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Pilates und Dehnung – Eine symbiotische Verbindung

©2014 Bachelorarbeit 60 Seiten

Zusammenfassung

In Deutschland leben etwa 8,7 Millionen Menschen mit einer Mobilitätseinschränkung. Ein Grund für die eingeschränkte Mobilität ist insbesondere ein enorm hoher Bewegungsmangel. Nach einer in Großbritannien veröffentlichten Studie führte mangelnde Bewegung allein im Jahr 2008 zum Tod von 5,3 Millionen Menschen weltweit.
Ziel der vorliegenden Studie ist daher die Untersuchung von Beweglichkeit und Kraft wie auch der diesbezüglichen Effektivität und Unterschiede verschiedener Trainings. Zu diesem Zweck werden ein 6-wöchiges Pilatesprogramm, ein Dehnprogramm sowie ein Kombinationstraining aus beiden Teilbereichen durchgeführt und verglichen. Da mit zunehmendem Alter die Beweglichkeit immer mehr abnimmt, stehen Frauen der Altersgruppe 30+ im Mittelpunkt dieser Arbeit.
Ob eine Kombination aus einem Pilates- und Dehntraining oder ein eigenständiges Pilates- beziehungsweise Dehntraining Ihre Mobilität sowie Ihre körperliche Kraft bis ins hohe Alter aufrechterhalten und verbessern kann, erfahren Sie in dieser Studie.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


3 Gegenwärtiger Kenntnisstand

Die Beweglichkeit nimmt in der Trainingslehre eine zentrale Rolle ein, da sie die Voraussetzung für die vollständige Entfaltung anderer motorischer Fähigkeiten, wie zum einem der Kraft, ist.

Definiert wird die Beweglichkeit als Fähigkeit, bei der man Bewegungen willkürlich und gezielt mit der erforderlichen bzw. optimalen Schwingungsweite der beteiligten Gelenke ausführt (Martin et al., 1993, S. 214).

3.1 Einflussfaktoren auf die Beweglichkeit

Bei den Einflussfaktoren auf die Beweglichkeit unterscheidet man zwischen endogenen und exogenen Faktoren, wobei zunächst auf die endogenen Faktoren näher eingegangen wird.

Hierbei unterscheidet man wiederum zwischen anthropometrischen und personenspezifischen Einflussfaktoren.

Zu den anthropometrischen Faktoren zählen zum einem die Gelenkigkeit, welche durch die Art und Struktur des jeweiligen Gelenks gekennzeichnet ist und nicht durch Training beeinflusst werden kann. Zum anderen zählt dazu die Dehnfähigkeit, welche durch die Elastizität der jeweiligen Gelenk umgebenden Muskeln, Sehnen und Bindegewebe gekennzeichnet ist und wiederum durch Training beeinflusst werden kann (Albrecht 1999, S. 15).

Unter den personenspezifischen Faktoren versteht man vier verschiedene Einflussfaktoren: das Alter, das Geschlecht, die psychische Spannung und die Abnutzung der Gelenke.

Das Alter zählt dazu, da nach dem Erreichen der Pubertät die Beweglichkeit mit zunehmendem Alter vermindert wird. Des Weiteren ist die Beweglichkeit bei Frauen besser als bei Männern ausgebildet, was durch die unterschiedlich ausgeprägte Form der Gelenke begründet wird. Frauen haben häufig eine schwächere Bänderführung und eine geringere Muskelmasse, was zu Hypermobilitäten führt. Außerdem wirkt sich die psychische Spannung auf die Beweglichkeit aus. Durch Angst beispielsweise kann sich der Muskeltonus erhöhen, was zu Verspannungen führt und somit die Beweglichkeit negativ beeinflusst. Auch durch abgenutzte Gelenke (Degeneration des hyalinen Knorpels), wie das beispielsweise bei der Arthrose der Fall ist, können Beeinträchtigungen der Beweglichkeit auftreten (Reiß & Felder, 2013, S. 29 f.).

Zu den exogenen Faktoren zählen die Temperatur, da durch eine erhöhte Muskeltemperatur die Flexibilität derer erhöht ist, sowie die Tageszeit und der Ermüdungsgrad der Muskulatur. Die Beweglichkeit beispielsweise kann durch intensives Training beeinträchtigt werden, da der Muskeltonus erhöht wird.

Daneben gibt es anatomische Einflussgrößen die auf die Beweglichkeit einwirken. Dazu gehören die knöcherne, die band- und kapselhafte, die muskuläre und die nervös-strukturelle Hemmung (Reiß & Felder, 2013, S. 10f.). Hierbei wird die Beweglichkeit zum Beispiel durch einen Knochen (Sprungbein-Rolle im Sprunggelenk), durch Kapsel- und Bandstrukturen (Innen- und Außenband im Kniegelenk), durch einen Muskel (an der Hüfte) oder durch den Druck auf einen Nerv (Dehnung des Ischiasnerv) begrenzt. Zur Beweglichkeit tragen die Gelenkkapsel 47 %, die Muskulatur 41 %, die Sehnen 10 % und die Haut 2 % bei (Freiwald, 2004).

3.2 Auswirkungen einer optimalen Beweglichkeit für die Gesundheit

Nicht jedes Gelenk ist optimal funktions- und leistungsfähig nur weil es eine Bewegung ausführen kann. Man spricht daher erst von einem vollständig funktions- und leistungsfähigen Gelenk, wenn am betreffenden Muskel ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen der Kontraktion und Entspannung herrscht und die bindegewebigen Strukturen (Sehen, Bänder, etc.) in ihrer Funktion optimal ausgeprägt sind.

Wenn die Muskel- und Bindegewebsstrukturen nur vermindert dehnfähig sind, kann dies zu erheblichen Problemen führen. Dies wirkt sich negativ auf den kompletten Bewegungsapparat aus, führt zu Muskeldysbalancen und Haltungsfehlern. Außerdem sind der Gelenkapparat, die Muskeln und Sehnen nicht mehr so stark belastbar. Daneben ist die Regenerationsfähigkeit vermindert, sowie der Muskeltonus erhöht, was schließlich zu Muskelverspannungen und Schmerzen führen kann. Die verminderte Regenerationsfähigkeit ist meist auch mit einer angespannten Psyche (Stress) verbunden (Weineck, 1994, S. 490).

Dementsprechend führt ein regelmäßig, durchgeführtes Dehntraining zur Reduktion dieser aufgelisteten Probleme und zu einem angenehmeren Wohlbefinden (Buskies & Boeckh-Behrens, 1995).

Des Weiteren führt eine optimal entwickelte Beweglichkeit zu einer hohen Elastizität, Dehnbarkeit und Entspannungsfähigkeit der beteiligten Muskeln, Bänder und Sehnen. Dies ist wichtig für eine gute Belastungsverträglichkeit und Verletzungsprophylaxe (Weineck, 1994, S. 490).

3.3 Methodik des Beweglichkeitstraining

Ein Beweglichkeitstraining hat nicht nur Einfluss auf die Dehnbarkeit der Gelenk umgebenden Körpergewebe (Muskelgewebe), sondern auch auf die neurophysiologische und in einem gewissen Ausmaß auf die psychische Entspannungsfähigkeit, sowie auf die intermuskuläre Koordination und Kraftfähigkeit der zu bewegenden Muskeln (Schnabel et al., 1997, S. 230). Dementsprechend kann man annehmen, dass ein Beweglichkeitstraining ein Dehntraining, ein Krafttraining und ein Koordinationstraining zugleich ist (Olivier et al., 2008, S. 232).

3.3.1 Dehnmethoden

Beim Dehnen differenziert man zwischen einem aktiven und einem passiven Dehnen, sowie einem statischen und dynamischen Dehnen.

Beim aktiven Dehnen kontrahieren die Antagonisten der zu dehnenden Muskeln isometrisch in der Endstellung der Dehnung. Hierbei ist von Vorteil, dass durch die Kontraktion der Antagonisten, diese gleichzeitig gekräftigt werden.

Die Dehnposition beim passiven Dehnen wird durch äußere Kräfte (Partner, Schwerkraft, Hilfsmittel) eingenommen.

Der Unterschied zwischen statischen und dynamischen Dehnen liegt darin, dass beim statischen Dehnen die Dehnposition gehalten wird und keine Bewegung stattfindet. Wobei beim dynamischen Dehnen, die Dehnposition im Wechsel eingenommen und verlassen wird. Hierbei ist wichtig, die Bewegung langsam und kontrolliert auszuüben. Diese beiden Methoden können jeweils aktiv als auch passiv durchgeführt werden (Weineck, 1994, S. 496 f.). Keine der hier dargestellten Dehnmethoden konnte sich wissenschaftlich als beste Methode durchsetzen. Alle Dehnmethoden haben eine Verbesserung der Beweglichkeit aufgezeigt.

Neben den hier dargestellten Dehnmethoden gibt es noch das postisometrische Dehnen, welches in der hier vorliegenden Arbeit jedoch nur eine untergeordnete Rolle spielt.

3.3.2 Belastungsgefüge

Die Dehndauer bei einer statischen Dehnung ist bis zu 45 Sekunden sinnvoll, um eine Verbesserung der Beweglichkeit zu bewirken. Beim dynamischen Dehnen sollen so viele Wiederholungen durchgeführt werden wie in 45 Sekunden erreicht werden können. Dabei ist jedoch darauf zu achten, die Bewegungen langsam und kontrolliert durchzuführen. In der Regel beläuft sich diese Vorgehensweise auf 10-15 Wiederholungen (Schönthaler & Ohlendorf, 2002). In einer Studie von Glück (2005) konnte nach zehn maximalen Dehnungen (dynamisch) keine signifikante Verbesserung der Bewegungsreichweite erzielt werden.

Die Frage nach der richtigen Dehnintensität ist nicht so leicht zu beantworten. Marschall (1999) hat in einer Studie die kurzfristigen Effekte auf die Bewegungsreichweite bei unterschiedlichen Dehnintensitäten untersucht. Testobjekt war die ischiocrurale Muskelgruppe. Er differenzierte zwischen einem weichen Dehnen (deutlich spürbares Dehngefühl) und einem maximalen Dehnen (größtmögliches Dehngefühl). Zwar zeigten beide Dehnintensitäten Verbesserungen der Bewegungsreichweite, die Effekte eines maximalen Dehnens waren jedoch deutlich höher.

Die Dehnintensität sollte daher aus wissenschaftlicher Sicht her möglichst hoch sein, dass heißt möglichst nahe an der maximal tolerierbaren Schmerzgrenze. Da dies sich aus pädagogischer Sicht jedoch nicht empfiehlt, da ein Dehntraining bei zu hoher Schmerzbelastung oftmals abgebrochen wird, sollte ein Dehntraining unterhalb dieser Schmerzschwelle stattfinden (Schönthaler & Ohlendorf, 2002).

Bei der Serienanzahl ist eine Anzahl von bis zu vier Sätzen sinnvoll.

Das Dehntraining sollte mindestens zwei bis drei Trainingseinheiten in der Woche beinhalten, um die Beweglichkeit zu verbessern (Trainingsbeginner) bzw. zu erhalten (Trainierte) (Rancour et al., 2009). Optimal wäre es jedoch ein Dehntraining täglich durchzuführen (Schönthaler & Ohlendorf, 2002).

3.3.3 Übungsdurchführung

Bei der Durchführung von Dehnübungen ist zum einem auf die funktionelle Gelenkstellung, die Körperhaltung und die Gelenkbewegung während der Dehnung zu achten. Zum anderen muss eine optimale Dehnungswirkungsrichtung des dehnenden Muskels gewährleistet sein. Außerdem ist darauf Acht zu geben, möglichst nur über ein Gelenk zu dehnen (Reiß & Felder, 2013, S. 62).

Des Weiteren ist bei der Durchführung eine gleichmäßige Atmung, sowie eine langsame und kontrollierte Bewegungsausführung von hoher Wichtigkeit.

3.4 Testverfahren zur Beurteilung der Beweglichkeit

Zur Beurteilung der Beweglichkeit gibt es in der Literatur zahlreiche Methoden und Testverfahren. Im Kontext dieser Arbeit werden der manuelle Beweglichkeitstest nach Janda (2000) und die Neutral-Null-Methode angewandt.

3.4.1 Manueller Beweglichkeitstest nach Janda (2000)

Der nach Janda bekannte Muskelfunktionstest hat zum Ziel, Muskelschwächen und Beweglichkeitsdefizite aufzuzeigen. Dabei können sowohl Hypermobilitäten als auch Hypomobilitäten erkannt werden. Dies ist wichtig, da vor allem Bewegungseinschränkungen zur Leistungsminderung führen können.

In dem von Janda entwickelten Muskelfunktionstest werden verschiedenste Muskeln auf ihre Beweglichkeit hin geprüft. Beispiele für Muskeln die getestet werden sind, der M. rectus femoris, der M. iliopsoas, der Mm. ischiocrurales, der M. triceps surae und der pectoralis major. Auf die Ausführung und Beurteilung der Beweglichkeit wird in Kapitel 4.3.1 explizit eingegangen. Im Vordergrund dabei stehen die hier drei erst genannten Muskeln bzw. Muskelgruppen.

3.4.2 Die Neutral-Null-Methode

Neben der hier dargestellten Beweglichkeitstestung nach Janda, gibt es die Neutral-Null Methode, die die funktionellen Bewegungsmöglichkeiten der einzelnen Gelenksysteme testet. Diese Methode untersucht ebenfalls Hyper- bzw. Hypomobilitäten.

Die Ausgangsstellung ist die Neutral-Null-Stellung, in der sich alle Gelenke des Körpers befinden. Das heißt, ein aufrechter Stand mit aufgerichteten Kopf und Blick nach vorne, die Arme hängen seitlich am Körper herab, die Hände und Finger werden gestreckt und so gehalten, dass der Daumen nach vorne zeigt sowie ein hüftbreiter Stand mit einer parallelen Fußstellung. Aus dieser Position werden die verschiedenen Bewegungen der Gelenke durchgeführt und getestet. Teilweise wird die Beweglichkeit auch in der liegenden Position beurteilt.

Um das Ergebnis festzuhalten, werden drei Gradzahlen, welche durch zwei Schrägstriche getrennt sind, angegeben. Dabei steht die erste Zahl für Bewegungen, die vom Körper wegführen (Extension, Abduktion etc.), die zweite Zahl für die Null-Stellung und die dritte Zahl für Bewegungen, die zum Körper hin führen (Flexion, Adduktion, etc.) (Reiß & Fikenzer, 2013, S.71f.).

In Kapitel 4.3.1 wird die Beweglichkeitsmessung für die Brust- und Lendenwirbelsäule (Extension und Flexion), die Dorsalextension im Sprunggelenk, sowie die Abduktion in der Hüfte dargestellt.

3.5 Pilates

Pilates ist heutzutage ein Trend. Das zeigt der Zuwachs an aktiven Teilnehmern von rund 1,7 Millionen im Jahr 2000 auf rund 10,6 Millionen im Jahr 2006 (Isacowitz & Clippinger, 2011).

Pilates ist ein Ganzkörpertraining, das den Körper gleichmäßig von einem stabilen Zentrum aus dehnt, kräftigt und aufrichtet. Dabei wird eine ganzheitliche Balance zwischen Körper, Geist und Seele angestrebt (Isacowitz & Clippinger, 2011).

Bei den Pilatesübungen wird die gesamte Muskulatur, besonders die tiefer liegende Bauchmuskulatur und die um die Wirbelsäule liegende Muskulatur gekräftigt und gedehnt. Somit kann man Pilates auch als Wechselspiel aus Dehnung und gleichzeitiger Kräftigung der Muskulatur ansehen (Haider, 2007).

3.5.1 Geschichtlicher Hintergrund

Der Erfinder der Pilatesmethode (Contrology) Joseph H. Pilates wurde am 9. Dezember 1883 bei Düsseldorf geboren. Bereits in seiner Kindheit litt er unter Asthma und Bronchitis. Doch dies hinderte ihn nicht zu trainieren. Er betrieb zahlreiche Sportarten wie Boxen, Schwimmen, Turnen oder Yoga.

Während der Zeit des ersten Weltkrieges entwickelte er als Krankenpfleger speziell für die Patienten im Lazarett Übungen, welche sich als sehr wirkungsvoll herausstellten. Daraus entwickelten sich die typischen Trainingsgeräte (Reformen) und das Mattentraining („matwork“).

Bei seiner zweiten Reise in die USA 1926 lernte er seine Frau und lebenslange Arbeitspartnerin Clara kennen, mit der er in New York das erste Pilates-Studio eröffnete. Unter Tänzern und Schauspielern verbreitete sich die Pilatesmethode stark und fand hier seine ersten Anhänger. Bis in die sechziger Jahre arbeitete er mit seiner Frau zusammen in ihrem Studio.

Am 9. Oktober 1967 starb Joseph H. Pilates und hinterließ kaum Aufzeichnungen, die späteren Pilates-Lehrern als Richtlinien hätten dienen können. Trotz allem wurde das Programm von Pilates von seinen Schülern verbreitet und neben den USA in vielen Ländern bekannt (Isacowitz & Clippinger, 2011; Reiß & Fikenzer, 2013, S. 205 f.; Haider, 2007).

3.5.2 Ziele von Pilates

Das Hauptziel von Pilates ist, Bewegungen zu harmonisieren und ein spezielles Körperbewusstsein zu entwickeln. Daneben zielt es auf die Schulung der Eigenwahrnehmung. Wichtig dafür ist, die Übungen kontrolliert, konzentriert und langsam durchzuführen.

Durch Pilates wird letztendlich der gesamte Organismus gestärkt (Haider, 2007).

3.5.3 Die sechs grundlegenden Pilatesprinzipien

Atmung:

Der Atmung wird unter den Prinzipien die größte Rolle zugeschrieben. Die Atmung ist laut Pilates ein Teil des Körpers, des Geistes und der Seele. So wird die Atmung als roter Faden beschrieben, der alle anderen Grundprinzipien durchläuft und sie in gewisser Weise verbindet (Isacowitz & Clippinger, 2011, S.1).

Die richtige Atmung war für Pilates ebenfalls sehr wichtig, da er selbst Asthmatiker war. So spricht man beim Pilates sowohl von der dreidimensionalen Atmung, bei der der Brustkorb nach oben unten, links rechts sowie nach vorne hinten ausgeweitet wird, als auch vom „Powerhouse“. Zur Aktivierung des Powerhouses lehrt Pilates ein „Verhärten bzw. Einziehen der Bauchmuskulatur“ (Scott, 2003, S.10). Das Powerhouse ist die Körpermitte zwischen Brustkorb und Becken, dessen zentrale Achse die Wirbelsäule bildet. Genau dies wird bei jeder Pilatesübung aktiviert und während der kompletten Übung gehalten, indem die Beckenbodenmuskulatur und die tiefe Bauchmuskulatur angespannt werden.

Konzentration:

Hierbei steht die Fokussierung auf die richtige Ausführung der Pilatesübung. Denn nur dann hat die Übung einen gesundheitlichen Nutzen. Ebenso wichtig ist es, sich auf die korrekte Körperhaltung, sowie auf die Beibehaltung dieser Stellung und die Körperstabilisierung während der kompletten Übung zu konzentrieren (Isacowitz & Clippinger, 2011, S. 2).

Zentrierung:

Zum einem bezieht sich dieser Begriff auf den Körperschwerpunkt. Da jeder Mensch einen individuellen Schwerpunkt besitzt, fühlt sich eine Übung für jeden Menschen anders an bzw. fällt jedem eine Übung mehr oder weniger schwer oder leicht.

Zum anderen bezieht sich der Begriff auf das Körperzentrum und die dort platzierten Muskeln (Powerhouse).

Doch auch einer spirituellen Bedeutung kann diesem Begriff beigemessen werden, wenn damit ein Gefühl der inneren Ausgeglichenheit oder der unendliche Energiefluss, dem jede Bewegung entspringt, gemeint ist (Isacowitz & Clippinger, 2011, S. 2).

Kontrolle:

Die Kontrolle steht in enger Verbindung mit der Konzentration. Denn wie bereits erwähnt soll sich der Übende auf jede Phase der Bewegung konzentrieren und gleichzeitig soll er nun die Arbeit der Muskeln kontrollieren, um eine korrekte Bewegungsausführung zu sichern. Dazu gehört, zu fühlen, wann sich ein Muskel anspannt und wann er sich wieder entspannt.

Präzision:

Dieser Begriff beschreibt die genaue Art und Weise, in der eine Übung ausgeführt werden soll. Hierbei ist die korrekte Ausrichtung des Körpers wichtig, um die Zielsetzung einer Übung zu verstehen. Je präziser nun eine Übung ausgeführt wird, desto näher rücken das Ziel und der damit verbundene Nutzen einer jeden Übung.

Bewegungsfluss:

Bei jeder Pilatesübung gibt es einen bestimmten Anfangs- und Endpunkt, eine mittlere Bewegungsphase mit gleichmäßiger Bewegungsgeschwindigkeit und einen flüssigen Übergang zur nächsten Übung. Dieser gleichmäßige Bewegungsablauf wird durch die richtige Atmung, Konzentration, Kontrolle und Präzision gesichert.

3.5.4 Effekte von Pilates

Studien haben gezeigt, dass sich ein regelmäßiges Pilatestraining positiv auf die Beweglichkeit auswirkt.

Segal et al. (2004, S. 1977 ff.) hat dies beispielsweise in einer Studie untersucht. Ziel der Studie war es, die Effekte eines sechsmonatigen Pilates Trainings auf die Beweglichkeit, die körperliche Verfassung und den subjektiven Gesundheitszustand zu beobachten. Die Studie führte er mit 45 Frauen und 2 Männern durch. Die Beweglichkeit wurde mittels des Finger-Bodens-Abstand gemessen. Die körperliche Verfassung wurde mittels einer bioelektrischen Impedanz Analyse gemessen und der Gesundheitszustand wurde durch Befragung bewertet. Die Probanden führten das Training einmal die Woche für eine Stunde über einen Zeitraum von sechs Monaten durch. Am Anfang der Studie betrug der Finger-Boden Abstand im Durchschnitt 7-7,7 cm. Nach 2 Monaten verbesserte sich der Abstand um ca. 3,4 cm, nach vier Monaten um 3,3 cm und nach sechs Monaten um 4,3 cm. Die anderen Parameter bzw. der selbsteingeschätzte Gesundheitszustand veränderten sich nicht signifikant.

Eine weitere Studie von Phrompaet et al. (2011) untersuchte ebenfalls die Verbesserung der Beweglichkeit durch ein Pilatestraining. Auch in dieser Studie zeigte sich eine Verbesserung der Rumpfbeweglichkeit und Dehnfähigkeit der hinteren Beinmuskulatur durch ein 8-wöchiges Pilatesprogramm.

Neben der Verbesserung der Beweglichkeit zeigen sich positive Effekte auf die Körperkraft und -koordination. Zusätzlich baut Pilates Stress ab, stärkt die Konzentrationsfähigkeit und verbessert das allgemeine Wohlbefinden (Isacowitz & Clippinger, 2011).

In Bezug zur Körperkraft haben Studien gezeigt, dass sich die Bauchkraft enorm durch ein Pilatestraining verändert. So zeigte die Studie „Die Steigerung der Aktivierung des Musculus Transversus Abdominis durch Pilates Training“ von Haider (2007) eine positive Wirkung auf die Aktivierungsfähigkeit des M. transversus abdominis. Die Studie wurde zweieinhalb Monate durchgeführt. 11 Probandinnen führten das Pilatestraining 2x wöchentlich durch. Es zeigte sich eine Leistungssteigerung durch die Erhöhung der Maximalkraft, eine attraktivere Bewegung durch Verbesserung der Muskelkoordination und eine bessere Haltung durch die Zunahme der Kraftausdauer.

Zusätzlich wirkt sich ein Pilatestraining positiv auf die Linderung von Rückenbeschwerden aus, indem es die Lendenwirbelsäule stärkt, beugt gegen Osteoporose vor, fördert die Durchblutung und gibt mehr Selbstbewusstsein und Lebensfreude (Schmidt, 2002, S. 8).

3.6 Die motorische Fähigkeit Kraft

Da die Kraft im Kontext dieser Arbeit nur eine untergeordnete Rolle spielt, wird auf diese diesbezüglich nur kurz eingegangen. Dabei soll die Bedeutung des Zusammenspiels von Kraft und Beweglichkeit hervorgehoben werden.

Die Kraft ist neben der Beweglichkeit, Ausdauer, Schnelligkeit und Koordination eine unserer fünf motorischen Fähigkeiten.

Physikalisch betrachtet ist die Kraft (F) das Produkt aus Masse mal Beschleunigung. Biologisch dagegen gesehen, ist Kraft die Fähigkeit des Nerv-Muskel-Systems, Widerstände zu überwinden, entgegenzuwirken und zu halten (Mießner, 2006, S.10).

Martin et al. (1993) definiert die Kraft als „die konditionelle Basis für Muskelleistungen mit Krafteinsätzen, deren Werte über ca. 30 % der jeweils individuell realisierbaren Maxima liegen“ (Martin et al., 1993, S. 102).

Doch Kraft ist auch eine Überlebenseigenschaft, da sie aus dem Alltag nicht wegzudenken ist und überall gebraucht wird. Somit ist sie eine Basisfähigkeit des Menschen, da sie unsere Lebensqualität erhöht. Kraft ist nicht nur Kraft sondern auch Leben, da unsere Abwehrkräfte, Widerstandskräfte, unsere Willensstärke und unsere Motivation für die vielen Aufgaben im Leben davon profitieren (Mießner, 2006, S. 7).

Doch was hat in diesem Sinne Kraft mit Beweglichkeit zu tun? Ohne Kraft wäre ein Beweglichkeitstraining gar nicht möglich, da trainierte Muskeln für das aktive Dehnen notwendig sind (Mießner, 2006, S.10).

Außerdem beweisen Studien, dass ein Dehntraining die Kraft verbessert.

So untersuchte Kokkonen et al. (2007) durch ein Dehntraining nicht nur die Beweglichkeit, sondern auch die Kraft. 38 Probanden nahmen an der Studie teil. Diese wurden in zwei Gruppen unterteilt. Eine Kontrollgruppe und die Dehngruppe bestehend aus 8 männlichen und 11 weiblichen Probanden. Die Dehngruppe führte ein 10-wöchiges Dehnprogramm für die unteren Extremitäten 3x die Woche für 40 Minuten durch. Die Kraft wurde durch einen Standweitsprung, einem vertikalen Sprung und einem 20 Meter Sprint ermittelt. Außerdem wurde die Kraftausdauer (60 % von 1-RM) und Maximalkraft (1-RM) der Knieflexoren und -extensoren untersucht.

Die nachfolgende Tabelle zeigt die Ergebnisse der Beweglichkeits- und Krafttestung.

Tab. 1: Testergebnisse der Dehngruppe

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3.7 Die Wirbelsäule

3.7.1 Aufbau und Funktion

Die Wirbelsäule, als starke, aber biegsame Säule bildet die Stütze für Kopf und Rumpf. Sie erstreckt sich vom Schädel bis zu ihrer Verankerung im Becken, durch das sie das Gewicht von Kopf und Rumpf auf die Beine überträgt. Die „Doppel-S-Form“ der Wirbelsäule, verleiht ihr die Stärke und Biegsamkeit, hält den Rumpf genau über den Füßen und damit besser im Gleichgewicht und wirkt bei der Fortbewegung als Stoßdämpfer.

Die Wirbelsäule besteht aus 26 Wirbeln, davon sind 24 frei. Die anderen beiden - das Kreuzbein und das Steißbein - sind Verschmelzungen von Einzelwirbeln.

Der Wirbelkörper setzt sich nach hinten im ringförmigen Wirbelbogen fort. Diese umschließen gemeinsam das Wirbelloch, durch das das Rückenmark zieht. Jeweils zwei Querfortsätze und ein Dornfortsatz bilden die Ansatzstelle für die Bänder und Rückenmuskeln, welche die Wirbelsäule primär stabilisieren. Zwischen zwei übereinander liegenden Wirbelkörpern liegt die Bandscheibe, die als elastischer Puffer Stöße beim Gehen, Laufen oder Springen abfängt. Insgesamt besteht die Wirbelsäule aus 7 Halswirbeln, 12 Brustwirbeln, 5 Lendenwirbel, 5 miteinander verschmolzene Kreuzwirbel und 4-5 verschmolzene Steißwirbel. Wenn man es daher genau nimmt besteht die Wirbelsäule aus 33-34 Wirbeln (McCracken, 2000, S. 38).

Abbildung 1 zeigt die Wirbelsäule in ihrem Aufbau.

Abb. 1: Aufbau der Wirbelsäule (Wissen kompakt, 2005, S. 10)

Die Wirbelsäule kann drei Hauptbewegungsrichtungen einnehmen. Die Rotation, eine Drehung um die Longitudinalachse, eine Lateralflexion, eine Seitneigung um die Sagittalachse und eine Flexion sowie Extension, eine Vor- und Rückwärtsneigung um die Transversalachse.

Tab. 2 stellt die Hauptbewegungsrichtungen und die dabei beteiligten Muskeln dar.

Tab. 2: Muskulatur - Wirbelsäule

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3.8 Die unteren Extremitäten

Zu den unteren Extremitäten gehören das Gesäß, das Hüftgelenk, der Oberschenkel, das Knie(gelenk), der Unterschenkel und der Fuß.

Alle zusammen sorgen für Standfestigkeit, tragen das Gewicht und nehmen die beim Laufen oder Springen freigesetzten Kräfte auf.

Da das Hüftgelenk zu den Kugelgelenken zählt, sind sechs Hauptbewegungsrichtungen um drei Achsen möglich. Die Flexion und Extension, die Abduktion und Adduktion, sowie die Innenrotation und Außenrotation.

Tab. 3 stellt die Hauptbewegungsrichtungen und die dabei beteiligten Muskeln dar.

Tab. 3: Muskulatur - Hüftgelenk

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das Kniegelenk als Scharnier-Dreh-Gleit-Gelenk kann vier Bewegungsrichtungen ausführen. Die Extension und Flexion, sowie die Außenrotation und Innenrotation (ab 90° Beugung). Da das Kniegelenk zahlreiche Bänder besitzt, z. B. das innere und äußere Seitenband, sowie das vordere und hintere Kreuzband, wird es neben der muskulären Sicherung auch durch Bänder stabilisiert.

Tab. 4 stellt die Hauptbewegungsrichtungen und die dabei beteiligten Muskeln dar.

Tab. 4: Muskulatur - Kniegelenk

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Fußgelenke bestehen aus dem oberen und dem unteren Sprunggelenk. Genauso wie das Kniegelenk ist das obere Sprunggelenk durch zahlreiche Bänder, vor allem an der Außenseite, gesichert. Im oberen Sprunggelenk sind eine Dorsalextension und eine Plantarflexion möglich, wohingegen im unteren Sprunggelenk eine Supination und Pronation möglich ist.

Tab. 5 stellt die Hauptbewegungsrichtungen und die dabei beteiligten Muskeln dar.

Tab. 5: Muskulatur - obere & untere Sprunggelenk

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3.9 Testverfahren zur Beurteilung der isometrischen Rumpfkraft und der Kraft im Bereich der unteren Extremitäten

Die Krafttestung dient dazu, den gegenwärtigen Leistungszustand einer Person zu erfassen. Außerdem können durch Krafttestungen Veränderungen aufgezeigt werden.

Neben einem Maximalkrafttest (1-RM-Test), Mehrwiederholungskrafttest (X-RM-Test) und der Intensitätsbestimmung über das subjektive Belastungsempfinden gibt es funktionsgymnastische Krafttests. Auf diese wird im Kontext dieser Arbeit explizit eingegangen.

Im Folgendem wird auf die funktionsgymnastischen Testverfahren von Spring et al. (1997) und Mc Gill (2002) näher eingegangen.

3.9.1 Kraftausdauer

Die Kraftausdauer ist eine Unterart der Kraft und eine Kombination aus Kraft- und Ausdauerfähigkeiten. Definiert wird die Kraftausdauer als Ermüdungswiderstandsfähigkeit des Organismus, insbesondere des Nerv-Muskel-Systems, gegen lang andauernde Kraftleistungen während dynamischer und statischer Arbeitsweise der Muskulatur (Mießner, 2006, S. 20).

3.9.2 Kraftausdauertest nach Spring et al. (1997)

Der von Spring et al. (1997) entwickelte Kraftausdauertest soll die Kraftausdauer der für die Haltung wichtigen Muskelgruppen überprüfen. Dadurch können muskuläre Stärken oder Schwächen erkannt werden. Der Test beinhaltet sechs verschiedene Übungen. Dabei ist auf eine korrekte Bewegungsausführung zu achten. Sobald die korrekte Körperhaltung bzw. Bewegung nicht mehr eingehalten werden kann, wird die Übung abgebrochen. Zu den Übungen zählen der Unterarmstütz (vordere Rumpfmuskulatur), Crunches (Bauchmuskulatur), Seitstütz (seitliche Rumpfstabilisatoren), Hüftheben (Hüftstreckmuskulatur), Kniebeuge einbeinig (Beinmuskulatur) und Liegestütz mit kurzem Lastarm (Brust- und Armmuskulatur). Letztendlich ist beim Durchführen des Tests auf standardisierte Testrahmenbedingungen zu achten. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde lediglich auf die Testübungen „Hüftheben und „einbeinige Kniebeuge“ näher eingegangen.

3.9.3 Isometrischer Kraftausdauertest nach Mc Gill (2002)

Der Kraftausdauertest nach Mc Gill wurde für das präventive und rehabilitative Rückentraining entwickelt. Im Gegensatz zum Krafttest nach Spring et al. (1997) werden alle Übungen statisch, d. h. mit einer isometrischen Muskelspannung ausgeführt. Die isometrische Rumpfkraft ist in diesem Sinne die Haltekraft der rumpfstabilisierenden Muskeln. Ziel dieses Tests ist es, Kraftdefizite in den rumpfstabilisierenden Muskelgruppen aufzuzeigen. Bei dem Kraftausdauertest nach Mc Gill werden die Muskelgruppen jedoch nicht isoliert, sondern als Teil einer Muskelschlinge getestet. Eine isolierte Testung wäre nur mit entsprechenden apparativen Hilfsmitteln umsetzbar. Diesbezüglich werden auch im Alltag die rumpfstabilisierenden Muskeln nie bzw. äußerst selten isoliert beansprucht. Dementsprechend besitzt der Test einen hohen Alltagstransfer (Mc Gill et al. 1999). Zu den Testübungen gehören die Testung der WS-Lateralflexoren im Seitstütz, die Testung der WS-Flexoren in der Sit-up-Position mit fixiertem Rücken, und die Testung der WS-Extensoren in Bauchlage, wobei der Oberkörper sich im Überhang befindet.

In diesem Zusammenhang zeigte eine Untersuchung, dass ein ausgewogenes Kraftverhältnis von WS-Extensoren, -Flexoren und -Lateralflexoren Rückenschmerzen vorbeugt (Mc Gill, 2002, S. 225).

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Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2014
ISBN (PDF)
9783958206519
ISBN (Paperback)
9783958201514
Dateigröße
5.4 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Deutsche Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement GmbH
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,4
Schlagworte
Mobilität Kraft Fitnesstraining Wirbelsäule Gesundheit

Autor

Stephanie Gebauer wurde 1992 in Halle an der Saale geboren. Ab dem 3. Lebensjahr stand der Sport im Mittelpunkt ihres Lebens, angefangen mit rhythmischer Sportgymnastik, über Judo und Badminton bis hin zum Fußball. So war es nur logisch, dass die Autorin ihr Hobby zum Beruf machte. Diese fachliche Studie entstand während ihres Studiums zum Bachelor in Fitnesstraining an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement.
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