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Einfluss des Tourismus auf die Schul- und Lebenslaufbahn der Costa-Ricaner in ländlichen Gegenden

©2011 Diplomarbeit 51 Seiten

Zusammenfassung

Die vorliegende Diplomarbeit befasst sich mit der Schul- und Lebenslaufbahn der Costa-Ricaner1 in drei ländlichen Gebieten Costa Ricas: Longo Mäi, Tortuguero und Península de Osa. Der Tourismus hat in diesen Orten in den letzten Jahren zugenommen und tangiert das Leben der Einheimischen in verschiedenen Bereichen, so auch im Bildungswesen. Die Leitfrage der Studie umfasst die Hoffnung auf sozialen Aufstieg durch Bildungsaufstieg und die damit verbundene Frage, inwieweit die Schullaufbahn der Costa-Ricaner- und somit auch ihre Lebenslaufbahn - vom Tourismus geprägt werden.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


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Sozialer Aufstieg bezeichnet die Veränderung der Zugehörigkeit zu einer
sozialen Schicht - beziehungsweise zu einer Einkommensgruppe oder
Qualifikationsstufe - nach oben (Schäfers, 2003). In modernen Gesellschaften
geht der soziale Aufstieg oftmals mit einem Bildungsaufstieg einher. Inwiefern
erhoffen sich die Costa-Ricaner einen sozialen Aufstieg infolge Bildung?
Welche Rolle spielen die Einkünfte, die die Tourismusbranche einbringen?
Welcher Art von Konflikten sind die Costa-Ricaner bei einer Abweichung vom
traditionellen Leben, unter anderem durch den Einfluss des Tourismus,
ausgesetzt?
Bevor ich diese Fragestellungen eingrenze, gehe ich im Folgenden kurz auf
das Thema Tourismus ein. Schliesslich sah ich mich während meines
vierwöchigen Aufenthaltes in Costa Rica im Juli 2010 immer wieder
verpflichtet, nicht nur meine Rolle als mich weiterbildende Lehrerin, sondern
auch als Touristin mitzureflektieren.
Tourismus
Neben der Kaffee-, Zuckerrohr- und Früchteproduktion ist der Tourismus eine
der stärksten Wirtschaftsbranchen Costa Ricas. Durch die Zunahme des Öko-
und Abenteuer-Tourismus haben sich auch alternative Formen von Tourismus,
wie zum Beispiel der Projekttourismus, verbreitet. Der Einfluss, der durch den
Fremdenverkehr erzielt wird, erreicht folglich verschiedene und breite Teile
der Gesellschaft, auch die ländliche Bevölkerung.
Bereits Ueli Mäder (1988) hat in seinem Buch
Vom Kolonialismus zum
Tourismus ­ von der Freizeit zur Freiheit
auf die Schattenseiten des
modernen Fremdenverkehrs für die einheimische Bevölkerung hingewiesen.
War man damals verlockt die "Wilden" zu zivilisieren, so wird heute im
Tourismus versucht, aus den alten Stammesgewohnheiten der Einwohner
Kapital zu schlagen.

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Konflikt
Den Konflikt, der sich daraus ergibt, möchte ich wie folgt beschreiben: obwohl
der Tourismus ein Interesse an Tradition und Kultur - also auch an
authentischen Lebensgewohnheiten der Bewohner eines Landes- hat,
erfordert er eine gewisse Kontinuität der Gewohnheiten der westlich -
industriellen Welt, die sich in der modernen Infrastruktur, in
Kommunikationsmitteln, Unterhaltungsmethoden oder anderen
Freizeitangeboten widerspiegelt. Diese modernen Einwirkungen stehen im
Kontrast zu den traditionellen Wirklichkeiten, deren Kennenlernen ja auch oft
Ziel einer Auslandreise darstellet.
Andererseits schafft der Tourismus Arbeitsplätze ausserhalb des primären
Sektors und kann so zu einem Wirtschaftswachstum beitragen. Der
steigende Wohlstand kommt auch den unteren Bevölkerungsschichten
zugute, gegebenenfalls durch einen entsprechenden Trickle-down-Effekt
2
.
Infolgedessen billigen oft auch Einheimische diese Branche. Dabei werden die
Einwohner mit einer anderen Lebensweise konfrontiert, nämlich mit den
Einflüssen und Bedürfnissen der westlich-industriellen Welt, die ein Gegensatz
zu ihrer herkömmliche Lebensart und ihren finanziellen Mitteln darstellt.
Der Konflikt, der durch den Tourismus in der Gesellschaft auf der Makroebene
verursacht wird, kann zu einem Konflikt auf der Mikroebene werden und somit
das Individuum erreichen. Es geht dabei um eine strukturelle Auffassung des
Konfliktes, der auf der Mikroebene basiert. Auch wenn der Konflikt auf der
Mikroebene latent ist, beeinflusst er die Meso- und Makroebene.
Fragestellung
Die Costa-Ricaner müssen sich immer wieder mit dem Tourismus
auseinandersetzten, oft schon in sehr jungen Jahren. Daraus ergibt sich
folgende Hypothese: die blühende Tourismusbranche hinterlässt in Costa Rica
auf verschiedenen Gebieten Spuren, so auch auf dem Bildungsweg. Die
Schullaufbahn - und damit auch die Lebenslaufbahn - sind davon geprägt.
2
Trickle-Down-Effect: Durchsickereffekte; über Kapitaltransfers ausgelöste
Wachstumsprozesse sickern auch auf die Lebensverhältnisse der Masse der armen
Bevölkerung durch. Ihr Ausbleiben hat zur Entwicklung von Strategien zur
Armutsbekämpfung beigetragen (
http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/trickle-
down-effekte.html
; 03.02.2011).

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Im Zentrum der Analyse der vorliegende Studie steht nun das Phänomen der
Hoffnung auf sozialen Aufstieg durch Bildungsaufstieg und die damit
verbundene Frage, inwieweit der Kontakt mit dem Tourismus die
Schullaufbahn und damit die Lebensgeschichten der Costa-Ricaner
beeinflusst.
Relevanz
Im Zusammenhang mit der Kolonisationsgeschichte Costa Ricas erscheint
diese Frage als relevant. War es einst die Iberische Halbinsel, die die Bildung
in den Kolonien vorschrieb, so wird sie heute durch den Entwicklungsdruck
und die Globalisierung, aber auch durch den Tourismus, wiederum aus
anderen reicheren Ländern beeinflusst.
Weiter ergibt sich eine gewisse Relevanz daraus, dass es bei Bildungsfragen
letztendlich auch um soziale Unterschiede sowohl bei der Akkumulation von
Kulturkapital als auch beim Einstieg und Aufstieg auf dem Arbeitsmarkt geht.
Diese Ungleichheit impliziert stets vielfältige Konflikte zwischen den
gesellschaftlich Benachteiligten und den Bevorzugten, insofern dass ein
Streben nach Chancengleichheit nicht gleichermassen akzeptiert oder
nachhaltig gefördert wird. Dazu gab Prof. Dr. R. Stichweh folgendes zu
bedenken: angesichts der Tatsache, dass eine funktionierende Wirtschaft nur
dort existieren kann wo eine funktionierende Bildung da ist
3
, gewinnt das
Human- und Kulturkapital an Bedeutung.
3
Modul: Prof. Dr. R. Stichweh 18./19.6.2010

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Forschungsstand
Meines Wissens gibt es keine Studie, die den Einfluss des Tourismus auf die
Bildungslaufbahn in Costa Rica analysiert hätte. Aus der Studie von Alfred
Treml (1996) über den Stellenwert der Entwicklungspädagogik in Österreich
und Deutschland wird ersichtlich, dass für diese deutschsprachigen Ländern
die Bedeutung der Bildung in den Entwicklungsländern kontinuierlich abnimmt.
Ebenso die Bedeutung einer didaktischen Reflexion und Aufbereitung.
Massgebend dafür soll unter anderem die Tatsache sein, dass viele
Entwicklungsländer zwar abhängig von ihrer Umwelt bleiben, aber ihre
Umweltkontakte nach Massgabe eigener Kriterien selber bestimmen und
organisieren. Insofern erarbeiten zum Beispiel viele Entwicklungsländer ihre
Lehrpläne selbst und suchen den Austausch oder die Konkordanz mit
fremden schulischen Institutionen nur dort wo sie es für angebracht sehen.
Mit Entwicklung, Pädagogik und sozialer Hoffnung haben sich jedoch
zahlreiche Autoren auseinandergesetzt. Im Folgenden stelle ich diejenigen dar,
die den Referenzrahmen dieser Arbeit bilden.
Der brasilianische Pädagoge Paolo Freire, der während seines Exils an der
Universität Genf gelehrt hat, entwickelte in den siebziger Jahren didaktische
Methoden zur Alphabetisierung der einheimischen Bevölkerung. Bei seinem
Konzept sind die Lehrer gleichzeitig Schüler und umgekehrt. Er entdeckte,
dass jeder Erwachsene in vierzig Stunden lesen lernen kann, wenn die ersten
Worte, die er entziffert, für ihn eine wichtige politische Bedeutung tragen. Sein
Leitgedanke war, dass Bildung den Menschen die Präsenz in der Welt zu
begreifen ermöglicht. Erst durch diese Reflexion kann sich der Mensch
handelnd für ein Morgen einbringen.
Freires Schüler, Ivan Illich, hat die Bildungstandards für die
lateinamerikanischen Länder kritisiert. Die Schule unterteilt die Gesellschaft in
zwei Bereiche: einen akademischen und einen nicht akademischen.
Chancengleichheit an der Schule ist für ihn nicht erreichbar, ja prinzipiell

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wirtschaftlich absurd. Da die meisten Menschen das meiste von dem was sie
wissen ausserhalb der Schule lernen und weil die Schule als Institution
Unterordnung mit der Einweisung in gesellschaftlichen Rollen verbindet, hat er
die ,,Entschulung" propagiert. Dabei hat er Ansätze zu modernen didaktischen
Methoden, wie das Aneignen von Wissen durch induktive Vorgehensweisen,
ersinnt.
Über die strukturelle Abhängigkeit der ärmeren Länder und ihren
Zusammenhang mit der Grundlegung eines Curriculums haben zum Beispiel
Jürgen Markstahler (1973) oder Frank Bliss (1993) reflektiert. Letzterer
verknüpft die Befreiung von Abhängigkeiten mit der Lehre von Fertigkeiten und
Techniken zur Lebensunterhaltssicherung. Das Erlernte müsste direkt
angewendet werden können. Die 12 jährige institutionalisierte Bildung ist für
die grosse Masse in den Ländern des Südens sinnlos, unter anderem weil der
Besuch der Schule oft mit einer Loslösung aus der Gesellschaft der Schüler
verbunden ist.
Eine Reihe zeitgenössischerer Autoren erscheinen im Buch
Pédagogies et
Pédagogues du Sud
von Abdeljalil Akkari und Pierre Dasen (2004). Auch hier
werden der curricularen Laufbahn alternative Formen des Lernens
entgegengesetzt, so wie das Theater, das den Schülern verhelfen soll das
Imaginäre auch im Leben umzusetzen. Eine weitere Lernmethode entspricht
einer Art Berufslehre, die durch das direkte Ausüben des Berufes erlernt
wird. Zur Diskussion steht, ob sich diese praxisorientierte Form der
Ausbildung nur für handwerklich-technische Berufe eignet oder sich auch auf
akademische ausweiten lässt.
Theodor Schulze (2002) hat die Biographieforschung der Allgemeinen
Erziehungswissenschaft angenähert. Obwohl es schon viel früher Ansätze für
biographische Beobachtungen in pädagogischer Hinsicht gab (Comenius,
Kant, Rousseau, Pestalozzi oder Humboldt) konzentrierte die Pädagogik ihre
Aufmerksamkeit lange noch auf die Begründung und Ausbildung eines
öffentlichen Erziehungswesens. Sie verstand sich als eine Handlungstheorie,
eine Anleitung zur professionellen Berufstätigkeit in pädagogischen

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Institutionen. Heute ist die Pädagogik nicht nur eine Praxis anleitende Theorie,
sondern eine Wissenschaft, welche die Bedingungen der Praxis reflektiert.
Die öffentliche Erziehung ist nicht auf die besonderen Probleme einer
individuellen Biographie, sondern auf die Anforderungen der Gesellschaft
ausgerichtet. Die in den pädagogischen Einrichtungen tätige Lehr- und
Erziehpersonen haben es in der Regel auch nicht mit einem einzigen Kind oder
Jugendlichen zu tun, sondern mit einer Gruppe, einer Klasse. Ihre Arbeit ist
vordergründig auf relativ begrenzte Ziele ausgerichtet ­ auf die Vermittlung
von Kenntnissen und Fertigkeiten, wobei auch die Beseitigung von Störungen
und Fehlverhalten Teil dieser Arbeit sein kann. Die Gestaltung einer Biographie
steht zwar im Hintergrund der Arbeit, aber sie ist selten unmittelbarer
Gegenstand der Aufmerksamkeit und Entscheidung.
Durch das qualitative Verfahren der Biographieforschung, insbesondere die
Methode des biographischen narrativen Interviews, das inzwischen in den
meisten Teildisziplinen und Forschungsfeldern der Erziehungswissenschaft
eingesetzt wird, ist für die Erziehungswissenschaft gemäss Schulze (2002,
S.29) ein erheblicher Zuwachs an relevanten Informationen gewonnen.
Biographische Dokumente eignen sich besonders dazu, eine Reihe von
allgemeinen theoretischen Konzepten und Problemstellungen zu
konkretisieren, differenzieren oder weiterzuführen. Schulze (2002)
unterscheidet vier Horizonte für die Wirksamkeit der Erziehung: das
individuelle Subjekt, der biographische Prozess, der soziale Raum und der
historische Wandel der Gesellschaft. Die Biographieforschung ist jedoch so
wenig wie die Allgemeine Erziehungswissenschaft anwendungsbezogen. Es
lassen sich kaum direkte Anweisungen für die praktische Erziehungsarbeit,
noch für bildungspolitische Entscheidungen entnehmen. Ihre Funktion ist nicht
so sehr eine pragmatische als eine kritische.
Der Soziologe Pierre Bourdieu wies bereits in den 60er Jahren darauf hin,
dass durch eine Erhöhung der Bildungsniveaus einer Gesellschaft die damit
angestrebte Erhöhung der Berufschancen nicht immer erreicht wird. In
Die
verborgenen Mechanismen der Macht
benutzt er im Zusammenhang mit
diesem Bildungsparadox den Begriff ,,Inflation der Bildungsabschlüsse".
Die
Illusion der Chancengleichheit
beschreibt wie soziale Armut sich auch in der

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Schule reproduziert und somit Schüler aus sozial benachteiligten Klassen, im
Vergleich zu den bessergestellten, geringere Chancen haben
4
.
Bourdieu schreibt: ,,diese typische funktionalistische Definition der
Erziehungsfunktionen ignoriert den Beitrag, den das Erziehungssystem zur
Reproduktion der Sozialstruktur leistet, indem es die Vererbung von
kulturellem Kapital sanktioniert. (...) Der schulische Ertrag hängt vom
kulturellem Kapital ab, das die Familie zuvor investiert hat. Ebenso hängt der
ökonomische und soziale Ertrag des schulischen Titels vom ererbten sozialen
Kapital ab, das zu seiner Unterstützung zum Einsatz gebracht werden kann"
(Bourdieu, 2009, S.114). Obwohl die sozialen Akteure in ein gesellschaftliches
Regelwerk eingebunden sind, haben sie gleichzeitig eigene
Handlungsspielräume in der praktischen Umsetzung dieser Regeln. Diesem
Wechselverhältnis und dem Transfer kulturellen Kapitals in der
Mehrgenerationenfolge hat die Studie von Brake und Kunze (2004) Rechnung
getragen.
Besonders hilfreich war für diese Arbeit die Doktorarbeit von Ulrich Erhardt
(1993),
Demokratie durch Bildung? Das Fallbeispiel Costa Rica
. In ihr wird der
Idealisierung des Bildungswesens nachgegangen. Primär versucht der Staat
durch das Bildungswesen in den verschiedenen historischen
Entwicklungsphasen seine Modernisierungs- und Entwicklungspläne zu
verwirklichen, unter anderem seinen eigenen Herrschaftsanspruch zu
sichern. Die Opferrolle wird selbst im demokratischen Staat wie Costa Rica
stigmatisiert. Die Ursachen der eigenen Strukturkrise sollen der Dependenz
der westlich industriellen Welt zugeschrieben werden, statt sie bei sich selbst
zu suchen. Dabei führte zum Beispiel der gehobene Konsum im Inland, der
Export und der Tourismus dazu, dass die agrarische Selbstversorgung nicht
mehr gelang und selbst Reis, Bohnen und Milch vorübergehend importiert
wurden. Somit werde der ,,Morbus Latinus" (Erhardt, 1993, S.52) angepeilt.
Dies bedeutet unter anderem, dass die traditionell relativ starke und
staatstragende Mittelschicht Costa Ricas rapide schwindet und die Kluft
zwischen Arm und Reich weiter wächst.
4
Gespräche mit Prof. Dr. U. Mäder und Simone Rudin.

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Das Schulsystem Costa Ricas geriet spätestens seit der Weltwirtschaftskrise
der 20er und 30er Jahre in eine tiefe Krise. Folgende Bildungsziele konnten
trotz beträchtliche Fortschritte nur in Ansätzen oder überhaupt nicht
realisiert werden:
a) die Erhöhung des Bildungsniveaus, insbesondere auf dem Land
b) die stärkere Integration des Landes
c) die Modernisierung der Lehrinhalte, Lehrmethoden, Lehrpersonals
und der Infrastruktur
d) die Umorientierung von der bisher akademisch ausgerichteten
lebensfremden hin zu einer praxisbezogenen, lebensnahe Ausbildung
e) die Aufrechterhaltung des relativ hohen Prozentsatzes der laufenden
Haushaltsausgaben für das Bildungswesen.
Jedoch dienen diese Punkte als Orientierungsrahmen und kritischer
Massstab zukünftiger Bildungsentwicklung.
Neben historischen Daten finden wir in diesem Werk auch eine ausführliche
Beschreibung des costaricanischen Schul- und Universitätssystem, sowie
deren Reformen.

12
Methode
Während meiner vierwöchigen Reise im Juli 2010 in Costa Rica habe ich mit
Einheimischen aus verschiedenen Regionen des Landes Gespräche über
Schul- und Lebenslaufbahnen geführt. Hauptsächlich habe ich die Technik des
Leitfadeninterviews angewendet. Narrative Elemente, angelehnt an die
Biographieforschung (Fuchs-Heinritz, 2005), waren auch vorgesehen. Als
Lehrerin war es nicht schwer gegenüber den Informanten mein Interesse an
der Schulen und der Bildung zu legitimieren. Es war mir wichtig, sämtliche
Gespräche frei und möglichst ungezwungen zu gestaltet. Aufnahmen fanden
deshalb keine statt. Dagegen habe ich gleich nach den Gesprächen
Erinnerungsprotokolle geführt und auch Beobachtungen notiert. Manchmal
habe ich gewisse Zahlen oder aussagekräftige Angaben direkt in mein
Notizheft auf Spanisch notiert. Im Allgemeinen sind meine Notizen ins
Deutsche übersetzt. Aus Gründen der Authentizität kommen aber auch
spanische Belegstellen vor.
Für diese Arbeit habe ich 12 Informanten und 2 Informantengruppen aus drei
verschiedenen Orten zum Thema Schule und Bildung ausgesucht, deren
Aussagen mir für meine Fragestellung als relevant erscheinen. Gemeinsam
haben sie, dass sie Kontakt zum Tourismus haben, obwohl sie in ländlichen,
beziehungsweise naturgeschützten Orten, wohnen oder arbeiten. Es handelt
sich dabei um das Dorf Finca Sonador, das ich im Folgenden mit Longo Maï
bezeichne, da die Einwohner selber ihr Dorf nach dessen Gründer nennen;
sowie um das Dorf Tortuguero und die Península de Osa
5
.
5
Im Anhang werden diese Orte näher beschrieben.

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Folgende Tabelle stellt die Informanten und ihre ortsbezogene Verteilung kurz
dar. In Klammern steht eine Alterseinschätzung meinerseits oder das
Schuljahr, das sie im Juli 2010 besuchten.
ORT INFORMANTEN
Longo Maï
Marta: Mutter von Hazer, Adrían und Johanna (45-55 Jahre)
Hazer (5. Schuljahr)
Adrián (5. Schulljahr)
Johanna (8. Schuljahr)
Eva: Schulkameradin und Freundin von Hazer (5. Schuljahr)
Ana Julia Barboza: Grundschullehrerin und Direktorin (45-50
Jahre)
Alexandra:, freiwillige ,,Zirkuspädagogin" aus Österreich für das
Strassenkinderprojekt ,,Vida Nueva". (zwischen 20 -30 Jahre)
Colegio San
Pedro Pérez
Zeledón
Gruppe 1: 4 Schülerinnen (10. und 11. Schuljahr)
Gruppe 2: 2 Schülerinnen und 2 Schüler (11. Schuljahr)
Sodaverkäuferin: Mutter (und Tochter) (40-50 Jahre)
Tortuguero Don
Chico: privater und offizieller Touristenführer im Parque
Nacional de Tortuguero. (60 Jahre)
Gustavo: Bootticketverkäufer von La Pavona (Festland) nach
Tortuguero. Er wohnt auf einer nahen Kanalinsel in San
Francisco. (19 Jahre)
Península de
Osa
Laura: Studentin der Umweltwissenschaft in Cartago, führt
während der Ferien die Touristen in Puerto Jiménez durch die
Mangrovenkanäle. (20-25 Jahre)
Elier: arbeitet nahe des Parque Nacional de Corcovado in einem
Hotel (20-25 Jahre)
Es geht hervor, dass ich mich vor allem auf die Schulsituation der Bewohner
von Longo Maï und Pérez Zeledón konzentriert habe, da ich mich in diesem
Ort am längsten aufgehalten habe. Im Folgenden geht es nicht darum, das
ganze Interviewmaterial in möglichst umfassender Form zu beschreiben,
vielmehr werden die als relevant identifizierten Dimensionen herausgearbeitet.
Ich werde die Interviewprotokolle in Aussagen zerlegen, um sie dann für sich

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zu interpretieren und nach Gesichtspunkten zu ordnen, die für meine
Fragestellung interessant sind. Bei dieser Querschnittsauswertung werde ich
nur einen Teil dieser Interviews berücksichtigen, der im Hinblick auf das
konstruierte Kategoriensystem auch aussagekräftig erscheint. Angeleitet
durch meine Fragestellung werde ich die Antworten einem dreiteiligen
Kategoriensystem zuordnen: 1. Hoffnung auf sozialen Aufstieg und
Bildungsaufstieg, 2. Bildungsabbruch, 3. Einfluss des Tourismus. Die anderen
Interviews ziehe ich gegebenenfalls als Vergleichsmaterial bei.
Der Inhalt und das Gewicht des autobiographischen Materials lässt sich im
Einzelnen nicht voraussehen. ,,Er kann erst im Verlauf der Analyse genauer
bestimmt und konzipiert werden. Aus diesem Grund sind die Gesichtspunkte
und Kategorien der Analyse dem Datenmaterial nicht vorausgegeben im
Sinne von deduktiven oder induktiven Verfahren, sie müssen aus dem Material
heraus entwickelt werden im Sinne von ,,Abduktion"" (Schulze, 2002, S.29).

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2011
ISBN (PDF)
9783958205727
ISBN (Paperback)
9783958200722
Dateigröße
9.5 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Basel
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Schlagworte
sozialer Aufstieg Bildungsaufstieg Bildungsabbruch Bildung Tourismus
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