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Rollenklarheit und Zufriedenheit: Neue Erkenntnisse der Sportpsychologie

©2014 Bachelorarbeit 47 Seiten

Zusammenfassung

Die vorliegende Arbeit gibt einen kurzen Überblick über die allgemeine Rollentheorie und ihre geschichtliche Entwicklung. Nach der Darlegung der für das Verständnis notwendigen theoretischen Hintergründe wurde sowohl das Konzept der Rollenklarheit im Mannschaftsport, aber auch der Begriff der Zufriedenheit mit Hilfe der Studien der sogenannten ‘Glücksforschung’, wissenschaftlich definiert. Beide Konstrukte wurden mehrdimensional betrachtet, um somit eine effektivere Ermittlung der Wahrnehmungen in der empirischen Studie zu gewährleisten.
Das Ziel der vorliegenden Studie war es das Bestehen eines möglichen Zusammenhangs zwischen der Wahrnehmung der Rollenklarheit und Zufriedenheit der Athleten im Sport zu überprüfen. Wie auch in den verwandten Studien wurde ein klarer Zusammenhang zwischen der steigenden Rollenklarheit und der wachsenden Zufriedenheit der Sportler festgestellt. Somit trägt die Arbeit zu der wissenschaftlichen Erforschung der psychologischen Aspekte im Mannschaftssport und liefert interessante Informationen zu den neusten theoretischen Modellen im Sport.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


2. Einführung in die Rollentheorie

Der Mensch, als soziales Wesen, kann nicht isoliert von der ihn umgebenen Gesellschaft betrachtet werden. Genauso wenig kann die Gesellschaft ohne Individuen, die in ihr leben, nicht existieren. Somit sind diese zwei verschiedenen Bereiche der soziologischen Theorieansätze eng miteinander verflochten, jedoch erweist sich in der Wirklichkeit die Erstellung eines einheitlichen Modells für die Beschreibung der gegenseiteigen Beziehungen zwischen diesen Perspektiven als schwierig (vgl. Griese, Nikles & Rückler, 1977). Einen Ansatz dafür bietet die Rollentheorie, welche Griese, Nikles und Rülcker (1977) als „[...] ein intermediäres Konzept [...]“ d.h. als eine Sichtweise zwischen der makro- und mikrosoziologischer Betrachtung beschreiben. Außerdem definieren sie die Rollentheorie als „[...] das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft unter dem Gesichtspunkt der Vermittlung sozialen Handelns mit den strukturellen und funktionalen Bedingungen [...] sozialer Systeme [...].“ (S. 12).

Die Rollentheorie wurde bereits in den 30er Jahren von George Herbert Mead und Ralph Linton, die als Urväter der modernen soziologischen Rollentheorie gelten, wissenschaftlich erforscht (vgl. Stadler, Kern, 2010). Letzterer trennte als erster in seiner Ausarbeitung „The study of man“ (1936) die Begriffe Rolle und Status, da Linton der Meinung war, dass die gesellschaftlichen Strukturen von den Individuen losgelöst sind und die Menschen überdauern werden. Somit ist der Status ein vorgegebener Platz in der Hierarchie, wobei dieser aus mehreren, vom Individuum unabhängigen Rollen besteht. Nach Linton (1936) wurde der Status auf zwei Wegen zugeschrieben: erstens durch nicht veränderbare Merkmale (ascribed status) und zweitens durch eigenständige Leistungen und Fähigkeiten (achieved status) (vgl. Linton, 1936).

Aufbauend auf diesen Erkenntnissen formulierte Talcott Parsons in seinem Hauptwerk „The structure of social action“ (1937) und in dem sich darauf stützenden Werk „Family, socialization and interaction process“ (1960) die strukturell-funktionale Rollentheorie, wobei er im Unterschied zu Linton mehr Fokus auf den Begriff der sozialen Rolle legte. Nach Parsons stellt das kollektive Bedürfnis an den wechselseitigen Beziehungen eine Prämisse für die Gewährleistung einer funktionierenden Gesellschaft dar. Dabei besteht das gemeinsame Interesse daran den Fortbestand der Beziehungen zwischen den Einzelnen zu sichern, um die wechselseitige Bedürfnisbefriedigung zu erreichen und gleichzeitig eine gewisse Stabilität des sozialen Systems zu schaffen. Die feststehenden Verhaltenserwartungen an den Interaktionspartner sorgen dabei für eine klare Vorstellung vom Rollenhandeln. Die daraus resultierende Gesellschaft mit der ungewissen Wirkungszeit stützt sich zusätzlich an den kulturspezifischen Normen, welche ihrerseits die „Handlungsfreiheit von Personen in sozialen Situationen einschränken“ (Griese u.a., 1977, S. 18). Dabei können oft vorkommende sozialabhängige Verhaltensmuster und Einschränkungen typologisiert werden und von den neuen Mitgliedern der Gesellschaft erlernt werden, um das Verhalten der anderen Individuen antizipieren zu können. Somit bestimmen im Endeffekt die kollektiv anerkannten Normen partiell die sozialen Rollen der Gesellschaftsmitglieder. Griese u.a. (1977) sprechen hier von einer „sozialen Normierung“ (S. 20). Natürlich ist auch vorherzusehen, dass nicht jedes Individuum nach den Rollennormen handelt. Diese Abweichungen werden jedoch durch das System der Strafen und Belohnungen im Zaun gehalten. Als Beispiel dafür dient die Rolle eines Staatsbürgers, der im Falle der Gesetzesbrechung hart bestraft werden kann und im Falle seiner Loyalität aber damit belohnt wird, dass er nicht bestraft wird. Somit entsteht ein sich selbsterhaltendes System. (vgl. Parsons 1937, 1960).

Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass Parsons nicht auf die Interaktionen zwischen der Gesellschaft und der Individuen eingeht. Diesen Aspekt vervollständigt der Soziologe Ralf Dahrendorf, der den Begriff der Rollentheorie in Deutschland geläufig machte und als ein scharfer Kritiker der strukturell-funktionalen Theorie gilt (Bahrdt, 1984). Er erklärt die Beziehung zwischen der Gesellschaft und dem Individuum mit Hilfe des Modells „homo sociologicus“, wobei der Mensch als ein Rollenträger der sozial vorgeformten Rollen fungiert. Dabei beugt sich das Individuum, anders als bei Parsons, wo der Einzelne freiwillig die Rollenvorgaben der Gruppe übernimmt, dem gesellschaftlichen Druck. Der Mensch übernimmt die Rolle zwangsweise d.h. er oder sie wird folglich von Anderen auch explizit als der jeweilige Rollenträger/in betrachtet (Röhl, 1974). Dabei sieht Dahrendorf (2010) den Prozess der Sozialisation als eine „Entpersönlichung“ (S. 58), wobei die Individualität durch Normen und soziale Rollen verloren geht. Andererseits ermöglicht der Sozialisationsprozess durch Beobachten und Anpassungen an andere Gesellschaftsmitglieder die jeweilige Rolle zu erlernen, um schließlich eine Position in der Gesellschaft einzunehmen. Dahrendorf (2010) verdeutlicht in seiner Sichtweise der Rollentheorie, dass nach der Annahme der Position in der Gesellschaft, dieser Position eine bestimmte Rolle zugeschrieben wird. Anschließend wird der Rolle ein “Bündel von Erwartungen“ (S. 35) zugeordnet. Schließlich werden die Bündel von Erwartungen ihrerseits an verschiedene Rollenbeziehungen geknüpft (vgl. Dahrendorf, 2010).

Um diese komplexe Sichtweise zu veranschaulichen und zu verdeutlichen, visualisieren Griese u.a. (1977) diesen Theorieansatz mit einem allgemeinen Rollenmodell, welches auf der Abb. 1 zu sehen ist.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Grundbegriffe zum Rollenmodell

(Quelle: Eigene Darstellung der Abb. von Griese, Nikles & Rülcker, 1977, 29)

Die Betrachtung der Abb. 1 fokussiert sich auf die „gesellschaftlich definierte und im entsprechenden System verorteten Position [A]“ (Griese u.a., 1977, S. 28). Die dazugehörige Rolle gibt den nötigen Handlungsrahmen für die jeweilige Position und fungiert gleichzeitig als „ein Bündel [...] vieler Rollenbeziehungen“ (S. 28). Beispielsweise besteht die Rollenbeziehung A1-B2 zwischen den zwei verschiedenen Personen (1 und 2), die sich in einem Sozialsystem befinden. Das können z.B. ein Angestellter (Person 1) und sein Vorgesetzter (Person 2) sein. Gleichzeitig aber bekleidet die Person 1 eine andere Position (C1) in einem anderen Sozialsystem, also z.B. die Position eines Familienvaters. Dabei machen Griese u.a. (1977) auf die einzelnen Rollensegmente aufmerksam, die als Ausschnitte der jeweiligen Rollen das dazugehörige Verhalten in Rollenbeziehungen determinieren. Somit hat ein Individuum mehrere Positionen, Rollen, Rollenbeziehungen sowie Rollen­verhaltensmuster, die nur limitiert in einem einzelnen Modell veranschaulicht werden können. Die Aufgabe jedes Menschen besteht darin die vielfältigen Erwartungen und Beziehungen zu koordinieren und in Einklang zu bringen (vgl. Griese u.a., 1977), da die Rollen von einander in ihrer Existenz abhängig sind (Steiger, Lippmann, 2008).

Bevor nun die einzelnen theoretischen Rollenkonzepte näher beleuchtet werden, erfolgt im nächsten Kapitel eine Erläuterung der für diese Ausarbeitung relevanten Definitionen.

2. 1 Definitionen

Da der Begriff der Rolle in einem engen Zusammenhang mit der Gruppe steht, erscheint es als sinnvoll auch diesen Begriff zu definieren, um ein besseres Verständnis der Thematik zu gewährleisten. Dazu gibt es in der wissenschaftlichen Literatur zahlreiche Ansätze, die jedoch umstritten sind, da keine dieser Beschreibungen den Begriff der Gruppe mit allen ihren Facetten erfasst (vgl. Sader, 2002). Eins davon ist die Definition von McDavid und Harari (1968):

Eine soziologische Gruppe ist ein organisiertes System von zwei oder mehreren Individuen, die so miteinander verbunden sind, dass in einem gewissen Grade gemeinsame Funktionen möglich sind, Rollenbeziehungen zwischen den Mitgliedern bestehen und Normen existieren, die das verhalten der Gruppe und aller ihrer Mitglieder regeln.“ (S. 237)

Diese Definition liefert einen Bezug zum Rollenmodell und stellt gleichzeitig eine ausreichende Plattform für den sportlichen Kontext, der im späteren Verlauf dieser Ausarbeitung näher beleuchtet wird, dar.

Auch die Betrachtung des Begriffs der sozialen Rollen ist in der wissenschaftlichen Literatur höchst umstritten. Nach Popitz (1975) gilt das bereits erwähnte Werk „Homo sociologicus“ von Dahrendorf (2010) als die einflussreichste theoretisch-soziologische Veröffentlichung. Dahrendorf definiert die soziale Rolle als:

[...] (ein) Bündel von Erwartungen, (der) sich in einer gegebenen Gesellschaft an das Verhalten der Träger von Positionen (knüpft). (S. 35)

Dahrendorf (2010) verdeutlicht zusätzlich, dass soziale Rollen „die Ansprüche der Gesell­schaft an die Träger der von Positionen [...]“ darstellen (S.35). Diese können in zwei Er­scheinungsformen zur Geltung kommen: „[...] Ansprüche an das Verhalten des Rollenträgers (Rollenverhalten) und zum anderen Ansprüche an sein Aussehen (Rollenattribute) [...].“ (S.35).

Abschließend gibt die Definition von Bahrdt (1984) eine Erklärung für den Begriff der sozialen Position:

„Eine soziale Position ist ein dauerhaft verfestigter, von den einzelnen Personen ablösbarer Knotenpunkt im Geflecht sozialer Beziehungen.“ (S. 69).

Im folgenden Kapitel werden nun die Rollenkonzepte (teils mit einem Bezug zum Sport) und deren diverse Typologien aufgeführt.

2. 2 Theoretische Konzepte der Rollenwahrnehmung

Bevor die verschiedenen Typologien der Rollenkonzepte aufgezählt und erläutert werden, ist es von großer Notwendigkeit zu verdeutlichen, wie die Rolleninformationen an die Personen in Gruppen übertragen werden.

Eys, Schinke und Jeffery (2007) nutzen hierfür das role episode model von Kahn, Wolfe, Qiunn, Snoek, und Rosenthal (1964), wobei das Konstrukt aktualisiert und an den Sport­kontext angepasst wurde (s. Abb. 2). In dem Modell werden fünf Vorgänge der Rollen­informationsübertragung visualisiert, wobei der Rollensender (role sender) die „Bündel an Erwartungen“ (Dahrendorf, 2010, 35) an den Rollenempfänger (focal person) kommuniziert. Im Sport würde es bedeuten, dass beispielsweise der Trainer einer Mannschaft (role sender) seine Rollenerwartungen an die Athleten (focal persons) übermittelt. Es ist aber auch möglich, dass ein Individuum simultan role sender und focal person ist d.h. der Trainer stellt Erwartungen an das Team, kriegt aber auch seine Rollenvorgaben von der Team­management-Abteilung übermittelt (vgl. Eys u.a. 2007).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: A theoretical framework of factors influencing the transmission and reception of role responsibilities.

(Quelle: Eys, Schinke & Jeffery, 2007, 101)

Wie bereits erwähnt, wird das Modell (Abb. 2) durch fünf verschiedene Vorgänge (Events) beschrieben. Beim ersten Vorgang entwickelt der role sender bestimmte Rollenerwartungen für die focal person d.h. beispielsweise der Trainer entscheidet sich darüber welchen Athleten er welche Position bzw. Rolle zuweisen soll. Anschließend wird der Rollendruck ausgeübt (Event 2) sprich der Rollenempfänger wird mit den an ihn gestellten Erwartungen konfrontiert (Event 3). Der Rollenempfänger reagiert (Event 4) und zeigt ein rollenkonformes bzw. rolleninkonformes Verhalten. Schließlich nimmt der role sender das Rollenverhalten wahr und kann seine Erwartungen dementsprechend verändern oder beibehalten. Ergänzend zu diesen Vorgängen können viele externe Einflüsse (Event 5), wie z.B. die situations­bedingten Faktoren sowie role- oder focal – bezogene Faktoren, die Rolleninformations­übertragung stören bzw. fördern. Diese Faktoren werden im Kapitel 2.2.5 näher beleuchtet (Eys, Carron, Beauchamp & Bray, 2005).

2. 3 Aspekte der sozialen Rollen

In der Wissenschaftsliteratur haben sich zwei verschiedene Herangehensweisen der Kategorisierung von Rollen herauskristallisiert (Cotterill, 2013).

Die erste Unterscheidung stammt von Bales und Slater (1955), welche die sozialen Rollen nach ihren Funktionen aufteilt. Hierbei wird es zwischen den aufgabenbezogenen und sozialorientierten Rollenverteilungen unterschieden: „ [...] the task specialist can be thought of as „representing“ the task values of the members. The social-emotional specialist „represents“ other values and attitudes [...].“ (S. 298). Dabei richtet sich die aufgaben­bezogene Rolle auf die Ziele und Aufgaben der Gruppe, während die sozialorientierte Rolle für den Zusammenhalt und Harmonie der Gruppe zuständig sein könnte. Bales und Slater (1955) betonen aber, dass die beiden Funktionen in einer Rolle vereint werden können, wobei diese Person meist auch der Leader der Gruppe ist: „ Leadership [...] (is) attributed to that member [...] who best symbolizes the weighted combination [...] of (this) two specialized functions.“ (S. 298).

Die zweite Herangehensweise, entwickelt von Edward Mabry und Richard Barnes, wird von Cotterill (2013) erläutert. Dieser Ansatz nimmt eine andere Unterteilung der sozialen Rollen vor, nämlich die Unterscheidung nach den formellen und informellen Rollen. Die formellen Rollen werden in einer Organisation oder (um dem Sportkontext gerecht zu werden) in einer Mannschaft offiziell zugewiesen (Cotterill, 2013). Carron und Hausenblas (1998) führen diesbezüglich die spezifischen Positionen im Basketball als Beispiele auf: power forward, point guard oder small forward. Dabei betonen sie die Wichtigkeit der klaren Struktur für gute Leistungen in einer Mannschaft (vgl. S. 158). Die informellen Rollen sind im Gegensatz zu den formellen weniger erforscht und schwieriger wissenschaftlich zu fundieren (Cotteril, 2013). Diese entstehen bei den dynamischen sozialen Prozessen der Gruppe und werden willkürlich von den Mitgliedern der Gruppe festgelegt (Eys u.a., 2007). Öfters fungieren die informellen Rollen als ein Ausgleich für die „künstlich“ zugewiesene Gruppenstruktur, z.B. wenn die Mannschaft mit dem Kapitän und seinem Rollenverhalten unzufrieden ist und eigene führende Persönlichkeiten „herausbildet“ (Cotterill, 2013). Eys u.a. (2007) weisen hierbei auf die unterschiedliche Vermittlung von Vorgaben für das Rollenverhalten bei den jeweiligen Formalitätsgraden der Rollen hin. Da die informellen Rollen sich aus den Interaktionen der Mitglieder herausbilden, hat die Kommunikation der Rollenerwartungen einen impliziten Charakter, während die formellen Rollen über klare Verhaltensvorgaben verfügen (vgl. S. 100).

Cope, Eys, Beauchamp, Schinke und Bosselut (2011) verschafften der Thematik der informellen Rollen im Sport mehr Klarheit, indem sie 12 mögliche Erscheinungsformen der informellen Rollen in einer Sportmannschaft aufführen. Wobei die ersten neun einen positiven Einfluss und die letzten drei einen negativen Einfluss auf die Mannschaft ausüben können (S. 24):

- Comedian: fungiert als Unterhalter in der Gruppe
- Spark plug: dient als Motivator in der Mannschaft
- Enforcer: stellt sich den Konfrontationen mit anderen Mannschaften
- Mentor: repräsentiert die Vertrauensperson der Mannschaft
- Informal leader (non -verbal): führt die Gruppe mit seinem Verhalten
- Informal leader (verbal): führt und inspiriert die Gruppe verbal
- Team player: ist bereit seine individuellen Interessen für die Mannschaft zu vernachlässigen
- Star player: wird für seine Leistungen in der Mannschaft geschätzt
- Social convener: plant die Mannschaftsveranstaltungen und gemeinsame Events
- Cancer: Verursacher und Verbreiter der negativen Emotionen
- Distractor: lenkt die Mannschaft vom Ziel ab
- Malingerer: simuliert Verletzungen (physisch oder mental), um davon zu profitieren

Eys, Beauchamp und Bray (2006) entwickelten einen theoretischen Ansatz, der die oben beschriebenen Kategorisierungen der sozialen Rollen kombiniert und unter dem Begriff „ role involvement“ vereint. Das Modell „ role involvement “ betrachtet die verschiedenen Rollenkonzepte aus drei Perspektiven: kognitiv, affektiv und verhaltensbezogen, wobei die formellen sowie die informellen Rollen mitberücksichtigt werden. Zu den kognitiven Konzepten zählen die role efficacy, der Rollenkonflikt, die Rollenakzeptanz und der zentrale Punkt dieser Arbeit – Rollenklarheit. Die Rollenzufriedenheit stellt das Konzept der affektiven Betrachtungsweise dar. Abschließend fungiert das Konzept der role performance als Bestandteil der verhaltensbezogenen Perspektive von dem „ role involvement“- Modell, welches in dieser Arbeit aber nicht näher beleuchtet wird (Eys u.a., 2006). Eys u.a. (2007) untersuchten diese Konzepte und ihre Zusammenhänge unter der Berücksichtigung des Sportbezugs.

In den folgenden Unterkapiteln werden die oben aufgezählten Rollenelemente einzeln erläutert, wobei der Fokus auf das Konzept der Rollenklarheit gelegt wird.

2. 3. 1 Role efficacy

Der Kern dieses Modells, nämlich die Selbstwirksamkeit oder die Selbst­wirksam­keitserwartung, stammt von Bandura (1997). Er definiert dieses Phänomen als: „[…] people's beliefs about their capabilities to produce designated levels of performance that exercise influence over events that affect their lives.” (S. 1). Bandura (1997) unterstreicht, dass die Selbstwirksamkeit bzw. ihre Stärke und Ausgeprägtheit einen großen Einfluss auf das individuelle Selbstwertgefühl und die erbrachte Leistung haben (vgl. S. 1). Eys u.a. (2007) greifen diesen Ansatz auf und übertragen diesen auf den Sport und die Mannschaften. Sie bringen das Konzept der role efficacy mit den formellen sozialen Rollen in Verbindung, indem sie folgende Definition vorschlagen: „[...] role efficacy (is) defined as team member´s beliefs about their capabilities to successfully carry out interdependent formal role functions.“ (S. 102). Der Begriff der role efficacy ist zum aktuellen Zeitpunkt so gut wie gar nicht in der deutschen Wissenschaftsliteratur aufzufinden. Somit wäre dieses Themenfeld eine potenzielle Forschungslücke für deutsche Soziologen und Sportwissenschaftler.

2. 3. 2 Rollenkonflikt

Weinberg und Gould (2011) geben folgende Beschreibung für das Phänomen des Rollenkonflikts.

Role conflict exists when, despite the presence of consensus on a desired goal or outcome, the role occupant (focal person) doesn´t have sufficient ability, motivation, time or understanding to achieve that goal. (S. 165).

Eys u.a. (2007) betrachten das Ganze aus einer etwas anderen Perspektive und behaupten, dass ein Konflikt aus den „inkongruenten Rollenerwartungen“ (S. 103), gerichtet an den Rollenempfänger, resultiert. Hierbei stützen sie sich an den Ansätzen von Kahn u.a. (1964), die den Rollenkonflikt mehrdimensional auffassen und in mehrere Formen unterteilen: Interrollen-Konflikt und Intrarollen-Konflikt.

Beim Interrollenkonflikt, ergo ein Konflikt zwischen den verschiedenen Rollen, tritt eine Kollision mehrerer Rollenerwartungen auf. Ein Beispiel dafür, wäre ein Sportler der in einer Mannschaft seine Leistung bringen muss, gleichzeitig aber auch ein Familienvater ist und aus diesem Grund beispielweise zu wenig Zeit mit seiner Familie verbringen kann.

Beim Intrarollenkonflikt besteht die Inkongruenz in einem einzelnen Rollenkontext. Diese kann sowohl aus unterschiedlichen Rollenerwartungen von mehreren Rollensendern, aber auch von widersprüchlichen Erwartungen seitens einer Person entstehen. Ein Beispiel dafür wäre ein Trainer, der von seinen Spielern verlangt „hart“ zu spielen, gleichzeitig aber keine Fouls zu verursachen (vgl. Kahn u.a., 1964; Eys u.a. 2007).

2. 3. 3 Rollenakzeptanz und Rollenzufriedenheit

Obwohl Carron und Hausenblas (1998) die beiden Begriffe als Synonyme verwenden, schlagen Eys u.a. (2007) eine klare Unterscheidung der beiden Konzepte vor. Erstens ordnen sie die Modelle den zwei verschiedenen Betrachtungsweisen des „ role involvement“ – Konstrukts zu. Rollenakzeptanz zählt hierbei zu den kognitiven Rollenkonzepten, wobei die Rollenzufriedenheit einen affektiven Ursprung aufweist (vgl. Eys u.a., 2006). Zweitens werden die Begriffe mit unterschiedlichen Definitionen versehen.

Die Rollenakzeptanz wird als „ [...] dynamic, covert process that reflects the degree to which an athlete perceives his or her own expectations for role responsibilities is similar to […] the expectations for role responsibilities determined by his or her role senders“ definiert (S. 246, Eys u.a., 2006).

Die Rollenzufriedenheit wird in der gleichen Quelle als „[...]pleasurable emotional state resulting from the perception of one´s (role) as fulfilling or allowing the fulfillment of one´s important (role) values.“ definiert (S. 246).

Da der Begriff „Zufriedenheit“ in dieser Ausarbeitung eine erhebliche Rolle spielt, wird dieser im weiteren Verlauf der Arbeit näher beleuchtet und erläutert.

2. 4 Rollenklarheit

In diesem Kapitel wird das zentrale Rollenkonzept dieser Arbeit beschrieben - die Rollenklarheit (role clarity) oder, wie es in der englischsprachigen Literatur bezeichnet wird, role ambiguity (Rollenambiguität) . Da die beiden Begriffe sich als Antonyme zueinander verhalten, wird im folgenden Verlauf zum besseren Verständnis ausschließlich der Begriff der Rollenklarheit angewandt.

2. 4. 1 Definition

Nach Kahn u.a. (1964) sind die vollständigen Informationen bezüglich des Rollenverhaltens die notwendigen Prämissen für das Entstehen einer Rollenklarheit: „First of all, he must know what these expectations are: the rights, duties and responsibilities of his office [...]. He wants also to know the potential consequences of his role performance or non-performance [...].“ (Kahn u.a., 1964, S. 22). Somit sind auch die Informationen zur Bestrafung bzw. Belohnung der Ausübung der jeweiligen Rolle notwendig für die individuelle Rollenklarheit. Außerdem steigt die Relevanz der gegebenen Rollenklarheit mit der wachsenden Interdependenz in der Gruppe (vgl. Kahn u.a., 1964).

2. 4. 2 Theorie

Inzwischen zählt das Konzept der Rollenklarheit zu den meist erforschten Aspekten der sozialen Rolle (vgl. Eys u.a. 2007). Carron und Hausenblas (1998) bringen die Rollenklarheit mit den anderen Rollenkonzepten in Verbindung (Abb. 3) und behaupten, dass die Rollenklarheit und die darauf folgende Rollenakzeptanz zusammen zu einer besseren Teamleistung sowie Effektivität im Sport führen können (vgl. S. 162 ff.). Sprich die klare Rollenverteilung in einem Team und das Einverständnis mit den entstandenen formellen und informellen Rollen führt zu einer besseren Kohäsion innerhalb der Gruppe bzw. deren höherer Leistungsfähigkeit (vgl. Wein­berg & Gould, 2011).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: The relationship between individual roles and team effectiveness.

(Quelle: Eigene Darstellung der Abb. 11.1, Carron & Hausenblas, 1998, S. 162)

Das im Kapitel 2.2 besprochene „ role episode model“, welches sich an den Theorieansätzen von Kahn u.a. (1964) orientiert, hilft dabei die Ursprünge und Prämissen der Rollenklarheit besser zu verstehen. Dabei können die externen Faktoren die Rollenklarheit bzw. deren Mangel bei dem Rollenempfänger (z.B. Athlet/in) bestimmen. Bei den role sender - orientierten Faktoren liegt der Einfluss auf die Rollenklarheit des Rollenempfängers beim role sender (z.B. Trainer/in). Der Trainer kann beispielsweise die Aufgaben des Athleten schlecht erklären, was zu einer niedrigen Rollenklarheit führen kann. Bei den focal person Faktoren ist der Rollenempfänger determinierend für dessen Rollenklarheit. Wenn z.B. ein Athlet nicht genug Erfahrung aufweist, ist er nicht im Stande seine Rolle im Team zu verstehen. Die situationsbezogenen Faktoren sind unabhängig vom Rollensender und Rollenempfänger und können willkürlich die individuelle Rollenklarheit beeinflussen (vgl. Eys u.a., 2005).

Es ergibt sich daraus, dass die Rollenklarheit von vielen Einflussfaktoren bestimmt werden kann, deshalb bestehen Beauchamp, Bray, Eys und Carron (2002) darauf diesen Aspekt der sozialen Rolle mehrdimensional zu betrachten. Angelehnt an die theoretischen Modelle von Kahn u.a. (1964) wurde ein vier-dimensionales Konzept der Rollenklarheit im Sport entwickelt. Nach Beauchamp u.a. (2002) ist es für die Athleten notwendig in den folgenden Bereichen eine Klarheit aufzuweisen: (a) der Zuständigkeitsbereich bezüglich der Rolle im Team, (b) das nötige Verhalten, um die jeweilige Rolle zu erfüllen, (c) die Bewertung bezüglich der Erfüllung der jeweiligen Rolle und (d) die Konsequenzen für das Scheitern bei der Erfüllung von der jeweiligen Rolle.

Dieses Konzept fungiert als das Fundament der im weiteren Verlauf folgenden empirischen Untersuchung.

2. 4. 3 Forschungslage

Obwohl die Forschung der sozialen Rollen in der Gesellschaft und deren Hintergründe bis in den Anfang des 20. Jahrhunderts zurückgeht (s. Kap. 2), ist dieses Themenfeld im Sport noch geringfügig ausgearbeitet. Nichtdestotrotz ist das Element der individuellen Rolle – der Rollenklarheit - in vielen Studien mitberücksichtigt, wobei auch verschiedene Relationen mit anderen Rollenmodellen unter die Luppe genommen wurden (vgl. Eys u.a., 2007).

Neben den oben besprochenen Studien, der Prämissen-Herleitung für die Rollenklarheit mittels des „role episode model“ ´s von Kahn u.a. (1964) sowie der multidimensionalen Betrachtung von Beauchamp u.a. (2002), existieren andere wissenschaftliche Ansätze, die das Phänomen der Rollenklarheit in einem Arbeits- und Organisationskontext betrachten. Bereits 1981 lieferten Bedeian und Armenakis eine multidimensionale Erforschung der Rollenklarheit bezogen auf die Arbeitszufriedenheit und den Arbeitsstress. Auch Sawyer (1992) untersuchte die Konsequenzen der Rollenklarheit auf den Arbeitsalltag anhand von Befragung der Mitarbeiter zweier großer Unternehmen.

Als Forschungsobjekt der allgemeinen umfassenden Sportbereiche sorgt das Verständnis der eigenen Rolle für viele Diskussionen in der Wissenschaftsliteratur. Sakires, Doherty und Misener (2009) erarbeiten den Begriff der Rollenklarheit im Kontext des freiwilligen Engagements im Sport, wobei sie zu folgenden Ergebnissen kommen: (a) es liegt eine positive Korrelation zwischen der Rollenklarheit und Arbeitszufriedenheit vor, (b) die größte Rollenklarheit zeichnet sich in den höheren Arbeitspositionen innerhalb der freiwilligen Sportorganisationen ab.

Abgesehen von diesen Studien hat die Forschergruppe – Eys, Beauchamp, Bray und Carron – eine Reihe von Untersuchungen zu den Zwischenzusammenhängen der verschiedenen Aspekte der sozialen Rolle im Sport zur Verfügung gestellt.

Beauchamp und Bray (2001) untersuchten die Relation zwischen der Rollenklarheit und dem Rollenkonflikt. Die Befragung der Spitzenathleten hat gezeigt, dass ein Intrarollenkonflikt zu einer niedrigeren Rollenklarheit führte, wobei auch ein Rückgang der Selbstwahr­nehmungserwartung (hier role efficacy) (vgl. Bandura, 1994) verzeichnet wurde. Beauchamp und Bray (2001) heben jedoch hervor, dass die Aspekte unbedingt kontextbezogen (hier Offensive und Defensive formelle Rollen im Sport) betrachtet werden sollen. Daraufhin forschten Eys und Carron (2001) nach den Zusammenhängen zwischen der Rollenklarheit, sozialer Kohäsion und der Selbstwirksamkeit, wobei sie sowohl männliche als auch weibliche Probanden/innen untersuchten. Dabei stützten sie sich auf das mehrdimensionale Konstrukt von Kahn u.a. (1964). Beauchamp u.a. (2002) kombinierten anschließend die beiden Studien und entwickelten ein mehrdimensionales Konzept zur Untersuchung der Rollenklarheit, welches im Kapitel 2.4.2 bereits beschrieben wurde.

Dieses Konzept half dabei zu folgenden Erkenntnissen bezüglich der Rollenklarheit im Sport zu kommen: (a) die Rollenklarheit steigt kontinuierlich während der Spielsaison, (b) die erfahrenen Spieler haben ein besseres Verständnis der eigenen Rolle in der Mannschaft und (c) die Wahrnehmung der Rollenklarheit ist individuell, hat jedoch einen Zusammenhang mit den anderen Spielern der Mannschaft (vgl. Eys, Carron, Bray, Beauchamp, 2003, S. 392). Hier ist noch mal zu verdeutlichen, dass die Rollenklarheit bezüglich des „ role involvement model“´s zu der kognitiven Verarbeitung von Rollenaspekten zuzuordnen ist (Eys u.a., 2006).

Trotz der vielzähligen Untersuchungen in diesem Themenfeld liegen mehrere For­schungslücken vor, die in der Diskussion genauer aufgegriffen werden. Nach Eys u.a. (2007) besteht eine große Notwendigkeit an Studien, die die Aspekte der Rolle in verschiedenen Kulturen, Sportarten, Wettkampfklassen, Geschlechtern und Altersgruppen untersuchen. Zwar existiert bereits eine Studie, die den Zusammenhang zwischen der Rollenklarheit und Zufriedenheit der Sportler untersucht (Eys u.a., 2003), da Eys u.a. aber ihre Studie wie folgt kritisieren: „In the present study, the sample was relatively homogeneous in nature and, therefore, the results may not be generalized to other age groups and competitive standards” (S. 400), besteht trotzdem Bedarf an Arbeiten, die Relationen von Rolle und Zufriedenheit in anderen Sportarten, Wettkampfklassen etc. untersuchen und neue Erkenntnisse über die sozialen Rollen im Sport bzw. Rollenklarheit im Sport liefern. Außerdem ist der Begriff role ambiguity in der deutschen Wissenschaftsliteratur kaum berücksichtigt, was die Relevanz der vorliegenden Untersuchung noch offensichtlicher macht.

In den folgenden Kapiteln wird nun das zweite Konstrukt dieser Arbeit – die Zufriedenheit – erläutert.

[...]

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2014
ISBN (PDF)
9783958205277
ISBN (Paperback)
9783958200272
Dateigröße
2.2 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Deutsche Sporthochschule Köln
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,1
Schlagworte
Rollentheorie Empirische Untersuchung Mehrdimensionalität Aspekt der Rolle Basketball

Autor

Artur Sayenko machte seinen Abschluss an der renommierten Deutschen Sporthochschule in Köln. Sein Studium mit dem Schwerpunkt ‘Sportmanagement und Kommunikation’ machte ihn auf die psychologischen Aspekte des Sports aufmerksam, weshalb er sich entschied diese Thematik im Rahmen seiner Abschlussarbeit zu vertiefen. Neben der wissenschaftlichen Erforschung rundet er sein Profil mit der jahrelangen Bindung und Leidenschaft für den Sport ab.
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Titel: Rollenklarheit und Zufriedenheit: Neue Erkenntnisse der Sportpsychologie
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