Die Sicherungsrechte der Kreditpraxis im europäischen Vergleich: Raumsicherungsübereignung gegen floating charge
Zusammenfassung
Dieser Problematik widmet sich das vorliegende Buch. Es vergleicht die Situation der Kreditsicherungsrechte in Europa und setzt sich dabei beispielhaft mit dem in Deutschland gängigen Sicherungsrecht der Raumsicherungsübereignung und der englischen floating charge auseinander. Unter einer darstellenden Erläuterung beider Sicherungsinstrumente wird deren Bedeutung für ihre jeweilige Kreditpraxis erörtert und dargestellt.
Durch die praxisnahe Bearbeitungsweise werden auftretende Probleme verständlich aufgeworfen, analysiert. Und praxisorientierte adäquate Lösungsansätze geliefert. Das Buch gibt Auskunft darüber, ob und wie Kreditsicherungsrechte auch bei grenzüberschreitenden Sachverhalten Anwendung finden können und welches hierfür besonders geeignet ist.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
A. Einleitung
B. Das Deutsche Sicherungsrecht – Raumsicherungsübereignung
I. Allgemeiner Überblick
II. Die Raumsicherungsübereignung
1. Allgemeines
2. Gegenstand und Bestellung in der Praxis
3. Kollisionsproblematik – Vermieterpfandrecht – für die Praxis
a. Schilderung Kollisionssachverhalt
b. Praktikable Lösungsansätze der Kollision – Vermieterpfandrecht
III. Zwischenfazit Raumsicherungsübereignung
C. Sicherungsrecht des Vereinigten Königreiches – floating charge
I. Allgemeines und Zielsetzung
II. Praxis der Bestellung der floating charge unter Abgrenzung zur fixed charge
III. Die Kristallisation und Ihre Wirkung für die Kreditpraxis
1. Richterliche Kristallisation
2. Vertragliche Kristallisation
3. Rechtliche Wirkung vor der Kristallisation
a. Licence theory
b. Mortage of future asset theory
4. Rechtliche Wirkung nach der Kristallisation
a. Situation bis 2002
b. Situation nach 2002
IV. Risiken der floating charge und Lösungen in der Kreditpraxis
V. Zwischenfazit
D. Bewertung und Überwachung von Sicherheiten in der Praxis
I. Die Bewertungspraxis
II. Überwachungssysteme und Sicherheitenprüfung für Kreditinstitute
E. Gegenüberstellung beider Sicherungsinstrumente für die Praxis
F. Die floating charge in der deutschen Kreditpraxis
I. Annerkennung der floating charge im deutschen Recht
II. Möglicher Lösungsansatz in der Praxis
G. Schlussbetrachtung
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
A. Einleitung
Die Thematik der zu betrachtenden Sicherungsrechte ist, auch wenn von der gesetzlichen Normierung nicht erfasst, von hoher Bedeutung für die nationale und internationale Kreditpraxis.[1] [2]. Aufgrund immer größerer globaler Verknüpfungen ist das Bestehen und Handeln eines Wirtschaftsunternehmens ohne ausreichende finanzielle Mittel undenkbar. Aus diesem Grund sind viele Unternehmen auf fremdes Kapital angewiesen.[3] Sicherungsrechte im Allgemeinen eröffnen für Banken und Kreditinstituten die Möglichkeit, solche Unternehmen mit Darlehen und Kredite zu versorgen, ohne sich dem Risiko eines Kreditausfalls ausgesetzt zu sehen.
Gerade aufgrund der zunehmenden Globalisierung kann sich ein Kreditinstitut nicht mehr ausschließlich auf das anvertraute Rechts- und Sicherungssystem fokussieren. Eine Betrachtung von allumfassenden Sicherungsrechten anderer Staaten ist für Kreditinstitute ebenso von essentieller Bedeutung, wie die eigenen.
Ziel dieser Masterarbeit ist es, eine Gegenüberstellung von Tragweite und Bedeutung der global auftretenden Kreditpraxis zu den bestmöglichen Sicherungsrechten am Beispiel der deutschen Raumsicherungsübereignung und der floating charge des Vereinigten Königreichs darzulegen und die jeweiligen Vor-, als auch Nachteile aus Sicht der Kreditinstitute zu analysieren und Lösungsansätze zu liefern.
Zu diesem Zweck sollen in einem ersten Schritt die herangezogenen Sicherungsinstrumente, deren entsprechende wirtschaftliche Besonderheiten für Kreditinstitute erläutert und die jeweilige Bedeutung der Sicherungsrechte in der Kredit- und Bankenpraxis dargestellt werden.
Im Zuge dessen gilt eine besondere Beachtung der Ermittlung praktikabler Ansätze zur Lösung der häufig auftretenden Kollisionsfälle, wie zum Beispiel mit dem in der deutschen Kreditpraxis bekannten Vermieterpfandrecht.[4]
Ergänzend sollen eklatante Risiken der Sicherungsinstrumente in Vertragsgestaltung und Handhabung hervorgehoben und ein Ansatz zum besseren Umgang und Verwaltung für die Kreditpraxis entwickelt werden, um das Ausfallsrisiko möglichst gering zu halten und kalkulierbar zu machen.
Zusammenfassend soll die Arbeit demzufolge über zwei der wichtigsten Sicherungsinstrumente in der heutigen Banken- und Kreditpraxis informieren und eine Bewertung für die Praxis im Hinblick auf Umsetzbarkeit, Risiken und Problemstellungen geben. Dies erfolgt vor dem Hintergrund, dass Unternehmen und auch Kreditinstitute, vor allem innerhalb des europäischen Raums, auf einem globalen Markt agieren und die enge Betrachtung nur eines Rechtssystems nicht mehr dem Stand der Wirtschaft entspricht.
Es wird dargelegt, wie und warum sich Kreditinstitute in ihrer Tätigkeit auf einem global agierenden Markt mit Sicherungsinstrumenten sichern können und welche Bewertungskriterien und finanzielle Kennzahlen genutzt werden können um die Reife einer Sicherheit zu beurteilen.
Der Schlussteil der Arbeit stellt im Rahmen einer vergleichenden Veranschaulichung die Pflichten und rechtlichen Möglichkeiten der beiden Sicherungsrechte dar und setzt diese in Bezug zu der Banken- und Kreditpraxis. Hierbei soll gleichfalls die Überprüfung der Anwendbarkeit der floating charge innerhalb des deutschen Rechtssystems erfolgen.
B. Das Deutsche Sicherungsrecht – Raumsicherungsübereignung
Wie bereits in der Einleitung dargestellt, ist eine globale Ausrichtung des Unternehmens ein entscheidender Faktor für den unternehmerischen Erfolg. Unternehmen müssen somit häufig, um national wie auch international erfolgreich zu sein, expandieren und wachsen. Neue Investitionen und Anschaffungen sind somit unerlässlich um konkurrenzfähig zu bleiben. Diese Feststellung lässt sich spiegelbildlich ohne Einschränkung vom nationalen deutschen Markt auf einen globalen, europäischen Gesamtmarkt übertragen.
I. Allgemeiner Überblick
Die Quintessenz aus dieser Feststellung ist, dass die wirtschaftliche Entfaltung eines Unternehmens eng mit einem gewissen Eigenkapital verbunden ist, welcher gerade bei Unternehmen des Mittelstandes oft nicht vorhanden ist. Ein wirtschaftliches Wachstum geht jedoch einher mit ausreichenden finanziellen Mitteln, die oftmals nur im Rahmen von Fremd-und Außenfinanzierung erfolgen kann.[5] [6] Insofern kann eine solche Finanzierungslücke im Falle vieler Unternehmen nur durch die Inanspruchnahme eines Darlehens oder eines Kredites durch ein Kreditinstitut geschlossen werden. Dies ist aus der Sicht des Darlehensnehmers ein relativ einfacher und sicherer Weg in sein eigenes Unternehmen zu investieren, wenn die Möglichkeit zur Aufbringung von Eigenkapital nicht gegebenen ist.
Richtet man den Blick auf das Kreditinstitut, so wird klar, dass solche Kreditgeschäfte mit einem nicht unerheblichen Risiko verbunden sind. Verläuft ein Kreditgeschäft nicht wie geplant, so geht das Kreditinstitut das wirtschaftliche Risiko ein, mit seiner Forderung aus dem Kreditvertrag teilweise oder vollumfänglich auszufallen. Es bedarf demzufolge aus Sicht des Kreditinstitutes einer Besicherung, die davor schützen soll, einen vollen wirtschaftlichen Ausfall zu erleiden.[7] Dies deckt sich mit dem Interesse des Darlehensnehmers, durch eine hohe Sicherheit einen hohen und günstigen Kredit zu erhalten.[8] Es zeigt sich in der Praxis, dass Kredite umso günstiger werden, je werthaltiger die Sicherheit ausgestaltet ist.[9]
Um diesem Erfordernis der Besicherung auf Seiten der Kreditinstitute und anderweitiger Kreditgeber gerecht zu werden, hat die deutsche Lehre und Rechtsprechung eine Vielzahl von unterschiedlichen Sicherungsinstrumenten entwickelt, die den Erfordernissen der Wirtschaft Rechnung tragen und zugleich die Stellung des Kreditgebers verbessern. Im deutschen Recht wird vorrangig zwischen den sogenannten Personalsicherheiten und Realsicherheiten unterschieden. Personalsicherheiten sind Sicherheiten, die in einer natürlichen Person belegen sind und den Kreditgeber vor einem Ausfall schützen sollen, wie z.B. eine Bürgschaft, Garantie, Schuldbeitritt und Schuldübernahme.[10] Sie sind jedoch, gerade in der Banken- und Kreditpraxis, eher als untauglich einzustufen, da ihnen nur schwerlich ein Marktwert zugemessen werden kann. Insoweit müsste man sie, um sie für Kreditgeber kalkulierbar zu machen, an bestimmte Offenlegungspflichten des Sicherungsgebers knüpfen. Zudem ist fraglich, ob eine natürliche Person im Zweifelsfall für die gesamte Rückzahlungslast aus einem Kredit aufkommen kann. Der Sicherungsnehmer müsste daher dem Sicherungsgeber ein extrem hohes Vertrauen entgegenbringen, da die Sicherheit maßgeblich mit der Bonität des Sicherungsgebers zusammenhängt.[11]
Realsicherheiten als zweite große Gruppe auf der anderen Seite dienen der Sicherung durch die Belastung von Mobilien und Immobilien des Sicherungsgebers zu Gunsten des Sicherungsnehmers. Sie treten typischerweise in der Form von Grundpfandrechten, Pfandrechten an Mobilien und Immobilien, Eigentumsvorbehalten, Sicherungsabtretungen und Sicherungsübereignungen auf.[12] Sie sind sicherlich als weitaus interessanter und praxisrelevanter für Kreditinstitute zu bezeichnen als die zuvor beschriebenen Personalsicherheiten. Dies allein schon vor dem Hintergrund, dass Realsicherheiten wesentlich unkomplizierter ein wirtschaftlicher Wert beigemessen werden kann. So kommt Grundstücken zunächst einmal ein schätzbarer Marktwert zu, welcher zumindest einen Anhaltspunkt für die Kalkulation darstellen kann. Abgetretene Forderungen zum Beispiel sind meist bereits genau bezeichnet, was eine Kalkulation zumindest vereinfacht.
Innerhalb der Gruppe der Realsicherheiten haben sich in der Praxis der Kreditinstitute die Globalzession und die Mantelzession als besonders praxisrelevant und bedeutsam herausgestellt. Bei Beiden handelt es sich um revolvierende Sicherheiten in der Form von Vorausabtretungen, die vor allem Forderungen des Sicherungsgebers gegenüber Dritten erfasst.[13] [14] Sie sind damit für Kreditinstitute zur Sicherung von Forderungen nach deutschem Recht höchst interessant, da sie sämtliche und somit auch zukünftige Forderungen erfassen und so eine weitreichende und valutierende Sicherheit darstellen.[15]
Neben diesen klassischen Sicherungsinstrumenten hat in der Vergangenheit vor allem das Sicherungsinstrument der Raumsicherungsübereignung für Kreditinstitute stark an Bedeutung gewonnen und wurde verstärkt in der Rechtsprechung thematisiert.[16] Aus diesem Grund soll es Gegenstand der Betrachtung dieser Masterarbeit sein.
II. Die Raumsicherungsübereignung
Wie auch die im allgemeinen Teil beschriebenen Sicherungsrechte, dient die Raumsicherungsübereignung dem Zweck, die Forderung eines Kreditinstitutes bestmöglich zu besichern und zu schützen. Sie unterscheidet sich jedoch deutlich gegenüber den anderen Sicherungsinstrumenten insofern, dass es sich um ein Sicherungsrecht handelt, welches sich aus der praktischen Anwendung entwickelt hat und von der Rechtsprechung anerkannt wurde.[17] Eine gesetzliche Normierung der Raumsicherungsübereignung ist nie erfolgt.
1. Allgemeines
Die Raumsicherungsübereignung hat sich, nicht zuletzt dadurch dass sie starke Übereinstimmungen mit anderen Sicherungsinstrumenten europäische Nachbarländer aufweist, zu dem klassischen Kreditsicherungsmittel der Kreditinstitute neben der Globalzession entwickelt.[18] Die Raumsicherungsübereignung ist für Kreditinstitute vor allem deshalb interessant, weil der vertragliche Aufwand im Vergleich zu dem Bestand an dadurch erworbenen Sicherungen als äußerst gering bezeichnet werden muss.
Ähnlich wie die Global- und Mantelzession fällt auch die Raumsicherungsübereignung unter den Überbegriff der Realsicherheiten. Entgegen den beiden Vorgenannten, bei denen es sich um Abtretungen im Sinne des § 398 BGB handelt, ist die Raumsicherungsübereignung eine Sicherungsübereignung gemäß §§ 929, 930 BGB unter Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses, verbunden mit einer Ermächtigung nach § 185 BGB für den Sicherungsgeber.[19] Dies dient dem Zweck, dass die an den Sicherungsnehmer übereigneten Mobilien im Besitz des Sicherungsgebers verbleiben und er frei über sie verfügen kann, wodurch der Geschäftsbetrieb des Unternehmens nicht gestört wird. Ein anderweitiges Vorgehen stünde dem Sinn und Zweck der Sicherheit entgegen und würde eine sittenwidrige Knebelung des Sicherungsgebers zur Folge haben, da der Sicherungsgeber in seiner Position derart stark beschränkt wäre, dass er keinerlei eigene Verfügungsgewalt besäße und vollends abhängig von dem Sicherungsnehmer wäre. Daher erscheint das zuvor geschilderte Vorgehen als sinnhaft, behält man im Blick, dass jedes Sicherungsinstrument nur eine ultima ratio darstellt und die eigentlich Rückführung des Kredits und der anfallenden Zinsen zumeist im Rahmen einer ratierlichen Zahlung erfolgt, muss sichergestellt sein, dass der Geschäftsbetrieb des Sicherungsgebers als Kreditnehmer ungestört weiter laufen kann. Dies dient dem Zweck der Fremdfinanzierung auf Unternehmensseite, nämlich dem Wachstum des Unternehmens. Eine Entziehung der Verfügungsbefugnisse hätte genau Gegenteiliges als Konsequenz.
Entscheidend ist, dass die wirtschaftliche Selbstständigkeit des Kreditnehmers geschützt ist und eine planmäßige Rückführung des Darlehens erfolgen kann.[20]
2. Gegenstand und Bestellung in der Praxis
Gegenstand einer Raumsicherungsübereignung ist in der Regel eine Sachgesamtheit, als Sicherheit für den Kreditgeber. So wird in der Praxis häufig ein Warenlager durch den Sicherungsgeber übereignet.[21] Im Zuge einer vertraglichen Erklärung werden sämtliche Gegenstände an den Sicherungsnehmer übertragen, die in einen zuvor bezeichneten Raum gelangen. Es werden demnach nicht nur vorhandene Vermögenswerte erfasst, vielmehr kommt der Raumsicherungsübereignung auch eine Wirkung für die Zukunft zu. Sie greift demnach auf alle später erworbenen Mobilien des Sicherungsgebers zu. Sobald diese in den zuvor bezeichneten Raum eingebracht werden, fallen sie automatisch, das heißt ohne weiteres Zutun, unter die Raumsicherungsübereignung und dienen damit der Besicherung des Kreditinstituts.[22] [23]
Festzustellen ist, dass die Raumsicherungsübereignung von einem regelmäßigen Durchlauf einzelner Sachen gekennzeichnet ist, da der Bestand eines Warenlagers aufgrund des laufenden Geschäftsbetriebes wechselt. Sie ist somit folgerichtig ebenfalls als revolvierende Sicherheit zu deklarieren.[24]
Betrachtet man die nun dargestellte Raumsicherungsübereignung aus dem Blickwinkel der Kreditinstitute als häufigste Sicherungsnehmer, so lassen sich zwei entscheidende Vorteile daraus herleiten. Zum Einen sind die Sicherungsgeber in der Ausübung ihres Geschäftsbetriebes durch die Raumsicherungsübereignung nicht behindert und können so entsprechend unabhängig wirtschaften und den Kredit anhand des Rückzahlungsplanes begleichen. Eine Besicherung durch eine Abtretung einzelner Vollrechte dagegen hätte die Folge, dass der Sicherungsgeber stets auf die Mitwirkung des Sicherungsnehmers angewiesen ist, sobald wirtschaftliche Entscheidungen über das Sicherungsgut getroffen werden müssen. Zum Anderen sind, sofern es sich nicht um einen Erstkredit handelt, Forderungen aus Lieferung und Leistung als auch das Anlagevermögen eines Sicherungsgebers bereits oft schon besichert. Insoweit stehen Vorräte und Waren zumeist noch als freie Sicherheiten zur Verfügung und können entsprechend herangezogen werden.[25] Dies stellt für die Praxis der Kreditinstitute den enormen Vorteil der Raumsicherungsübereignung dar.
Problematisch zu betrachten ist jedoch die Frage, wie weit die Raumsicherungsübereignung reicht und wie sie in ihrer vertraglichen Bestellung ausgestaltet sein muss, um wirksam zu sein. Aufgrund der in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Vertragsfreiheit ist die Vereinbarung einer Sicherungsübereignung und damit auch der Raumsicherungsübereignung als Sonderfall formlos möglich.[26] Aus Gründen der Beweislast und der Dokumentation sollte eine Raumsicherungsvereinbarung jedoch immer in Schriftform erfolgen.
Wie bei jeder Sicherungsübereignung muss auch für die Raumsicherungsübereignung eine Zweckerklärung im Rahmen der vertraglichen Gestaltung erfolgen. Diese dient der Manifestation aller elementaren Punkte, die in Zusammenhang mit der Sicherheitsbestellung stehen. Neben den Verbindlichkeiten, die durch die Raumsicherungsvereinbarung besichert werden sollen, ist vor allem festzuhalten, unter welchen Voraussetzungen die Sicherheit fällig wird und verwertet werden darf.[27] [28] Daraus ergibt sich für das Kreditinstitut als Sicherungsnehmer zunächst die Möglichkeit, nicht bloß eine einzelne Kreditforderung zu besichern, sondern mehrere und auch künftige Forderungen durch die Zweckerklärung und das Sicherungsinstrument zu erfassen.[29] [30] Dies steht jedoch generell immer unter der Prämisse, dass die Besicherung nicht ins Uferlose abdriftet.[31] Dieser Gefahr wird in der Rechtsprechung durch das Erfordernis einer ausdrücklichen Freigabeklausel entgegengetreten, welche besagt, dass bei einer Überbesicherung das Sicherungsgut automatisch freigegeben wird. Um dies entscheiden zu können, ist jedes Sicherungsgut anfänglich zu bewerten und eine Deckungsgrenze vorzusehen, bis zu deren Höhe Sicherheiten herangezogen werden dürfen. Ein solches Erfordernis der anfänglichen Prüfung der Übersicherung gilt für die Raumsicherungsübereignung nicht,[32] was für diese einen entscheidenden Vorteil bedeutet. Dies wäre auch bereits aufgrund der Konstruktion der Raumsicherungsübereignung nicht möglich, da sie, wie dargelegt, von einem wechselnden Bestand geprägt ist. Ein solcher Bestand macht eine Kalkulation schlicht unmöglich.
Dagegen sollte ein Kreditinstitut größte Sorgfalt bei der Vereinbarung einer Raumsicherungsübereignung im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz der Sicherheit gelten lassen. Dieser bezeichnet bis ins Detail das Übereignungsgut der einzelnen Sicherheitenbestellung. Das ist besonders wichtig, da ein Verstoß gegen diesen Bestimmtheitsgrundsatz die Nichtigkeit des gesamten Sicherungsvertrages zur Folge haben kann.[33]
Die Prägnanz dieses Grundsatzes wird bei der Raumsicherungsübereignung besonders deutlich, da mit dieser wie dargestellt, Sachgesamtheiten als Sicherheit dienen, die nicht näher einzeln bestimmt sind und sich damit als äußerst schwierige und komplexe Fälle für die Banken- und Kreditpraxis erweisen.[34] Es sollen gerade sämtliche Vermögenswerte, wie zum Beispiel Waren, erfasst werden, ohne dass eine einzelne Bezeichnung erforderlich ist. Einigkeit besteht dahingehend, dass die Bestimmtheit des Sicherungsgutes im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses feststehen muss.[35] [36] Das heißt, dass bereits im Zuge der Vertragsgestaltung das Kreditinstitut sicherstellen muss, dass das Sicherungsgut in Konformität mit der Rechtsprechung ausreichend gekennzeichnet ist. Im Hinblick auf dieses Erfordernis hat sich mittlerweile eine eindeutige Vorgehensweise in der Praxis herauskristallisiert, welche dem Instrument der Raumsicherungsübereignung Rechnung trägt.
In einem Rechtsstreit im Jahre 2008 vor dem Bundesgerichtshof hatte ein Kreditinstitut versucht, dem Bestimmtheitsgrundsatz im Rahmen einer Raumsicherungsübereignung durch die Formulierung „sämtliche Vorräte inklusive Abtretung der Forderungen“ Rechnung zu tragen.[37] Diese Formulierung wurde durch den Bundesgerichtshof zu Recht als zu unbestimmt zurück gewiesen. Der Begriff des Vorrats steht nicht äquivalent zu den Erfordernissen einer Raumsicherungsübereignung, da dieser sich typischerweise nicht auf einen wechselnden Bestand bezieht.[38] Er wird damit nicht dem Durchlauf an Gegenständen gerecht, durch den sich die Raumsicherungsübereignung gerade auszeichnet. Insoweit gilt auch im allgemeinen Sprachgebrauch der Begriff des Vorrats als einmal angelegt und damit fix.
Im Rahmen des vorgenannten Urteils hat der Bundesgerichtshof jedoch einen Vorschlag unterbreitet, der dem Zweck in der Sicherungsvereinbarung einer Raumsicherungsübereignung gerecht wird und in der Praxis der Kreditinstitute im Zuge der Zweckerklärung gut umsetzbar ist. Der Bundesgerichtshof baut insoweit auf die sogenannte „ALL-Formel“, welche sich im Wesentlichen auf den Begriff der Waren stützt und diesen zudem mit der räumlichen Bezeichnung eines Lagers verbindet.[39] Daraus ist zu folgern, dass eine entscheidende Rolle für die Bestimmtheit der Sicherungsvereinbarung der räumlichen Konkretisierung zukommt. Für die Praxis sollte hier idealerweise ein Lageplan in die Sicherungsvereinbarung eingebracht werden, verbunden mit einer Markierung oder eine Trennung, sofern unterschiedlichen Waren in einem Lager erfasst sind.[40] [41] Mitunter erscheint es sogar angebracht einzelne Hinweisschilder, die auf den Sicherungseigentümer verweisen, anzubringen, vor allem dann, wenn nur ein Teil des Warenlagers übereignet werden soll.[42]
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass zur Vermeidung einer möglichweise fehlerhaften Zweckerklärung zum einen die Gattung und zum anderen die konkrete räumliche Bezeichnung des Sicherungsgutes erfolgen muss.[43]
3. Kollisionsproblematik – Vermieterpfandrecht – für die Praxis
Die zuvor beschrieben Ausgestaltung der Zweckerklärung dient nicht nur dem Zweck der Konkretisierung, sie kann auch helfen Kollisionen der Raumsicherungsübereignung mit anderen Sicherheitsrechten zu vermeiden. Kollisionen treten vor allem dann häufig auf, wenn der Sicherungsgeber mehrere Sicherheiten über identische Sicherungsgüter ausgereicht hat.[44]
a. Schilderung Kollisionssachverhalt
Für Kreditinstitute stellt die Kollision eines Sicherungsrechts mit einer anderen Sicherheit eines der größten Problemfelder im Zusammenhang mit der Raumsicherungsübereignung überhaupt dar. Dieses kann auch bei bestmöglicher vorheriger Prüfung nicht vollumfänglich reduziert werden.
Ein häufiger Problemfall der Praxis ist der, dass Waren und Sicherungsgüter von der Raumsicherungsübereignung erfasst werden, jedoch bereits unter Eigentumsvorbehalt eines Lieferanten stehen. Fraglich ist, ob wirksam eine Sicherheit an solchen Waren begründet wurde. Grundsätzlich ist bei der Kollision von Sicherheiten immer auf den Prioritätsgrundsatz abzustellen, welcher besagt dass die zeitliche Rangfolge entscheidend ist.[45] Der geschilderte Kollisionssachverhalt des Eigentumsvorbehalts ist, mit Bezug auf die gängige Praxis, noch als relativ unproblematisch einzustufen. Unter Eigentumsvorbehalt stehenden Waren werden schlichtweg nicht von der Raumsicherungsübereignung erfasst. Der Sicherungsnehmer erhält lediglich ein Anwartschaftsrecht, welches automatisch von dem Sicherungsgeber auf ihn übergeht. Mit Erlöschen des Eigentumsvorbehalts geht das Volleigentum über und die Ware wird automatisch von der Sicherungsübereignung erfasst.[46] [47] Auch wenn diese Kollisionsproblematik einen gewissen Nachteil für die Kreditpraxis mit sich bringt, so ist sie doch verhältnismäßig einfach zu lösen.
Anders verhält es sich bei der weitaus häufiger auftretenden und schwerwiegenderen Kollision mit dem Vermieterpfandrecht, nach § 562 Abs.1 BGB.[48] Dieser Sachverhalt stellt für die Praxis der Kreditinstitute ein weit höheres Problemfeld dar, als zu vermuten ist.
Zunächst gilt festzuhalten, dass auch hier grundsätzlich der Prioritätsgrundsatz gilt, welcher auf den Zeitpunkt der Entstehung der Sicherheit abstellt.[49] [50]
Überträgt man diesen Grundsatz der Priorität auf ein Praxisbeispiel, so wird seine Sinnhaftigkeit deutlich. In dem Moment, in dem ein Kreditinstitut ein Kredit gegen eine Raumsicherungsübereignung ausgibt, werden alle Waren, die in einen zuvor bezeichneten und markierten Raum gelangen, von der Sicherungsübereignung umfasst. Befinden sich jedoch bereits Waren in den markierten Räumlichkeiten und hat der Sicherungsgeber diese Räumlichkeiten lediglich gemietet, so kommt dem Vermieter ein gesetzliches Pfandrecht nach § 562 Abs. 1 BGB an diesen Waren zu.[51] [52] [53] [54] Ebenso sollen diese Waren aber auch im Interesse des Kreditinstituts von der Raumsicherungsübereignung erfasst sein. Es liegt also eine Kollision vor, die unweigerlich aufgrund des Prioritätsgrundsatzes dem Vermieterpfandrecht Vorrang gewährt.
Betrachtet man sich die Normierung des § 562 Abs.1 BGB, dann besagt diese, dass das Vermieterpfandrecht sich auf alle Sachen erstreckt, die in die Mieträumlichkeiten eingebracht werden. Dies bedeutet, dass dem Vermieter auch an jeder neu eingebrachten Ware ein Pfandrecht nach § 562 Abs. 1BGB erwächst. Die Raumsicherungsübereignung ist, wie bereits dargelegt, dadurch gekennzeichnet, dass alle Waren die in die markierten Räumlichkeiten gelangen automatisch von ihr erfasst werden und ihr unterfallen. Beide Voraussetzungen sind somit nahezu identisch.
Dies bedeutet, dass sich Kreditinstitute als Sicherungsnehmer einem großen Kollisionsproblem ausgesetzt sehen. Diese treten immer dann auf, wenn neue Waren in die markierten und angemieteten Räumlichkeiten des Sicherungsgebers gelangen und damit sowohl der Raumsicherungsübereignung, als auch von dem Vermieterpfandrecht nach § 562 Abs. 1 BGB erfasst werden.
Es könnte davon ausgegangen werden, dass bei zeitgleicher Entstehung der beiden Sicherheiten ein Gleichrang bestehen könnte.[55] Dies würde jedoch zu keiner Lösung führen, da es dann auf individuelle Auslegungen ankommt und eine klare Linie, bezüglich des Vorranges nicht gefunden werden kann. Für die jeweiligen Sicherungsnehmer sind nämlich ihre Sicherungsrechte gleich bedeutend.
Unproblematisch wäre der Sachverhalt, wenn die Sicherungsübereignung vor der Einbringung der Waren in die vermieten Räume greifen würde. Dann würde ein Vermieterpfandrecht ins Leere gehen, da die Waren nicht mehr im Eigentum des Mieters stünden.[56] Dies ist jedoch im geschilderten und in der Praxis im Zuge der Raumsicherungsübereignung häufig auftretenden Problems nicht der Fall.
[...]
[1] Grädler, Die Möglichkeiten der globalen Belastung, Aufl. 2012, S.11
[2] Riggert, Die Raumsicherungsübereignung, NZI 2000/241, Top I
[3] Grädler, Die Möglichkeiten der globalen Belastung, Aufl. 2012, S.1
[4] Googer, Insolvenzgläubiger-Handbuch, Aufl. 3, Rn. 97
[5] Grädler, Die Möglichkeiten der globalen Belastung, Aufl. 2012, S.1
[6] Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, Aufl.1 2004, Rn. 43
[7] Wenzel/Gratias, Allgemeine Fragen der Kreditsicherung, Aufl. 1, S.17, Rn.4/11
[8] Grädler, Die Möglichkeiten der globalen Belastung, Aufl. 2012, S.1-2
[9] Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, Aufl.4, S. 591, 594 ff.
[10] Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 35. Aufl. 2012, S.1701, Rn. H/1
[11] Krepold/Fischbeck, Bankrecht, Aufl.2009, S. 168, Rn. 4.1.1.1
[12] Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 35. Aufl. 2012, S. 1701, Rn. H/1
[13] Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankenpraxis, 7. Aufl., S. 897, Rn. 6.102a
[14] Beck, Rechtswörterbuch, Aufl. 18, S. 20-21
[15] Graf v. Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 32. Egänz. 2012, Rn. 1
[16] Riggert, Neue Anforderungen an Raumsicherungsübereignungen, NZI 2009, 137 Top. I
[17] Claussen, Bank- und Börsenrecht, Aufl. 4, S. 289, Rn. 151
[18] Riggert, Die Raumsicherungsübereignung, NZI 2000/241, Top I
[19] Krepold/Fischbeck, Bankrecht, Aufl.2009, S. 212, Rn. 4.4.2.1
[20] Nerlich/Kreplin, Münchner Anwaltshandbuch Sanierung und Insolvenz, Auf. 2, § 29, Rn. 137
[21] Weber, Kreditsicherheiten, Aufl. 7, S. 161
[22] Googer, Insolvenzgläubiger-Handbuch, Aufl. 3, Rn. 97
[23] Krepold/Fischbeck, Bankrecht, Aufl.2009, S. 213, Rn. 4.4.4.1
[24] Krepold/Fischbeck, Bankrecht, Aufl.2009, S. 213, Rn. 4.4.4.1
[25] Riggert, Neue Anforderungen an Raumsicherungsübereignungen, NZI 2009, 137 Top. I
[26] Weber, Kreditsicherheiten, Aufl. 7, S. 160
[27] Krepold/Fischbeck, Bankrecht, Aufl.2009, S. 171, Rn. 4.1.2
[28] Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, Aufl. 4, § 95, Rn. 16-19
[29] Grädler, Die Möglichkeiten der globalen Belastung, Aufl. 2012, S.115
[30] Krepold/Fischbeck, Bankrecht, Aufl.2009, S. 171, Rn. 4.1.2
[31] Krepold/Fischbeck, Bankrecht, Aufl.2009, S. 171, Rn. 4.1.2
[32] Claussen, Bank- und Börsenrecht, Aufl. 4, S. 295, Rn. 164
[33] Googer, Insolvenzgläubiger-Handbuch, Aufl. 3, Rn. 93
[34] Krepold/Fischbeck, Bankrecht, Aufl.2009, S. 212, Rn. 4.4.2.2
[35] Claussen, Bank- und Börsenrecht, Aufl. 4, S. 291, Rn. 156
[36] Riggert, Die Raumsicherungsübereignung, NZI 2000/241, Top I
[37] BGH v. 26.06.2008, IX ZR47/05, ZIP 2008,1437
[38] BGH v. 26.06.2008, IX ZR47/05, ZIP 2008,1437
[39] BGH v. 26.06.2008, IX ZR47/05, ZIP 2008,1437
[40] Krepold/Fischbeck, Bankrecht, Aufl.2009, S. 212, Rn. 4.4.2.2+4.4.4.1
[41] Grädler, Die Möglichkeiten der globalen Belastung, Aufl. 2012, S.117
[42] Claussen, Bank- und Börsenrecht, Aufl. 4, S. 291, Rn. 156
[43] Krepold/Fischbeck, Bankrecht, Aufl.2009, S. 212, Rn. 4.4.4.1
[44] Wenzel/Gratias, Allgemeine Fragen der Kreditsicherung, Aufl. 1, S. 58, Rn. 4/103
[45] Lindner-Figura/Oprée/Stellmann, Geschäftsraummiete, Aufl. 3, Kap. 12, Rn. 245
[46] Claussen, Bank- und Börsenrecht, Aufl. 4, S. 291, Rn. 156
[47] Braun, Insolvenzordnung, Aufl. 5, § 51, Rn. 35
[48] Googer, Insolvenzgläubiger-Handbuch, Aufl. 3, Rn. 97
[49] Riggert, Die Raumsicherungsübereignung, NZI 2000/241, Top II.2
[50] Lindner-Figura/Oprée/Stellmann, Geschäftsraummiete, Aufl. 3, Kap. 12, Rn. 245
[51] Googer, Insolvenzgläubiger-Handbuch, Aufl. 3, Rn. 97
[52] Lindner-Figura/Oprée/Stellmann, Geschäftsraummiete, Aufl. 3, Kap. 12, Rn. 245
[53] Uhlenbruck, Insolvenzordnung, Aufl. 13, § 50, Rn. 24
[54] Krepold/Fischbeck, Bankrecht, Aufl.2009, S. 212, Rn. 4.4.4.3
[55] Lindner-Figura/Oprée/Stellmann, Geschäftsraummiete, Aufl. 3, Kap. 12, Rn. 248
[56] Palandt, BGB, Aufl. 2010, § 562, Rn. 10
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Erstausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2014
- ISBN (PDF)
- 9783958205826
- ISBN (Paperback)
- 9783958200821
- Dateigröße
- 5 MB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Hochschule Mainz
- Erscheinungsdatum
- 2015 (Februar)
- Note
- 1
- Schlagworte
- Kreditsicherungsrecht Grenzüberschreitender Vergleich Vermieterpfandrecht Sicherungsrecht Kreditinstitut
- Produktsicherheit
- BACHELOR + MASTER Publishing