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Target Costing: Marktorientierte Preisfindung am Praxis-Beispiel

©2008 Studienarbeit 34 Seiten

Zusammenfassung

Die Arbeit behandelt das Konzept des Target Costing zur marktorientierten Zielkostenbestimmung eines Produkts. Es handelt sich hierbei um ein Verfahren, mit Hilfe dessen die wichtigsten Produktkomponenten von Beginn an so konzipiert werden können, dass sowohl Kosten als auch Nutzen den Marktanforderungen entsprechen.
Nachdem zunächst allgemein auf das Grundprinzip und die Herkunft des Target Costing eingegangen wird, werden im Hauptteil der Arbeit die einzelnen Schritte im Target Costing-Prozess eingehend erläutert. Die Beschreibung der Vorgehensweise wird zur Veranschaulichung von einem Beispiel begleitet.
Abschließend werden Anwendungsbereiche des Konzepts in der Praxis vorgestellt sowie eine kritische Bewertung vorgenommen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


3. Geschichte und Verbreitung des Target Costing

Erste Ansätze des Target Costing waren bereits in den 1930er Jahren erkennbar. Die Entwicklung des VW Käfer stand bspw. unter der Maßgabe, einen Zielpreis von 990 Reichsmark einzuhalten. Demzufolge wurde aus Kostengründen auf den Einbau hydraulischer Bremsen verzichtet. Die alternativ gewählten Seilzugbremsen führten zu Ersparnissen von 25 Reichsmark.[1]

Nach dem zweiten Weltkrieg führte der Mangel an Ressourcen bei vielen Unternehmen zu dem Ziel, das Verhältnis von Kosten und Nutzen der Produkt­funktionen zu optimieren. Dieser, als Value Engineering bezeichnete Ansatz, wurde in den 60er Jahren weiterentwickelt und bereits in die Planung und Entwicklung von Produkten mit einbezogen.[2]

Der Ursprung des Target Costing wird jedoch im Jahre 1965 gesehen. Neben anderen richtungsweisenden Konzepten wie z.B. Just-in-time, wurde es von Toyota in Japan entwickelt. Unter der japanischen Bezeichnung genka kikaku fand es seit dem Beginn der 70er Jahre in japanischen Unternehmen wie z.B. NEC, SONY, Nissan und Hitachi Anwendung. Es galt damals wie heute, steigendem Wettbewerb und zunehmendem Preisdruck entgegen zu treten.[3]

In der westlichen Unternehmenspraxis wurde Target Costing durch erste Veröffentlichungen in englischer Sprache von Hiromoto, Sakurai und Tanaka Ende der 80er Jahre populär. Dem Konzept widmeten sich zu Beginn der 90er Jahre in Deutschland vor allem Horváth und Seidenschwarz. Ihre Ausführungen führten zu erfolgreicher Anwendung des Target Costing auch in deutschen Unternehmen.[4]

4. Allgemeiner Ansatz des Target Costing

Wie eingangs erwähnt, beginnt Target Costing bereits in den frühen Phasen der Produktentwicklung. Dies liegt darin begründet, dass die ersten 20% des Entwicklungsprozesses ausschlaggebend für ca. 80% der Kosten sind, die zur Produktion des Produktes anfallen werden. Des Weiteren lässt sich mit fortschreitendem Produktlebenszyklus immer weniger Einfluss auf die Kosten nehmen. Nach Markteinführung ist es oftmals zu spät, Kosten bzw. Preise an die Bedürfnisse der Kunden anzupassen.[5]

Demzufolge müssen Marktanforderungen und Kundenbedürfnisse von Beginn an in die Produktentwicklung einfließen. Dies stellt sicher, dass Produkte und Produktfunktionen dem entsprechen, was der Kunde wünscht und bereit ist zu zahlen. Abbildung 1 verdeutlicht, wie Target Costing Produkt- und Marktinfor­mationen während der Entwicklungsphasen zusammenführt. Es verbindet somit aus Unternehmenssicht interne (Produkt) und externe (Markt) Aspekte. Intern bedeutet hier, dass für die Herstellung eines Produktes Kosten anfallen. Extern bezieht sich auch auf den Kunden, für den der Kauf eines Produktes Nutzen stiftet. Mittels Target Costing sollen Kosten und Nutzen in ein ausgeglichenes Verhältnis gesetzt werden. Zu diesem Zweck werden, ausgehend vom Markt, Zielkosten definiert, die es bei der Produktentwicklung einzuhalten gilt.[6]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Target Costing in den Phasen der Produktentwicklung

Quelle: Horváth/Niemand/Wolbold (1993), S. 11

5. Ablauf des Target Costing-Prozesses

In der Literatur unterscheiden verschiedene Autoren zwischen unterschiedlichen Phasen des Target Costing-Prozesses. Die jeweiligen Modelle differenzieren zwei bis hin zu 14 Teilschritte bei der Anwendung des Konzeptes. Im Wesentlichen sind die Elemente des grundlegenden Ablaufes jedoch ähnlich und weisen lediglich Unterschiede in ihrer Struktur auf. Vorwiegend wird der Target Costing-Prozess in drei Schritte unterteilt: Zielkostenfindung, Zielkostenspaltung und Zielkosten­erreichung. Diese sollen im folgenden beschrieben und anhand eines Beispiels verdeutlicht werden.[7]

5.1. Zielkostenfindung

Zur Bestimmung der Zielkosten werden fünf Verfahrensweisen unterschieden.

Market into Company

Zu Beginn gilt es, die Frage zu beantworten: „Was darf das Produkt kosten?“. Ausgehend vom Markt werden die Zielkosten (Allowable Costs) für ein Produkt bestimmt. Dabei wird von dem am Markt realisierbaren Zielpreis (Target Price) die gewünschte Gewinnspanne (Target Profit) subtrahiert:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Bestimmung des Zielpreises setzt zunächst fundierte Marktforschung voraus, um Kundenwünschen und Marktanforderungen Rechnung zu tragen. Neben der erzielbaren Preisobergrenze ist es von Bedeutung, auch Erkenntnisse über die geschätzte Länge der Produktlebensdauer, das jährliche Absatzpotential, mögliche Preisentwicklung u.a. in die Kalkulation des Zielpreises einzubeziehen. Denkbare Instrumente zur Datenerhebung sind bspw. Kunden- und Expertenbefragung, Preisexperimente und Beobachtung von Marktdaten. Als besonders hilfreich, auch für die weiteren Schritte, erwies sich die Conjoint-Analyse zur Erfassung von Kundenpräferenzen.[8]

Die Festlegung der gewünschten Gewinnmarge kann sich aus der strategischen Zielfestlegung für ein Produkt ableiten, der Ziel-Kapitalrendite des Unternehmens entsprechen oder als Ziel-Umsatzrendite bestimmt werden.[9]

Aufgrund der konsequenten Einbeziehung von Marktdaten, wird der Market into Company Ansatz auch als „Reinform des Target Costing“ bezeichnet.[10]

Out of Company

Bei dieser Vorgehensweise basieren die Zielkosten nicht auf Marktdaten, sondern werden ausgehend von unternehmensinternen Erfahrungen und Produktions-potentialen bestimmt. Dies setzt die Senkung der Standardkosten als definiertes Ziel voraus. Außerdem bedarf es enger Zusammenarbeit der beteiligten Bereiche sowie Prüfung der Zielkosten auf ihre Markteignung.[11]

Diese Methode eignet sich für Produkte von Unternehmen, die eine marktbeherrschende Stellung inne haben und eine niedrige Preiselastizität der Nachfrage aufweisen. Dies kann bei Produktinnovationen der Fall sein. Ferner kann sich dieses Vorgehen als sinnvoll erweisen, sofern ein Marktpreis für ein Produkt nicht existiert bzw. nicht bestimmbar ist.[12]

Into and Out of Company

Diese Variante zur Zielkostenbestimmung stellt eine Kombination aus den beiden zuvor beschriebenen Methoden dar. Marktbasierende Zielkosten werden dabei den unternehmensinternen Zielkostenwünschen bzw. -potentialen gegenübergestellt. Aus dem Vergleich beider resultieren die letztendlichen Zielkostenvorgaben. Ein Nachteil besteht in dem Risiko, dass die Anforderungen des Marktes unter Umständen zu geringe Berücksichtigung finden.[13]

Out of Competitor

Hier werden die Zielkosten aus dem Vergleich mit den Standardkosten der Konkurrenz abgeleitet. Der Bezug zum Markt ist dabei nur indirekt gegeben. Es kommt vor allem darauf an, vergleichbare Wettbewerber und geeignete Daten heranzuziehen. Wettbewerbsvorteile lassen sich mit dieser Methode kaum erreichen. Sie dient allenfalls dazu, zur Konkurrenz aufzuschließen.[14] Die benötigten Informationen lassen sich bspw. aus der Fachpresse, Geschäftsberichten oder Mitarbeiter- und Betriebszeitschriften der Wettbewerber entnehmen.[15] Dieser Ansatz kann als Kombination aus Target Costing und Benchmarking angewandt werden.[16]

Out of Optimal Costs

Die Zielkosten bei dieser, auch als Out of Standard Costs bezeichneten Vorgehensweise, werden aus der Differenz der aktuellen Standardkosten und den optimalen Plankosten ermittelt. Die Methode zielt darauf ab, die prognostizierte Absatzmenge eines Produktes zu den minimal möglichen Kosten zu produzieren.[17]

Es ist anzumerken, dass die Realisierung umfassender Markstudien in der Praxis mit hohem Zeit- und Kostenaufwand verbunden ist. Dieser ist in den meisten Fällen nur bei Produktneuentwicklungen sinnvoll und lohnenswert. Da der Markt häufig schnelle Reaktionen verlangt, ergeben sich Zielkosten oftmals als „pragmatischer Kompromiss“ aus den Kosten, die der Markt verlangt, und den derzeitig erreichbaren Standardkosten.[18]

Die Bestimmung der Zielkosten lässt sich am folgenden Beispiel eines Radioherstellers veranschaulichen: Für ein Radio sei am Markt ein Zielpreis von 33 € ermittelt. Die Gewinnmarge ist mit 10% auf die Selbstkosten anzusetzen. Außerdem werden Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten mit 20% auf die Herstellkosten veranschlagt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Somit betragen die Zielkosten zur Produktion des Radios 25 €. Dieses Beispiel wird während der folgenden Schritte fortgesetzt.[19]

5.2. Zielkostenspaltung

5.2.1. Zerlegung in Teilzielkosten

Aus der Differenz von Zielkosten und derzeitigen Ist-kosten (Drifting Costs) ergibt sich der Kostensenkungsbedarf. Wird dieser jedoch lediglich auf das Produkt als Ganzes bezogen, können daraus resultierende Schritte zur Kostenreduzierung zu allgemein sein und spezifischen Kundenansprüchen nicht oder nur teilweise entsprechen. Um die Effizienz der zu ergreifenden Maßnahmen sicherzustellen, ist es erforderlich, die Zielkosten auf einzelne Produktbestandteile zu verteilen.[20]

Vereinfacht können für kleinere Produktänderungen die Zielkosten unmittelbar auf die einzelnen Komponenten eines Produktes, ausgehend von der bestehenden Kostenstruktur, umgelegt werden. Dies berücksichtigt vornehmlich Materialkosten, lässt jedoch die Bedürfnisse des Kunden weitgehend außer Acht.[21]

Am Beispiel des Radioherstellers würden bei Anwendung dieser Komponenten­methode die Gesamtzielkosten (25 €) einfach auf die Kostenanteile der jeweiligen Produktkomponenten verteilt. Die Kostenanteile der Baugruppen könnten bspw. aus den Erfahrungen bei der Herstellung eines Vorgängermodells ermittelt werden. Es ergeben sich folgende Teilzielkosten:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Teilzielkosten nach Komponentenmethode

Quelle: Brecht (2005), S. 70; eigene Berechnung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2: Nutzenanteile

Quelle: Brecht (2005), S. 70

Weitaus aufwändiger ist die Funktionskostenmethode. Dabei fließen Kundenpräferenzen und Marktanforderungen gezielt in die Zielkostenspaltung ein. Zunächst wird den einzelnen Funktionen eines Produktes der, den Kundenwünschen entsprechende, Nutzenanteil zu geordnet. Mit Hilfe der Conjoint-Analyse o.ä. Markt­forschungsinstrumenten wurden zuvor anteilig die Produktmerkmale ermittelt, auf die Kunden besonderen Wert legen (Tabelle 2).[22]

In einem nächsten Schritt gilt es festzustellen, welchen Beitrag die jeweiligen Produktkomponenten zur Verwirklichung des Nutzens leisten. Das Beispiel fortführend könnte eine Kundenbefragung folgende Nutzen-Komponenten-Matrix ergeben:[23]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 3: Nutzen-Komponenten-Matrix

Quelle: Brecht (2005), S. 70

Die vom Kunden präferierten Nutzenanteile aus Tabelle 2 werden im folgenden Schritt auf die Nutzenbeiträge der jeweiligen Komponenten aus Tabelle 3 abgebildet.

Durch Multiplikation der jeweiligen Anteile ergeben sich die unter Berücksichtigung der Kundenwünsche gewichteten Nutzenanteile (Tabelle 4). Da das Design aus Kundensicht 30% des Gesamtnutzens ausmacht, werden die Beiträge der Komponenten zur Erfüllung der Designansprüche entsprechend gewichtet. Im Beispiel: Gehäuse: 30% ∙ 70% = 21%; Lausprecher: 30% ∙ 20% = 6%; Kassetten-laufwerk: 30% ∙ 10% = 3%; Elektronik: 30% ∙ 0% = 0%.[24]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 4: Gewichtete Nutzen-Komponenten-Matrix

Quelle: Brecht (2005), S. 71

Aus der Summe der Zeilen ergeben sich die, den Kundenforderungen entsprechenden, Nutzenanteile der jeweiligen Komponenten. Es lässt sich folgern, dass die Allowable Costs für das Gehäuse 26% der Gesamtzielkosten betragen (26% ∙ 25 € = 6,50 €), die der Lautsprecher 11% (11% ∙ 25 € = 2,75 €) usw.

Aus der Gegenüberstellung mit den bestehenden Kosten lässt sich, anhand der Differenz, die zu ergreifende Maßnahme für jede Komponente allgemein bestimmen (Tabelle 5). Als Drifting Costs werden derzeitige Kosten zur Herstellung des Radios in Höhe von 30 € unterstellt und entsprechend der Kostenanteile gewichtet:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 5: Teilzielkosten nach Funktionskostenmethode und Gegenüberstellung der Kostenkategorien

Quelle: Brecht (2005), S. 73 f.

[...]


[1] Siehe Weber/Schäffer (2008), S. 348

[2] Siehe Arnaout (2001), S.18 f.

[3] Vgl. Preißler (2007), S. 190 f.

[4] Vgl. Arnaout (2001), S.19 f.

[5] Vgl. Preißler (2007), S. 191 und Weber/Schäffer (2008), S. 345

[6] Vgl. Brecht (2005), S. 68 f.

[7] Siehe Arnaout (2001), S. 41 ff.

[8] Siehe Arnaout (2001), S. 44 f.

[9] Siehe Arnaout (2001), S. 45

[10] Siehe Hardt (1998), S. 112

[11] Siehe Dollmayer (2003), S. 18

[12] Siehe Hardt (1998), S. 111

[13] Siehe Dollmayer (2003), S. 19 f.

[14] Siehe Dollmayer (2003), S. 20 f.

[15] Siehe Preißler (2007), S. 192

[16] Siehe Brecht (2005), S. 170

[17] Siehe Hardt (1998), S. 112

[18] Siehe Arnaout (2001), S. 49

[19] Siehe Brecht (2005), S. 73

[20] Vgl. Preißler (2007), S. 192 und Horváth (Hrsg., 1993), S. 13

[21] Siehe Horváth/Niemand/Wolbold (1993), S. 13

[22] Vgl. Dollmayer (2003), S. 34

[23] Siehe Brecht (2005), S. 70

[24] Vgl. Brecht (2005), S. 71

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2008
ISBN (PDF)
9783958205383
ISBN (Paperback)
9783958200388
Dateigröße
6.5 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Fachhochschule Hof
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,3
Schlagworte
Zielkostenrechnung Zielkostenmanagement Kosten-Nutzen-Analyse Zielkosten Zielkostenindex

Autor

Stephan Hiller wurde 1984 in Hennigsdorf geboren. Sein Studium im Studiengang ‘Internationales Management’ mit dem Schwerpunkt ‘Internationales Controlling/ Finanzmanagement’ schloss er im Jahre 2010 als Diplom-Beitriebswirt (FH) ab.
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