Einfache und differenzierte „Textlupe“ zur Textüberarbeitung im Vergleich: Planung, Durchführung und Evaluation einer Unterrichtseinheit in einer 11. Klasse des Wirtschaftsgymnasiums
Zusammenfassung
Im Hinblick auf diese zentralen Fragestellungen werden zunächst die theoretischen Ausgangspunkte der prozessorientierten Schreibdidaktik erläutert. Dabei geht es um eine Darstellung des Begriffs Schreibkompetenz auf der Grundlage der Prozessorientierung im Rahmen des Schreibens. Hierbei geht die Autorin auf den Überarbeitungsprozess und damit zusammenhängende motivationale und lehrerinitiierte Probleme ein und stellt Methoden des kooperativen Schreibens vor. Die Methode Textlupe wird dabei in den Vordergrund gestellt, um die Rahmenbedingungen des Unterrichts darzulegen. Ausgehend davon werden die Hypothesen der Unterrichtssequenz formuliert und Kriterien und Indikatoren zur Überprüfung der Hypothesen aufgestellt. Schließlich werden die Konzeption des Unterrichts hinsichtlich der planungsrelevanten Faktoren und der didaktisch-methodischen Entscheidungen vorgestellt. Im Anschluss daran folgt eine Darstellung der einzelnen Doppelstunden und eine Begründung der jeweiligen Vorgehensweise. Daran schließt eine Reflexion der einzelnen Stunden an, um eine Auswertung meiner Hypothesen vorzubereiten. Sodann werden die zuvor aufgestellten Arbeitshypothesen evaluiert und Konsequenzen abgeleitet. Hierbei wird die Unterrichtseinheit kritisch beurteilt und einen Ausblick auf weiterführende Fragen und wesentliche Aspekte gegeben, die im Hinblick auf eine Förderung der Entwicklung der Schreibkompetenz von Schülern Beachtung finden sollten.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
3.2 Instrumente für die Unterrichtsbewertung
Zu Beginn der Unterrichtssequenz verteile ich einen Fragebogen, der die Schüler hinsichtlich ihrer Einschätzungen und Erfahrungen in Bezug auf den Überarbeitungsprozess ihrer produzierten Texte befragt. Ich setze diesen Bogen ein, um den Ist-Zustand vor meiner Unterrichtseinheit zu ermitteln und so eine Basis zu entwickeln anhand derer sich Veränderungen messen lassen. Einen weiteren Fragebogen setze ich am Ende der Sequenz ein, dem die in der Arbeit formulierten Hypothesen, Kriterien und Indikatoren zugrunde liegen.
Zusätzlich stellen die beiden Textfassungen (Text in Rohfassung und überarbeiteter Text) der Schüler ein weiteres Messinstrument dar, die zeigen, welche Überarbeitungsarten vorgenommen wurden und wie sich die Qualität des produzierten Textes dahingehend verändert hat. Da einige Schüler keine Überarbeitungen vornahmen, obwohl sie entsprechende Hinweise im Rahmen der Kommentarbogen erhielten, dienen diese Bögen als zusätzliches Messinstrument.
Ein weiteres Messinstrument sind die Kommentarbögen zur einfachen und zur differenzierten Textlupe und deren Auswirkungen auf Textrevisionen. Hier wird überprüfbar wie umfangreich die Ko-Aktanten ihre Überarbeitungsanregungen gestalten und welche Ausprägungen die vorgenommenen Korrekturen jeweils haben.
4 Konzeption der Unterrichtseinheit
4.1 Planungsrelevante Faktoren
4.1.1 Schülerbezogene Planungsfaktoren
Meinen Hausarbeitsunterricht führe ich in der XXX, einer 11. Klasse des Wirtschaftsgymnasiums durch. Am Ende des dreijährigen Schulbesuchs schließen die Schüler nach erfolgreicher Abiturprüfung mit der allgemeinen Hochschulreife ab. Der Schwerpunkt liegt hierbei im Bereich Wirtschaft. In der Klasse befinden sich zur Zeit 26 Schüler. Etwas über die Hälfte der Schüler verfügt, entsprechend des Einzugsgebiets der Schule, über einen Migrationshintergrund. Das Alter der Schüler reicht von 17 bis zu 23 Jahren.
Das Leistungsniveau und die Lernfähigkeit der Schüler bewerte ich, gestützt auf meine bisherigen Unterrichtsstunden, als durchschnittlich. Dies liegt nach meiner Einschätzung an den unterschiedlichen sprachlichen und schriftsprachlichen Kompetenzen, die teilweise durch den Migrationshintergrund bedingt sind. Weiterhin ist der Grad an Selbstverantwortung für das eigene Lernen der Schüler unterschiedlich stark ausgeprägt. Die Klassenzusammensetzung ist relativ heterogen, die Schüler unterstützen sich jedoch meist gegenseitig, was sich positiv auf die Unterrichtsergebnisse auswirkt. Das Sozialverhalten der Schüler untereinander stufe ich als angemessen ein.
Die Klasse hat bereits vertiefte Erfahrungen mit Gruppenarbeiten und steht den meisten Methoden sehr positiv gegenüber.
4.1.2 Lehrerbezogene Planungsfaktoren
Im Rahmen meines eigenverantwortlichen Unterrichts bin ich in dieser Klasse seit dem 28. August 2008 zwei Stunden pro Woche eingesetzt. Weiterhin begegne ich den Schülern im Rahmen des SELKO[1] -Unterrichts, der zwei Stunden pro Woche durchgeführt wird. Ich unterrichte sehr gern in der Klasse und mag die größtenteils engagierte und freundliche Arbeitsatmosphäre. Mein Verhältnis zu den Schülern empfinde ich als freundlich, dabei produktiv, aufgeschlossen und von gegenseitigem Respekt geprägt.
4.1.3 Organisatorische Planungsfaktoren
Ich führe den Hausarbeitsunterricht im zeitlichen Rahmen des Deutsch-Unterrichts durch. Eine von mir genutzte Doppelstunde ist eigentlich als Selbstlernzeit im Rahmen des Selko-Konzepts vorgesehen. Um lange Unterbrechungen der Arbeitsphasen des Hausarbeitsunterrichts zu vermeiden, verwende ich die Selko-Stunden für die Durchführung der Unterrichtssequenz. Nach der zweiten Doppelstunde nutze ich eine weitere Einzelstunde, die ich als Vertretung für eine erkrankte Kollegin übernommen habe. Für den Schreibprozess und die Textlupenarbeit nutze ich anstelle des Klassenraums einen Computerraum. Dieser bietet neben der benötigten technischen Ausstattung eine ausreichende Anzahl von Gruppentischen.
4.2 Entscheidungen
4.2.1 Legitimation des Unterrichts
Die Einführung von Verfahren zur Textüberarbeitung ist im Bildungsplan des Wirtschaftsgymnasiums für das Fach Deutsch nicht explizit vorgesehen. Im Arbeitsbereich „Schreibformen“ wird allerdings verlangt, dass die Schüler „ihre Kompetenzen im sprachlich richtigen, stilistisch angemessenen und gedanklich differenzierten und plausiblen Gebrauch der Schriftsprache weiter[entwickeln].“[2] Außerdem sollen sie methodisch auf die Arbeit in der Studienstufe vorbereitet werden. Hierfür sollen die Schüler „Kenntnis der Grundstrukturen von Syntax und Semantik, Stilistik und Pragmatik für die eigene Gestaltung von Texten und als methodisches Repertoire zur Analyse von Texten und Medienprodukten [erlangen].[3] Um diese Fähigkeiten zu trainieren, eignet sich die kriterienorientierte Textlupe, die diese Anforderungen beinhaltet.
Die Textlupenarbeit vor dem Hintergrund „Verfassen von Fabeln“ durchzuführen, lässt sich dadurch legitimieren, dass „literarische Schreibformen [...] als eigenständige Unterrichtsgegenstände eingeführt, erprobt und reflektiert werden, um diese danach in vielfältigen inhaltlichen und methodischen Variationen in unterschiedlichen Unterrichtskontexten [...] zu nutzen.“[4]
Unabhängig vom Rahmenlehrplan möchte ich den Schülern das strukturierte Überarbeiten als Teil ihres Schreibprozesses bewusst machen damit sie in der Lage sind, auch in Anbetracht der Anforderungen der Studienstufe, qualitativ bessere Ergebnisse zu erzielen.[5]
4.2.2 Didaktisch-methodische Absichten
Meine bisherigen unterrichtlichen Erfahrungen mit der Klasse, in der ich meinen Hausarbeitsunterricht durchgeführt habe, zeigten immer wieder die ausgesprochen stark ausgeprägte Heterogenität der Schüler hinsichtlich sprachlicher Kompetenzen[6] Entsprechend des Modells von Bereiter können alle sechs Fähigkeitsstufen der Schreibkompetenz einzelnen Schülern zugeordnet werden. Um Schüler mit einem negativen Schreiberselbstbild nicht zu demotivieren, sollten sie im Rahmen der Gruppenarbeit mit Schülern zusammenarbeiten, die hinsichtlich der Schreibkompetenz einen ähnlichen Entwicklungsstand aufweisen.[7] Ich betrachte die gegenseitige Unterstützung innerhalb leistungsschwächerer Gruppen hierbei nicht als kritisch, da die Schüler dennoch unterschiedliche Schwächen und Stärken hinsichtlich der erforderlichen Teilkompetenzen aufweisen. In vorangegangenen Gruppenarbeitsphasen konnte ich häufiger beobachten, dass sich heterogene Gruppenzusammensetzungen für einzelne Schüler als wenig fruchtbar erwiesen. Die leistungsstärkeren Schüler waren oftmals nur damit beschäftigt, den schwächeren Schülern zu helfen, was vorerst als positiv zu bewerten ist. Nach entsprechenden Arbeitsphasen monierten die beratenden Schüler jedoch, keinen persönlichen Nutzen aus der Gruppenarbeit hinsichtlich ihres Kenntnisstandes gewonnen zu haben.[8] Gerade im Rahmen der Textlupenarbeit können heterogene Gruppenzusammensetzungen dazu führen, dass „bei leistungsstarken Schülern nach der Textlupenarbeit nur wenige Überarbeitungen [vorgenommen werden], da sie von ihren Mitschülern meist wenige Verbesserungsvorschläge erhielten [...]. Kritisch könnte der Lernerfolg leistungsstarker Schüler bei diesem Verfahren angezweifelt werden.“[9] Aus diesem Grund habe ich mich im Rahmen des Hausarbeitsunterrichts entschieden, die Schüler in relativ leistungshomogene Gruppen einzuteilen. In einer grundlegenden Forschungsarbeit zu kooperativen Schreibformen konnte außerdem gezeigt werden, dass gerade Schreibanfänger von der gemeinsamen Arbeit profitieren und so ihre Fähigkeiten verbessern konnten.[10] Um den geübteren Schreibern auch die Möglichkeit eines Lernzuwachses zu ermöglichen habe ich innerhalb der homogenen Gruppen eine Gruppe eingeteilt, die im Rahmen der differenzierten Textlupe ihre Texte nach zusätzlichen Kriterien überarbeitet. Dieses Vorgehen berücksichtigt einen gewissen Grad von Individualisierung, da ich die Komplexität der Aufgaben zumindest gruppenspezifisch den entsprechenden Fähigkeiten angepasst habe.
Im Rahmen meines Hausarbeitsunterrichts lasse ich die einfache und die differenzierte Textlupe durchführen, da vorangegangene Arbeiten im Rahmen des 2.Staatsexamens das Ergebnis hatten, dass Schüler Probleme haben, sich im Rahmen der Textlupenarbeit auf ausgewählte Schwerpunkte im Sinne der Kriterienorientierung zu konzentrieren.[11] Durch die Konstruktion beide Verfahrensvarianten mit einer Klasse zu testen, lässt sich diese Annahme untersuchen.
Da das Überarbeiten von Texten in der Unterrichtssequenz im Vordergrund stehen soll, habe ich mich inhaltlich für den Bereich „Fabeln“ entschieden, da diese literarische Kurzform klare Merkmale fordert, die von den Schülern im Rahmen des Überarbeitungsprozesses leicht überprüfbar sind.
Weiterhin habe ich die Einheit so konstruiert, dass der Produktions- und Überarbeitungsprozess der Fabeln innerhalb einer Doppelstunde (und anschließenden Einzelstunde) abgeschlossen ist, da aus Erfahrung im Wirtschaftsgymnasium mit einer Fehlquote von 15-20 % gerechnet werden muss. Durch diese Verfahrensweise können Schüler, die die vorhergehende Einheit versäumt haben, leichter in den laufenden Prozess integriert werden.
Ich lasse die Schüler ihre Fabeln einerseits am PC verfassen, da ich im Rahmen vorhergehender Unterrichtserfahrungen eine deutlich stärkere Motivation hinsichtlich Schreibaufgaben unter Benutzung dieses Mediums beobachtet habe. Andererseits lässt sich der Überarbeitungsprozess so schneller realisieren, da die Ursprungsversionen digital vorliegen. Ein nicht zu vernachlässigender Grund ist ebenfalls die Schrift einiger Schüler, die nicht ohne weiteres für andere Mitschüler lesbar ist. Diese Schwierigkeit beseitigt die Nutzung von Computern ebenfalls.
5 Planung, Durchführung und Auswertung der einzelnen Stunden
Im folgenden werde ich das jeweilige Durchführungskonzept darstellen und meine grundsätzlichen Absichten und Lernziele der einzelnen Stunden des Hausarbeitsunterrichts beschreiben. Im Anschluss reflektiere ich die einzelnen Stunden.
5.1 Erste Doppelstunde (04.11.2008)
5.1.1 Durchführungskonzept
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Legende: LV = Lehrervortrag SA = Schüleraktivität MPW = Metaplanwand LSG = Lehrer-Schüler-Gespräch MPK = Metaplankarten PC = Personal Computer OHP = Overheadprojektor
5.1.2 Begründung der Vorgehensweise
Als Einstieg lese ich den Schülern eine Fabel Aesops vor[12] und frage nach der Textsorte. Da Fabeln als literarische Kurzform häufig bereits in vorherigen Schuljahren behandelt wurden, gehe ich davon aus, das die Mehrheit der Schüler diese Textsorte zumindest erkennt. Trotzdem haben die Schüler in Bezug auf Fabeln vermutlich unterschiedliches Vorwissen. Um einen Austausch über Vorerfahrungen zu initiieren und den Schülern zu ermöglichen sich selbst gedanklich auf das Thema Fabeln einzustimmen, führen die Schüler ein Schreibgespräch durch. Diese Methode, die die kognitive Aktivität der Schüler fördert, wird in der Variante „Placemat“ durchgeführt, da sie sich so gerade in Kleingruppen strukturierter durchführen lässt. Dieses Verfahren sichert, dass alle Gruppenmitglieder simultan anfangen zu arbeiten und sich mit der gegenwärtigen Thematik auseinandersetzen.[13] Die Ergebnisse des Schreibgesprächs werden im Anschluss im Rahmen einer Marktplatzpräsentation ausgestellt, wobei immer ein Schüler jeder Kleingruppe den Besuchern Fragen zum Gruppenergebnis beantwortet. So werden Schüler-Schüler-Gespräche initiiert und die Schüler entwickeln eine gemeinsame Wissensbasis bezüglich des Themengebietes.
Im Anschluss erarbeiten die Schüler in Gruppen die Merkmale einer Fabel und Tiere mit ihren typischen Charakterzuschreibungen, die die Protagonisten einer Fabel verkörpern.[14] Diese Aufgabe und auch die Präsentation der Ergebnisse soll gewährleisten, dass die Schüler eine genaue Vorstellung bezüglich der gattungsspezifischen Besonderheiten und der Typisierung der Fabeltiere erhalten. Diese Kenntnisse wenden sie im Anschluss an, indem sie eine eigene Fabel verfassen.
5.1.3 Lernziele
Stundenlernziel: Die Schüler kennen die Merkmale einer Fabel und sind in der Lage diese anzuwenden.
Einzellernziele:
Die Schüler stärken ihre Fachkompetenz, indem sie
- die grundlegenden Merkmale einer Fabel kennen.
- in der Lage sind eine eigene Fabel zu verfassen.
Die Schüler stärken ihre Methoden- und Sozialkompetenz, indem sie
- die Methode „Schreibgespräch“ in der Variante „Placemat“ kennen und anwenden können.
- Arbeitsaufträge in Gruppen bearbeiten.
- Texte am PC produzieren.
- ihre Ergebnisse der Klasse präsentieren.
5.1.4 Durchführung und Reflexion der Stunde
Im Allgemeinen verlief die Stunde erwartungsgemäß. Innerhalb der ersten Phase zeigte sich allerdings, dass drei Schüler keinerlei Vorerfahrungen zum Thema Fabeln mitbrachten. Diese Schüler konnten dann allerdings innerhalb ihrer Kleingruppen mit Hilfe des Schreibgesprächs, der Marktplatzpräsentation und der anschließenden Gruppenarbeit hinreichend auf das eigene Schreiben vorbereitet werden.[15]
Besonders positiv ist mir der Ideenreichtum der meisten Schüler aufgefallen. Einige Schüler fragten bereits in dieser Stunde, ob sie nicht auch zwei Fabeln verfassen könnten, da sie mehrere gute Einfälle hätten. Diese Schüler haben dann einzelne Schüler unterstützt, die Schwierigkeiten hatten, spontan eine kreative Idee zu entwickeln.
Die meisten Schüler hatten ihre eigene Fabel bereits am Ende der Stunde fertig. Bei denen, die noch vor dem Ende der Stunde den Produktionsprozess abgeschlossen hatten, fiel mir auf, dass keiner den Text noch einmal überarbeitete. Diese Beobachtung hat meine bisherigen Unterrichtserfahrungen hinsichtlich dieses Vorgehens noch einmal unterstützt.[16]
5.2 Zweite Doppelstunde und zusätzliche Einzelstunde (06.11.2008)
5.2.1 Durchführungskonzept
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[17]
Legende: LV = Lehrervortrag SA = Schüleraktivität MPW = Metaplanwand LSG = Lehrer-Schüler-Gespräch MPK = Metaplankarten PC = Personal Compter OHP = Overheadprojektor
5.2.2 Begründung der Vorgehensweise
Zu Beginn der Stunde stelle ich den Schülern mit Hilfe eines Flipcharts den Stundenverlauf vor. Die Darstellung orientiert sich an einem informierenden Unterrichtseinstieg, der den Schülern den Inhalt, die Durchführung und den Sinn der Stunde erläutert. Zur Einstimmung der Schüler und als Messinstrument für die Evaluation füllen die Schüler einen Fragebogen zur Einschätzung ihres Verhaltens in Bezug auf Textüberarbeitungen aus. Diesen Fragebogen setze ich bewusst erst an dieser Stelle ein, um den vorangegangenen Ist-Zustand nicht beeinflusst zu haben. Im Anschluss teile ich homogene Gruppen ein.[18] Innerhalb dieser Gruppen überarbeiten die Schüler ihre Texte gegenseitig mit Hilfe der einfachen[19] Textlupe. Die „einfache“ Textlupe enthält definitionsgemäß keine festgelegten Kriterien, so dass die Schüler den zu kommentierenden Text nicht unter bestimmten Aspekten fokussieren. Dieses Verfahren soll eine Überforderung der Schüler vermeiden, die zu einer Resignation führen kann.[20] Nach der Textlupenphase überarbeiten die Schüler ihre Fabeln entsprechend der Kommentierungen. Einzelne Schüler präsentieren im Anschluss via Beamer ihre Ursprungsfassung und die vorgenommenen Überarbeitungen. Diese Phase dient dazu schwächeren Schülern Anregungen und Beispiele für ihren eigenen Überarbeitungsprozess zu geben. Es präsentieren ausdrücklich nur freiwillige Schüler, um niemanden ungewollt mit seinen eigenen Fehlern zu konfrontieren. Um die zuvor vorgestellten Überarbeitungen zu verallgemeinern entwickeln die Schüler Kriterien der Textüberarbeitung, indem jeder drei Metaplankarten mit Vorschlägen vorbereitet. Diese Ergebnisse werden im Anschluss an der Metaplanwand geclustert. Diese Vorgehensweise soll essenzielle Schwerpunkte der Textüberarbeitung (z.B. Sprachrichtigkeit) veranschaulichen. Diese Basiskriterien sollen den Schülern als Kriterien der differenzierten Textlupe dienen. Die Gruppe der in sprachlicher Hinsicht leistungsstärkeren Schüler wird ihre Texte in der nächsten Stunde auch nach anspruchsvolleren Kriterien überarbeiten, die ebenfalls in dieser Phase entwickelt bzw. ergänzt werden.
5.2.3 Lernziele
Stundenlernziel: Die Schüler sind in der Lage die Methode „einfache Textlupe“ anzuwenden und kennen allgemeine Kriterien der Textüberarbeitung.
Einzellernziele:
Die Schüler stärken ihre Fachkompetenz, indem sie
- Texte überarbeiten, Verbesserungsvorschläge und Lob formulieren.
Die Schüler stärken ihre Methoden- und Sozialkompetenz, indem sie
- die Methode „einfache Textlupe“ kennen und anwenden können.
- Arbeitsaufträge in Gruppen bearbeiten.
- Texte am PC produzieren und überarbeiten.
5.2.4 Durchführung und Reflexion
Die Tatsache, dass ich eine zusätzliche Stunde von einer erkrankten Kollegin übernehmen konnte, erwies sich für den zeitlichen Rahmen meines Konzeptes als förderlich, da die Schüler so ausreichend Zeit für die Textlupenarbeit zur Verfügung hatten und ich die Erarbeitung von Kriterien direkt anschließen konnte.
Während der Textlupenarbeit zeigte sich, dass die leistungsstärkere Gruppe zwar etwa den gleichen Zeitrahmen für die Textüberarbeitung benötigte, jedoch weitaus mehr Kommentare zu den Texten ihrer Gruppenmitglieder schrieb. Nachdem sie die erste Fabel überarbeitet hatten, mussten einige Schüler von mir aufgefordert werden, auch die weiteren Texte gründlich zu begutachten. In dieser Phase zeigte sich bei einigen Schülern, dass das Lesen eines Textes im Umfang von etwa einer Seite als anstrengend empfunden wird.
Zum Verfahren der einfachen Textlupe gab es keine weiteren Rückfragen und auch die Ergebnisse zeigten, dass die Schüler den Ablauf auf Anhieb verstanden hatten. Im Rahmen der anschließenden Präsentationsphase erklärten sich mehrere Schüler bereit ihre Überarbeitungen zu erläutern. Erfreulicherweise gab es auch einige schwächere Schüler, die ihre Ergebnisse präsentieren wollten und sich in der Auswertungsphase aktiv beteiligten.
In der Phase der Kriterienentwicklung ergaben sich alle wesentlichen Aspekte, die auch in der Literatur propagiert werden.[21] Auffällig aber zu erwarten war, dass die leistungsstärkeren Schüler teilweise anspruchsvollere Kriterien entwickelten.
5.3 Dritte Doppelstunde (11.11.2008)
5.3.1 Durchführungskonzept
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[22]
Legende: LV = Lehrervortrag SA = Schüleraktivität MPW = Metaplanwand LSG = Lehrer-Schüler-Gespräch MPK = Metaplankarten PC = Personal Compter OHP = Overheadprojektor
5.3.2 Begründung der Vorgehensweise
Zu Beginn der Doppelstunde wiederholen die Schüler den Verlauf und die Ergebnisse der letzten Stunden, um sich auf die anschließende Stunde einzustimmen und das bereits erarbeitete in Erinnerung zu rufen.
Im Anschluss zeige ich den Schülern eine Folie[23], die Fabelsituationen und typische Fabeltiere zeigt, um Ideen für eine weitere Fabel anzuregen. Im Anschluss an diese Phase verfassen die Schüler am Computer eine Fabel. Innerhalb der bereits in der vorhergehenden Doppelstunde eingeteilten Gruppen[24] überarbeiten die Schüler die produzierten Texte mit Hilfe der differenzierten Textlupe. Hierbei berücksichtigt die leistungsstärkere Gruppe eine höhere Anzahl und anspruchsvollere Kriterien.[25] Alle anderen Gruppen fokussieren lediglich elementare Bereiche, die auch von Becker-Mrotzek und Böttcher vorgeschlagen werden[26] und den Schwerpunkt im Rahmen der von den Schülern entwickelten Cluster bildeten. Diese Differenzierung soll der ausgeprägten sprachlichen Heterogenität der Klasse Rechnung tragen, indem sie schwächere Schüler nicht überfordert und stärkere Schüler entsprechend ihrer Fähigkeiten fördert.
Im Anschluss an die Textlupenarbeit korrigieren die Schüler ihre Fabeln am PC. Den Abschluss der Unterrichtssequenz bildet ein Feedbackbogen, der die Einheit aus Schülersicht evaluiert und auf meine eingangs aufgestellten Hypothesen ausgerichtet ist.
5.3.3 Lernziele
Stundenlernziel: Die Schüler sind in der Lage die Methode „differenzierte Textlupe“ anzuwenden, indem sie Texte unter bestimmten Beobachtungsschwerpunkten analysieren und Verbesserungsvorschläge entwickeln.
Einzellernziele:
Die Schüler stärken ihre Fachkompetenz, indem sie
- Texte nach bestimmten Kriterien überarbeiten, Verbesserungsvorschläge und Lob formulieren.
- ihre Fähigkeit trainieren eine Fabel zu produzieren.
Die Schüler stärken ihre Methoden- und Sozialkompetenz, indem sie
- die Methode „differenzierte Textlupe“ kennen und anwenden können.
- Arbeitsaufträge in Gruppen bearbeiten.
- Texte am PC produzieren und überarbeiten.
5.3.4 Durchführung und Reflexion
Da zwischen den letzten Stunden und der heutigen Einheit ein Wochenende lag, erwies es sich als förderlich, die Schüler die Ergebnisse der letzten Stunden rekapitulieren zu lassen. Da einige Schüler in der letzten Woche fehlten, konnten die anwesenden Schüler diesen den Ablauf und die erarbeiteten Kriterien erläutern. Das Schreiben einer weiteren Fabel gestaltete sich wie geplant. Einige Schüler nutzten die Anregungen der Folie, andere unterstützte ich auf Anfrage bei ihrer Ideenentwicklung. Auffällig war, dass einige Schüler im Schreibprozess häufiger den bereitgestellten Rechtschreibduden, die Rechtschreibprüfung des Textverarbeitungsprogramms und meine Hilfe in Anspruch nahmen als im Rahmen des Schreibens der ersten Fabel. Auf Nachfrage gaben sie an, dass ihre Mitschüler in ihrer Kleingruppe ja gleich die Texte lesen würden und sie deshalb besonders auf die Rechtschreibung achten wollten. Auffällig ist hierbei, dass kein Schüler bei der Produktion der ersten Fabel die genannten Hilfsmittel nutzte.[27] Die Phase der kriterienorientierten Textlupe gestaltete sich grundsätzlich wie geplant. Einige Schüler merkten an, dass es einfacher sei, die Rechtschreib- und Zeichensetzungsfehler nicht auf dem Kommentarbogen zu notieren, sondern im Text zu markieren. Daraufhin stellte ich den Schülern ihre Vorgehensweise dahingehend frei. Diese Tatsache zeigte mir, dass die Schüler ihren eigenen Überarbeitungsprozess in der Gruppe reflektieren und nach Verbesserungsvorschlägen suchen. Im Rahmen der einfachen Textlupe vermerkten noch alle Schüler die erkannten Rechtschreibfehler ausschließlich auf den Kommentarbögen. Außerdem beobachtete ich, dass die Mehrheit der Schüler, im Gegensatz zur ersten Textlupe, bis zum Ende der Textlupenarbeit konzentriert blieb. Die einzelnen Gruppen beendeten ihren Textlupenprozess zu unterschiedlichen Zeiten, so dass die Schüler zu ungleichen Zeiten ihren individuellen Überarbeitungsprozess am PC begannen. Die leistungsstärkere Gruppe, die ihre Texte nach anspruchsvolleren Kriterien überarbeitete, benötigte die meiste Zeit für die Textlupenarbeit. Dadurch waren natürlich einige Schüler früher mit ihrer eigenen Überarbeitung fertig als andere. Diese Schüler teilte ich als Berater den Schülern zu, die die Anregungen aus den Kommentarbögen noch umsetzen. Am Ende der Stunde füllten die Schüler den Evaluationsbogen aus, dessen Ergebnisse im folgenden Abschnitt als Grundlage dienen.
6 Evaluation
Ausgangspunkt für die Planung der Unterrichtssequenz waren die in Kapitel 3 formulierten Arbeitshypothesen, Kriterien und Indikatoren. Diese werden nun anhand der gewonnenen Erkenntnisse aus der Unterrichtsdurchführung und –reflexion überprüft.
6.1 Auswertung der ersten Hypothese
Hypothese 1: Eine kooperative Textüberarbeitung mit Hilfe der Methode Textlupe führt insbesondere durch den Einsatz der differenzierten Textlupe zu einer Optimierung der einzelnen Schülertexte.
Für eine Auswertung dieser Annahme sind die Überarbeitungen der Schüler hinsichtlich ihrer Ursprungsfassung und der überarbeiteten Variante zu betrachten. Grundsätzlich haben alle Schüler Textrevisionen vorgenommen, wobei jeweils unterschiedliche linguistische Ebenen betroffen waren. Alle Schüler nahmen im Rahmen ihres Überarbeitungsprozesses Nachträge, Korrekturen und Verbesserungen[28] vor, die durch Anmerkungen auf dem Kommentarbogen oder direkt im Text ausgelöst wurden. Erwartungsgemäß nahmen gerade die schwächeren Schüler in diesem Bereich viele Korrekturen vor. Besonders beachtlich ist die Optimierung in Kübras Text[29], die im Rahmen der einfachen Textlupe 12 Fehler und der differenzierten Variante 19 Fehler verbesserte. Umsetzungen und Reformulierungen wurden in den leistungsschwächeren Gruppen nur vereinzelt vorgenommen. Auf den Kommentarbögen wurden in diesem Bereich zwar teilweise Hinweise gegeben, die allerdings von den entsprechenden Schülern nicht verarbeitet wurden. Dieses Vorgehen kann dadurch bedingt sein, dass zwar einzelne Passagen der Texte beanstandet wurden, aber keine konkreten Verbesserungsvorschläge entwickelt wurden. Möglicherweise erkannten die Verfasser somit den Überarbeitungsanlass, konnten ihn aber nicht umsetzen. Sumits Text bestätigt dieses Phänomen exemplarisch:
Textauszug von Sumit[30]:
„Es tauchte ein neuer hinterlistiger Wolf auf und wollte den Wald als sein Gebiet übernehmen. [...] In einem Wald lebte vorher ein Wolf, der es liebte die kleinen Hasen herum zu scheuchen und ihnen zu drohen sie zu verspeisen.“
Somit bekam auf seinem Kommentarbogen[31] folgenden Hinweis:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Auf dem Kommentarbogen wird Sumit aufgefordert eine Umsetzung vorzunehmen, die durch eine höhere Komplexität gekennzeichnet ist. Sumits zweite Fassung zeigt, dass er alle Anregungen, die die Ebenen Nachträge, Korrekturen und Verbesserungen betrafen sehr gut umsetzen konnte[32], die dargestellte Anregung aber nicht berücksichtigte. Dieses Phänomen wird durch die Analyse anderer Texte, die von leistungsschwächeren Schülern verfasst und überarbeitet wurden, bestätigt. Um diese Problematik zu verringern, könnte man den Schülern im Arbeitsauftrag vorgeben, sich bei Unsicherheiten im Überarbeitungsprozess einen Berater (Schüler oder Lehrer) zu suchen, mit dem die Reformulierung entwickelt oder diskutiert wird.
Ein weiteres Kriterium der ersten Hypothese ist, dass durch eine differenzierte Textlupe umfangreichere Textüberarbeitungen vorgenommen werden. Eine Analyse der Kommentarbögen der einfachen und der kriterienorientierten Textlupen zeigt eindeutig, dass bei der Mehrheit der Schüler im Rahmen der differenzierteren Variante weitaus mehr Anregungen gegeben wurden.[33] Gerade bei den leistungsschwächeren Schülern fällt auf, dass sich Hinweise im Zuge der einfachen Textlupe fast ausschließlich auf die Orthografie beziehen. Auf die Merkmale einer Fabel, die direkt vor dem Schreibprozess entwickelt wurden, nahmen nur zwei Schüler im Rahmen der einfachen Textlupe Bezug. Als Einwand könnte hier genannt werden, dass die Mehrheit der Schüler nicht in der Lage wäre, Anregungen zu komplexeren Aspekten der Überarbeitung zu geben. Die differenzierte Textlupe zeigt jedoch eindeutig, dass auch schwächere Schüler zu annähernd jedem Kriterium Hinweise geben konnten. Folglich müssen die Schüler durch Kriterien dazu angeleitet werden strukturierter vorzugehen. Diese Einschätzung wird auch durch die Angaben der Schüler im Evaluationsbogen unterstützt, in dem alle Schüler angaben die vorgegebenen Kriterien der zweiten Textlupe hätten ihnen die Überarbeitung erleichtert. Dieses Ergebnis unterstützt die auch von Becker-Mrotzek & Böttcher vorgenommene Beurteilung.[34]
Zusammenfassend sehe ich meine erste Hypothese demnach als bestätigt, da sich die Qualität aller Texte durch die Überarbeitung mit Hilfe der Textlupe insbesondere beim Einsatz der differenzierten Variante verbessert hat. Um die Schüler hinsichtlich aller Teilfertigkeiten der Schreibkompetenz[35] zu fördern, eignet sich die kriterienorientierte Textlupe demnach besser. Einschränkend weise ich darauf hin, dass nicht alle Schüler in der Lage waren Umsetzungen und Reformulierungen vorzunehmen, wodurch das dritte Kriterium nicht durchgängig bestätigt werden konnte.
6.2 Auswertung der zweiten Hypothese
Hypothese 2: Durch eine Differenzierung der Textlupe ist es möglich Schüler individuell nach Leistungsniveau hinsichtlich ihrer Schreibkompetenz zu fördern.
Indem in schriftsprachlicher Hinsicht stärkere Schüler eine höhere Anzahl und anspruchsvollere Kriterien fokussieren ist es grundsätzlich möglich eine Binnendifferenzierung der Textlupenarbeit vorzunehmen. Zu überprüfen ist demnach, ob diese Vorgehensweise die Schüler hinsichtlich ihrer Schreibkompetenz fördert.
Ein Messinstrument der zweiten Hypothese ist der Fragebogen, in dem kein Schüler angab, bei der Durchführung der Textlupe unterfordert gewesen zu sein.[36] Zwei Schüler schrieben sogar folgende Anmerkung hinsichtlich der Frage was ihnen besonders gefallen hätte:
„...dass ich nicht immer nur den anderen helfen muss, sondern andere mal mir helfen.“
„...dass gute Mitschüler mir tolle Tipps gegeben haben.“
Ein Schüler gab an sich bei der Durchführung der Textlupe überfordert gefühlt zu haben. Da aber die Mehrheit die Gruppenzusammensetzung folglich als lernförderlich eingeschätzt hat, sehe ich dieses Kriterium als bestätigt.
Die schriftsprachlich kompetenteren Schüler haben in Hinblick auf mein zweites Kriterium bezüglich aller Überarbeitungsaspekte Anmerkungen vorgenommen, die unterschiedliche Bereiche der betrachteten Texte beurteilten[37]. Auffällig war dabei, dass gerade bei den anspruchsvolleren Kriterien häufig nur positive Kommentare getätigt wurden. Exemplarisch lässt sich diese Beobachtung an Jils Text und dem dazugehörigen Kommentarbogen belegen:
Textauszug von Jil[38]:
„In einem Schwarm voller Singvögel lebte ein Kanarienvogel. Der Kanarienvogel war schön und bunt und hatte eine bezaubernde Stimme mit hohen Tönen und war sehr beliebt bei seinen Freunden, die ihn wegen seiner schönen Stimme bewunderten und wurde ihr Anführer.“
Jil bekam auf ihrem Kommentarbogen von Sören u.a. folgenden Hinweis:[39]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Dementsprechend bekommt Jil die Rückmeldung, dass die betreffende Passage hinsichtlich der Formulierungsqualität nicht zu überarbeiten ist, obwohl auffällt, dass hinsichtlich des betrachteten Kriteriums Verbesserungen hätten vorgenommen werden könnten. Wenigstens die Setzung von Kommas anstelle der Verbindung der Eigenschaften durch das Wort „und“ wäre zu erwarten gewesen. Die Überlegung, dass Sören die Bedeutung des Kriteriums Formulierungsqualität nicht kennt ist aufgrund der Ausführungen im Bereich der positiven Auffälligkeiten auszuschließen. Es ist daher zu vermuten, dass Sören noch nicht über ausreichende Fähigkeiten im Bereich der Formulierungsqualität verfügt. Hierbei gilt die Annahme, dass der vorliegende Text gewissenhaft bearbeitet wurde. Der nächste Schüler dieser betreffenden Kleingruppe erkannte Jils Überarbeitungspotenzial hinsichtlich der Formulierungsqualität:
Auszug aus dem Kommentarbogen von Matthias zu Jils Text:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Hier ergibt sich nun das Problem, dass Jil zwar einen hilfreichen Hinweis von Matthias bekommt und diesen im Rahmen ihrer Überarbeitung berücksichtigen kann, Sören aber keine Chance mehr hatte, diesen Hinweis aufzunehmen. Dieses Problem ergibt sich immer dann, wenn auf den Kommentarbögen von nachfolgenden Gruppenmitgliedern hilfreiche Hinweise gegeben werden, die die zuvor kommentierenden Schüler nicht identifiziert hatten. Die Analyse der Kommentarbögen ergab eine Häufung dieser Schwierigkeit in der Gruppe, die anspruchsvollere Kriterien überprüfte. Hier könnte man im Anschluss an die Textlupenarbeit eine zusätzliche Phase konstruieren, innerhalb derer die Schüler noch einmal alle Anregungen zu den entsprechenden Texten gemeinsam betrachten und gegebenenfalls diskutieren. Dieses Vorgehen würde allerdings der Vorgehensweise einer Schreibkonferenz nahe kommen und stößt die Überlegung an, ob diese Form der Überarbeitung für die Schüler zielführender ist. Hier bietet es sich an dieses Vorgehen in einer folgenden Unterrichtssequenz zu überprüfen.
Die im schriftsprachlichen Bereich schwächeren Schüler waren in der Lage in ihren Kleingruppen ihre Texte gegenseitig hinsichtlich elementarer Kriterien zu überarbeiten. Ich wurde in der Phase der Textlupe nicht um Unterstützung gebeten, so dass davon ausgegangen werden kann, dass die Schüler ausreichend Kenntnisse über die fokussierten Kriterien hatten. Diese Einschätzung belegen auch die ausgewerteten Kommentarbögen.[40] Darüber hinaus gaben nur vier Schüler im Fragebogen an, dass eine Überarbeitung durch die Lehrerin hilfreicher gewesen wäre, was ebenfalls zeigt, dass die Schüler mit ihren Ergebnissen zufrieden und nicht überfordert waren.
Grundsätzlich sehe ich daher meine zweite Hypothese als bestätigt. Einschränkend ist aber festzuhalten, dass die als leistungsstärker klassifizierten Schüler in der Durchführung doch nicht alle angenommenen Fähigkeiten besaßen, wodurch bestimmte Überarbeitungspotenziale nicht erkannt wurden und auch im Anschluss an die Textlupe nicht allen Gruppenmitgliedern bewusst waren. Außerdem wird den als leistungsschwächer klassifizierten Schülern qua Konzept die Möglichkeit genommen, anspruchsvollere Kriterien zu bearbeiten und dadurch ihre Schreibkompetenz zu erweitern.
[...]
[1] Der Begriff SELKO steht für „Selbstverantwortetes, individualisiertes Lernen mit Kompetenzrastern und individueller Lernberatung“. Im Rahmen dieses Ausbildungskonzepts schätzen die Schüler selbst ein, welche Kompetenzen sie bereits besitzen und welche sie sich noch aneignen müssen, um das Ausbildungsziel zu erreichen. Die Schüler formulieren entsprechend selbstgesetzte und überprüfbare Lernziele. Die Lehrer stehen den Schülern als Lernbegleiter unterstützend zur Seite und stellen entsprechende Arbeitsmaterialien zur Verfügung.
[2] Vgl. Behörde für Bildung und Sport (Hrsg.) (2004): Rahmenlehrplan Deutsch. Bildungsplan Wirtschaftsgymnasium. Hamburg , S. 5.
[3] Vgl. ebd., S. 10.
[4] Vgl. Behörde für Bildung und Sport (Hrsg.) (2004): Rahmenlehrplan Deutsch. Bildungsplan Wirtschaftsgymnasium. Hamburg , S. 10.
[5] Siehe Abschnitt 1.
[6] Siehe Abschnitt 4.1.1.
[7] Bereiter, Carl (1980), S. 73-93.
[8] Dieses Resultat zeigte sich auch im Rahmen eines Feedbackbogens.
[9] Schmacker (2008), S.23.
[10] Vgl. Lehnen (2000), S.252.
[11] Vgl. Niemann (2008), S.32.
[12] Siehe Anhang 2.
[13] Riesters (2004), S.23.
[14] Siehe Anhang 4.
[15] Diese Konklusion folgt aus den guten Ergebnisses, die diese Schüler bereits in der ersten Fassung produzierten.
[16] Siehe Abschnitt 1.
[17] Siehe Abb.2.
[18] Zur Begründung der Gruppenzusammensetzung siehe Abschnitt 4.2.2.
[19] Siehe Abb.2.
[20] Siehe Abschnitt 4.2.2.
[21] Becker-Mrotzek & Böttcher (2006), S.95.
[22] Siehe Abb.3
[23] Siehe Anhang 6.
[24] Zur Begründung der Gruppenzusammensetzung siehe Abschnitt 4.2.2.
[25] Siehe Anhang 7.
[26] Vgl. Becker-Mrotzek & Böttcher (2006), S.223ff., S.95.
[27] Die Beobachtungen dieser Phase greife ich in der Auswertung meiner Hypothesen intensiver auf.
[28] Taxonomie nach Baurmann (2006) (vgl. Abschnitt 2.1).
[29] Vgl. Anhang 9.
[30] Die Textauszüge der Schüler werden incl. aller Fehler zitiert.
[31] Vgl. Anhang 10b
[32] Vgl. Anhang 10c
[33] Vgl. Anhang 12
[34] Vgl. Abschnitt 2.4.
[35] Vgl. Abschnitt 2.2.
[36] Im Rahmen der Evaluation einer vorigen Unterrichtssequenz gaben einige Schüler eine Unterforderung in Gruppenarbeiten an (vgl Abschnitt 4.2.2).
[37] Vgl. Anhang 11b und 12b.
[38] Vgl. Anhang 11a.
[39] Vgl. Anhang 11b.
[40] Vgl. Anhang 10b.
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Erstausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2009
- ISBN (PDF)
- 9783958205543
- ISBN (Paperback)
- 9783958200548
- Dateigröße
- 1.2 MB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung Hamburg
- Erscheinungsdatum
- 2015 (Februar)
- Note
- 1
- Schlagworte
- Schreibkonferenz Überarbeitung Kreativität Schule Unterricht