Bewertung von Finanzinstrumenten nach Einführung des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes: Übeschneidungen und Abweichungen zu IFRS
©2012
Bachelorarbeit
63 Seiten
Zusammenfassung
Seit Inkrafttreten des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes zum 01.10.2010 werden Finanzinstrumente, die zu Handelszwecken erworben sind, mit dem Fair Value (Marktwert) bewertet. Dieser Paradigmenwechsel führt zur Durchbrechung des jahrzehntelang gültigen Prinzips, dass Vermögensgegenstände maximal mit den Anschaffungs- und Herstellungskosten bewertet werden können. Das den HGB-Jahresabschluss bestimmende Vorsichtsprinzip wird dadurch aufgeweicht. Dies führte bereits zu Diskussionen, bevor das Gesetz in Kraft trat. Kritisiert wird dabei, dass die an die internationale Rechnungslegung angepasste Zeitwertbilanzierung sogar mit ursächlich für Finanzkrisen sein könne. Diesem Vorwurf sowie das Ausmaß, inwieweit sich das deutsche Recht bei der Bewertung zum beizulegenden Zeitwert an die internationale Rechnungslegung anlehnt, soll in der vorliegenden Arbeit nachgegangen werden.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Prämissen von Finanzinstrumenten im Handelsbestand ... 10
Abb. 2: Stufenkonzept zur Bewertung von Finanzinstrumenten des Handelsbestands ... 15
Abb. 3: Bewertung von Finanzinstrumenten im Handelsbestand vor und nach dem BilMoG ... 19
Abb. 4: Vergleich von Bewertung zum Fair Value und zu Anschaffungskosten während der ... 44
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1:
Gliederung der Finanzinstrumente ... 11
Tabelle 2:
Unterschiede zwischen Banken und Nicht-Banken bei der Fair-Value-Bewertung ... 23
Tabelle 3:
Bewertung von Finanzinstrumenten nach IFRS ... 32
Tabelle 4:
Gegenüberstellung von HGB und IFRS zur Bewertung von Finanzinstrumenten ... 34
Abkürzungsverzeichnis
BilMoG
=
Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz
IFRS
=
International
Financial Reporting Standards
HGB
=
Handelsgesetzbuch
Begr. RegE BilMoG
=
Begründung des Gesetzentwurfs der
Bundesregierung eines Gesetzes zur
Modernisierung des Bilanzrechts
AHK
=
Anschaffungs- und Herstellungskosten
GoB
=
Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung
KWG
=
Kreditwesengesetz
Rz.
=
Randzahl
BilMoG Internationalisierung der deutschen
Rechnungslegung
Das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz ist die umfangreichste Reform des deut-
schen Bilanzrechts seit 1985. Dies ist ein Zeichen dafür, dass der Gesetzgeber
eine Modernisierung des Handelsbilanzrechts für zeitlich angemessen hielt, die
mit vielen Entlastungen und Erleichterungen einhergeht. Im Zuge der Reform er-
folgte eine Umgestaltung diverser Ansatz-, Bewertungs- und Ausweiswahlrechte
des Handelsrechts. Die Reduktion von Kosten und Bürokratie sowie die Steige-
rung von Transparenz sind Ziele der Neugestaltung.
1
1.1 Grundlegende Motive und Zielsetzung des Gesetzgebers
Die Grundidee des Gesetzes besteht darin, das HGB-Bilanzrecht weiterhin als
vollwertige, einfachere und kostengünstigere Alternative im Vergleich zur IFRS
beizubehalten, indem das Handelsgesetz beispielsweise von überholten Wahl-
rechten (z. B. Abschreibungswahlrechte von Vermögenswerten von Nichtkapital-
gesellschaften) bereinigt wird. Besonders für deutsche mittelständische Unter-
nehmen ergeben sich z. B. durch Erhöhung der Schwellenwerte, die die Pflicht zur
Jahresabschlusserstellung bestimmen, erhebliche Einsparungen.
2
Eine verstärkte
Anlehnung an die IFRS und die Implementierung von EU-Richtlinien in das
deutsche Recht sollen gewährleisten, dass die Jahresabschlüsse - sowohl Einzel-
als auch Konzernabschlüsse - der Firmen in Deutschland an Aussagekraft gewin-
nen. Um dieses Ziel zu realisieren, sind einerseits Informationspflichten ausgebaut
und andererseits Wahlrechte von Bewertungs-, Ansatz- und Ausweisvorschriften
abgeschafft worden. Eine erhöhte Informationsfunktion der Unternehmensab-
schlüsse begünstigt somit die zwischenbetriebliche Vergleichbarkeit auf interna-
tionaler Ebene. Hierbei sollen Kosten und Nutzen der Rechnungslegung nach
1
Vgl. Schmeling, Jens Ullrich (2010). Das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz(BilMoG) und sei-
ne Auswirkungen auf den handelsrechtlichen Einzelabschluss; Eine Annäherung an die Interna-
tional Financial Reporting Standards(IFRS)?. Hamburg: Diplomica Verlag, S. 15
2
Vgl. Zülch, Henning / Hoffmann, Sebastian (2009). Praxiskommentar BilMoG. Weinheim: Wiley-
VCH Verlag, S. 25
1
HGB weiterhin im Verhältnis zueinander stehen.
3
Die Vereinfachung der Buchfüh-
rungs- und Bilanzierungsvorschriften für Einzelkaufleute und kleine Betriebe ga-
rantieren, dass auch die Bedürfnisse des deutschen Mittelstands berücksichtigt
werden.
4
Dies wird beispielsweise gewährleistet durch den Wegfall der Rechnung-
slegungspflicht für bestimmte Kleinstunternehmen. Einzelkaufleute, die weniger
als 500.000 Umsatzerlöse und weniger als 50.000 Jahresüberschuss haben,
sind von der Buchführungs- und Bilanzierungspflicht befreit.
5
Die fortschreitende Internationalisierung erfordert zunehmend eine informations-
orientierte Bilanzierung, die global agierende Unternehmen in ihrer Wettbewerbs-
fähigkeit unterstützt. Die Globalisierung verlangt von Unternehmen nicht nur sich
verstärkt international anerkannter Rechnungslegungsstandards zu bedienen,
sondern steigert auch den Wettbewerb um kostengünstige Finanzierungsmöglich-
keiten. Ungeachtet dessen ist noch nicht bewiesen, ob sich die IFRS als eine
Norm international akzeptierter Rechnungslegung, auch für den Mittelstand, be-
hauptet. Der Gedanke, das deutsche Handelsrecht vollkommen durch die IFRS zu
ersetzen, erscheint für kleine bis mittelgroße Betriebe wenig sinnvoll, da sich
durch die Pflicht zur Angabe umfangreicher Daten im Anhang vermehrt Kosten
ergeben würden. Das neue HGB erfordert neue Anhangangaben, die Bilanzposten
näher erläutern, wie z. B. der Ausweis aktivierter immaterieller Vermögensgegens-
tände in einem neuen Posten.
6
Ebenso sind beispielsweise ergänzende Angaben
als Davonvermerk zu den Laufzeiten bei Verbindlichkeiten zu machen.
7
Des Wei-
teren würde das im HGB gewichtige Vorsichtsprinzip aufgrund der Veröffentli-
chung detaillierter, wettbewerbsentscheidender Informationen an Bedeutung ver-
lieren. Nicht in der Bilanz ersichtliche Geschäfte (bspw. Factoring als eine Art der
3
Vgl. Penz, Oxana (2011). Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz und steuerliche Gewinnermittlung
aus Sicht der Steuerplanung. Hamburg: Diplomica Verlag, S. 7
4
Vgl. Prof. Dr. Hayn, Sven / Graf Waldersee, Georg (2008). IFRS/HGB/HGB-BilMoG im Ver-
gleich; Synoptische Darstellung mit Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz. Stuttgart: Schäffer-
Poeschel-Verlag, S.11
5
Vgl. Buchmüller, Tatjana (2010). Das Maßgeblichkeitsprinzip vor dem Hintergrund des Bilanz-
rechtsmodernisierungsgesetzes(BilMoG). Hamburg: Diplomica Verlag, S. 16
6
Vgl. § 266 Abs. 2 A. I. 1. HGB (RegE)
7
Vgl. § 285 Satz 1 Nr. 2 bzw. § 314 Abs. 1 Nr. 1 HGB
2
Betriebsmittelfinanzierung) sind im Anhang anzugeben
8
und im Lagebericht sind z.
B. das interne Kontroll- und Risikomanagementsystem zu beschreiben
9
. Somit ist
die Integration der IFRS-Regelungen in den HGB mit Bedacht zu begutachten.
10
Trotz der Modernisierung sollen die Eckpfeiler des deutschen Bilanzrechts und
das bislang geltende System der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung be-
stehen bleiben. Die handelsrechtliche Gewinnermittlung basiert auch künftig auf
dem HGB-Abschluss und ist maßgeblich für die Steuerbilanz. Zugleich wird von
den handelsrechtlichen Bilanzierungsprinzipien nicht abgewichen und sämtliche
neu implementierte Regelungen haben keine Auswirkung auf das steuerliche Er-
gebnis.
11
1.2 Spezielle Motive und Zielsetzung des Gesetzgebers bei der
Bewertung von Finanzinstrumenten
Mit Inkrafttreten des BilMoG ist die Fair-Value-Bewertung für -,,zu Handelszwecken
erworbene Finanzinstrumente" durch § 253 Abs. 1 Satz 3 HGB geregelt. Die Re-
gelung besagt, dass Wertänderungen des beizulegenden Zeitwerts auch dann
ergebniswirksam zu verbuchen sind, wenn der beizulegende Zeitwert größer als
die Anschaffungskosten ist.
Der Handel mit Finanzinstrumenten stellt heutzutage bereits einen festen Bestand-
teil des wirtschaftlichen Tagesgeschäfts dar. Bereits im Jahr 2005 hat die
Deutsche Bank laut Geschäftsbericht zum Fair Value bilanziert. Die Bewertung
des Handelsbestandes zum Fair Value wird bisweilen schon anerkannt und zum
Teil als ein Grundsatz ordnungsgemäßer Buchführung deklariert.
12
So war es le-
8
Vgl. § 285 Nr. 3 bzw. § 314 Abs. 1 Nr. 2 HGB
9
Vgl. § 289 Abs. 5 HGB
10
Vgl. Bieg, Hartmut / Kußmaul, Heinz / Petersen, Karl / Waschbusch, Gerd / Zwirner, Christian
(2009). Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz; Bilanzierung, Berichterstattung und Prüfung nach
dem BilMoG. München: Oldenburg Verlag, S. 2
11
Vgl. Fülbier, Rolf Uwe / Kuschel, Patrick / Maier, Friederike (2009). Internationalisierung Des
HGB und Auswirkungen Auf Das Controlling. Weinheim: WILEY-VCH Verlag GmbH & Co.
KGaA, S. 37
12
Vgl. Begr. RegE BilMoG, S. 116
3
diglich eine Frage der Zeit die Bewertung der Finanzinstrumente gesetzlich festzu-
legen.
13
Allerdings hat die Einführung der Zeitwertbilanzierung die Durchbrechung des An-
schaffungswertprinzips als Konsequenz. Der Gesetzgeber hat sich nach langwie-
rigen Auseinandersetzungen schlussendlich von seinem ursprünglichen Vorha-
ben, die Zeitwertbilanzierung für alle Unternehmen einzuführen, teilweise
abbringen lassen und ist aus verschiedenen Beweggründen einen Kompromiss
eingegangen. Die Finanzmarktkrise ist unumstritten einer der Beweggründe für
den Meinungsumschwung, bei der die Fair-Value-Bewertung durch fallende Kurse
und Rückgang von aktiven Märkten mitverantwortlich für die Insolvenz von Unter-
nehmen war. Eine andere Ursache ist eine von Saarbrücker Professoren gegrün-
dete Fair-Value-Initiative. Diese Initiative hat mit der Begründung, dass z. B. die
neue Wertkategorie die traditionellen Bewertungsgrundsätzen des HGB verletzt
und die Jahresabschlusserstellung verkompliziert, erfolgreich gegen dieses Be-
wertungskonzept argumentiert.
14
Statt einer allgemeinen Fair-Value-Bewertung
wird die Gesetzesmodernisierung nur in HGB-Bilanzen bestimmter Unternehmen
eingeführt. Auf der einen Seite ist die Regelung bei Vermögensgegenständen an-
zuwenden, die allein den Zweck der Schuldenbegleichung aus Altersversorgungs-
verpflichtungen oder ähnlichen langfristig fälligen Verpflichtungen erfüllen.
15
Auf
der anderen Seite gilt die Vorschrift nur für zu Handelszwecken erworbene Finanz-
instrumente bei Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten.
16
13
Vgl. Dr. Kessler, Harald / Dr. Leinen, Markus / Dr. Strickmann, Michael (2009). Handbuch Bi-
lanzrechtsmodernisierungsgesetz; Die Reform der Handelsbilanz. Freiburg: Rudolf Haufe Ver-
lag GmbH & Co. KG, S.134
14
Vgl. Bieg, Hartmut / Bofinger, Peter / Küting, Karlheinz / Kußmaul, Heinz / Waschbusch, Gerd /
Weber, Claus-Peter (2008). Die Saarbrücker Initiative gegen den Fair Value. In: Der Betrieb:
Heft 47/2008, S. 2459 ff.
15
Vgl. § 253 Abs. 1 HGB, § 246 Abs. 2 Satz 2 HGB
16
Vgl. Bieg, Hartmut / Kußmaul, Heinz / Petersen, Karl / Waschbusch, Gerd / Zwirner, Christian
(2009). Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz; Bilanzierung, Berichterstattung und Prüfung nach
dem BilMoG. München: Oldenburg Verlag, S. 90
4
Ziel der Zeitwertbewertung ist es, Vermögen und Verbindlichkeiten möglichst zeit-
nah zu bewerten.
17
In Bezug auf die Vergangenheitswerte der Anschaffungs- und
Herstellungskosten sind marktorientierte Werte aufgrund ihrer Aktualität von be-
deutsamerer Signifikanz.
18
Der Ausweis des ,,realen" Wertes der Finanzinstrumen-
te soll die Entscheidungsfindung der potenziellen Investoren bzw. Aktionäre er-
leichtern. Somit erweise sich die Neugestaltung für die Zielgruppen des
Jahresabschlusses als aussagekräftigerer Indikator für die Prognose der zukünfti-
gen Unternehmensentwicklung
.
19
17
Vgl. Kuhn, Steffen / Scharpf, Paul (2006). Rechnungslegung von Financial Instruments nach
IFRS; IAS 32, IAS 39 und IFRS 7. Stuttgart: Schäffer-Poeschel-Verlag, S. 337
18
Vgl. Bundessteuerberaterkammer (2009). S. 22
19
Vgl. Kuhn, Steffen / Scharpf, Paul (2006). Rechnungslegung von Financial Instruments nach
IFRS; IAS 32, IAS 39 und IFRS 7. Stuttgart: Schäffer-Poeschel-Verlag, S. 337
Vgl. Kußmaul, Heinz / Weiler, Dennis (2009). Fair Value-Bewertung im Licht aktueller Entwick-
lungen (Teil 1). In: Der Betrieb: Heft 1/2009, S. 1
5
Einführung der Fair-Value-Bewertung für
Finanzinstrumente
Die bereits international gängige Bewertung zu Zeitwerten ist nun gesetzlich im
HGB unter § 253 Abs. 1 Satz 3 bei den nach § 246 Abs. 2 Satz 2 zu verrechnen-
den Vermögensgegenständen (zur Erfüllung von Schulden aus Altersversor-
gungsverpflichtungen) und nach § 340e Abs. 3 HGB bei den Finanzinstrumenten
des Handelsbestands von Kreditinstituten kodifiziert. Letztere sind dem Bestand
des Umlaufvermögens zuzuordnen.
2.1 Definition und Klassifizierung von Finanzinstrumenten nach HGB
Zunächst ist zu definieren, für welche Vermögensgegenstände konkret die Pflicht
zur Fair-Value-Bewertung gilt. Hierfür werden die wie in Punkt 1.2. bereits erwähn-
ten Begriffe der ,,zu Handelszwecken erworbenen Finanzinstrumente" abgegrenzt.
Im Voraus lässt sich behaupten, dass sich die Bestimmung der Termini in der Pra-
xis als recht komplex herausstellt.
Anfänglich wurde der Vorschlag sich bezüglich der Definition der Finanzinstrumen-
te auf die IFRS zu stützen, in Betracht gezogen.
20
Dieses Vorhaben wurde aber
letztendlich verworfen. Der Gesetzgeber sieht nun bewusst von einer Begriffsbe-
stimmung der Finanzinstrumente ab, da gemäß der Begründung des Gesetzes-
entwurfs der Bundesregierung bezüglich des BilMoG ,,aufgrund der Vielfalt und
ständigen Weiterentwicklung eine abschließende inhaltliche Ausfüllung des Be-
griffs `Finanzinstrument´ nicht möglich ist". Stattdessen ist in der Gesetzesbegrün-
dung einzig vermerkt, dass Derivate unter die Kategorie der Finanzinstrumente
fallen.
21
Ein Derivat ist ein Finanzinstrument, dessen Wert an einem anderen Ver-
mögensgegenstand, Handelsgut oder anderen marktbezogenen Referenzgrößen
gekoppelt ist und das erst in der Zukunft erfüllt wird (z. B. Swaps, Optionen und
weitere Derivate siehe Tabelle 1). Der Erwerb eines Derivats ist mit keinen oder
sehr geringen Anschaffungskosten verbunden. Devisen, Fondsanteile, kurzfristig
20
Vgl. Begr. RefE BilMoG, S. 105
21
Vgl. Begr. RegE BilMoG, S. 116
6
gehandelte Verbindlichkeiten sowie Edelmetalle werden ebenso unter dem Termi-
nus ,,Finanzinstrumente" aufgelistet.
22
Ein Finanzinstrument zählt als zu Handelszwecken erworben, ,,wenn im Zeitpunkt
des erstmaligen Ansatzes in der Bilanz (Zugangszeitpunkt) die Absicht besteht,
aus kurzfristigen Preisschwankungen Gewinne zu erzielen. Davon ist regelmäßig
auszugehen, wenn Finanzinstrumente zum Zweck der Spekulation erworben wer-
den."
23
Auf die spekulative Bedeutung wurde nicht näher eingegangen und wirft
somit einige Unklarheiten hinsichtlich des Spekulationszwecks auf. Als Spekulati-
on kann auch das Geschäft verstanden werden, bei dem das Unternehmen z. B.
auf einen Zinsanstieg ,,spekuliert" und daher einen Zinsswap zu einer variabel ver-
zinslichen Verbindlichkeit erwirbt, um künstlich eine Festverzinsung zu bewirken.
24
Die kurzfristige Gewinnrealisationsabsicht ist gegeben, wenn Finanzinstrumente
auf einem aktiven Markt laut § 255 Abs. 4 Satz 1 HGB gehandelt werden können,
da der Fair Value dem Marktpreis entspricht, der auf einem aktiven Markt be-
stimmt wird.
25
Ein aktiver Markt ist beispielsweise der Börsenmarkt, der durch aktuelle Transak-
tionen zwischen unabhängigen Dritten charakterisiert wird. Öffentlich notierte
Marktpreise, wie z. B. Aktien, deuten klar auf einen aktiven Markt hin. Außerbörs-
lich erfüllt ebenfalls der Over-The-Counter-Handel die Voraussetzungen eines ak-
tiven Marktes. Wenn der Marktpreis ,,von einem Händler, von einem Broker, von
einer Branchengruppe, von einem Preisberechnungsservice oder von einer Auf-
sichtsbehörde leicht und regelmäßig erhältlich ist", so spricht man ebenfalls von
22
Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Gesetzesentwurf der
Bundesregierung (2009). Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts vom
18.03.2009. Drucksache 16/12407 des Deutschen Bundestages vom 24.03.2009, S. 122
23
Vgl. Begr. RegE BilMoG, S. 116
24
Vgl. Küting, Karlheinz / Pfitzer, Norbert / Weber, Claus-Peter (2008). Das neue deutsche Bilanz-
recht; Handbuch für den Übergang auf die Rechnungslegung nach dem Bilanzrechtsmoderni-
sierungsgesetz (BilMoG). Stuttgart: Schäffer-Poeschel-Verlag, S. 217
25
Vgl. Ernst, Christoph / Naumann, Klaus-Peter (2009). Das neue Bilanzrecht; Materialien und
Anwendungshilfen zum BilMoG. Düsseldorf: IDW Verlag GmbH, S. 80
7
einem aktiven Markt.
26
Ein aktiver Markt als solcher grenzt den unbestimmten
Rechtsbegriff des Finanzinstruments noch einmal enger ein, obgleich darunter
nicht zwangsläufig der organisierte Markt zu verstehen ist.
27
Sollte zum Erwerbs-
zeitpunkt zwar ein aktiver Markt bestehen, der aber mit hoher Wahrscheinlichkeit
wegfallen könnte, wurden keine Regelungen getroffen wie in dem Fall zu verfah-
ren wäre. Dagegen ist ein aktiver Markt nicht vorhanden, wenn ein zu geringes
Volumen an Aktien in Relation zur Gesamtmenge der emittierten Aktien gehandelt
wird. Ist im Falle einer Marktenge der Marktpreis nicht zu bestimmen, so kann
auch hier nicht von einem aktiven Markt ausgegangen werden.
28
Infolgedessen müssen Bewertungsmethoden zur Ermittlung des Fair Values he-
rangezogen werden. Erweist sich diesbezüglich jedoch das finanzmathematische
Bewertungsverfahren (z. B. Discounted Cash Flow Methode) als einzige Methode,
so findet die Bewertung der Finanzinstrumente zum üblichen Marktpreis keine
Anwendung.
29
Unter dem Ausdruck ,,erworben" ist jede geschäftliche Transaktion zu verstehen.
Dementsprechend gilt sowohl der Kauf von Finanzinstrumenten für Finanzierer als
auch der Verkauf für Veräußerer als erworben.
In § 1a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KWG ist eine rechtskräftige Auslegung der Handelsab-
sicht niedergeschrieben. Um einen Handelserfolg zu erreichen, müssen die Fi-
nanzinstrumente im Eigenhandel gehalten oder übernommen werden, so dass
durch kurzfristige Käufe und Wiederverkäufe Schwankungen auf dem Markt von
bspw. Preisen und Zinssätzen genutzt werden können. Diese Definition ist eindeu-
26
Vgl. Gesetzesentwurf der Bundesregierung (2008a). Entwurf eines Gesetzes zur Modernisie-
rung des Bilanzrechts vom 21.05.2008. Drucksache 16/10067 des Deutschen Bundestages
vom 30.07.2008, S. 61
27
Vgl. Schmidt, Matthias / Pittroff, Esther / Klingels, Bernd (2007). Finanzinstrumente nach IFRS;
Bilanzierung, Absicherung, Publizität. München: Verlag Vahlen, S. 22
28
Vgl. Dr. Kessler, Harald / Dr. Leinen, Markus / Dr. Strickmann, Michael (2010). Handbuch Bil-
MoG; Der praktische Leitfaden zum Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz. Stuttgart: Schäffer
Poeschel Verlag, S. 558
29
Vgl. Gesetzesentwurf der Bundesregierung (2008a). Entwurf eines Gesetzes zur Modernisie-
rung des Bilanzrechts vom 21.05.2008. Drucksache 16/10067 des Deutschen Bundestages
vom 30.07.2008, S. 116
8
tiger als die im HGB und kann rechtmäßig auf Finanzinstrumente im Handelsbe-
stand übertragen werden. Darüber hinaus setzt die Handelsabsicht voraus, dass
die Finanzinstrumente anhand einer Handelsstrategie aktiv bewirtschaftet wer-
den.
30
Eine Aufzeichnung der Handelsabsicht ist vorgeschrieben, die mit einem Vermerk
des Geschäfts auf dem Händlerticket oder durch eine konkrete Zuordnung zum
Portfolio von Finanzinstrumenten im Handelsbestand erfolgt.
31
Hierbei kann auf
das jahrelang praktizierte Verfahren der Banken verwiesen werden, die mit der
Dokumentation des Handelszweckes bereits vertraut sind.
32
Die Absicht, das Finanzinstrument zu Handelszwecken zu erwerben und damit
zum beizulegenden Zeitwert zu bewerten, muss zum Zugangszeitpunkt bereits
bestehen.
33
Die Entscheidung, das Finanzinstrument in den Handelsbestand auf-
zunehmen, obliegt zum Erwerbszeitpunkt vollständig dem Ermessen des Unter-
nehmens. Eine Umklassifizierung bzw. Umwidmung, d. h. ein Wechsel zur Bewer-
tung zu Anschaffungs- und Herstellungskosten, ist im Nachhinein nicht zulässig.
Gleiches gilt für den Übergang von der Fair-Value-Bewertung in die Bewertung zu
AHK.
34
Vom Verbot der Umwidmung kann gemäß § 340e Abs. 3 Satz 3 HGB bei
Kreditinstituten abgesehen werden, sobald das Ausmaß von Marktunregelmäßig-
keiten derart gravierend ist, dass die Handelbarkeit der Finanzinstrumente auße-
rordentlich eingeschränkt wird und eine Aufgabe der Handelsabsicht nach sich
zieht. Eine daraus resultierende Umgliederung ist ordnungsgemäß nach handels-
30
Vgl. Boos, Karl-Heinz / Fischer, Reinfrid / Schulte-Mattler, Prof. Dr. Hermann (2008). Kreditwe-
sengesetz; Kommentar zu KWG und Ausführungsvorschriften. München: Verlag C. H. Beck, §
1a, Rz. 6
31
Die Aufzeichnung der Handelsabsicht erfolgt im Handelsbuch nach § 1a Abs. 1 KWG. Näheres
zur Handelsabsicht in Artikel 11 Abs. 2 der Kapitaladäquanzrichtlinie.
32
Vgl. Dr. Kessler, Harald / Dr. Leinen, Markus / Dr. Strickmann, Michael (2010). Handbuch Bil-
MoG; Der praktische Leitfaden zum Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz. Stuttgart: Schäffer
Poeschel Verlag, S. 554
33
Vgl. Freidank, Carl-Christian (2009). Das Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts(BilMoG);
Neue Herausforderungen für Rechnungslegung und Corporate Governance. Berlin: Erich
Schmidt Verlag GmbH, S. 36
34
Vgl. Küting, Karlheinz / Pfitzer, Norbert / Weber, Claus-Peter (2008). Das neue deutsche Bilanz-
recht; Handbuch für den Übergang auf die Rechnungslegung nach dem Bilanzrechtsmoderni-
sierungsgesetz (BilMoG). Stuttgart: Schäffer-Poeschel-Verlag, S. 213
9
rechtlichen Vorschriften
nen Ausnahmefall ist die
und willkürliche Beeinflu
zu vermeiden, ist jedoc
durchaus vorkommen k
nanzinstruments zu betr
dar.
35
Klarstellend verschafft A
nanzinstrumente im Han
Abb. 1: Prämissen von Finanz
Eine mögliche Form der
tive Finanzinstrumente. O
genkapital oder Fremdka
35
Vgl. Hahn, Prof. Dr. Klaus
36
Eigene Darstellung
,
'
,
Kd
,
im Jahresabschluss darzulegen. Als Bei
e Finanzkrise 2008/2009 zu nennen. Um
ussung oder gar eine Manipulation des Ja
ch z. B. ein Preisverfall, der im übliche
ann, nicht als Einschränkung der Hand
rachten und stellt daher keinen Anlass
Abbildung 1 einen Überblick über die P
delsbestand.
zinstrumenten im Handelsbestand
36
Klassifizierung wäre die Einteilung in orig
Originäre Finanzinstrumente können ent
apital gebunden sein. Derivative Finanzin
(2009). BilMoG Kompakt. Stuttgart: HDS-Verlag,
&
D
d
d
ispiel für solch ei-
m eine subjektive
ahresergebnisses
en Tagesgeschäft
delbarkeit des Fi-
zur Umwidmung
Prämissen der Fi-
ginäre und deriva-
tweder an das Ei-
nstrumente lassen
S. 31
K
10
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Erstausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2012
- ISBN (PDF)
- 9783956849121
- ISBN (Paperback)
- 9783956844126
- Dateigröße
- 6.6 MB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Hochschule für angewandte Wissenschaften München
- Erscheinungsdatum
- 2015 (Februar)
- Note
- 2,3
- Schlagworte
- Fair-Value-Bewertung Finanzinstrument BilMoG Financial Asset Fair Value
- Produktsicherheit
- BACHELOR + MASTER Publishing