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Live-Übertragung von öffentlichen Kreistagssitzungen: Rechtliche Probleme und Auswirkungen auf die politische Praxis in Mecklenburg-Vorpommern

©2013 Bachelorarbeit 44 Seiten

Zusammenfassung

Die Möglichkeit, Sitzungen der kommunalen Vertretungskörperschaften ähnlich den Parlamentsdebatten im Deutschen Bundestag per Kamera auf den heimischen Bildschirm zu übertragen, erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Häufig sind es die Kommunen selbst, die das Angebot insbesondere in Form eines Live-Streams auf der eigenen Internetpräsenz bereitstellen, um so ein Zeichen für Transparenz in Zeiten bürgerferner Politikentscheidungen zu setzen. Die rechtlichen Voraussetzungen solcher Übertragungen werden hingegen in Literatur und Praxis insbesondere unter dem Aspekt des Persönlichkeitsrechtsschutzes der gefilmten Personen kontrovers diskutiert.
Die vorliegende Arbeit untersucht anhand der Rechtslage in Mecklenburg-Vorpommern ausgewählte Fragen zur Zulässigkeit des kreiseigenen Live-Streams sowie Möglichkeiten, das Live-Streaming durch kreiseigenes Recht zu regeln. Die Ausführungen können dabei weitestgehend auch auf die Ebene der Gemeinden und Städte übertragen werden. Abschließend wird sich in einem kleineren Teil der Arbeit den Auswirkungen einer Einführung entsprechender Angebote auf die kommunalpolitische Sitzungs- und Debattenkultur gewidmet.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


3. Rechtliche Probleme kreiseigener Live-Streaming-Angebote

Die kommunale Selbstverwaltung besteht nur in dem von einfachen Gesetzen und der Verfassung gesetzten Rahmen.[1] Die Landkreise sind bei der Einrichtung eines Live-Streams rechtlich nicht privilegiert. Die Entscheidung des Kreistages müsste daher mit höherrangigem Recht, insbesondere dem Verfassungsrecht im Einklang stehen. Problematisch erscheint aus kommunalrechtlicher Sicht eine Vereinbarkeit mit der Funktionsfähigkeit des Kreistages und den Mitgliedschaftsrechten einzelner Kreistagsmitglieder. Darüber hinaus ist den Grundrechten der in Bild- und Ton aufgenommenen Personen ausreichend Rechnung zu tragen.

3.1 Funktionsfähigkeit des Kreistages und Mitgliedschaftsrechte der Kreistagsmitglieder

Rechtsprechung und Literatur haben sich soweit ersichtlich mangels konkreten Anlasses bisher noch nicht zur Zulässigkeit von Live-Übertragungen öffentlicher Gemeindevertreter- bzw. Kreistagssitzungen durch die Kommunen geäußert. Es können jedoch Rechtsprechung und Literatur zu Film- und Tonbandaufnahmen durch die Medien herangezogen werden.

Nach der Rechtsprechung des BVerwG sei durch Tonbandaufnahmen in öffentlichen Gemeindevertretersitzungen die Fähigkeit der Gemeindeverwaltung, ihre Aufgaben sachgerecht zu erfüllen, gefährdet. Die Funktionsfähigkeit erfordere auch die ungestörte Ausübung des Rechts der Mitglieder auf freie Rede. Mit der Aufnahme werde jede Nuance der Rede, einschließlich der rhetorischen Fehlleistungen, sprachlichen Unzulänglichkeiten und der Gemütsregungen des Redners, dauerhaft und ständig reproduzierbar konserviert. Durch das Bewusstsein des Tonbandmitschnitts könnten „insbesondere in kleineren und ländlichen Gemeinden“ die Mitglieder ihre Spontanität verlieren. Eine von psychologischen Hemmnissen möglichst unbeeinträchtigte Atmosphäre gehöre aber zu den notwendigen Voraussetzungen eines geordneten Sitzungsbetriebs. Das gründe auf dem in der Gewährleistung der Selbstverwaltung durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG verankerten öffentlichen Interesse daran, dass die Willensbildung in der Gemeindevertretung ungezwungen, freimütig und in aller Offenheit verlaufe.[2]

Der Argumentation des BVerwG wird sich in der kommunalrechtlichen Literatur überwiegend angeschlossen.[3] Bis zur ausdrücklichen Regelung in § 107 Abs. 5 Satz 5 KV M-V war die Zulässigkeit von Film- und Tonaufnahmen aber in den Einzelheiten rechtlich umstritten. Gentner folgerte, dass die Genehmigung von Tonaufzeichnungen durch die Gemeindevertretung auch unter Zustimmung aller Anwesenden nicht möglich sei, da die Funktionsfähigkeit der Vertretung nicht zu ihrer Disposition stünde.[4] Nach anderer Ansicht sei ein einstimmiger Beschluss erforderlich, da es zu den absoluten Minderheitsrechten der Mitglieder der Vertretungskörperschaft gehöre, Film- und Tonaufnahmen zuzulassen.[5] Stellenweise wurde auch vertreten, dass ein einfacher Beschluss genüge, wobei den Gemeindevertretern bzw. Kreistagsmitgliedern aus ihrem mitgliedschaftlichen Status heraus eine individuelle Widerspruchsmöglichkeit bei der Übertragung ihrer Redebeiträge zuzustehen sei.[6]

Das Live-Streaming ist hinsichtlich seiner potenziellen Wirkung mit Tonbandaufzeichnung weitestgehend vergleichbar. Hinzukommt, dass mit der Videoaufzeichnung und -übertragung auch das nonverbale Verhalten der Redner erfasst wird.[7] Der Umstand, dass beim Live‑Streaming das Videomaterial nicht ständig abrufbar auf der Internetpräsenz des Landkreises erscheint, kann dem nicht wirksam entgegengehalten werden.[8] So ist eine spätere Wiedergabe durch die Aufnahmemöglichkeit des Live-Streams nicht ausgeschlossen.[9] Das so gewonnene Videomaterial kann ohne Einwilligung oder Wissen der betroffenen Kreistagsmitglieder im Internet, z.B. auf Videoportalen wie Youtube oder MyVideo, weiterverbreitet werden. Außerdem bedeutet die Ausstrahlung im Internet für die Kreistagsmitglieder einen nicht absehbaren Empfänger- und damit Zuschauerkreis. Auf Grund dessen könnte argumentiert werden, dass sich einige Kreistagsmitglieder an einer unbefangenen Teilnahme an der Diskussion im Kreistag gehindert sehen. Neben der Funktionsfähigkeit des Kreistages käme daher auch ein unzulässiger Eingriff in die mitgliedschaftlichen Rechte der Kreistagsmitglieder auf freie Rede bzw. ungestörte Ausübung ihres Mandats (vgl. §105 Abs. 2 Satz. 1 KV M-V) in Betracht.[10] Die subjektiven Rechte der Kreistagsmitglieder leiten sich aus ihrer mitgliedschaftlichen Stellung im Kreistag ab und werden dem öffentlichen Organisationsrecht zugeordnet.[11] Sie sind strikt von der höchstpersönlichen Rechtsphäre der hinter dem Amt stehenden Person zu trennen.

Es erscheint allerdings schon zweifelhaft, ob die vom BVerwG vor nunmehr rund 23 Jahren angenommene Rechtsauffassung zu Tonbandaufzeichnungen in einer Gemeindevertretersitzung[12] bedenkenlos auf die heutige Kreistagsarbeit übertragen werden kann. So bestätigte das OVG Saarland in neuerer Rechtsprechung bei Bild- und Tonaufnahmen zwar eine erhebliche Verhaltensbeeinflussung von Mitgliedern einer Stadtvertretung.[13] Die Schwelle zur Funktionsbeeinträchtigung sei allerdings nicht zwingend durch den Widerspruch einzelner Mandatsträger überschritten, sondern hänge vom Einzelfall ab.[14] Noch weitergehend sah das VG Saarland nach überzeugender Ansicht keine konkreten Anhaltspunkte für die Störung der Arbeit. Stadtvertreter wirkten in Wahrnehmung ihres Amtes in einer von ihnen selbst gewollten öffentlichen Sphäre. Von ihnen dürfe mit Blick auf den Öffentlichkeitsgrundsatz grundsätzlich erwartet werden, sich den mit ihrer Funktion verbundenen Erwartungen, selbst bei Bildaufnahmen durch die Medien, gewachsen zu zeigen. Kommunalpolitiker seien zudem als Träger gesellschaftlicher Verantwortung wie andere Politiker auf Bundes- und Landesebene auf eine medienvermittelnde Realität angewiesen und suchen diese auch regelmäßig.[15]

Im Hinblick auf die flächenmäßige Größe der Landkreise in Mecklenburg-Vorpommern gilt letzteres Argument im besonderen Maße für Kreistagsmitglieder. Weiterhin müssen sie schon mit Blick auf den Öffentlichkeitsgrundsatz hinnehmen, bei ihren Reden von den anwesenden Zuschauern optisch wahrgenommen zu werden. Unstreitig ist dabei, dass die Redepassagen schriftlich mitstenographiert und anschließend wortgetreu verbreitet werden dürfen[16] Blickt man auf die gesellschaftlichen Strukturen, muss im Einklang mit dem VG Saarland festgestellt werden, dass sich diese hinsichtlich der Informationsbeschaffung und -vermittlung grundlegend gewandelt haben.[17] Rundfunk und Fernsehen sind für die Bürger, mehr noch als die Druckpresse, die Medien der Informationsvermittlung geworden.[18] Vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, wie sich ein Kreistagsmitglied durch das Live-Streaming überhaupt in seinen Wahrnehmungsrechten gestört sehen kann. Hinzukommt die Überlegung, ob subjektive Empfindungen einzelner Kreistagsmitglieder bereits die Funktionsfähigkeit des Kreistages negativ beeinflussen. Jedenfalls muss angenommen werden, dass die aus dem Öffentlichkeitsgrundsatz folgende Transparenz des Sitzungsgeschehens im Sinne des Demokratieprinzips deutlich schwerer wiegt, als die zweifelhafte Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit. Dafür spricht auch die nunmehr gesetzlich geregelte Zulassung von Film- und Tonaufnahmen durch die Medien. Wenngleich es sich ausdrücklich um ein Medienprivileg handelt, kann die Neuregelung für die Zulässigkeit kreiseigener Live-Streams doch mittelbar für die Landkreise herangezogen werden. Denn sie stellt eine Wertentscheidung des Gesetzgebers zugunsten der Transparenz des Sitzungsgeschehens dar.[19] Die befürchtete Funktionsbeeinträchtigung steht dem Live-Streaming auch dann nicht entgegen, wenn einzelne Kreistagsmitglieder der Übertragung nicht widersprechen können. Bezeichnend ist, dass die Zulassungsentscheidung letztlich beim Kreistag liegt, der gemäß der Gesetzesbegründung eine entsprechende Regelung auch für Dritte in der Hauptsatzung treffen könne.[20] Wenn der Landkreis im Rahmen seiner Organisationsbefugnisse[21] dieses Recht Dritten gewähren kann, so kann ihm die Entscheidung für eine eigene Übertragung nicht verwehrt sein. Die Funktionsfähigkeit des Kreistags kann in dem Abwägungsprozess mit der Transparenz des Sitzungsgeschehens schließlich nicht schwerer wiegen, wenn der Landkreis Eigenübertragungen vornimmt. Dafür spricht schon, dass die unmittelbare Verwendung der Aufnahmen sich für die Kreistagsmitglieder in der Praxis regelmäßig überschaubarer gestaltet als für Medienaufnahmen. Im Ergebnis können dem Live-Streaming weder die befürchtete Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit noch die Mitgliedschaftsrechte einzelner Kreistagsmitglieder entgegengehalten werden.

Bei einer allgemeinen Regelung zum kreiseigenen Live-Streaming, z.B. in der Hauptsatzung, sollte jedoch in Betracht gezogen werden, den gesetzlich gewährleisteten Minderheitenschutz des § 107 Abs. 5 Satz 5 KV M-V zu übernehmen. So erscheint schon mit Blick auf die besondere verfassungsrechtliche Bedeutung der Presse- und Rundfunkfreiheit (vgl. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) äußerst bedenklich, wenn ein Viertel der Kreistagsmitglieder im Einzelfall mit Verweis auf subjektive Beeinträchtigungen nur Bild- und Tonaufnahmen durch die Medien, nicht aber das kreiseigene Live-Streaming verhindern könnten.

3.2 Vereinbarkeit mit den Grundrechten

Durch Aufzeichnung und Übertragung der Sitzungen des Kreistages kann das allgemeine Persönlichkeitsrecht der anwesenden Personen beeinträchtigt werden. Auf Grund der Fülle möglicher Betroffener beschränken sich die nachfolgenden Ausführungen auf die Kreistagsmitglieder und Zuschauer. Es wird aber darauf hingewiesen, dass neben diesen beiden Gruppen auch der Landrat (vgl. § 107 Abs. 7 KV M-V), die hinzugezogenen Verwaltungsangehörigen sowie sonstige außerhalb der Verwaltung stehende Dritte wie Sachverständige, Vertreter von Organisationen und auch Einwohner, die im Rahmen der "Einwohnerfragestunde" (§§ 101 Abs. 2, 17 KV M‑V) Wortbeiträge abgeben, betroffen sein können.

3.2.1 Das allgemeine Persönlichkeitsrecht als unbenanntes Freiheitsrecht

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitet wird, schützt als unbenanntes Freiheitsrecht solche Bereiche der Persönlichkeit, die nicht von speziellen Freiheitsrechten erfasst werden.[22] Träger des Grundrechts sind alle natürlichen Personen.[23] Allgemein lässt es sich als das Recht des Einzelnen zur Gestaltung der engeren persönlichen Lebenssphäre, einschließlich der Entscheidung über die Teilhabe Dritter bzw. der Öffentlichkeit, umschreiben.[24] Der Umfang des Schutzbereichs hat durch die Rechtsprechung des Bundverfassungsgerichts mehrere Konkretisierungen erfahren. Dazu gehören unter anderem das Recht am eigenen Bild[25], das Recht am gesprochenen[26] bzw. am eigenen[27] Wort sowie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung[28].

3.2.1.1 Das Recht am eigenen Bild

Von besonderer Bedeutung für das Live-Streaming ist das Recht am eigenen Bild. Es soll dem Einzelnen Einfluss- und Entscheidungsmöglichkeiten bei der Anfertigung und Verwendung von Bildaufnahmen seiner Person durch andere geben. Das Schutzbedürfnis ergibt sich insbesondere aus der Möglichkeit, das Erscheinungsbild eines Menschen in einer bestimmten Situation abzulösen und jederzeit vor anderen Zuschauern zu reproduzieren. Das den Abgebildeten umgebende Publikum, das er noch selbst überschauen und wahrnehmen kann, wird durch einen anonymen, beliebig großen Personenkreis ersetzt. So kann der Abgebildete durch Veränderung und Manipulation des Kontextes in verfälschender Weise in der Öffentlichkeit dargestellt werden.[29]

3.2.1.2 Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung

Aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht folgt auch das vom BVerfG im Urteil zum Volkszählungsgesetz von 1983 (sog. Volkszählungsurteil)[30] begründete Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Wenngleich nicht ausdrücklich im GG erwähnt, hat es in Art. 6 Abs. 1 LVerf M-V Einzug gefunden.

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung soll dem Einzelnen ermöglichen, seine Rolle in der Gesellschaft selbstbestimmt zu finden. Voraussetzung dafür ist aber, dass er Kenntnis darüber hat, wer was bei welcher Gelegenheit über ihn weiß. Denn die selbstbestimmte Rolle kann dem Einzelnen verwehrt sein, wenn sein soziales Umfeld bereits Kenntnisse über ihn hat, die er selbst weder abschätzen noch überschauen kann. Unter den modernen Bedingungen der Datenverarbeitung setzt die freie Entfaltung der Persönlichkeit daher einen Schutz des Einzelnen gegen die unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten voraus. Ziel des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ist die Gewährleistung dafür, dass jeder grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten bestimmen kann.[31]

Es stellt damit ein Abwehrrecht des Einzelnen gegen die staatliche Verarbeitung personenbezogener Daten dar. Unter personenbezogenen Daten sind nach § 3 Abs. 1 des Gesetzes zum Schutz des Bürgers bei der Verarbeitung seiner Daten (Landesdatenschutzgesetz – DSG M-V) alle Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person zu verstehen. Zu den personenbezogenen Daten können auch Bilder gehören. Abhängig vom konkreten Inhalt enthalten sie diverse Hinweise bspw. über das Aussehen oder die Kleidung abgebildeter Personen.[32] Bei Internetveröffentlichungen, die grundsätzlich weltweit abrufbar sind, werden sie dadurch personenbezogen, dass irgendwo auf der Welt jemand eine Zuordnung zu der abgebildeten Person vornehmen kann.[33]

3.2.1.3 Überschneidung der visuellen und informationellen Selbstbestimmung

Sofern es sich bei der Veröffentlichung eines Bildes gleichzeitig um ein personenbezogenes Datum handelt, ergeben sich Überschneidungen des Rechts am eigenen Bild und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Eine stimmige verfassungsrechtliche Differenzierung ist hier schon mit Blick auf das Verhältnis der einfachgesetzlichen datenschutzrechtlichen Regelungen zum Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie (Kunsturhebergesetz – KUG) geboten.

Es wird einerseits vertreten, dass das informationelle Selbstbestimmungsrecht in der oben genannten Konstellation neben dem Recht am eigenen Bild Anwendung fände. Dabei wird vorrangig auf die unterschiedlichen Schutzrichtungen beider Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts abgestellt. Während das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eine umfassende Abschirmung personenbezogener Daten gegen Dritte bezwecke, solle das Recht am eigenen Bild den Einzelnen vor ungewollter Präsentation in der Öffentlichkeit bewahren.[34]

Nach überzeugender Gegenansicht von Roßnagel/Schnabel sei das Recht am eigenen Bild jedoch dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung spezieller. So betrifft es einen besonderen Bestandteil der Menge personenbezogene Daten.[35] Folgt man der neueren Rechtsprechung des BVerfG, schützt das Recht am eigenen Bild nicht nur vor der Verwendung des Bildes, sondern auch vor dessen Anfertigung.[36] Der Schutz der personenbezogenen Daten gestaltet sich insofern nicht weniger umfassend als beim informationellen Selbstbestimmungsrecht. Das informationelle Selbstbestimmungsrecht kann in solchen Fällen der Überschneidung jedenfalls keine weitergehenden Freiheitsrechte gewähren als das Recht am eigenen Bild.[37] Das Recht am eigenen Bild als spezielle Ausformung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts wäre anderenfalls, zumindest in seinem Hauptanwendungsbereich der Fotografien oder Videoaufnahmen von Personen, nahezu bedeutungslos.

[...]


[1] Manssen, Kommunalverfassung M-V, 2. Aufl. 1998, S. 17

[2] BVerwG, NJW 1991, 118 (119)

[3] Vgl. nur Gentner in: Schweriner Kommentierung, 3. Aufl. 2005, § 29 Rn. 7; Geis, Kommunalrecht, 2. Aufl. 2011, § 11 Rn. 129; krit. Gern, (Fn. 11), Rn. 467

[4] Gentner in: Schweriner Kommentierung, 3. Aufl. 2005, § 29 Rn. 7; vgl. auch Wohlfarth, (Fn. 22), 134

[5] Wohlfarth, (Fn. 22), 134

[6] So angedeutet durch OVG Saarland, Beschluss v. 30.08.2010 – 3 B 203/10, Juris, Rn. 70; Vgl. LT Hessen-Drs. 18/4621, S. 9, zur Rechtslage in Hessen

[7] Vgl. OVG Saarland, Beschluss v. 30.08.2010 – 3 B 203/10 -, Juris, Rn. 44

[8] a.A. Geuer/Pfeifer, Zulässigkeit eines Internet-Livestreams aus Gemeindevertretungen, jurisPR-ITR 15/2012 Anm. 5, S. 2 f.

[9] Siehe S. 6 der Arbeit

[10] So BVerwG, NJW 1991, 118, (119); OVG Saarland, Beschluss v. 30.08.2010 – 3 B 203/10 -, Juris, Rn. 70

[11] Wohlfarth, Kommunalrecht für das Saarland, 3. Aufl. 2003, Rn. 130

[12] BVerwG, NJW 1991, 118 (119)

[13] OVG Saarland, Beschluss v. 30.08.2010 – 3 B 203/10 -, Juris, Rn. 42

[14] Ebd. Rn. 70

[15] VG Saarland, Urteil vom 25.03.2011 – 3 K 501/10, Juris, Rn. 41 ff.

[16] Vgl. BVerwG, NJW 1991, 118 (119)

[17] VG Saarland, Urteil vom 25.03.2011 – 3 K 501/10, Juris, Rn. 43

[18] Dieckmann, (Fn. 21), 2452

[19] LT MV-Drs. 5/4173, S. 133

[20] Ebd.

[21] Siehe nur BVerfG, NVwZ 1995, 677 (678), zur Organisationshoheit als Ausfluss der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie

[22] BVerfG, NJW 1980, 2070; Jarass, Das allgemeine Persönlichkeitsrecht im Grundgesetz, NJW 1989, 857 (857)

[23] Jarass, (Fn. 44), 859

[24] Vgl. nur BVerfG, NJW 1980, 2070 (2070 f.); BVerfG, NJW 1973, 1226 (1227 f.); Jarass, (Fn. 44), 858

[25] BVerfG, NJW 1973, 891 (892); BVerfG, NJW 1973, 1226 (1227)

[26] BVerfG, NJW 1973, 891 (892); BVerfG, NJW 1973, 1226 (1227)

[27] BVerfG, Beschluss v. 03.06.1980, 1 BVR 797/78, Juris, Rn.23

[28] BVerfG, NJW 1984, 419 (422)

[29] BVerfG, GRUR 2000, 446 (449)

[30] BVerfG, NJW 1984, 419 (419 ff.)

[31] BVerfG, NJW 1984, 419 (421 f.)

[32] Schnabel, Das Recht am eigenen Bild und Datenschutz, ZUM 2008, 657, 661; Weichert, Datenschutz bei Internetveröffentlichungen, VuR 2009, 323, 325

[33] Weichert, (Fn. 54), 325

[34] Klar, Datenschutzrecht und Visualisierung des öffentlichen Raums, 2012, S. 69 ff.

[35] Roßnagel/Schnabel, Aufzeichnung und Übertragung von Lehrveranstaltungen, 411, 414

[36] BVerfG, NJW 2008, 1793 (1794); BVerfG, GRUR 2000, 446 (449)

[37] Roßnagel/Schnabel, (Fn. 57), 414

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2013
ISBN (PDF)
9783956849671
ISBN (Paperback)
9783956844676
Dateigröße
727 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Fachhochschule für öffentliche Verwaltung des Landes Mecklenburg-Vorpommern in Güstrow
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,3
Schlagworte
Persönlichkeitsrecht Live-Streaming Kommunalrecht Datenschutz Gemeinderat
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