erreicht man am besten über den Print-Bereich. Beispielsweise über Ratgeber aus der Apotheke, über die Tageszeitung oder die „Yellow-Press“. Verkäu-ferisch kann man mit der Zielgruppe kaum rechnen, denn sie geht mit ihrem Geld sehr sparsam um und lebt zurückgezogen in den eigenen vier Wänden. Auch ist ein Markenwechsel bei dieser Zielgruppe kaum zu erreichen. Sie setzt auf die ihr altbekannten Marken.[34]

Dennoch ist an dieser Stelle bewusst auf die Traditionsverwurzelten hingewiesen worden, denn sie entsprechen am ehesten dem Bild, das man von den Senioren hat.

Ebenso wie bei den Traditionsverwurzelten, gibt es auch bei den jüngeren Best Agern klare Prioritäten. Die typischen Best Ager sind in besonders hohem Maße an medizinischen Fragen interessiert. Die wachsende Verantwortung im Bereich der Gesundheitserhaltung sorgt für einen steigenden Absatz der rezeptfreien Mittel in Apotheken. Des Weiteren treiben viele Best Ager gezielt Sport. Die Fitness- und Wellnesswelle in Deutschland ist zum großen Teil auf die Best Ager zurückzuführen. Das Angebot der Fitnessstudios hat sich bereits auf den von Jahr zu Jahr steigenden Altersschnitt eingestellt und bietet entsprechende Kurse an. Es werden in zunehmenden Maße gesundheitsförderliche Ausdauer- und Entspannungskurse angeboten. Die sog. „Powerladies“ zwischen 40 und 60 Jahren stehen im Zentrum des Wellnesstrends. Auch fitnessgerechte Ernährung, Bioprodukte und allgemein eine gesunde Lebensweise stehen hoch im Kurs bei den Best Agern. Dies zeigt sich zum Beispiel beim Getränkemarkt. Der Wasserkonsum ist in den letzten Jahren stetig gestiegen (um 160 % seit 1980), denn Wasser steht für Gesundheit, Einfachheit und Wellness.[35]

Luxusartikel, Fitness oder auch Designereinrichtungen stehen weit oben auf der Wunschliste der Best Ager. Was nicht gewünscht wird, sind standardisierte Produkte. Die Best Ager beschäftigen sich ebenfalls in zunehmenden Maße mit dem Internet und den neuen Medien, wie auch später in dieser Arbeit erläutert wird. Finanzthemen sind ebenso ein wichtiger Themenkomplex bei den Best Agern. Keine andere Zielgruppe ist bei Banken so gern gesehen wie die Best Ager. Die Hypovereinsbank zum Beispiel veranstaltet jährlich einen „Kompetenz-Kongress“ für die 50plus Generation. Im Rahmen von Veranstaltungen, Workshops, Talkrunden, Podiumsdiskussionen sowie flankierenden Tennis- und Golfaktionen informieren sie über E-Commerce, lebenslanges Lernen bis hin zum Wertpapierhandel im Internet. Sogar Ayurveda und Gedächtnistraining bieten die Banken ihrem ertragsreichsten Kundensegment an.[36]

Ein weiterer sehr attraktiver Markt ist der Bereich Touristik. Best Ager haben eine hohe Reise-Affinität und möchten was erleben. Kreuzfahrten, Urlaubsreisen oder Kurztrips stehen hoch im Kurs bei den jungen Alten. Auch hier möchte der Best Ager individuell angesprochen werden. Individualreisen, speziell auf seine Bedürfnisse zugeschnitten, werden gegenüber dem Massentourismus bevorzugt. So haben bereits viele Reiseveranstalter ihr Programm speziell auf die Best Ager ausgerichtet. Die wachsende Bedeutung von Best Agern im Tourismusbereich visualisiert die Grafik im Anhang (siehe Abb. 6).

Diese Grafik verdeutlicht sehr gut, wie sich die Altersschichten auf dem Tourismusmarkt in den letzten 9 Jahren verschoben haben. Während die Best Ager mehrere Urlaubsreisen im Jahr antreten, sind bei den 14-49-jährigen die Zahlen rückläufig.

Stark ausgeprägt ist bei den Best Agern auch der Wunsch jünger zu wirken, als es tatsächlich der Fall ist. Darauf lässt sich u.a. auch der Wellness- und Fitnessboom zurückführen. Insgesamt äußern 70 % der Best Ager, dass sie jünger wirken, als sie tatsächlich sind. Ähnlich wie in anderen Bereichen, wird auch hier von den unterschiedlichen Best Ager-Typen dem Faktor „jünger wirken“ eine unterschiedliche Gewichtung beigemessen. Jünger wirken zu wollen, ist bei den Best Agern ein zentrales Thema, womit sie unter anderem die noch vorhandene Leistungsfähigkeit unterstreichen möchten. Die Best Ager möchten sich und ihrer Umwelt beweisen, dass sie eben noch nicht zum Kreis der „typischen Senioren“ zählen.[37]

Gerade dieser Bereich bietet Firmen, die sich mit „Anti-Aging“-Produkten beschäftigen, ausgezeichnete Gewinnmöglichkeiten. Der sog. „Jugendwahn“ und „Schönheitskult“ wird nicht zuletzt durch die Best Ager vorangetrieben. Dabei ist verstärkt zu bemerken, dass nicht nur Frauen, sondern auch Männer dem gepflegten Äußeren einen hohen Stellenwert beimessen.

Neben den wichtigsten Themen, wie Gesundheit, Familie, Reisen, Weiterbildung, Kultur und Fitness, gibt es für die meisten Best Ager nur noch wenige Themen, denen sie derart große Beachtung schenken. Die Freizeitbeschäftigung nimmt ebenfalls einen sehr hohen Stellenwert bei den „jungen Alten“ ein. Diese ist oft vielseitig, jedoch individuell sehr unterschiedlich.[38]

[...]


[1] Vgl. Deutscher Marketing Verband (Hrsg.): Internationales Marketing-Lexikon, Köln 1998, Seite 310

[2] Vgl. Brockhaus (Hrsg.): Der Brockhaus in 5 Bänden, Band 4, Wiesbaden 1975, Seite 234

[3] Vgl. Herrmann Diller (Hrsg.): Vahlens Großes Marketing Lexikon, Band 2, a.a.O, Seite 1873 f.

[4] Vgl. J. Jankowski / L. Neundorfer: Selbstbild und Fremdbild der Zielgruppe 50plus in der Werbung, München 2000, Seite 95

[5] Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Bevölkerungsentwicklung Deutschlands bis zum Jahr 2050, Pressemitteilung vom 06. Juni 2003, Wiesbaden 2003

[6] Vgl. Gerd Bosbach: Demografische Entwicklung – nicht dramatisieren!, in Gewerkschaftliche Monatshefte 55. Jg. 2/2004, Wiesbaden 2004, Seite 97 ff.

[7] Vgl. Axel-Springer-Verlag; Marketing-Anzeigen (Hrsg.): Marktmacht Senioren, Berlin 1998, Seite 1

[8] Vgl. Elke Verheugen: Best Age Marketing – Geldverdienen mit der lukrativsten Zielgruppe Deutschlands, Göttingen 2004, Seite 9

[9] Vgl. Elke Verheugen, a.a.O, Seite 12

[10] Vgl. C. Krieb / A. Reidl: Senioren Marketing – So erreichen Sie die Zielgruppe der Zukunft, Wien 1999, Seite 54-56

[11] Vgl. Elke Verheugen, a.a.O., Seite 10

[12] Vgl. Axel-Springer-Verlag; Marketing-Anzeigen (Hrsg.), a.a.O., Seite 9 ff.

[13] Elke Verheugen, a.a.O., Seite 10

[14] http://www.bbeberatung.com/bbe_cms/news/senior_finance.php

[15] Vgl. Axel-Springer-Verlag; Marketing-Anzeigen (Hrsg.), a.a.O., Seite 9

[16] Vgl. Johannes Schneller: Die Zielgruppe der Zukunft – 50plus, Powerpoint-Präsentation des Instituts für Demoskopie, Allensbach 2004, Folie 9

[17] Vgl. Elke Verheugen, a.a.O., Seite 17

[18] Vgl. Gerhard Skoff: Die Fehler der Werber, in Werben und Verkaufen 6/2001, München 2001, S. 95

[19] Vgl. Elke Verheugen, a.a.O., Seite 18

[20] Vgl. Claudia Härtl-Kasulke, a.a.O., Seite 6

[21] Vgl. Elke Häberle: Fokus – Die jungen Alten, in Compact 1-2/99, München 1999, Seite 9

[22] Vgl. Wilfriede Pirovsky: Was beschäftigt die Best Ager wirklich ? – Ein projektiver Ansatz zur Erfassung relevanter Motive, in Planung und Analyse 6/2001, Frankfurt am Main 2001, Seite 18

[23] Vgl. Rüdiger Szallies: Zielgruppe Senioren – Abschied von Missverständnissen, in Bank und Markt Heft 11, Frankfurt am Main 2003, Seite 24 f.

[24] Vgl. Sven Schrader: Die Angst der Werber vor „50 Plus“, in Werbeforschung & Praxis 1/98, Wien 1998, Seite 10

[25] Vgl. Anja Schüür-Langkau: die Crux mit dem Alter, in Werben und Verkaufen 6/2001, München 2001, Seite 90

[26] Vgl. C. Koller: Ran an die „Woopees“, in Impulse 01/2002, Hamburg 2002, Seite 84

[27] Vgl. T. Jansen / C. Rabe: Wertewandel bei den neuen Alten – eine kohortenanalytische Untersuchung, aus Zukunftsperspektiven des Marketing – Paradigmenwechsel und Neuakzentuierung, Berlin 2003, Seite 189

[28] Vgl. Claudia Härtl-Kasulke, a.a.O., Seite 41

[29] Vgl. Elke Verheugen, a.a.O., Seite 18

[30] Vgl. Elke Verheugen, a.a.O., Seite 13

[31] Vgl. M. Koschate / D. Malinowski/ T. Windschild, a.a.O., Seite38 ff

[32] Vgl. Elke Verheugen, a.a.O., Seite 17 f.

[33] Vgl. Johannes Schneller, a.a.O., Folie 10 f.

[34] Vgl. Florian Allgayer: Ruhiger Lebensabend mit der Familie – Zielgruppe Traditionsverwurzelte, in Media & Marketing 09/2002, München 2002, Seite 58 ff.

[35] Vgl. Elke Verheugen, a.a.O., Seite 15

[36] Vgl. C. Koller, a.a.O., Seite 84 f.

[37] Vgl. M. Koschate / D. Malinowski/ T. Windschild, a.a.O., Seite 41 ff.

[38] Vgl. Elke Verheugen, a.a.O., Seite 15

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2004
ISBN (PDF)
9783956849442
ISBN (Paperback)
9783956844447
Dateigröße
7.3 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Hamburg
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,3
Schlagworte
Senior WOOPIES Rentner Werbepolitik Zielgruppenmarketing

Autor

Andreas Ebert wurde 1980 in Hamburg geboren. Sein sozialökonomisches Studium an der Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik schloss der Autor im Jahre 2005 als Diplom-Betriebswirt erfolgreich ab. Anschließend absolvierte er ein Masterstudium im Bereich Entrepreneurship. Der Autor sammelte umfangreiche Erfahrungen im Bereich des Marketings und der Unternehmenskommunikation. Ausgehend von den Prognosen der demographischen Entwicklung in Deutschland erkannte er früh die besondere Bedeutung von Best Agern als potenzielle Zielgruppe im Marketing, was ihn motivierte, sich der Thematik des vorliegenden Buches zu widmen.
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