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Der Video Game Crash: Aufstieg und Fall einer Branche

©2012 Bachelorarbeit 45 Seiten

Zusammenfassung

Von ihren Anfängen als technische Spielereien auf teuren Großrechnern bis hin zu den neuesten HD-Konsolen mit weitreichenden Entertainment-Angeboten war es ein weiter und mitunter auch turbulenter Weg für die Videospielindustrie. Als erste kommerziell erfolgreiche Firma auf dem Markt für elektronische Unterhaltungsspiele konnte sich ab 1972 Atari positionieren. Doch der Erfolg ihres Spielautomaten ‘Pong’ zog schnell die Aufmerksamkeit von Nachahmern auf sich. Bis zum Beginn der 1980er Jahre tummelten sich auf dem hart umkämpften Videospielemarkt zahlreiche Anbieter von Hard- und Software, bis die ganze Industrie ab 1983 dramatische Umsatzrückgänge hinnehmen musste, die zum nahezu völligen Zusammenbruch der Branche führten.
Der vorliegende Band wirft einen Blick zurück in die Frühzeit der Videospielindustrie und zeichnet deren Entwicklung bis zum ‘Video Game Crash’ Ende 1983 nach. Hierbei stehen nicht nur die Innovationen der sich ständig weiterentwickelnden Technik im Fokus der Untersuchung, sondern auch die Einflüsse eines interaktiven Mediums auf die moderne Gesellschaft und die Populärkultur. Darüber hinaus gibt die vorliegende Studie einen Einblick in die Strukturen und Ereignisse, die zum finanziellen Kollaps der Videospielindustrie führten, sowie einen Ausblick auf die Neuentstehung der Branche durch die Expansion japanischer Unternehmen und den Aufstieg der ‘Homecomputer’ Mitte der 1980er Jahre.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis
Einleitung...3
Die Entwicklung der Arcade-Automaten bis 1983...6
Die Entwicklung der Videospielkonsolen bis 1983...16
Der ,,Video Game Crash" 1983/84...24
Fazit...33
Literaturverzeichnis...37


Einleitung
,,Spielen heißt "so tun als ob", wobei Körper und Geist gefordert und geformt werden."
1
, so
beschreibt Jürgen Berndt in seinem 2005 erschienenem Band ,,Bildschirmspiele. Faszination und
Wirkung auf die heutige Jugend" den Begriff des Spielens. Spielen bedeutet also so zu tun, als ob
das im Spiel simulierte und erlebte Geschehen die Realität wäre. Dies gilt nicht nur für die
frühesten Formen kindischen Spielens, wie etwa dem ,,Cowboy und Indianer"-Spiel, sowie
jeglicher Art von Brett- und Gesellschaftsspielen, sondern auch für die Bildschirmspiele der
Unterhaltungsbranche, von denen im Folgenden die Rede sein wird.
Doch was genau versteht man eigentlich unter einem ,,Videospiel"? Besonders in den Anfangstagen
der kommerziellen Verbreitung von Videospielen kursierten eine Vielzahl unterschiedlichster
Bezeichnungen, die auch unter den zeitgenössischen Fachleuten mitunter für Verwirrung sorgten.
So wurden oftmals verschiedenste Geräte mit den Begriffen ,,Telespiel", ,,Bildschirmspiel",
,,Konsolenspiel", ,,Heimkonsole" oder ,,Computerspiel" versehen, ohne eine hinreichende
Definition mitzuliefern. In der Regel fassten diese Bezeichnungen sämtliche elektronischen
Spielgeräte zusammen, die entweder über einen eigenen, eingebauten Bildschirm verfügten, oder an
einen solchen angeschlossen werden konnten. Mitunter fielen aber auch Computer, deren
Primärzweck nicht das Spielen war, sowie diverse andere Elektronikspielzeuge, die dem Spieler
nicht die Möglichkeit zur aktiven Gestaltung des Spielgeschehens boten, in diese Kategorie.
Gleichwohl werden all diese Beschreibungen unter dem Oberbegriff ,,Videospiele" hinreichend
zusammengefasst.
Im Folgenden wird hauptsächlich von ,,Arcade-Automaten", ,,Videospielkonsolen" und
,,Homecomputern" die Rede sein, weshalb eine klare Definition der Begriffe erforderlich scheint.
,,Arcade-Automaten" (oftmals auch einfach nur ,,Arcades" genannt) sind diejenigen Geräte, die
sowohl Hard- als auch Software, sowie sämtliche Bedienelemente und Bildschirme in einem
Apparat vereinen. Die Software ist hierbei fest installiert und unabänderlich. Ihre Bedienung kann
erst nach getätigtem Münzeinwurf erfolgen, weshalb sie auch nahezu ausschließlich in Spielhallen
(engl. ,,Arcades") zu finden sind und daher in Deutschland, seit einer Änderung des
Jugendschutzgesetzes von 1985, nur Erwachsenen Personen zugänglich sind.
2
Unter ,,Videospielkonsolen" sind all jene Geräte zusammengefasst, die an einen Fernseher
1
Siehe Berndt, Jürgen, Bildschirmspiele. Faszination und Wirkung auf die heutige Jugend, Münster 2005, S. 20.
2
Ebd., S. 35.
3

angeschlossen werden und über austauschbare Spiele (Module oder auch ,,Cartridges" genannt)
verfügen. Die Konsole ist, im Gegensatz zum Computer, ausschließlich zum Spielen vorgesehen
und ihre Hardware (die Konsole) ist jeweils nur mit der Software des eigenen Systems kompatibel.
3
Der ,,Homecomputer" schließlich ist ein ,,Hybrid" aus Spielkonsole und PC. Vorrangig wurde er
von vielen Käufern zum Spielen genutzt, jedoch konnten mit ihm auch Kalkulations- und
Textverarbeitungsprogramme durchgeführt werden. Ein weiterer Vorteil gegenüber den
Videospielkonsolen war die Tatsache, dass man auf einem Homecomputer eigene Programme
programmieren konnte. Ebenso verfügten die Homecomputer im Allgemeinen über eine höhere
Rechenleistung als die reinen Spielkonsolen.
4
Mit der zunehmenden Verbreitung des PC´s verloren
die Homecomputer im Laufe der 1990er Jahre zunehmend an Bedeutung und sind mittlerweile
vollständig vom Markt verschwunden.
Den Ursprung der Videospiele einem bestimmten Zeitpunkt oder gar Urheber zuzuschreiben fällt
schwer. Sicherlich kann das 1958 von dem Physiker William Higinbotham auf einem
Oszillographen entwickelte ,,Tennis for Two" als ,,Urvater" aller Videospiele angesehen werden.
Anlässlich eines Tages der offenen Tür am Brookhaven National Laboratory (BNL) baute
Higinbotham einen Oszillographen so um, dass eine vertikale Linie in der Mitte des Bildschirms ein
Tennisnetz simulierte und ein leuchtender Punkt als Spielball diente, den man mittels einer
drehbaren Skala und eines Knopfes auf die andere Seite des Netzes schleudern konnte.
5
Diese
Konstruktion war jedoch nicht mehr als eine technische Spielerei, um den Besuchern die
Leistungsfähigkeit der Geräte des Forschungszentrums zu zeigen. Zudem war das Spiel lediglich
nur einem minimalen Kreis an Menschen zugänglich (nämlich den Besuchern des
Forschungszentrums) und Higinbotham dachte nicht im Entferntesten daran von seiner Entwicklung
finanziell zu profitieren, weswegen er auch nie ein Patent hierfür anmeldete. Der Forscher, der
während des Zweiten Weltkrieges an der Entwicklung der Radar-Technologie und des
elektronischen Zündmechanismus der ersten Atombombe beteiligt war, konstruierte das Spiel einzig
und allein aus Spaß und um den Besuchern des BNL ein wenig Heiterkeit zu verschaffen.
6
Der deutschstämmige Fernsehtechniker Ralph Baer hatte bereits Anfang der 1960er Jahre die Idee,
elektronische Spiele auf den heimischen Fernsehschirm zu bringen und meldete 1966 schließlich
ein Patent hierfür an. Sein damaliger Arbeitgeber, die amerikanische Militärtechnologiefirma
Sanders, sah Baers Ideen jedoch nur als Zeitverschwendung an und versprach sich von dem Projekt
3
Siehe Berndt, Jürgen, Bildschirmspiele, Münster 2005, S. 36.
4
Ebd., S. 37.
5
Ebd., S. 45-46.
6
Vgl. Huff, Hartmut, Das grosse Handbuch der Video-Spiele, München 1983, S. 9.
4

auch keinerlei finanziellen Erfolg. Erst als das Patent 1970 an Magnavox, eine Tochterfirma des
niederländischen Elektronikkonzerns Philips, fiel, wurde das Potenzial von Baers Entwicklung
erkannt. Schließlich kam 1972 die erste Videospielkonsole für die eigenen vier Wände auf den
Markt, die ,,Magnavox Odyssey", welche im Prinzip das gleiche Spielkonzept wie ,,Tennis for Two"
bot. Ein großer kommerzieller Erfolg blieb ihr jedoch vorerst versagt. Als Patentinhaber führte
Magnavox in den 1970er Jahren mehrere Prozesse gegen Unternehmen der aufstrebenden
Videospielbranche, an deren Ende Lizenzzahlungen für die Entwickler der ersten Heimkonsole
standen.
7
Als weiterer Meilenstein in der Entwicklung der Videospiele ist wohl ,,Spacewar" von 1962 zu
nennen. Der Informatik-Professor Steve Russell programmierte das Spiel, in dem sich zwei
Raumschiffe im All duellierten, auf einem 8 Millionen Dollar teuren Computer der University of
Utah. Auch dieses Spiel war zwar nur einem kleinen Kreis von Spielern zugänglich, jedoch
hinterließ es bei dem jungen Studenten Nolan Bushnell einen bleibenden Eindruck, der knapp zehn
Jahre später die Firma Atari gründen sollte.
8
Mit der Gründung Ataris im Jahr 1972 begann auch die Zeit der Kommerzialisierung der
Videospiele. Die anfänglichen technischen Spielereien erlangten Serienreife und verbreiteten sich
im rasanten Tempo in Nordamerika und Westeuropa sowie Japan. Aus der ,,Zeitverschwendung"
erwuchs binnen weniger Jahre ein Multi-Milliarden-Dollar-Business, das Millionen von Menschen
in seinen Bann zog.
Im Folgenden soll die Entwicklung der Branche von ihren Anfängen 1972 bis hin zum ,,Video
Game Crash" im Jahre 1983 detailliert aufbereitet und hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Bedeutung
untersucht werden. Dabei wird vor allem zu klären sein, welche Ursachen zum Niedergang der
nordamerikanischen Videospielindustrie zu Beginn der 1980er Jahre führten und welche Folgen
sich hieraus für die japanischen Anbieter, sowie dem Markt für Homecomputer ergaben.
Weiterhin werden die Beziehungen zwischen Videospielen und der zeitgenössischen Popkultur,
sowie deren Rezeption in der Öffentlichkeit näher beleuchtet. Darüber hinaus drangen Computer in
den frühen 1980ern auch immer mehr in den Arbeitsalltag der Menschen ein, wodurch sie
allgegenwärtig wurden und nicht mehr nur einem kleinen Zirkel von Wissenschaftlern und
Studenten zugänglich waren.
7
Vgl. Forster, Winnie, Spielkonsolen und Heimcomputer 1972-2009, Utting 2009, S. 11-12.
8
Siehe Huff, Hartmut, Das grosse Handbuch der Video-Spiele, München 1983, S. 9.
5

Die Entwicklung der Arcade-Automaten bis 1983
Die frühen Erfolge der Arcade-Videospiele sind vor allem mit dem Namen Atari verbunden. Nolan
Bushnell, ein Ingenieur für Elektrotechnik, gründete das Unternehmen am 27. Juni 1972 mit einem
Startkapital von 500 Dollar.
9
Den Namen für seine Firma entlieh er dem japanischen Brettspiel
,,Go", wo der Ausdruck für die Androhung eines siegreichen Zuges, ähnlich dem ,,Schach" beim
Schachspiel steht.
10
So ist es auch nicht allzu verwunderlich, dass er als Firmenlogo eine stilisierte
Form des Berges Fuji wählte.
Der Firmengründung ging ein Engagement Bushnells bei ,,Nutting Associates" voraus, die es ihm
ermöglichten ein Arcade-Spiel zu entwickeln, das von seiner Machart her nahezu eine Kopie von
Steve Russells ,,Spacewar" von 1962 war. Die Automaten fanden zwar eine weitreichende
Verbreitung in Spielhallen und Bars der USA, der Erfolg blieb jedoch aus. Den meisten Spielern
war die Spielmechanik zu kompliziert und um sein Raumschiff mittels verschiedener Schubregler,
unter Berücksichtigung von Gravitationskräften, einigermaßen souverän über den Schwarz-Weiß-
Bildschirm zu manövrieren war eine nicht unerhebliche Einarbeitungszeit vonnöten. Doch bei
einem Spiel, das nur durch einen Münzeinwurf zu starten war und nur so lange andauerte bis das
Raumschiff des Spielers von seinen Gegnern vernichtet wurde, überwog die Frustration den von
vielen als zu kurz empfundenen Spielspaß.
11
Doch Bushnell ließ sich von diesem Rückschlag keineswegs entmutigen, sondern erkannte den
Fehler seines Spiels schnell. Anstatt komplexer Weltraumsimulationen, die trotz der
Zukunftseuphorie der frühen 1970er Jahre, auch nur ein begrenztes Zielpublikum ansprachen,
musste ein erfolgreiches Videospiel über sofort begreifbare Regeln verfügen, die sich am besten
durch das Spiel selbst erklärten. Der Spielspaß musste sich für jeden gleich beim ersten Spielen
einstellen, ohne dass man gezwungen war vorher unzählige Münzen zum Erlernen der
Spielmechanik einzuwerfen. Allerdings sollte sich der Spielspaß kontinuierlich steigern, je öfter
man spielte, um sich somit nach und nach die Feinheiten des Spiels anzueignen und das eigene
Spiel zu perfektionieren.
12
9
Vgl. Bertelmann, Andreas, Auf Ataris Spuren. Zurück in die Vergangenheit, zurück nach Sunnyvale (Teil 1), in:
Retro - Das Kulturmagazin für Computer, Videospiele und mehr, 11 (Frühling 2009), S. 16-21, hier: S. 16.
10 Vgl. Forster, Winnie, Spielkonsolen und Heimcomputer, Utting 2009, S. 12.
11 Siehe Huff, Hartmut, Das grosse Handbuch der Video-Spiele, München 1983, S. 9.
12 Vgl. Berndt, Jürgen, Bildschirmspiele, Münster 2005, S. 47.
6

Der große Wurf gelang Bushnell schließlich ein Jahr später mit der Entwicklung und Vermarktung
des ersten kommerziell erfolgreichen Videospiels ,,Pong".
Die Idee zu diesem simpelsten aller elektronischen Bildschirmspiele dürfte ganz klar Higinbothams
,,Tennis for Two" entliehen worden sein. Am linken und rechten Rand des schwarzen Bildschirms
befand sich jeweils ein weißer Balken, der sich mittels eines Drehreglers auf und ab bewegen ließ.
Ziel des Spiels war es, einen weißen Ball im Spiel zu halten, indem man verhinderte, dass er den
Bildschirmrand hinter dem eigenen Balken (Schläger) erreichte.
13
Dieses einfache Spielprinzip erwies sich als durchschlagender Erfolg. Innerhalb kürzester Zeit
verbreiteten sich die Pong-Automaten in ganz Nordamerika und brachten ihren Käufern volle
Münzschächte ein, die mehrmals täglich geleert werden mussten. Doch noch mehr lohnte sich das
Geschäft für Atari. Die Herstellung eines Pong-Automaten kostete zwischen 300 und 400 Dollar,
verkauft wurde er für rund 1200 Dollar. So erwirtschaftete Atari 1973, ein Jahr nach
Firmengründung, bereits einen Umsatz von 3,6 Millionen Dollar und legte damit den Grundstein für
ein Geschäftsmodell, mit dem die Firma zehn Jahre später zwei Milliarden Dollar umsetzen sollte.
14
Pong etablierte auch eine soziale Akzeptanz in der Öffentlichkeit, die Flipper- und ähnliche
Unterhaltungsautomaten in den Jahren zuvor nie erreichen konnten. Videospiele waren plötzlich an
allen möglichen öffentlichen Plätzen zu finden und wurden auch als Unterhaltungsautomaten
akzeptiert.
15
So waren die Arcade-Automaten nicht nur in den namensgebenden Spielhallen,
sondern unter anderem auch in Gaststätten und Eisdielen, Bahnhöfen, Betriebskantinen,
Jugendheimen, Sportstätten oder Schwimmbädern zu finden.
16
Schnell entwickelten sich die
Spielhallen zu beliebten Treffpunkten für Jugendliche und Videospiele zu einem wesentlichen
Bestandteil der damaligen Jugendkultur.
17
Ausgehend von ,,Pong" entstanden schnell Adaptionen anderer Sportarten wie Hockey oder
Fußball, die jedoch vorerst lediglich Varianten des beliebten Vorbilds waren und im Prinzip dem
Spieler nichts Neues boten. Die ,,Bälle" dieser Spiele waren mangels angemessener grafischer
Darstellungsmöglichkeiten nichts weiter als Rechtecke, die über den Bildschirm flitzten.
Es folgten Videospielumsetzungen weiterer Sportarten wie Basketball, Golf und Autorennen, bis
13 Siehe Berndt, Jürgen, Bildschirmspiele, Münster 2005, S. 46.
14 Vgl. Lischka, Konrad, Spielplatz Computer. Kultur, Geschichte und Ästhetik des Computerspiels, Hannover 2002,
S. 44.
15 Siehe Loftus, Elizabeth; Loftus Geoffrey R., Mind at play. The Psychology of Video Games, New York 1983, S. 7.
16 Vgl. Gernert, Wolfgang; Stoffers, Manfred, Das Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit. Kommentar,
Hamm 1985, S. 118-119.
17 Siehe Berndt, Jürgen, Bildschirmspiele, Münster 2005, S. 38.
7

hin zu Simulationen mehrerer olympischer Disziplinen.
18
Atari brachte im Laufe des Jahres 1974
die ersten Renn- und Sportspiele auf den Markt, deren Realisierung erst durch die verbesserten
grafischen Darstellungsmöglichkeiten möglich wurden.
19
Entscheidend bei dieser Entwicklung waren die Fortschritte auf dem Gebiet der Mikrotechnologie.
Bestanden die frühen Pong-Automaten noch aus von Hand verlöteten Platinen mit herkömmlichen
Dioden und Kondensatoren, konnten auf Mikrochips viel komplexere Schaltkreise auf minimalem
Raum untergebracht werden. Insbesondere der 8-Bit-Mikroprozesor 8080 der Firma Intel aus dem
Jahre 1974 sollte die Entwicklung von grafisch immer komplexer werdenden Videospielen in den
1970er Jahren nachhaltig beeinflussen.
20
Gerade in der Anfangszeit der Videospiele war die graphische Qualität der Spiele ein Spiegel ihrer
Beliebtheit. Dies führte zu einem Innovationsdruck seitens der Hersteller, da Spiele schnell
veralteten und dann nicht mehr gespielt wurden.
21
Ab Ende der 1970er wurde es auch möglich,
durch die stetig fortschreitende Rechenleistung der Mikrochips, das Spielgeschehen auf mehr als
nur die zur Verfügung stehende Bildschirmfläche auszudehnen.
Das sogenannte ,,Scrolling" ermöglichte es den Programmierern die Hintergrundgrafik des Spiels
horizontal oder vertikal mit der Spielfigur über den Bildschirm wandern zu lassen und so den
Eindruck einer Spielwelt, die über den Bildschirmrand hinausgeht, entstehen zu lassen.
22
Der erste Arcade-Automat, der das Bildschirmgeschehen farbig darstellte, war ,,Galaxian" vom
japanischen Hersteller Namco, welches 1979 erschien. Bis dahin wurde Farbe in Videospielen
durch farbige Overlay-Folien erzeugt, die das schwarze oder weiße Signal, welches das Spiel auf
den Bildschirm projizierte, entsprechend einfärbten.
23
Doch nicht nur auf dem grafischen Sektor schritt die Entwicklung der Arcade-Automaten
kontinuierlich voran. Bestanden die Bedienelemente der Arcade-Automaten anfangs noch aus den
bereits erwähnten Drehreglern, wurden diese, den neuartigen Spielmechaniken geschuldet, schnell
18 Siehe Maaß, Jürgen; Pachinger Karin, Computerspiele - Einstieg in die Bildschirmwelt?, in: Maaß, Jürgen;
Schartner Christian (Hrsg.), Computerspiele - (un)heile Welt der Jugendlichen?, München 1993, S. 11-24, hier: S.
13.
19 Vgl. Huff, Hartmut, Das grosse Handbuch der Video-Spiele, München 1983, S. 10.
20 Vgl. Fritz, Jürgen, Videospiele zwischen Faszination, Technik und Kommerz, in: Fritz, Jürgen (Hrsg.), Programmiert
zum Kriegspielen. Weltbilder und Bilderwelten im Videospiel, Bon 1988, S. 70-92, hier: S. 77.
21 Vgl. Greenfield, Patricia Marks, Kinder und neue Medien. Die Wirkungen von Fernsehen, Videospielen und
Computern, München 1987, S. 94.
22 Siehe Berndt, Jürgen, Bildschirmspiele, Münster 2005, S. 50-51.
23 Siehe Fust, Philipp, Die Evolution der Shoot´em Ups. Von Space Invaders bis DoDonPachi Dai-Fukkatsu, in: Retro
- Das Kulturmagazin für Computer, Videospiele und mehr, 14 (Winter 2009/2010), S. 36-52, hier: S. 36.
8

von ,,Joysticks" (ähnlich den Steuerknüppeln, die aus diversen Fluggeräten bekannt waren) und
einem oder mehreren Funktionsknöpfen abgelöst. Als weitere Innovation führte Atari 1978 den
sogenannten ,,Trackball" ein, eine Kugel, die 360-Grad-Bewegungen ermöglichte und die
Reaktionsgeschwindigkeit der Spielfiguren für den Spieler viel unmittelbarer machte. Das erste
Spiel, das über den ,,Trackball" verfügte, war ,,Football".
24
Ende der 1970er Jahre begann der Siegeszug japanischer Spielentwickler. In Japan existierte bereits
eine lange Tradition von beliebten Münzspielautomaten, die Millionen Spieler in die Spielhallen
lockte. Bei dem ,,Pachinko" genannten Spiel erwirbt der Spieler eine Anzahl an kleinen
Metallkugeln, die er in das Gerät einfüllt und mit einem Hebel bestimmt wie schnell die Kugeln
durch ein Labyrinth aus Nägeln fallen, wodurch er indirekt beeinflussen kann wohin sie fallen.
Gelingt es dem Spieler die Kugeln in entsprechende Öffnungen zu manövrieren, gibt der Automat
den Gewinn in Form neuer Kugeln aus. Dieser in allen Gesellschaftsschichten anerkannte und weit
verbreitete Zeitvertreib ermöglichte es auch den Arcade-Automaten schnell in Japan Fuß zu fassen
und begünstigte auch die dortige Entstehung einer eigenen Videospielindustrie.
25
Die japanische Firma Taito, die zuvor hauptsächlich Pachinko-Maschinen hergestellt hatte, erkannte
das Potential der Arcade-Automaten auf dem heimischen Markt und entwickelte ab Mitte der
1970er eigene Videospiele. 1978 gelang ihnen mit ,,Space Invaders" ein internationaler Erfolg. Die
Lizenz für die USA wurde von der Firma ,,Midway" erworben, die einige Jahre zuvor noch das
Angebot Ataris ausgeschlagen hatte den Vertrieb der Pong-Automaten zu übernehmen.
26
Offenbar
hatte der Hersteller von Flipper- und Geldspielautomaten aber aus seinem Fehler gelernt und
brachte die fernöstlichen Münzschlucker auch in die amerikanischen Spielhallen.
Der Erfolg von ,,Space Invaders" übertraf alle Erwartungen. Galt ein Spiel zuvor bereits als Erfolg
wenn sich 15.000 Einheiten verkaufen lassen konnten, gelang es Taito 300.000 ,,Space Invaders"-
Geräte weltweit zu verkaufen, davon alleine 60.000 in den USA.
27
Darüber hinaus traf das Szenario des Spiels um eine außerirdische Invasion genau den Nerv der
Zeit. ,,Star Wars" war im vorangegangenen Jahr in den amerikanischen Kinos angelaufen und
Science-Fiction-Themen waren allgegenwärtig. ,,Space Invaders" bot zudem auch erstmals die
Möglichkeit, die erreichte Punktzahl eines Spielers in einer Bestenliste zu speichern. Dieses
neuartige Feature begünstigte schließlich die Entstehung eines kompetitiven Wettbewerbs unter den
24 Siehe Huff, Hartmut, Das grosse Handbuch der Video-Spiele, München 1983, S. 12, hier fälschlicherweise als ,,Trak
Ball" bezeichnet.
25 Vgl. de Meyer, Gust; Malliet, Steven, The History of the Video Game, in: Goldstein, Jeffrey; Raessens, Joost
(Hrsg.), Handbook of Computer Game Studies, Cambridge 2005, S. 23-46, hier: S. 28.
26 Vgl. Siehe Huff, Hartmut, Das grosse Handbuch der Video-Spiele, München 1983, S. 12.
27 Vgl. Wolf, Mark, The Medium of the Video Game, Austin 2003, S. 44.
9

Spielern. Das Erreichen eines ,,Highscores", bzw. das Überbieten der Punktezahl eines anderen,
wurde von der Spielergemeinde als großartige Leistung anerkannt und die besten Spieler behielten
stets die Punktestände ihrer Konkurrenten im Auge.
28
Diese soziale Komponente des Spielens von
Videospielen an öffentlichen Plätzen diente als zusätzlicher Ansporn, eine immer höhere Punktezahl
zu erreichen. Gleichzeitig unterstrich sie den integrativen Charakter der Spielhallenszene, da den
erreichten Leistungen der Anderen Achtung und Respekt entgegengebracht wurde
29
und heterogene
Gruppen auf diese Weise in Kontakt treten konnten. Es existierte keine Unterscheidung zwischen
sozialer Herkunft oder Schicht. Vielmehr fungierten öffentliche Plätze an denen Arcade-Automaten
aufgestellt waren als Kommunikationszentren der Jugendkultur.
30
Spielhallen wurden somit zu einem angesagten Treffpunkt der Jugendlichen, wobei hierbei deutlich
die soziale Komponente des Zusammentreffens im Vordergrund stand und nicht das Spielen an
sich.
31
Der Kriminologe Armand Mergen führte 1981 eine Untersuchung über den vermeintlich
schädlichen Einfluss von ,,Automatenspielen" auf Jugendliche in der Bundesrepublik durch und
beschrieb die Stimmung in einer Spielhalle wie folgt:
,,Die Atmosphäre in einer Spielhalle ist eigenartig und spezifisch. Der Raum liegt in einem wohl
abgestimmten Halbdunkel, das durch die farbenfrohen Lichter der Automaten optisch belebt wird.
Es gíbt helle Lichtinseln z.B. über den Billardtischen. Die Wirkung der "Ambiance" auf den
Spielhallenbesucher ist, trotz der vielen Sinnesreize, beruhigend. Das permanente Tackern und
Tickern der Automaten unterlegt das als Gemurmel vernehmbare Miteinanderreden der Spieler und
schafft eine monotone, aber als dynamisch erfühlte Geräuschkulisse. Der Atmosphäre kann eine
gewisse, märchenhafte Faszination nicht abgesprochen werden. Es herrscht hektische Unruhe; sie
ist in Ruhe eingebettet. Und die Geräusche sind derart verschieden zusammengesetzt, daß sie trotz
aller Hektik und Bewegung eine unmerkbare Ruhe, eine Geborgenheit ausstrahlende, akustische
Atmosphäre abgeben. Die Spielhalle hat etwas irreales, märchenhaftes an sich. Sie ist ein Platz, in
den man aus der Realität heraus für einige Zeit flüchten kann, um sich von den Strapazen der
Wirklichkeit zu erholen."
32
28 Siehe Turkle, Sherry, Die Wunschmaschine. Vom Entstehen der Computerkultur, Reinbek 1984, S. 83.
29 Siehe Eymann, André, Please insert Coin. Das Verschwinden der Videospielautomaten in Deutschland, Retro - Das
Kulturmagazin für Computer, Videospiele und mehr, 5 (Herbst 2007), S. 42-45, hier: S. 44.
30 Vgl. Mergen, Armand, Grausame Automatenspiele. Eine kriminologische Untersuchung über Kriegsspiele und
Kriegsspielautomaten, Weinheim 1981, S. 51.
31 Vgl. Greenfield, Patricia Marks, Kinder und neue Medien, München 1987, S. 91.
32 Siehe Mergen, Armand, Grausame Automatenspiele, Weinheim 1981, S. 52.
10

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2012
ISBN (PDF)
9783956849817
ISBN (Paperback)
9783956844812
Dateigröße
781 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Hamburg
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
2,3
Schlagworte
E-Game Wirtschaftsgeschichte Atari Firmengeschichte Pong

Autor

René Feldvoß wurde 1982 in Lübeck geboren. Sein Studium der Geschichtswissenschaften an der Universität Hamburg schloß er 2014 mit dem akademische Titel eines Master of Arts (M.A.) ab. Bereits in frühester Kindheit erlag der Autor einer Faszination für Video- und Computerspiele, die ihn bis zum heutigen Tage nicht los lässt. So lag es nahe, sich mit dem liebgewonnenen Hobby auch auf geschichtswissenschaftlicher Ebene, im Rahmen einer Bachelor-Arbeit, auseinanderzusetzen. Weiterhin liegen die Schwerpunkte des Autors in der Wirtschafts- und Sozialgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, sowie der Zeitgeschichte und der Mediengeschichte.
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