Die Verdrängung intrinsischer Motivation durch extrinsische Anreize: Empirische Befunde und theoretische Überlegungen
©2010
Diplomarbeit
63 Seiten
Zusammenfassung
Inwieweit und in welcher Form wird intrinsische Motivation durch extrinsische Anreize beeinflusst? Eine wichtige Frage der ökonomischen Anreiztheorie, die damit vor allem im Personalwesen eine große Rolle spielt. Und so lautet auch die zentrale Fragestellung dieses Buches. Der Schwerpunkt liegt auf der Untersuchung des so genannten Verdrängungseffektes. Neben begrifflichen Abgrenzungen und der Beschreibung des Einflusses von Motivation auf das menschliche Verhalten steht insbesondere das Verständnis von intrinsischer Motivation im Vordergrund. Die Autorin legt den Verdrängungseffekt dar und reflektiert diesen anhand von Ergebnissen aus diversen Studien. Ferner werden mögliche theoretische Erklärungen sowie verschiedene Bestimmungsfaktoren, die Einfluss nehmen, angeführt. Aus den Ergebnissen können letztlich zentrale Schlüsse für die Personalarbeit abgeleitet werden.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1
1. Einleitung
Warum führen Menschen bestimmte Handlungen aus und unterlassen andere? Die for-
melle Antwort darauf lautet, dass in jeder Person aktivierende Prozesse mit richtungge-
bender Tendenz stattfinden, die als Motivation bezeichnet werden. Um das Handeln eines
Menschen zu beeinflussen, muss demnach die Motivation durch Anreize beeinflusst wer-
den.
1
In der klassischen Ökonomie wird die Vorteilhaftigkeit von leistungsorientierten Ent-
geltsystemen wie selbstverständlich angenommen und postuliert.
2
Hypothese ist, dass
Individuen sich zweckrational verhalten und stärkere monetäre Anreize zu besseren Leis-
tungsergebnissen führen.
3
Das hier vermittelte Menschheitsideal spiegelt sich in der ,,mo-
delltheoretischen Kunstfigur des Homo oeconomicus" wider.
4
Dieser radikale Ansatz be-
hauptet, dass ausnahmslos das Bedürfnis nach Geld zur zielgerichteten Motivation veran-
lasst.
5
Nicht nur in der Ökonomie, sondern auch in der psychologischen Literatur haben anreiz-
theoretische Ansätze Anklang gefunden, die besagen, dass die Motivation zu einem be-
stimmten Verhalten durch externe Anregungen deutlich verstärkt wird. Dieses Verstär-
kungsprinzip basiert auf extrinsischer Motivation, weil die Verstärkung des Verhaltens von
außen kommt.
6
Schon Anfang der 70er Jahre und zunehmend in jüngster Zeit wird die Zweckmäßigkeit
von monetären oder allgemeiner von materiellen Anreizen kritisch diskutiert.
7
Psychologi-
sche Forschungsarbeiten kamen zu dem Ergebnis, dass es Motivationen gibt, die unab-
hängig von äußeren Anreizen wirken, nur dadurch erzeugt, dass die Tätigkeit Freude be-
reitet und befriedigend wirkt - die intrinsische Motivation.
8
Aufbauend auf dieser Unter-
scheidung vertreten nun einige Forscher die Ansicht, dass diese beiden Motivationsfor-
men unabhängig voneinander sind oder gar in einem sich ergänzenden Verhältnis zuein-
ander stehen.
9
Allerdings wurde diese Auffassung nicht nur vielerseits stark bezweifelt,
vielmehr wurde sogar auf negative Zusammenhänge hingewiesen. So haben verschiede-
ne Sozialpsychologen, speziell der Pionier auf dem motivationalen Forschungsgebiet der
intrinsischen Motivation D
ECI
,
nachweisen können, dass extrinsische Anreize die intrin-
1
Vgl. Graumann, M. / Sieger, C. (2004), S. 90
2
Vgl. Frey, B.S. / Osterloh, M. (1997), S. 308
3
Vgl. Sliwka, D. (2003), S. 293. Z. B. die Prinzipal-Agenten-Theorie: Asymmetrische Informationen zwischen
Prinzipal und Agent und die damit verbundenen Probleme sollen durch erfolgsabhängige Entlohnung (Anrei-
ze) entschärft werden und die Leistung steigern. Vgl. Wöhe, G. (2005), S. 40f
4
Vgl. Wöhe, G. (2005), S. 56
5
Vgl. Ursin, B. (2006), S. 112, Kirchgässner, G. (2000), S. 14f.
6
Vgl. Weiner, B. (1994), S. 201. Z. B. das sogenannte empirische ,,Gesetz der Verstärkung", welches besagt,
dass ,,die Anwesenheit eines Verstärkers die Auftretenshäufigkeit eines Verhaltens" erhöht. Vgl. Rudolph, U.
(2009), S. 153
7
Vgl. Matiaske, W. / Weller, I. (2008), S. 35
8
Vgl. Aronson et al. (2008), S. 142
9
Vgl. Frey, B. / Osterloh, M. (2002a), S. 26
2
sisch vorhandene Motivation unter bestimmten Bedingungen verdrängen.
10
Dieses Phä-
nomen wurde in der Literatur mit verschieden Namen versehen, die im Grunde jedoch alle
gleichbedeutend sind, wie z. B. ,,Hidden Cost of reward", Korrumpierungseffekt, Verdrän-
gungseffekt oder auch ,,motivation crowding out".
11
Allerdings war die Existenz des Ver-
drängungseffekts nicht unumstritten, so dass zahlreiche Studien durchgeführt wurden,
welche die Annahme bestätigen, teilweise aber generelle negative Wirkungsweisen
extrinsischer Anreize auf die intrinsische Motivation nicht belegen können.
12
Durch die umfassende sozialpsychologische Forschung kann das Bestehen der Untermi-
nierung von intrinsischer Motivation durch von außen kommende Eingriffe aber mittlerwei-
le kaum noch abgestritten werden. Vielmehr muss ergründet werden unter welchen spe-
ziellen Bedingungen der Effekt auftritt, so dass künftig der Umgang mit extrinsischen An-
reizen erfolgreicher ausgestaltet werden kann. Demgemäß gewinnt diese Thematik zu-
nehmend auch in der Ökonomie an größerer Aufmerksamkeit, da doch eine wesentliche
Aufgabe des Personalcontrollings in der Wirtschaftspraxis die Wirksamkeitsanalyse von
Anreizsystemen darstellt.
13
Besonders aktiv auf diesem Gebiet engagiert sich F
REY
, der
treffend bemerkt, dass viele Beobachtungen des Verdrängungseffekts auf die Bedeutung
in Wirtschaft und Gesellschaft hinweisen.
14
Diese Arbeit umfasst dementsprechend Gebiete der Ökonomie und der Sozialpsycholo-
gie. Konkret werden im zweiten Kapitel das motivierte Verhalten und verschiedene Kon-
zepte intrinsischer Motivation im Mittelpunkt stehen. Im Weiteren werden diverse empiri-
sche Forschungsbefunde aufgezeigt, um die Existenz des Verdrängungseffekts besser
greifbar machen zu können. Zu diesem Zweck stehen unzählige Laborexperimente, Feld-
experimente sowie Metaanalysen zur Verfügung, die auszugsweise vorgestellt werden.
Das vierte Kapitel widmet sich der Frage, warum intrinsische Motivation durch extrinsi-
sche Anreize verdrängt werden kann. Dazu werden mögliche Gründe angeführt, wobei
Argumente aus der Psychologie eine Rolle spielen, aber auch ökonomische Erklärungs-
ansätze diskutiert werden. Nachdem im fünften Kapitel denkbare Bestimmungsfaktoren
für den Verdrängungseffekt erarbeitet werden, die selbigen begünstigen oder weniger
wahrscheinlich machen, fasst das finale sechste Kapitel die gewonnenen Erkenntnisse
zusammen und schließt daraus Folgerungen für die Personalarbeit.
10
Vgl. Frey, B. (1997b), S. 21. Z. B. Decis Experiment (1971) mit dem äußerst interessanten Soma-Puzzle.
Vgl. hierzu Deci (1971), S. 108
11
Vgl. bspw. Ursin, B. (2006), S. 144, Sliwka, D. (2003), S. 293, Heckhausen et al. (2006), S. 338
12
Weiter werden die unrealistischen Umstände angeprangert unter denen die fraglichen Experimente stattfin-
den, die an einer Validität des Korrumpierungseffekts zweifeln lassen. Vgl. Heckhausen et al. (2006), S. 338
13
Vgl. Kunz, A. (2005), S. 58
14
Vgl. Frey, B. / Osterloh, M. (2002a), S. 28
3
2. Intrinsische versus extrinsische Motivation
2.1 Der Fundus motivierten Verhaltens
Die Frage nach der Motivation ist gleichzeitig die Frage nach dem Warum des menschli-
chen Verhaltens und Erlebens. Bedingung in diesem Verhalten ist, dass es aktiv vom
Menschen ausgeht, d. h. die Verhaltensgründe im Menschen selbst liegen.
15
Es soll allerdings schon zu Beginn festgehalten werden, dass das Verhalten nicht allein
von der Motivation bestimmt wird. Variablen wie individuelles Können, d. h. erworbene
Fähigkeiten und Fachkenntnisse einer Person häufig als Kompetenz beschrieben ,
soziales Dürfen z. B. Regeln, Werte und Normen sowie die situative Ermöglichung sind
gleichermaßen zu berücksichtigen.
16
Es ist problematisch, eine einheitliche Definition von Motivation in der Literatur zu finden.
17
So legt H
ECKHAUSEN
Motivation zunächst als einen Sammelbegriff für ,,vielerlei psychi-
sche Prozesse und Effekte" aus, um sie schließlich selbst als das Anstreben von Zielzu-
ständen zu deuten.
18
D
ECI
beschreibt Menschen dann als motiviert, wenn sie mit ihrem
Verhalten einen gewissen Zweck verfolgen. ,,Die Intention zielt auf einen zukünftigen Zu-
stand".
19
Häufig werden unter dem Begriff auch Prozesse zusammengefasst, die an der
,,Vorbereitung und Durchführung von Handlungen beteiligt sind, die Bedürfnisse befriedi-
gen".
20
Insgesamt ist jedoch erkennbar, dass Motivation mit einer ausdauernden Zielaus-
richtung zu tun hat.
21
Unumstritten ist, dass die Motivation immer aus dem Zusammenwirken von Person und
Situation heraus entsteht. Motivation besteht somit aus endogenen (personalen) und
exogenen (situationsbezogenen) Prozessen und Faktoren, die das Verhalten
bestimmen.
22
Die personale Komponente wird durch die Motive gebildet, die in der
psychologischen Literatur auch nicht uniform umrissen werden. So heißt es u. a. bei J
OST
,
dass Motiven Bedürfnisse vorgelagert sind und diese erst aktivieren. Ein Bedürfnis
bezeichnet dabei ein Mangelempfinden einer Person wie etwa Hunger oder Durst, aber
auch Geld oder Status.
23
An anderer Stelle wird Motiv wiederum mit Bedürfnis aber auch
mit Wunsch, Antrieb, Beweggrund oder Drang gleichbedeutend verwendet.
24
15
Vgl. Rosenstiel, L. (2001), S. 5. Geht ein Mensch z. B. über die Straße, wird angefahren und stürzt, so liegt
der Grund des Stürzens außerhalb des Menschen und sein Verhalten kann nicht als motiviert angesehen
werden.
16
Vgl. Weinert, A. (2004), S. 188, Comelli, G / Rosenstiel, L. (2003), S. 4
17
Vgl. Kogel, B. (2008), S. 11
18
Vgl. Heckhausen, H. (1989), S. 10
19
Vgl. Deci, E. / Ryan, R. (1993), S. 224
20
Vgl. Kuhl, J. (2010), S. 22
21
Vgl. Rheinberg, F. (2006), S. 15
22
Vgl. Rheinberg, F. (2006), S. 42 oder Berthel, J. / Becker, G. (2007), S. 19
23
Vgl. Jost, P. (2000), S. 20f.
24
Vgl. Rosenstiel, L. (2001), S. 6
4
H
ECKHAUSEN
unterscheidet Bedürfnisse klar von Motiven. Er splittet Motive zusätzlich in
implizite und explizite, wobei erstere ,,überdauernde individuelle Motivdispositionen" sind,
die für ihn am Besten erklären, warum einzelne Individuen sich voneinander
unterscheiden. Gemeint sind körperliche Eigenschaften, Verhaltensweisen, Präferenzen
und Gewohnheiten, die in der frühen Kindheit gelernt werden; kurz die Persönlichkeit und
ihre Entwicklung, die zu bestimmtem Verhalten veranlassen, je nachdem, wie bestimmte
Handlungssituationen wahrgenommen und bewertet werden. Explizite Motive dagegen
stellen die Zielsetzungen dar, die ein Individuum gefasst hat und verfolgt.
25
R
HEINBERG
bezeichnet Motive schlichtweg als ,,überdauernde Vorlieben"
26
, was dem Ansatz
H
ECKHAUSENS
recht ähnlich ist.
Uneindeutig bleibt allerdings weiterhin die Anzahl menschlicher Motive, ob sie einer Hie-
rarchie zugrunde liegen und sie angeboren oder doch erlernt werden. Konsens herrscht
nur darüber, dass sie nicht direkt beobachtbar sind und helfen, das Verhalten von Perso-
nen besser verständlich zu machen.
27
Wie oben bereits erwähnt, wird aus dem Motiv erst Motivation, wenn sich die Person in
einer motivpassenden Situation befindet. Folgende Darstellung soll diese Vorstellung
schematisieren:
Abbildung 2-1: Das Grundmodell motivierten Verhaltens
Quelle: In Anlehnung an Rheinberg, F. (2006), S. 70
Die Situation als die zweite Determinante der Motivation umfasst potenzielle Anreize. Un-
ter Anreizen werden solche Elemente einer Situation verstanden, ,,die dazu geeignet sind,
25
Vgl. Heckhausen et al. (2006), S. 3f. Dispositionen begründen deshalb auch die innere Bereitschaft spezi-
fisch in einer auftretenden Situation zu reagieren. Vgl. Jost, P. (2000), S. 20
26
Vgl. Rheinberg, F. (2006), S. 20
27
Vgl. Rheinberg, F. (2006), S. 14f., Berthel, J. / Becker, G. (2007), S. 18, Schanz, G. (2000), S. 112
Situation
-
Potenzielle Anreize
-
mögliche Gelegenheiten
Person
-
Motive / Bedürfnisse
-
Ziele
aktuelle Motivation
Verhalten
5
die Motive einer Person zu aktivieren".
28
H
ECKHAUSEN
geht sogar so weit zu sagen, dass
alles Positive oder Negative einer Situation einen Anreiz zum Handeln gibt. Positive An-
reize bieten dann die Gelegenheit eigene Ziele zu erfüllen und lassen Belohnung erwar-
ten, negative wirken dagegen als Ahndung. Ferner kann noch zwischen intrinsischen und
extrinsischen Handlungsanreizen unterschieden werden. Erstere ergeben sich aus der
Arbeitsaufgabe selbst, d. h. die Arbeit bzw. Handlung selbst ist reizvoll genug, um sie
durchzuführen. Extrinsische Anreize dagegen dienen als Mittel zum Zweck der Bedürfnis-
befriedigung. Sie lassen sich in materielle und immaterielle Anreize aufteilen. Zu ersteren
sind vorwiegend finanzielle Aspekte zuzurechnen, wie das Gehalt oder Gewinnbeteiligun-
gen etc. Aber auch die Arbeitsplatzgestaltung oder Aufstiegsmöglichkeiten bieten für Mit-
arbeiter einen indirekten materiellen Anreiz. Immaterielle Anreize beziehen sich hingegen
auf Belange wie Lob, Ansehen, Statussymbole oder Verantwortung etc.
29
Es bleibt anzumerken, dass Anreize den Motivstrukturen in der Person entsprechen müs-
sen, die bei jedem Individuum unterschiedlich ausgeprägt sind, um überhaupt wirksam zu
sein. Daraus kann man schließen, dass nicht jeder Anreiz auf alle Menschen den gleichen
Effekt hat. Anreize müssen also speziell und mit Bedacht ausgewählt werden.
30
Im folgenden Kapitel soll nun die intrinsische Motivation in ihren Ausprägungen und Vor-
zügen vorgestellt werden, bevor dann im dritten Kapitel näher auf eine mögliche Verdrän-
gung selbiger durch materielle Belohnung eingegangen wird.
2.2 Charakterisierungsversuche von intrinsischer Motivation
"Intrinsic motivation (...) refers to doing something be-
cause it is inherently interesting or enjoyable"
E
E
d
d
w
w
a
a
r
r
d
d
D
D
e
e
c
c
i
i
(
(
2
2
0
0
0
0
0
0
)
)
3
3
1
1
Ein Verhalten wird dann als ,,intrinsisch motiviert" bezeichnet, wenn es um seiner selbst
Willen geschieht, demgemäß spricht man von ,,extrinsisch motiviert", wenn der Beweg-
grund des Verhaltens nicht in der Handlung selbst liegt. In diesem Fall scheint es so, als
ob die Person von außen gesteuert wird. Schon diese Auslegung lässt eine unscharfe
Trennung der Begrifflichkeiten vermuten und tatsächlich sind die in der Literatur unter-
nommenen Definitionen ,,so unklar und wechselnd, wie man das bei wissenschaftlichen
28
Vgl. Jost, P. (2000), S. 79. Die Situationskomponente der Motivation ist von der im ersten Abschnitt erwähn-
ten situativen Ermöglichung zu unterscheiden. So stellt letztere Rahmenbedingungen dar, auf die das Moti-
vationsmanagement keinen Einfluss hat. Man ist z. B. gewillt einen Ausflug zu machen, der Urlaub ist ge-
nehmigt und es gibt sonst keine Verbote - aber dann ist das Auto ist kaputt. Statt Training oder Anreizschaf-
fung hilft nur die Reparatur. Vgl. Comelli et al. (2003), S. 3
29
Vgl. Jost, P. (2000), S. 80ff., Heckhausen et al. (2006), S. 5, Drumm, H.J. (2008), S. 458
30
Vgl. Rosenstiel, L. (2001), S. 34
31
Vgl. Ryan, R. / Deci, E . (2000), S. 55
6
Fachausdrücken selten findet".
32
Aus diesem Grund, dass ,,intrinsisch" und ,,extrinsisch"
unterschiedlich verwendet wird und beide Motivationen in der Regel gemeinsam auftreten,
wird das Konzept dieser Aufteilung in der Wissenschaft teilweise kritisch betrachtet.
33
Eine
tatsächliche Motivationszuschreibung wird dadurch zusätzlich erschwert. Nichtsdestotrotz
ist die intrinsische Motivation ein etabliertes Konzept in der Psychologie und auch ihre
Bedeutung in der Ökonomie nimmt stetig zu.
34
Im Folgenden sollen die am häufigsten verwendeten Definitionen kurz erläutert werden,
um die intrinsische Motivation greifbarer zu machen. Es lassen sich drei hauptsächliche
Verwendungsvarianten kategorisieren, die allerdings nur im Kern übereinstimmen. Die
nachstehende Abbildung zeigt die Vertreter der jeweiligen Auslegung auf.
Abbildung 2-2: Konzepte intrinsischer Motivation und deren Verfechter
Quelle: Eigene Darstellung
Eine sehr eingrenzende Auslegung von ,,intrinsisch" stammt von M
C
R
EYNOLDS
. Aktivitä-
ten, die ihren Anreiz nicht aus Zielen oder Ergebnissen ziehen, sondern aus dem Tätig-
keitsvollzug allein sind demnach intrinsisch motiviert. Ein ebenfalls tätigkeitsorientierter
Ansatz wird von R
HEINBERG
geliefert, bei dem der Anreizschwerpunkt entscheidend ist.
Sollte dieser mehr auf dem Gegenstand der Tätigkeit liegen, so bezeichnet er dies als
Interesse, was allenfalls als eine besondere Form von intrinsischer Motivation verstanden
werden kann. Liegt der Anreizschwerpunkt dagegen auf der Tätigkeit selbst und nicht nur
auf deren Gegenstand, so nennt R
HEINBERG
vorhandene Anreize ,,tätigkeitsspezifische
Vollzugsanreize", die seiner Meinung nach intrinsisch motivierte Handlungen ausma-
32
Vgl. Rheinberg, F. (2006), S. 149 und Rheinberg, F. (2004), S. 332
33
Vgl. Frey, B. / Osterloh, M (2002a), S. 25 und Rheinberg, F. (2004), S. 332
34
Vgl. Frey, B. (1997b), S. 21 und vgl. Schiefele, U. / Köller, O. (2006), S. 303. Vor allem in der Pädagogi-
schen Psychologie spielt die intrinsische Motivation eine große Rolle in Bezug auf das Lernen und die Aus-
führung kognitiver Aufgaben.
...als in der
Tätigkeit begründet
Intrinsische Motivation...
...als Bedürfnis nach
Selbstbestimmung
und Kompetenz
...als
Übereinstimmung von
Mittel und Zweck
K
e
rn
a
u
s
le
g
u
n
g
Ve
rf
e
c
h
te
r
McReynolds (1971)
Rheinberg (1989)
Csikszentmihalyi (1975)
Schiefele (2001)
DeCharms (1968)
Deci Ryan (1980)
Heckhausen (1989)
Kruglanski (1989)
7
chen.
35
Auch C
SIKSZENTMIHALYI
spricht von intrinsischer Motivation bei Tätigkeiten, die um
ihrer selbst Willen durchgeführt werden und deswegen befriedigend wirken. Genauer ist
ein Zustand gemeint, in dem eine Person völlig in einer Aufgabe aufgeht und daran Freu-
de hat der sog. ,,Flow-Effekt".
36
Dieser tritt ein, wenn die Herausforderung den eigenen
Fähigkeiten und Fertigkeiten entspricht, was wiederum höchste Leistungsfähigkeit ver-
spricht.
37
Ein weiteres Beispiel für die unterschiedliche Gebräuchlichkeit von intrinsischer Motivation
ist das ,,Übereinstimmungskonzept" von Mittel und Zweck von H
ECKHAUSEN
.
Für ihn liegt
intrinsische Motivation dann vor, wenn die angestrebten Handlungsziele inhaltlich bzw.
thematisch mit der Handlung selbst übereinstimmen. Demnach kann hier ein Verhalten
auch dann intrinsisch motiviert sein, wenn es auf Folgen zielt, allerdings nur ,,sofern die
Folgen dem gleichen Thema angehören wie die Handlung und die Ergebnisse".
38
Diesem
Ansatz wird jedoch vorgeworfen, dass das Thema der Handlung festgestellt werden
muss, was ohne weitere Kenntnis über Ergebnis und Folge sehr schwierig sei.
39
D
E
C
HARMS
nimmt völligen Abstand von Konzeptionen, die intrinsisch motiviertes Verhal-
ten über körperliche Bedürfnisse, äußere Anreize oder über die Tätigkeit selbst und deren
Ergebnisse und Folgen definieren. Laut diesem Autor spricht man von intrinsischer Moti-
vation, wenn eine Person sich selbst als den ,,Ort der Verursachung" des eigenen Han-
delns erlebt, d.h. eine Selbstverursachung in den Handlungskonsequenzen erkennt. Fühlt
man sich stattdessen in irgendeiner Weise von externen Umständen gelenkt, so ist man
extrinsisch motiviert.
40
35
Vgl. Rheinberg, F. (2006), S. 149f. , Rheinberg, F. (2004), S. 333f. Zur Erläuterung sei folgendes Beispiel
genannt: Man stelle sich eine Person vor, die hoch engagiert eine Biografie über Mozart liest. Sie kann nun
zum einen Interesse an dem ,,Gegenstand" Mozart haben und dadurch alles Mögliche gern betreiben, was
irgendwie mit Mozart zu tun hat. Es ist aber auch denkbar, dass die Person generell die Tätigkeit ,,Lesen"
mag und auch andere Texte lesen möchte das wäre dann ein tätigkeitsspezifischer Vollzugsanreiz gem.
Rheinberg.
36
Vgl. Kirchler, E. / Walenta, C. (2008), S. 323, Csikszentmihalyi, M. (1975), S. 36. Weitere Aspekte, die
,,Flow" signalisieren: Ziele sind klar, Rückmeldung kommt sofort, Konzentration steigt, Situation wird voll-
kommen beherrscht, Zeitgefühl ändert sich. Vgl. Csikszentmihalyi, M. (2003), S. 63ff.
37
Vgl. Schiefele, U. / Köller, O. (2006), S. 307. Bspw. ein Computerfreak, der erst morgens bemerkt, dass er
eine ganze Nacht am Rechner mit schmerzendem Rücken zugebracht hat. Vgl. Rheinberg, F. (2006),
S. 153
38
Vgl. Rheinberg, F. (2006), S. 149, Kirchler, E. / Walenta, C. (2008), S. 322. Zur Illustration sei ein Beispiel
gegeben: Ein Student liest sehr aufmerksam einen Zeitschriftenartikel (=Handlung), um einen Umstand zu
verstehen (=Ergebnis) in der Hoffnung ein schwierigeres Problem besser lösen zu können (=Folge). Das
ganze Verhalten kreist um dasselbe Thema, nämlich die Auseinandersetzung mit einem Gütemaßstab: Es
wird besonders engagiert gelesen, das angestrebte Ergebnis ist die Steigerung der Kompetenz und die
,,letztlich wirksame Folge ist die verbesserte Möglichkeit, eine herausfordernde Aufgabe zu schaffen". Bei
z. B. hilfethematischer Ergebnisfolge (=um jmdm. beim Lernen helfen) läge extrinsische Motivation vor. Vgl.
Rheinberg, F. (2004), S. 336
39
Vgl. Rheinberg, F. (2006), S. 150
40
Vgl. DeCharms, R. (1968), S. 328. ["(...) to be the locus of causality for his own behaviour (...)"] Darauf wird
näher im Rahmen der Kognitiven Evaluationstheorie (Kapitel 4.1.1) einzugehen sein.
8
Ein ähnliches Verständnis von intrinsisch wird auch von D
ECI
R
YAN
fortgesetzt, die zu-
nächst zwei zentrale Bedürfnisse einführen Selbstbestimmung (Autonomie) und Kompe-
tenzerleben (eigene Wirksamkeit) auf denen die intrinsische Motivation basiert.
41
Nach
ihnen ist ein Verhalten dann intrinsisch motiviert, wenn es selbstbestimmt bzw. freiwillig
ohne erkennbare Belohnung und autonom ist. Außerdem müssen Kompetenz und eigene
Wirksamkeit gefühlt werden können, was wiederum Freude und Interesse an der Tätigkeit
hervorruft.
42
R
HEINBERG
kritisiert allerdings, dass es neben den zwei o. g. Bedürfnissys-
temen noch viele weitere Anreize gibt, die einen Tätigkeitsvollzug ohne Zwang oder ande-
ren Nutzen außer ihn selbst attraktiv machen, wie z. B. das Risiko bei Extremsportarten.
43
F
REY
erkennt in seiner Definition von intrinsischer Motivation gleich drei Ausformungen
derselben, die teilweise obige ergänzen. So spricht er zum ersten vom ,,freudigen Flusser-
lebnis" (Flow), wenn die Tätigkeit schlichtweg Spaß macht. Weiter erkennt er das Errei-
chen selbst gesetzter Ziele als intrinsisch motiviert an, auch wenn ,,der Weg zum Ziel alles
andere als lustvoll ist". Die dritte Ausprägung stellt die Einhaltung von Normen um ihrer
selbst Willen dar, die auch von anderen Autoren unterstützt wird, da das Konzept einer
intrinsischen Motivation, die größtenteils auf Freude gegründet ist, vielerseits als zu ein-
schränkend empfunden wird. Zu diesen zählen u. a. ethische Normen (bspw. Gewaltfrei-
heit), Fairness und Teamgeist.
44
Die unterschiedlichen Definitionen lassen leider kein einheitliches Bild von intrinsischer
Motivation zu. Eine geringe Schnittmenge lässt sich jedoch ausmachen, nämlich, dass
intrinsisches Verhalten um seiner selbst Willen erfolgt und nicht bloßes Mittel zu einem
völlig anderen Zweck ist.
45
Es herrscht auch keine Einigkeit darüber, wo genau intrinsi-
sche Motivation aufhört und extrinsische anfängt; typischerweise wirken beide Formen
gemeinsam auf das Verhalten und eine eindeutige Zurechnung ist nicht möglich.
46
Im weiteren Verlauf dieser Arbeit soll eine durchgeführte Tätigkeit dann als intrinsisch
motiviert gelten, wenn sie selbstbestimmt durchgeführt wird, Kompetenzerleben auslöst
oder Freude bereitet. Außerdem sollen Handlungen, die durch ein Pflicht- oder
Verantwortungsgefühl hervorgerufen werden, dazugezählt werden. Solche also, die durch
die Einhaltung von bestimmten sozialen Normen veranlasst sind, ähnlich wie F
REY
es
beschreibt.
47
41
Vgl. Deci, E. (1975), S. 57. Diese Selbstbestimmung lässt sich auf DeCharms zurückführen.
42
Vgl. Rheinberg, F. (2006), S. 151
43
Vgl. Rheinberg, F. (2004), S. 334
44
Vgl. Frey, B. / Osterloh, M. (2002a), S. 24f. oder Ursin, B. (2006), S. 143
45
Vgl. Ursin, B. (2006), S. 142f. oder Rheinberg, F. (2004), S. 337
46
Vgl. Frey, B. /Osterloh, M. (2002), S. 25. Wenn jmd. z. B. aus Vergnügen eine Fahrradtour macht, so lässt
sich dafür fast immer auch ein extrinsisches Motiv, wie bspw. Fitnesstraining, finden.
47
Eine soziale Norm ist eine Vorschrift, die das Sozialverhalten betrifft. Vgl. dazu Weber, M. (1956)
9
2.3 Vor- und Nachteile intrinsisch motivierter Arbeit
Intrinsisch motivierte Tätigkeiten gehen mit einem insgesamt höheren psychischen und
physischen Wohlbefinden für die Arbeitenden einher. Nicht zuletzt aus diesem Grund wird
die Lernfähigkeit höher eingeschätzt. Neugierde bzw. Interesse wird in diesem Zusam-
menhang als bedeutsamer Einflussfaktor auf Kreativität und Innovativität bewertet.
48
Dementsprechend konnte empirisch erwiesen werden, dass die Lerngeschwindigkeit
durch Kontrolle besonders durch den Druck einer ausgesetzten Belohnung verringert
wird. Es wird schneller, flüchtiger und stereotypartiger gearbeitet.
49
Personen, die eine Aufgabe generell faszinierend finden, können viele Misserfolge auf
dem Weg zu deren Lösung tendenziell besser überwinden und sich eher wieder an einen
neuen Versuch wagen. Dies deutet darauf hin, dass kognitiv schwierige Aufgaben leichter
von intrinsisch motivierten Menschen gelöst werden.
50
Sie bejahen herausfordernde Tä-
tigkeiten zudem schneller.
51
Jeder Mitarbeiter zieht einen Nutzen aus den sog. Pool-Ressourcen eines Unternehmens.
Das sind bspw. der gute Ruf oder die besondere Unternehmenskultur einer Firma, deren
vorteilhafte Beziehungen zu Kunden und Lieferanten oder angesammeltes Wissen. Nur
für intrinsisch motivierte Mitarbeiter wird vorausgesagt, dass sie sich bemühen, einen Bei-
trag zu den firmenspezifischen Gemeingütern zu leisten.
52
Extrinsisch motivierte Mitarbeiter konzentrieren sich zunehmend auf gut messbare Ziele
wie bspw. den Umsatz, wenn sie in Abhängigkeit von solchen entlohnt werden. Schlecht
messbare Ziele wie z. B. Kundenzufriedenheit werden eher vernachlässigt, obgleich sie
wichtige Bestandteile wie umsichtiges Verhalten, Initiative oder Teamgeist beinhalten
(,,Multiple Tasking"). Auf intrinsische Motivation bei Angestellten kann deswegen immer
weniger verzichtet werden.
53
Die Bereitschaft, über Veränderungen von Zielsystemen
nachzudenken, wird insofern weniger, als dass nach klar quantifizierten Vorgaben ent-
lohnt wird also mit Hilfe extrinsischer Anreize.
54
Die Konsequenz daraus ist offensicht-
lich: Es werden vorwiegend suboptimale und nur wenig neuartige Zielsysteme formuliert.
Für intrinsisch motivierte Mitarbeiter werden solche Phänomene deutlich weniger voraus-
gesagt und neue Ideen eher verankert.
Die Übertragung impliziten Wissens kann durch monetäre Anreize oder Bestrafung weni-
ger erzwungen werden als bei explizitem Wissen, weil ,,implizites Wissen meist nicht han-
48
Vgl. Frey, B. (1997a), S. 96 und Uhl, A. (2000), S. 164
49
Vgl. Frey, B. / Osterloh, M. (2002b), S. 21. Siehe dazu auch Deci, E. / Ryan, R. (1993), S. 226.
50
Vgl. Frey, B. (1997a), S. 96
51
Vgl. Uhl, A. (2000), S. 159
52
Vgl. Frey, B. / Osterloh, M. (2002b), S. 19
53
Vgl. Frey, B. / Osterloh, M. (2002a), S. 36
54
Eine empirische Untersuchung hat gezeigt, dass Studenten bei freier Aufgabenwahl schwierige Aufgaben
wählen, allerdings bei monetärer Entlohnung eher einfache und leicht messbare, um so die Wahrscheinlich-
keit für den finanziellen Zugewinn zu erhöhen. Vgl. Frey, B. / Osterloh, M. (2002a), S. 36
10
delbar und seine Relevanz für die Handlungsergebnisse häufig unklar ist".
55
Intrinsische
Motivation fördert deren Weitergabe in erhöhtem Maße.
Ein wichtiger Nachteil, der durch stark intrinsisch motivierte Mitarbeiter entsteht, ist die
schlechte Lenkbarkeit selbiger. Da sie zum Teil sehr selbstbezogen sind, braucht der Ar-
beitgeber viel Energie und psychologisches Taktgefühl, um mit ihnen auszukommen.
Häufig kann nur ein falsches Wort reichen, um die Arbeitsmoral zu zerrütten. Wird für be-
stimmte Tätigkeiten einfach eine feste Belohnung verabreicht, kann der Arbeitgeber expli-
zite Anforderungen bestimmen, ohne sich Gedanken über etwaige Gefühle des Mitarbei-
ters machen zu müssen.
56
Im Extremfall kann intrinsische Motivation auf inneren Motiven und Ideologien basieren,
die keineswegs gut oder gesellschaftlich nützlich sind. F
REY
nimmt an, dass ,,viele der
schlimmsten Verbrechen in der Geschichte der Menschheit" intrinsisch motiviert waren,
hervorgerufen durch Emotionen, die unkontrolliert bis gefährlich werden können.
57
Bevor nun im dritten Kapitel die empirische Evidenz des Verdrängungseffekts näher be-
leuchtet wird, soll eine alte Fabel als anschauliches Beispiel vorausgeschickt werden.
55
Vgl. Frey, B. / Osterloh, M. (2002a), S. 36. Explizites Wissen ist schriftlich oder symbolisch festgehalten,
während implizites aus unbewussten Routinen und Vorgangsweisen besteht und deswegen nicht kodierbar
ist.
56
Vgl. Frey, B. (1997a), S. 99. Das Problem tritt häufig bei Freiwilligenarbeit in karitativen und nicht-
gewinnorientierten Organisationen auf.
57
Vgl. Frey, B. (1997b), S. 97
Eine alte jüdische Fabel
,,Eine Bande von Halunken kam jeden Tag vor das Haus eines alten Juden und beschimpfte ihn
unflätig. Die Situation wurde für ihn immer unerträglicher.
Weil der Jude aber weise war, ging er auf eine besondere Weise vor. Als die Halunken wieder
vor seinem Haus erschienen, gab er jedem von ihnen für ihre Anstrengungen einen Gulden.
Erfreut zogen sie ab. Am nächsten Tag kamen sie wieder, um ihn zu beschimpfen und erwarte-
ten dafür wieder einen Gulden zu erhalten. Der Jude sagte aber, er könne sich nur je einen
Gulden leisten. Die Halunken waren darüber etwas enttäuscht, nahmen das Geld aber entge-
gen, beschimpften ihn und zogen ab.
Am folgenden Tag kamen sie erneut. Der Alte beteuerte aber, er könne ihnen kein Geld mehr
geben, weil er keines mehr hätte. Die Halunken waren empört und äußerten, dass sie sicherlich
nicht bereit wären, ihn unentgeltlich zu beschimpfen. So zogen sie ab und der alte Jude wurde
in Frieden gelassen."
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11
3. Ergebnisse aus empirischen Untersuchungen
Der Verdrängungseffekt stellt eine Episode des Verhältnisses zwischen intrinsischer und
extrinsischer Motivation dar. In diesem Fall sind beide Motivationsformen nicht additiv
zueinander.
58
Wäre dem so, hätte auch die vor Beginn des dritten Kapitels vorgestellte
Fabel einen anderen Verlauf: Die intrinsische Motivation der Halunken, gekennzeichnet
dadurch, dass die Freude am Beschimpfen zunächst so groß ist, dass sie auch ohne Ent-
lohnung durchgeführt wird, müsste durch eine zusätzliche Belohnung noch steigen. Aller-
dings ist das Gegenteil zu beobachten. Die Halunken ärgern den alten Juden nicht mehr
aus Spaß, sondern auf Grund der Belohnung. Fällt diese weg, besteht kein Anreiz mehr,
die Beschimpfung fortzusetzen. Die intrinsische Motivation zu einer Tätigkeit kann unter-
graben werden, indem sie bezahlt wird.
59
Einen solchen Zusammenhang hat T
ITMUSS
bereits 1971 anhand von Blutspenden nach-
weisen können. Typischerweisen werden Blutspenden obwohl sie nicht als angenehm
gelten gratis gegeben, erfolgen sie doch auf Grund der Erwartung, dass auch andere
bereit sein werden, bei eigenem Bedürfen zu spenden.
60
Daraus wäre anzunehmen, dass
eine angebotene Entlohnung die Bereitschaft steigert, mehr oder überhaupt zu spenden.
Allerdings wurde festgestellt, dass bei Einführung einer finanziellen Kompensation die
Anzahl der Blutspenden absinkt. Erst ab einer in bestimmter Höhe angebotenen Kompen-
sation kann die ursprüngliche Menge der Blutspenden, die auch ohne Bezahlung geleistet
wurde, wieder erreicht werden. Die freiwillige Hilfsbereitschaft ist durch finanziellen Anreiz
nicht noch gestiegen, wie man erwartet hätte. ,,Vielmehr scheinen sich finanzielle Anreize
auf die ideellen Motive auszuwirken".
61
Der Verdrängungseffekt hat stattgefunden.
Die Entdeckung des Verdrängungseffekts hat dazu geführt, dass die Frage, welche
Wirkung unterschiedliche extrinsische Anreizarten auf die intrinsische Motivation haben
und ob es Wechselwirkungen gibt, aufgeworfen wurde.
62
Zur Überprüfung der Validität
des Effekts sind dementsprechend zahlreiche Studien durchgeführt worden, die allerdings
zu keinem einheitlichen Ergebnis gekommen sind, ob ein Crowding Out von intrinsischer
Motivation tatsächlich existiert. Eine Erklärung dafür könnten die unterschiedlichen
Forschungsansätze sein, die sich in der Methode (Laborexperiment, Feldstudie,
58
Vgl. Frey, B. (1997b), S. 30f. Andere Verhältnismöglichkeiten sind der sog. Verstärkungs-Effekt (additiv)
und die Neutralität.
59
Vgl. Frey, B. / Osterloh, M. (2002a), S. 26
60
Vgl. Dallinger, U. (2009), S. 212. Der Blutspende liegt eine ,,verallgemeinernde Reziprozität" zugrunde.
Darunter wird das Prinzip der Gegenseitigkeit verstanden, was Menschen dazu veranlasst, auf Gaben mit
Gegengaben zu antworten (Verantwortungs- oder Pflichtgefühl) eine Form intrinsisch motivierten Verhal-
tens. Auf die Reziprozität wird noch in Kapitel 4.4 genauer eingegangen.
61
Vgl. Serries, C. (2005), S. 123f.
62
Vgl. Graumann, M. / Sieger, C. (2004), S. 93. Eine Systematik über unterschiedliche Anreizarten soll im
Rahmen der Metaanalysen in Kapitel 3.3 noch genauer betrachtet werden. Bleibt anzumerken, dass externe
und extrinsische Anreize weitgehend als Synonyme gebraucht werden.
12
Metaanalyse), der Messung der intrinsischen Motivation, der Form der extrinsischen
Anreize und in der Tätigkeit unterscheiden.
63
Im Folgenden sollen typische Beispiele für
o. g. Methoden angeführt werden.
3.1 Laborexperimente
D
ECI
, als Vorreiter der Verdrängungshypothese, hat bereits 1971 eines der ersten Expe-
rimente zur Überprüfung selbiger durchgeführt. Bis heute existieren über 140 psychologi-
sche Studien zu negativen Belohnungseffekten, die im Rahmen dieser Arbeit selbstver-
ständlich nicht alle vorgestellt werden können. Es zeichnet sich in allen aber ein typisches
Versuchsparadigma ab: Zunächst werden Teilnehmer rekrutiert, meist Studenten oder
Vorschulkinder, die ohne Entlohnung eine interessante Tätigkeit ausführen sollen. In einer
zweiten Phase wurden die Probanden für die Tätigkeit entlohnt, wobei die Entlohnung in
einem dritten Durchgang wieder entzogen wurde.
64
Nach jeder Phase wurde eine kurze
Pause eingelegt, in der die Leiter des Experiments den Raum verließen, um die Teilneh-
mer in dieser sog. Free-Choice-Phase durch einen Zweiwegspiegel unbemerkt zu beo-
bachten. In dieser Zeit konnten die Probanden frei entscheiden, ob sie weiterhin der Tä-
tigkeit des Experiments nachgehen oder sich anders beschäftigen. Über eben jene Beo-
bachtungen wurde dann die intrinsische Motivation bestimmt. Genauer gesagt, wurde die
Zeitdauer gemessen, in der sich die Probanden in der Unterbrechung freiwillig und ohne
Wissen beobachtet zu werden weiter mit der gestellten Aufgabe beschäftigten.
65
Zum an-
deren wurden Befragungen durchgeführt bezüglich des Interesses und der Freude an der
Tätigkeit, der sogenannte Selbstreport.
66
Die ermittelten Daten wurden dann in einem letz-
ten Schritt mit denen einer Kontrollgruppe verglichen, die in keiner der Phasen durch
extrinsische Anreize beeinflusst wurde. Waren deren Ergebnisse insgesamt höher, war
die Korrumpierung intrinsischer Motivation dringend anzunehmen.
Ein Experiment mit soeben beschriebenem Aufbau führte nun D
ECI
mit 24 Studenten ei-
nes Psychologieeinführungskurses durch, die als intrinsisch motivierte Tätigkeit das So-
ma-Puzzle lösen sollten.
67
Es wurden zwei Gruppen gebildet, die in der ersten Phase bei-
de keine Belohnung erhielten und nach 13 Minuten ihr Interesse an der Aufgabe in einem
Fragebogen bekunden sollten. Danach wurden sie acht Minuten allein gelassen und die
63
Vgl. Ursin, B. (2006), S. 149f.
64
Vgl. Heckhausen, H. (1989), S. 461
65
Vgl. Kunz, A. (2005), S. 60. Gem. Definition ist eine freiwillige Beschäftigung intrinsisch motiviert.
66
Vgl. Deci, E. / Ryan, R. / Koestner, R. (1999), S. 635. Bei der Verwendung von Selbstaussagen werden
Aussagen vorgelegt, denen entweder zugestimmt werden oder die abgelehnt werden. Beispielsweise: ,,Ich
gehe zur Uni, weil es mir Spaß macht" oder ,,Ich gehe zur Uni, weil es ein Hochgefühl ist, interessante Dinge
zu lesen". Vgl. Vallerand, R. (1997), S. 285ff.
67
Vgl. Deci, E. (1975), S. 132. Das Soma-Puzzle gilt als so interessant, dass es heißt, es sei kaum möglich
damit aufzuhören, bevor nicht die vorgegebenen Figuren gelegt sind.
13
Zeit gestoppt, in der sie an dem Puzzle weiterarbeiteten. In diesen Free-Choice-Zeiten
standen durchaus attraktive Alternativen zur Beschäftigung zur Verfügung
68
. Im zweiten
Durchgang brachte das Lösen pro Puzzle den Teilnehmern der Experimentalgruppe einen
Dollar, was diesen auch explizit kurz vor Beginn gesagt wurde. Die Kontrollgruppe wurde
nicht entlohnt. Nach der erneuten Pause (Durchgang 2) und wiederholten Auswertungen
wurde diese Belohnung im dritten Durchgang jedoch wieder entzogen und daraufhin das
finale Gutachten (Abb. 3-1) erstellt:
Durchgang 1
Durchgang 2
Durchgang 3
Zeit 3Zeit 1
Experimentalgruppe
248,2
313,9
198,5
-49,7
Kontrollgruppe
213,9
205,7
241,8
27,9
Abbildung 3-1: Freiwillige Weiterarbeit mit und ohne Belohnung (Mittelwert in Sek.)
Quelle: In Anlehnung an Deci, E. (1971), S. 109 und Uhl, A. (2000), S. 181
Nachdem im ersten Durchgang die Zeiten der freiwilligen Weiterarbeit beider Gruppen
noch dicht beieinander lagen, sind im zweiten Durchgang die der Experimentalgruppe
deutlich höher, was darauf zurückzuführen ist, dass die Teilnehmer für den dritten Durch-
gang üben wollten, da sie zu dem Zeitpunkt noch nicht wussten, dass die Belohnung kurz
vorher wieder entzogen wird.
69
Nach der dritten Phase war es genau umgekehrt, die Kon-
trollgruppe lag vorn, während die Teilnehmer der Experimentalgruppe sogar noch unter
ihrem Ergebnis des ersten Durchgangs lagen, obwohl dort ebenfalls wie im letzten Durch-
gang keine Belohnung gegeben wurde. Hingegen blieben die Zeiten der Kontrollgruppe
insgesamt relativ konstant. D
ECI
sah in diesem Ergebnis die Bestätigung, dass monetäre
Anreize die intrinsische Motivation auf Dauer verringern können, was noch durch die Fra-
gebögen untermauert wurde, die deutlich aufzeigten, dass das Interesse an der Aufgabe
verloren ging, als keine Belohnung mehr gezahlt wurde.
Nicht nur im psychologischen Bereich ist der Verdrängungseffekt im Labor untersucht
worden, sondern auch im ökonomischen. Unterschieden wird hierbei zwischen Experi-
menten, die mit realen Tätigkeiten durchgeführt werden und solchen, bei denen ,,die Teil-
nehmer eine Zahl als Repräsentation der Anstrengung" wählen (abstrakte Anstrengungs-
wahl).
70
Gemeinsam ist ihnen, dass die Probanden Aufgaben durchführen bzw. Entschei-
dungen bzgl. ihrer Anstrengung treffen und in Abhängigkeit davon entlohnt werden. Die
intrinsische Motivation wird über die Leistung ausgewertet, begründet damit, dass eine
hohe Anstrengung zu einer Verbesserung selbiger führt, was wiederum für viele Individu-
68
Vgl. Uhl A. (2000), S. 180. Wie schon erwähnt, gilt die freiwillige Weiterarbeit als aussagekräftiger Indikator
für Interesse und intrinsische Motivation.
69
Der reine Preiseffekt (durch Entlohnung erhöht sich Arbeitsanstrengung/Leistung) hat zunächst gewirkt.
70
Vgl. Sliwka, D. (2003), S. 295
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Erstausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2010
- ISBN (PDF)
- 9783956849114
- ISBN (Paperback)
- 9783956844119
- Dateigröße
- 7.6 MB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Universität Kassel
- Erscheinungsdatum
- 2015 (Februar)
- Note
- 1
- Schlagworte
- intrinsische Motivation Korrumpierungseffekt Anreizsystem Crowding-Out Effekt Reaktanz Mitarbeitermotivation