Berufliche Weiterbildung älterer Arbeitnehmer: Gestaltung eines alterssensiblen Lernkonzepts, unter Einbezug Problemorientierten Lernens, im Rahmen einer formalisierten Weiterbildungsmaßnahme für Erzieher
Zusammenfassung
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
3.1.1 Allgemeine Auswirkungen auf das Erwerbspersonenpotenzial
Der demografische Wandel zieht - aufgrund der o. g. Kennzeichen - seit 2003 einen sich zunehmend verstärkenden Bevölkerungsrückgang nach sich (vgl. Statistisches Bundesamt, 2009, S. 12 f.). Von 2008 bis 2060 wird in Deutschland ein Rückgang um schätzungsweise 17 Millionen Menschen erwartet (vgl. Statistisches Bundesamt, 2009, ebd.). Die abnehmende Zahl der Geburten und die gestiegene Lebenserwartung der Menschen führt zudem zu Veränderungen im Altersaufbau der Bevölkerung (vgl. Statistisches Bundesamt, 2009, S. 14 ff.). Abbildung 1 zeigt eine grafische Darstellung der Altersstruktur der Bevölkerung in Deutschland von 2008 im Vergleich zur Bevölkerungsvorausberechnung des Jahres 2060.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Grafische Darstellung des Altersaufbaus der deutschen Bevölkerung
im Vergleich 2008 zu 2060 (vgl. Statistisches Bundesamt, 2009, S. 15)
Die große Anzahl der vierzig- bis fünfzigjährigen Menschen von 2008 weist auf geburtenstarke Jahrgänge Anfang und Mitte der 1960er Jahre hin. Aufgrund der Alterung dieser Jahrgänge transformiert sich die tannenbaum-ähnliche Altersstruktur von 2008 im Verlauf der nächsten Jahrzehnte in die Form eines Pilzes im Jahre 2060. Hieraus ergibt sich, dass die Anzahl der jüngeren Menschen zwischen 30 und 50 Jahren kontinuierlich sinkt, während der Anteil der älteren Menschen zwischen 50 und 65 Jahren zeitgleich steigt (vgl. Zimmermann, 2009, S. 7). Für den Arbeitsmarkt bedeutet dies einen Rückgang und eine Alterung der Erwerbsbevölkerung. Betrachtet man zudem die Spanne der Menschen im Erwerbsalter (20 bis 65 Jährige), so zeigt sich, dass von den knapp 50 Millionen Menschen des Jahres 2008 nur noch 36 Millionen Menschen im Jahre 2060 im Erwerbsalter sein werden (vgl. Statistisches Bundesamt, 2009, S. 17). Dies bedeutet einen Verlust von 27%. Auf der Grundlage der aufgezeigten, gegenwärtigen sowie künftigen Veränderungen stellen sich die Konsequenzen des demografischen Wandels für die Arbeitswelt im Überblick wie folgt dar:
- Erhöhung des betrieblichen Durchschnittsalters (vgl. Fuchs, Söhnlein, Weber, 2011, S. 4 f.; Kade, 2009, S. 19; Statistisches Bundesamt, 2009, S. 17; Zimmermann, 2009, S. 7)
- Rückgang der Erwerbsbevölkerung (vgl. BMI, 2011, S. 100 f.; Fuchs et al., 2011, S. 1; Statistisches Bundesamt, 2009, S. 17 f.)
- künftiger Fach- und Führungskräftemangel (vgl. Bilger et al., 2012, S. 82; Weller, 2011, S. 5 f.)
- Verlängerung der Berufstätigkeit (vgl. BMFSFJ, 2010, S. VIII)
Der hier aufgeführte Fach- und Führungskräftemangel sowie die Verlängerung der Berufstätigkeit sind als Konsequenzen anzusehen, die sich zwangsläufig aus dem Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials der deutschen Bevölkerung ergeben. In Anbetracht dessen scheint es nicht verwunderlich, dass versucht wird, die sogenannten „Stillen Reserven“ zu aktivieren - d.h. die Erwerbs-beteiligung von Arbeitssuchenden, Frauen und älteren Menschen zu erhöhen (vgl. BMI, 2011, S. 107 ff.), wobei in der hier vorliegenden Untersuchung lediglich auf die letztgenannte Gruppe eingegangen wird.
„Angesichts des zahlenmäßigen Rückgangs von beruflich und akademisch qualifizierten Arbeitskräften gewinnt die Integration von bislang wenig im Fokus stehenden Beschäftigungsgruppen an Bedeutung. Zu diesen zählen […] ältere Mitarbeiter“ (vgl. Demary, Malin, Seyda & Werner., 2013, S. 67).
Die Zielstellung besteht demnach darin, die älteren AN vermehrt in den Arbeitsmarkt einzubeziehen bzw. ihre Beschäftigungsfähigkeit zu erhalten. Unter dem Begriff „Beschäftigungsfähigkeit“ (engl. employability) soll dabei die „Fähigkeit, fachliche, soziale und methodische Kompetenzen unter sich wandelnden Rahmenbedingungen zielgerichtet und eigenverantwortlich anzupassen und einzusetzen, um eine Beschäftigung zu erlangen oder zu erhalten“ (vgl. Rump & Eilers, 2006, S. 21) verstanden werden.
Wie sich der demografische Wandel speziell auf die in dieser Untersuchung im Fokus stehende Gruppe der älteren Arbeitnehmer auswirkt, soll im Folgenden verdeutlicht werden.
3.1.2 Auswirkungen auf ältere Arbeitnehmer
Um die Arbeitskraft älterer Arbeitnehmer aufgrund der dargelegten Veränderungen durch den demografischen Wandel besser ausschöpfen zu können, wird versucht, ihre Lebensarbeitszeit - derzeit sukzessive auf 67 Jahre - auszuweiten (vgl. BMI, 2011, S. 112 f.). Für die Wirtschaft scheint es zwingend notwendig, sich der Potenziale und Leistungsfähigkeit älterer Beschäftigter (vgl. dazu Kap. 4.2) bewusst zu werden und sie anzuerkennen bzw. auf ihre Lern- und Arbeitsbedingungen einzugehen, das heißt u.a. „Qualifizierung und Weiterbildung anzubieten“ (vgl. BMI, 2011, ebd.).
Auf dem Arbeitsmarkt ist aktuell eine deutliche Erhöhung der Erwerbs-beteiligung älterer Menschen zu verzeichnen. Im Vergleich des Jahres 2000, in dem 38% der 55 bis 64 Jährigen[3] einer Erwerbstätigkeit nachgingen, mit dem Jahr 2010, in dem 58% derselben Alterskohorte einer Erwerbstätigkeit nachgingen (vgl. BMAS, 2012, S. 22), kann ein Erwerbsquotenzuwachs von 20% in 10 Jahren festgestellt werden.
Diese Arbeitsmarktentwicklung ist nicht nur durch den demografischen Wandel, sondern auch durch die Globalisierung (vgl. BMI, 2011, S. 102) bzw. die rasante Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologie geprägt. Die sogenannte „Halbwertzeit des Wissens“ verkürzt sich dadurch erheblich, weshalb das „erworbene Wissen schneller veraltert“, und die „Wertschätzung des Alters“ sinkt (vgl. Zimmermann, 2009, S. 8). Dieser Aspekt kann für ältere Arbeitnehmer eine erhebliche Gefahr ihrer Beschäftigungsfähigkeit und Erwerbsbeteiligung darstellen, welche es aufgrund des oben dargestellten Rückgangs des Erwerbspersonenpotenzials zu erhalten gilt. Zwick (2012, S. 15; vgl. außerdem Arnold & Pätzold, 2010, S. 654) hebt daher die besondere Bedeutung der kontinuierlichen (beruflichen) Weiterbildung älterer Arbeitnehmer hervor. Es soll im folgenden Kapitel daher zunächst der Blick auf die berufliche Weiterbildung älterer Arbeitnehmer gerichtet werden, um den Ist-Zustand ihrer Weiterbildungsbeteiligung sowie ihre Weiterbildungsmotive und -barrieren zu eruieren.
3.2 Weiterbildungsverhalten älterer Arbeitnehmer
Um alterssensible Weiterbildungsmaßnahmen für ältere Beschäftigte zu konzipieren, scheint es zwingend notwendig ihr Weiterbildungsverhalten nachzuvollziehen, speziell ihre Barrieren aber auch Motive. Will man ihre Beweggründe für bzw. gegen eine Weiterbildungsmaßnahme verstehen, kommt man nicht umhin, sich mit den Faktoren, welche die Weiter-bildungsteilhabe älterer AN beeinflussen, zu befassen. Dabei scheint im Kontext dieser Studie die Frage nach dem Einfluss des Bildungshintergrundes der Lernenden (vgl. Kap. 3.2.2) auf ihr Weiterbildungsverhalten von besonderem Interesse zu sein und einer vermehrten Berücksichtigung im Konzeptionsprozess zu bedürfen (vgl. Kap. 4.3).
3.2.1 Zur Weiterbildungsbeteiligung
Zur Betrachtung der Weiterbildungsbeteiligung älterer Arbeitnehmer wird auf die Weiterbildungsstatistik zurückgegriffen. Diese setzt sich aus unterschiedlichen Datenquellen zusammen, von denen hier zwei zur Darstellung aufgeführt werden.
Für den Betrachtungszeitraum von 1991 bis 2012 kann eine insgesamt steigende Weiterbildungsbeteiligung in der Bundesrepublik Deutschland konstatiert werden (vgl. Bilger et al., 2012, S. 29). Im Jahr 2012 war laut des AES (Adult Education Survey) die Teilnahmequote an Weiterbildung mit 49% (25,1 Millionen Menschen) am höchsten (vgl. Bilger et al., 2012, ebd.). Der AES ist eine - im Abstand von fünf Jahren durchgeführte - repräsentative Befragung von Personen zwischen 25 und 64 Jahren zur Situation der Weiterbildung in Deutschland (vgl. Demary et al, 2013, S. 9). Er wurde erstmals 2007 durchgeführt und ersetzt das bis zu diesem Zeitpunkt für die Betrachtung der Weiterbildung in Deutschland zentrale Informationssystem, das sogenannte Berichtssystem Weiterbildung (BSW[4] ) (vgl. Bilger et al., 2012, S. 7). Durch den AES werden europäische Vergleichswerte gewonnen, während das BSW sich auf nationale Daten beschränkte. Vergleicht man die Weiterbildungsbeteiligung der erwerbstätigen Altersgruppen des AES 2012 im Trendvergleich zum AES 2007, so wird ersichtlich, dass die Weiterbildungs-beteiligung der Älteren deutlich zugenommen hat (vgl. Bilger et al., 2012, S. 82 f.). Während sich 2012 die 45 bis 54 Jährigen zwischen 53 und 58% (2007 waren es 52%) und die 55 bis 64 Jährigen zwischen 46 und 55% (32 bis 45% in 2007) an der beruflichen Weiterbildung beteiligten, liegt die Beteiligung der 18/ 19 bis 44 Jährigen zwischen 52 und 60% (53 bis 56% in 2007) (vgl. Bilger et al., S. 83, Abb. 14). Die älteren Arbeitnehmer holen demnach auf, liegen aber noch immer hinter den jüngeren Beschäftigten zurück. Besonders auffällig ist dies in der Gruppe der 60 bis 64 Jährigen (2007 32% und 2012 46%). Dies kann allerdings daran liegen, dass sie (früh-) rentenbedingt keinen Zugang mehr zum Arbeitsmarkt haben (vgl. Bilger et al., 2012, ebd.). Dieses Ergebnis wird von anderen Untersuchungen bestätigt, z.B. der repräsentativen Erwerbstätigenbefragung[5] des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), in der rund 20.000 Erwerbstätige im Alter zwischen 15 und 65 Jahren, die einer vergüteten Beschäftigung von mindestens 10 Wochenstunden nachgehen, im Abstand von 5 bis 6 Jahren telefonisch zu ihrem Arbeitsplatz (u.a. zu den Themen Arbeitsbedingungen und Arbeitsbelastungen) befragt werden (vgl. BIBB, 2013; Wittig, P., Nöllenheidt, Ch., Brenscheidt, S., 2012). In der Befragung von 2012 wurde im Vergleich zur Befragung von 2005/ 2006 der Schwerpunkt der „beruflichen Situation und Integration älterer Erwerbstätiger“ (vgl. BIBB, 2013) neu aufgenommen und ein Anstieg der Beteiligung der 45 bis 65 Jährigen sowohl an „einer Weiterbildung“ als auch „mehreren Weiterbildungen“ festgestellt, wohingegen zeitgleich die Quote der Nichtteilnahme an einer Weiterbildung sank (vgl. BIBB, 2013). Trotz des konstatierten positiven Trends, besteht noch immer, wenn auch weitaus abgeschwächter als in den Jahren 2006/ 2007, eine nachlassende Weiterbildungsbeteiligung der Arbeitnehmer im späteren Erwerbsleben, besonders der 55 bis 64 Jährigen. Es stellt sich daher die Frage, von welchen Faktoren es abhängt, ob eine ältere Erwerbsperson an einer beruflichen Weiterbildung teilnimmt oder nicht.
Im sechsten Bericht zur Lage der älteren Generationen in der Bundesrepublik Deutschland findet sich eine übersichtliche Zusammenstellung der Einflussfaktoren auf die Weiterbildungsbeteiligung älterer AN. Demnach beeinflussen das Alter, das Geschlecht, das Niveau der Schulbildung, der Berufsstatus, verschiedene außerberufliche Aktivitäten und ob ein Migrationshintergrund vorliegt oder nicht, die Teilnahmequote an der beruflichen Weiterbildung (vgl. BMFSFJ, 2010, S. 90). Folgendes Zitat zeigt dabei eine Generalisierung in Bezug auf die allgemeine berufliche Weiterbildungsbeteiligung:
„Jüngere männliche deutsche Beamte und Angestellte mit höherem Schulabschluss und verschiedenen außerberuflichen Aktivitäten nehmen besonders häufig an beruflicher Weiterbildungen teil.“ (BMFSFJ, 2010, ebd.)
Vereinfacht betrachtet bedeutet dies, dass ältere AN mit niedrigerem Bildungsabschluss eher weniger an Weiterbildungen teilnehmen. Eine allgemeingültige Erklärung für die tendenziell abnehmende Weiterbildungs-beteiligung mit zunehmendem Alter wird dadurch jedoch nicht geliefert, da z.B. Demary et al. (2013, S. 84) konstatiert haben, dass die Bereitschaft zur Weiterbildung mit „steigenden beruflichen Qualifikationen“ wächst. Aus diesem Grund werden anknüpfend an dieses Kapitel die Weiterbildungs-barrieren älterer AN dargelegt.
3.2.2 Barrieren zur Teilnahme an Weiterbildung
Trotz der zunehmenden Weiterbildungsbeteiligung älterer Arbeitnehmer bleiben diese noch immer hinter den jüngeren zurück, wie in Kapitel 3.2.1 herausgestellt wurde. Die geringe Weiterbildungsbeteiligung, besonders ab dem 50. Lebensjahr, wurde in der Literatur der vergangenen Jahre, als Kernproblem angesehen. Als Grund wurden dort das Fehlen von „alterns-gerecht konzipierten Weiterbildungsangeboten“ angeführt, d.h. die mangelnde Berücksichtigung der Lernbedürfnisse, -gewohnheiten und präferierten Lernformen älterer Arbeitnehmer (vgl. Demary et al., 2013, S. 58; Zwick, 2012, S. 17 f.; Zimmermann, 2009, ebd.). Dies könnte zum einen dahingehend interpretiert werden, dass die Anforderungen an die älteren AN im Rahmen einer Weiterbildungsmaßnahme unangemessen gestellt werden, z.B. zu niedrig, da die Lernenden häufig über viel Erfahrungswissen (vgl. Kap. 4.2) verfügen oder zu hoch, bedenkt man an dieser Stelle das Problem der Lernentwöhnung (vgl. Kap. 4.3). Zum Beispiel verweist Maier (2010, S. 685) im Rahmen der sinkenden Weiterbildungsbereitschaft älterer AN auf ihre „biografische Erfahrung mit institutionalisierter Bildung“ (z.B. Schulbildung, Weiterbildungserfahrung, Zweifel an den eigenen Fähigkeiten, mangelnde Kenntnis der Angebotsstruktur etc.) und einen „hohe Verschulungsgrad“ bzw. zu wenig Lebensweltbezug der Weiterbildungsmaßnahmen. Diese Hemmnisse scheinen prägnant im Hinblick auf die - in dieser Studie fokussierte - Konzeption einer alterssensiblen Weiterbildungsmaßnahme und werden im vierten Kapitel aufgegriffen. Weitere Barrieren, welche ältere AN zur Teilnahme an der beruflichen Weiterbildung hindern, wurden aus verschiedenen Quellen zusammengetragen und in einer ergänzenden Tabelle (Tab. 3) im Anhang dargestellt. Diese erscheinen für die Konzeption der - in diesem Buch entwickelten - Weiterbildungsmaßnahme aus rein bildungswissenschaftlicher Sicht weniger vordergründig, beeinflussen jedoch grundsätzlich die Weiterbildungsteilnahme älterer Beschäftigter.
Um das Weiterbildungsverhalten älterer Arbeitnehmer zu verstehen, scheinen neben der Beteiligung und den Hemmnissen auch die Eruierung der Beweggründe für eine berufliche Weiterbildung lohnenswert für den Konzeptionsprozess in Kapitel 6.3. Daher werden die Motive für eine Weiterbildung nachfolgend aufgezeigt.
3.2.3 Motive zur Weiterbildungsteilnahme
Die aktuellen Teilnahmemotive für den gesamten Bereich der Weiterbildung finden sich im AES von 2012 (vgl. Bilger et al., 2012, S. 227). An dieser Stelle wird jedoch der Bereich der beruflichen Weiterbildung von Erwerbstätigen fokussiert. Prozentual am Stärksten vertreten war die Aussage „ Berufliche Tätigkeit besser ausüben“ mit 60%, gefolgt von einer Wissens- und Fähigkeitenerweiterung mit 44% (vgl. Bilger et al., 2012, ebd.). Demnach erscheint der Ausbau der beruflichen Kompetenzen (vgl. Kap. 2.4 und 6.2) der Individuen bzw. Arbeitnehmer und ebenso der Unternehmen, wie Demary et al. (2013, S. 86) belegen, als primärer Beweggrund für eine Teilnahme an einer Weiterbildung. Zudem erhoffen sich 31% der Befragten eine Verbesserung ihrer beruflichen Chancen. Ebenso als Motive für die Teilnahme an einer beruflichen Weiterbildung, wurden die Verpflichtung zur Teilnahme (26%), die Sicherung des Arbeitsplatzes (22%) sowie verbesserte Aussichten auf einen Arbeitsplatz oder eine neue Stelle (14%) angegeben.
Die Teilnahmeverpflichtung zieht zwar eine Teilnahme an einer beruflichen Weiterbildungsmaßnahme nach sich, kann aber in erster Linie nicht als konkretes Teilnahmemotiv, sondern eher als Reaktion auf die „Anweisungen Dritter“ (vgl. Bilger et al., 2012, ebd.) gewertet werden. Bei diesem Motiv der Teilnahme kann mit Lernwiderständen seitens der Lernenden gerechnet werden (vgl. Kap. 4.3).
Für die Betrachtung der beruflichen Weiterbildung, speziell älterer Beschäftigter, scheint die Zusammenfassung von Demary et al. (2013, S. 88) angebracht, aus der zu entnehmen ist, dass sich die „Sicherung des Arbeitsplatzes“, die „Chance auf eine anspruchsvolle Tätigkeit“ und die „Verbesserung der Aufstiegschancen“ eher bei jüngeren und demnach weniger bei älteren AN als vordergründige Motive darstellen. Für die Motivation Älterer zur Teilnahme an einer beruflichen Weiterbildung müssen demnach andere Kriterien, wie z.B. spezielle Lehr - Lernmethoden, und -inhalte Beachtung finden (vgl. Demary et al., 2013, ebd.). Um diese Lehr- bzw. Lernmethoden alterssensibel gestalten zu können, ist es jedoch zunächst erforderlich, die Lernfähigkeit älterer Arbeitnehmer sowie die Einflüsse auf den Lernprozess dieser Zielgruppe zu verstehen. Dies soll im Folgenden geklärt werden.
4 Lernfähigkeit und Kompetenzen im Alter
In diesem Kapitel werden zunächst die Veränderungen der kognitiven Leistungsfähigkeit älterer Menschen im Lebensverlauf dargestellt. Im Anschluss daran wird der Blick auf die Lernkompetenz, die Lernmotivation und die Lernwiderstände älterer Arbeitnehmer gerichtet.
4.1 Das Defizitmodell des Alterns
Lange Zeit wurde davon ausgegangen, dass mit zunehmendem Alter die geistige Leistungsfähigkeit sukzessive und irreversibel abnimmt. Diese Annahme basiert auf Erkenntnissen amerikanischer Studien zu Intelligenz-messungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (vgl. Lehr, 2000, S. 46 f.). Der Begriff Intelligenz (lat. intelligere) soll dabei verstanden werden als „einsehen“ bzw. als „geistige Struktur […], die sich stufenweise zu einem immer vollkommeneren und umfassenderen Gleichgewichtszustand entwickelt“ (vgl. Böhm, 2005, S. 314 f.). Nach den Ergebnissen o.g. Studien sinkt die Intelligenzleistung eines Menschen ab dem 30. Lebensjahr sukzessive (vgl. Lehr, 2000, S. 47). Diese Sichtweise des graduellen Leistungsabfalls älterer Menschen wird in der Gerontopsychologie als sogenanntes Defizitmodell bezeichnet. Auf Grundlage dessen wurde ein Altersbild kreiert, welches ältere Arbeitnehmer als weniger produktiv und leistungsfähig darstellt und sie zu „gesellschaftlich nutzlosen Personen“ (vgl. BMFSFJ, 2010, S. 102) stigmatisiert. Altersbilder sind dabei laut Kade (2009, S. 18) zu verstehen als „gesellschaftliche Konstruktionen, die in der Gesellschaft zur Diskussion gestellt werden, um die Praxis zu rechtfertigen“ (vgl. Kap. 2.2). Das Altersbild des „älteren Arbeitnehmers“ scheint nach der Auffassung des Defizitmodells eine Legitimation für die Bevorzugung jüngerer Arbeitnehmer in der betrieblichen Praxis zu sein. Formulierungen wie „Weiterbildungsdistanz“, „geringe Veränderungsbereitschaft“ und „generationsspezifischer Nachhol-bedarf“ (vgl. Zimmermann, 2009, S. 51) veranschaulichen diese defizitorientierte Betrachtungsweise in Bezug auf das Altersbild des älteren Arbeitnehmers.
Zweifel an der Validität der Ergebnisse der Intelligenzmessungen aufgrund methodischer Mängel führten dazu, dass Anfang der 1960er Jahre erstmalig weitere Erklärungsmöglichkeiten (z.B. sozioökonomische Faktoren) untersucht wurden (vgl. Lehr, 2000, S. 82 f.). Beispielsweise wurde ein „deutlicher Zusammenhang zwischen der Dauer des Schulbesuchs und der kognitiven Leistungsfähigkeit im Alter“ identifiziert (vgl. Lehr, 2000, ebd.). Das kalendarische Alter konnte folglich als generalisierende Kausalität für einen Leistungsabfall im Alter nicht mehr ungeachtet weiterer Einflussfaktoren für sich allein stehen und es bedurfte daher einer Korrektur des Defizitmodells. Gegenwärtig wird die Sichtweise des Defizitmodells zwar in den wissenschaftlichen Disziplinen (Psychologie, Gerontologie etc.) abgelehnt, aus dem sechsten Altersbericht zur Lage der älteren Generationen geht jedoch hervor, dass immer wieder auf diese o.g. Korrekturen der negativen Altersstereotypien hingewiesen werden muss, da sie bis heute im Bewusstsein der Menschen bestehen (vgl. BMFSFJ, 2010, S. 9). Die Darstellung des Defizitmodells diente als Ausgangslage für die Betrachtung des kognitiven Leistungswandels, auf den nachfolgend eingegangen wird.
4.2Kognitiver Leistungswandel und Potenziale älterer Arbeitnehmer: Der Ansatz der Kompetenzentwicklung
Der Begriff „Kognition“ (lat. cognoscere) bedeutet „erkennen“ bzw. „erfahren“ und meint alle Prozesse der Aufnahme (Wahrnehmung), Verarbeitung (Wissensaufbau) und Speicherung (Gedächtnis) von Informationen (vgl. Tenorth & Tippelt, 2007, S. 408). Damit fasst die Psychologie alle informationsverarbeitenden Prozesse und ihre Ergebnisse zusammen, die mit dem Erkennen einer Situation zusammenhängen. Zu den kognitiven Fähigkeiten werden u.a. die Wahrnehmung und das Urteilen, aber auch das Erinnern und das Denken (vgl. Böhm, 2005, S. 362) gezählt.
Im Forschungsverlauf bezüglich des kognitiven Leistungswandels ergaben Untersuchungen, dass sich verschiedene geistige Funktionen im Lebensverlauf unterschiedlich verändern (vgl. Lehr, 2000, S. 78). Deshalb wurde das Konzept der allgemeinen Intelligenz differenzierter betrachtet und eine Unterscheidung zwischen der sogenannten fluiden und kristallinenIntelligenz vorgenommen (vgl. Lehr, 2000, ebd.). Die fluide Intelligenz bezieht sich auf das abstrakt-logische Denken und meint die Kontrolle von Informationen z.B. den schnellen und flexiblen Umgang mit Sinneseindrücken (vgl. Wild-Wall, Gajewski & Falkenstein, 2009, S. 299; Lehr, 2000, S. 78 f.). Die kristalline Intelligenz bezieht sich hingegen auf das pragmatisch-handlungsorientierte Denken und meint die Repräsentation von Informationen, z.B. in Form von Erfahrungs- und Faktenwissen (vgl. Wild-Wall et al., 2009 ebd.; Lehr, 2000, ebd.). Abbildung 2 veranschaulicht grafisch die ontogenetische Entwicklung dieser beiden Intelligenzformen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Grafische Darstellung der Entwicklung der kristallinen und fluiden Intelligenz im Lebensverlauf (vgl. Baltes & Baltes, 1992, S. 15)
Aus dieser Abbildung ist ersichtlich, dass mit zunehmendem Alter die fluide Intelligenz abnimmt, während ein Zuwachs des Leistungsvermögens der kristallinen Intelligenz zu verzeichnen ist. Bergmann (2007, S. 61) spricht in diesem Zusammenhang auch von „altersstabilen“ und „mit dem Alter abnehmende Fähigkeiten“. Anhand dieser Darstellung wird ersichtlich, dass das in Kapitel 4.1 dargestellte Defizitmodell nicht nur aufgrund zusätzlicher Einflussfaktoren, wie der Schulbildung, sondern auch infolge der zunehmenden kristallinen Intelligenz nicht weiter bestehen bleiben konnte. Von einem allgemeinen Nachlass der Lern- bzw. Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter kann demnach nicht ausgegangen werden. Die Wissenschaft spricht in diesem Zusammenhang auch von der „Plastizität“ (vgl. Hartmann, 2013, S. 56; Maier, 2010, S. 678, BMFSFJ, 2010, S. 85) des Gehirnes eines Menschen und meint damit, dass die Lernfähigkeit im Lebensverlauf erhalten bleibt (vgl. Kruse, 2010, S. 829). Es kommt also nicht zu einem Absinken der Leistungs- und Lernfähigkeit mit zunehmendem Alter, sondern zu einem Umbau der einzelnen geistigen Funktionen. Die folgende Tabelle zeigt eine Auswahl an möglichen zu- bzw. abnehmenden, geistigen Fähigkeiten im Alter.
Tab. 1: Darstellung der psychischen Funktionen im Lebensverlauf (in Anlehnung an Hartmann, 2013, S. 57 und Schemme, 2003, S. 38)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abnehmende Funktionen, wie z.B. eine nachlassende kognitive Reaktions-geschwindigkeit (fluide Intelligenz) älterer Arbeitnehmer können, wie in der rechten Spalte der Tabelle ersichtlich ist, durch eine hohe soziale und fachliche Kompetenz (kristalline Intelligenz), z.B. der Vertrautheit mit Betriebs-strukturen und -abläufen, im Verlaufe des Arbeitslebens kompensiert werden (vgl. dazu auch BMBF, 2011, S. 7). Das heißt, während die Auffassungsgabe und die Reaktionsschnelligkeit mit zunehmendem Alter nachlassen, steigt die Fähigkeit des kompetenten Umgangs mit komplexen Sachverhalten und alternativen Handlungsstilen (vgl. Kruse, 2010, S. 828; Wild-Wall, 2009, S. 303, Rump & Eilers, 2007, S. 45). Es existieren gegenwärtig ein Vielzahl von Studien, die älteren Mitarbeitern erhebliche Leistungspotenziale bestätigen (vgl. BMFSFJ, 2010, S. 90). Unter dem Begriff Potenzial wird bildungssprachlich „die Gesamtheit aller vorhandenen, verfügbaren Mittel, Möglichkeiten, Fähigkeiten und Energien“ verstanden (vgl. Duden, 2014b). Demnach können die Funktionen in der mittleren und besonders der rechten Spalte der oben dargestellten Tabelle als Potenziale älterer Arbeitnehmer angesehen werden. Und so scheint es nicht verwunderlich, dass dem heute abgelehnten Defizitmodell des Alterns u.a. der Ansatz der Kompetenz-entwicklung entgegengesetzt wird, der auf den Erhalt ihrer Leistungs- und Beschäftigungsfähigkeit ausgerichtet ist (vgl. Geldermann, 2007, S. 29). Dieser Ansatz ist in seiner Bedeutung nicht neu, denn schon in den 1970er Jahren löste das sogenannte Kompetenzmodell[6] des Alterns das Defizitmodell ab und betonte die Leistungsfähigkeit und die Stärken der älteren Menschen (vgl. Hartmann, 2013, S. 23).
Das Wissen um die bestehende kognitive Leistungsfähigkeit älterer Menschen stellt jedoch noch keinen Garant für einen Lernerfolg im Rahmen der hier fokussierten, alterssensiblen Weiterbildung dar. Aus diesem Grund wird im weiteren Verlauf auf die Lernkompetenz, die Lernbereitschaft sowie auf die Lernwiderstände älterer Lernender eingegangen.
4.3 Lernkompetenz, -bereitschaft und -widerstände älterer Lernender
Neben der kognitiven Leistungsfähigkeit und ihren Veränderungen im Lebensverlauf hat eine Vielzahl von weiteren Faktoren Einfluss auf das Lernen im späteren Erwachsenenalter. Lernkompetenz, Lernbereitschaft und Lernwiderstände werden für die Konzeption der Weiterbildungsmaßnahme in Kap. 6 als besonders beachtenswert eingeschätzt und im Folgenden dargestellt. Die Lernkompetenz kann als ein Konglomerat aus kontextabhängigen Fähigkeiten einer Person zur Erbringung bestimmter (kognitiver) Leistungen verstanden werden (vgl. Stamov Roßnagel & Picard, 2010, S. 308) und ist nicht zu verwechseln mit der in Kap. 4.2 dargestellten, kognitiven Leistungsfähigkeit respektive Intelligenz. Stamov Roßnagel und Picard (2010, ebd.) weisen explizit darauf hin, dass die Intelligenz eine kontextunabhängige, nur bedingt erlernbare Fähigkeit darstellt, währenddessen die Lernkompetenz vom Lernkontext abhängt und trainierbar ist. Ist es möglich, die Lernkompetenz zu schulen, so kann sie andererseits durch die Problematik der Lernentwöhnung, die bei älteren Lernenden nicht auszuschließen ist, auch ver-loren gehen. In diesem Zusammenhang erscheint daher die Berücksichtigung der Bildungsgeschichte eines Lernenden bedeutsam. Kade, (2009, S. 43; vgl. auch Maier, 2010, S. 678) verweist auf die Signifikanz der Kontinuität des Lernens im Lebensverlauf für die Lernprozesse im höheren Erwachsenenalter.
„Wer sich ohnehin ein Leben lang durch ständiges Weiterlernen auf dem Laufenden hielt, wird auch im Alter freiwillig eher Bildungsanstrengungen auf sich nehmen“. (vgl. Kade, 2009, S. 119)
Kade meint damit, dass es älteren Lernenden leichter fällt, neues Wissen zu internalisieren und gedankliche Verknüpfungen herzustellen, wenn sie derartige kognitive Anstrengungen gewohnt sind. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass sich der Akt des (Neu-)Lernens umso schwieriger gestaltet, je stärker eine Lernentwöhnung des Lernenden gegeben ist.
Die Lernkompetenz erstreckt sich entlang der folgenden vier Dimensionen (vgl. Boekaerts, 1999, zitiert nach Stamov Roßnagel & Picard, 2010, S. 308):
- Ermittlung des eigenen Lernbedarfs: Das Wissen um die eigenen Fertig- und Fähigkeiten und derer, die es im Lernprozess zu erweitern gilt.
- Setzen von Lernzielen: Realistische Lernziele setzen und konkretisieren.
- Auswahl geeigneter Lernstrategien: Kenntnis des eigenen Lernstils/ der beherrschten Lernstrategien (z.B. Einzellernen oder Gruppenlernen).
- Kontrolle des eigenen Lernfortschritts: Überwachung der Lernzielerreichung nach Abschluss des Lernprozesses.
Anhand dieser Darstellung wird deutlich, dass in formalisierten Weiterbildungsmaßnahmen der Grad der Anforderungen an die Lern-kompetenz der Lernenden mit hoher Wahrscheinlichkeit niedriger ist, als beispielsweise beim informellen Lernen. Dies scheint zum einen daran zu liegen, dass sich das Setting noch immer häufig „schulklassenähnlich“ (vgl. Kauffeld, 2010, S. 80) darstellt und der Seminarleiter die oben genannten Dimensionen der Lernkompetenz im Zuge der Seminarkonzeption über-wiegend selbst übernimmt. Das heißt, dass er u.a. die Lernziele und Trainings-methoden festlegt (vgl. Quilling & Nicolini, 2009, S. 16 f.). Die Anforderungen an die Lernkompetenz der Lernenden sind demnach abhängig von der geforderten Eigenleistung der Lernenden durch die Seminarleitung bzw. dem Freiraum, den der Dozent den Lernenden innerhalb des Lernprozesses einräumt.
Die Lernbereitschaft ist ein Teilbereich der Lernkompetenz (vgl. Stamov Roßnagel, 2011, S. 58) - synonym wird auch der Begriff Leistungsmotivation (vgl. Meyers enzyklopädisches Lexikon, 1975, S. 836) verwendet - und scheint einen besonderen Einfluss auf das Lernen älterer Menschen zu haben. Unter der Leistungsmotivation wird „die Bereitschaft eines Menschen, Leistungen auf bestimmten Gebieten zu erbringen“ (vgl. Brunner & Zeltner, 1980, S. 132) verstanden. Ältere Arbeitnehmer sind motivierter (lernbereiter) und lernen effektiver, wenn die Inhalte der Weiterbildung einen lebenspraktischen Bezug aufweisen, d.h. in direkter Relation zu den Problemen ihres Arbeitsplatzes stehen und zudem auf ihrem bereits bestehenden Erfahrungswissenaufbauen (vgl. Demary, 2013, S. 88; Zwick, 2012, S. 17, Kade, 2009, S. 119 f.). Bergmann (2007, S. 66) spricht auch von den „Verwertungsmöglichkeiten“ des Gelernten im Arbeitsalltag. Auf den Nutzen bzw. die Zielstellung der in dieser Studie konzipierten Maßnahme wird in Kap. 6.2 eingegangen.
Einen Einfluss auf die Leistungsmotivation übt ebenso die Einstellung des Lernenden zum Lernprozess aus. Lerneinstellungen lassen sich auf die Bildungsbiografie eines Menschen zurückführen. Zimmermann (2009, S. 8 f.) konstatiert, dass Lernen ein Gefühl des Unbehagens bei älteren Lernenden auslöst, da sie es noch immer als „Übergangsphase zum Können“ und Weiterbildung demzufolge als „Eingeständnis von Nichtkönnen“ verstehen. Demnach ist vorstellbar, dass Lehrende in ihrer Arbeit mit Älteren vermehrt mit negativen Einstellungen, aufgrund unangenehmer Emotionen in Verbindung mit vergangenen Lernerfahrungen, konfrontiert werden können. Auch Kruse (2010, S. 831) stellt fest, dass die „in früheren Lebenslagen […] im Kontext von Bildungsangeboten und -institutionen jeweils gewonnenen Erfahrungen“ sich entscheidend auf die „Bildungsmotivation […] in den späteren Jahren“ auswirken.
Einen weiteren Einfluss auf den Lernprozess und die Leistungsmotivation Älterer hat die Art des Lernens. Zimmermann et al. (2008, S. 10) verweisen darauf, das ältere Arbeitnehmer selbstgesteuertes Lernen dem Lernen in seminaristischer Form vorziehen. Diese Selbststeuerung bezieht sich laut Kade (2009, S. 128) jedoch lediglich auf die Weiterbildungsthemen und Lernformen und nicht auf den gesamten Lernprozess. Die heute älteren Arbeitnehmer sind häufig an eine Wissensvermittlung mittels Frontalunterricht gewöhnt und können schnell mit einem erhöht selbstzusteuernden Lernprozess überfordert werden (vgl. Kade, 2009, ebd.). Zudem präferieren ältere AN vornehmlich informelle anstelle formaler Lernformen. Während formales Lernen „in Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen stattfindet und zu einem anerkannten Abschluss führt“, wird informelles Lernen als „natürliche Begleiterscheinung des täglichen Lebens“ (vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, 2000, S. 9) verstanden. Die bevorzugten Kategorien des informellen Lernens Älterer liegen dabei hauptsächlich auf dem „Erfahrungsaustausch“ und dem „eigenständigen Lesen berufsbezogener Fachliteratur“ (vgl. Zimmermann et al., 2008, S. 8). Negative Emotionen aufgrund der Erfahrungen aus der eigenen Schulzeit, Lerndistanz (Lernentwöhnung) und die Ablehnung formal ausgerichteter Weiterbildungsangebote bezeichnet Zimmermann (2009, S. 63) auch als Lernwiderstände seitens der älteren Lernenden. In diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, dass schon die Ausschreibung der Maßnahme zu Lernwiderständen führen kann. Die Bezeichnung „für Ältere“ beispielsweise erinnert eher an eine Stigmatisierung älterer AN - ähnlich dem Defizitmodell (vgl. Kap. 4.1) - als an eine Beschreibung einer bestimmten Zielgruppe. Laut des 6. Altersberichts legen ältere Teilnehmer in Weiter-bildungsmaßnahmen großen Wert auf einen wertschätzenden Umgang und wollen als Wissensträger anerkannt werden (vgl. BMFSFJ, 2010, S. 82).
Gilt es, wie in dieser Studie, eine alterssensible Weiterbildungsmaßnahme zu konzipieren, welche die Bedürfnisse älterer Lernender im Lernprozess berücksichtigen soll, so wird es zwingend notwendig, auf ihre Lernkompetenz, Lernmotivation und Lernwiderstände einzugehen (Zimmermann, 2009, S. 63 f.). Ebenso müssen individuelle Einstellungen und bestehende Erfahrungen der Lernenden eruiert und „in Abhängigkeit zu ihrer Bildungs- und Erwerbsbiografie“ (BMFSFJ, 2010, S. 83) gesetzt werden. Es stellt sich an diesem Punkt die Frage, welche Lernform sich zur Umsetzung der aufgezeigten Kriterien anbietet. Als Lösungsansatz wird das Problemorientierte Lernen gewählt, welches nachfolgend vorgestellt werden soll.
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[3] Für diesen Vergleich konnten keine Daten für die in dieser Studie betrachtete Gruppe der 45 - 65 Jährigen identifiziert werden. Es wird daher an dieser Stelle der Teilbereich der 55 - 65 Jährigen betrachtet, ohne einen verallgemeinernden Anspruch zu erheben.
[4] Die Befragungen des BSW wurde von 1979 bis 2007 im Abstand von zwei bis drei Jahren durchgeführt (vgl. Bilger et al., 2012, S. 344).
[5] Es existieren zahlreiche weitere Erhebungssysteme, die sich u.a. auf Teilbereiche der Weiterbildung konzentrieren, z.B. der Mikrozensus (MZ) oder das Sozioökonomische Panel (SOEP). Außerdem können Einzelinformationen zur Weiterbildungsbeteiligung älterer AN aus Berichten, z.B. dem nationalen Bildungsbericht „Bildung in Deutschland“ oder speziellen Zusammenstellungen, z.B. dem „Alten-bericht“ vom BMBFSJ entnommen werden. Aus Gründen des Umfangs des Buches wurde die Darstellung auf die o.g. Datenquellen beschränkt.
[6] Neben dem Kompetenzmodell wurden dem Defizitmodell weitere Theorien zum Altern in den vergangenen Jahrzehnten entgegengesetzt. Eine übersichtliche Zusammenstellung findet der interessierte Leser bei Hartmann (2013, S. 20 ff.).
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Erstausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2014
- ISBN (PDF)
- 9783958206076
- ISBN (Paperback)
- 9783958201071
- Dateigröße
- 1.8 MB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- FernUniversität Hagen
- Erscheinungsdatum
- 2015 (Februar)
- Note
- 1
- Schlagworte
- Demografischer Wandel Lebenslanges Lernen Ältere Arbeitnehmer Problemorientiertes Lernen Kompetenzentwicklung Berufliche Weiterbildung