Welche Ausfuhren Nationen reich machen: Exportstruktur und Wirtschaftswachstum
Zusammenfassung
Im vorliegenden Buch werden spezifische Elemente der Exportstruktur einer Nation und ihr Zusammenhang mit wirtschaftlichem Wachstum untersucht. Auf Basis der empirischen Analysen und des Modells von Hausmann et al. (2007) wird gezeigt, dass jene Exportzusammensetzung höheres Wachstum implizieren kann, die typischerweise der einer Industrienation ähnelt.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
2. Der ökonomische Prozess
Die grundlegende Überlegung, dass die Spezialisierung auf einige Güter wachstumsfördernder ist als die Spezialisierung auf andere, birgt keinen neuen Erkenntnisgewinn. Jedoch ist diese Idee Voraussetzung für wichtige Schlussfolgerungen, die hier eine Rolle spielen werden. In früheren Publikationen wurde die endogene Wachstumstheorie bereits unter anderem mit dem sogenannten learning-by-doing-Modell[1] erklärt, welches eng mit dem in dieser Arbeit thematisiertem Ansatz verknüpft ist. So fokussieren sich Barro und Sala-i-Martin auf das Modell des learning-by-doing in Verbindung mit der Diffusion von Wissen. Hausmann et al. stellen jedoch fest, dass es schwierig ist endogene Wachstumsmodelle, die auf diesen spillovers[2] von Wissen basieren, mit empirischen Zusammenhängen zu belegen. Es existieren schlicht keine Schätzungen und Daten, denen entnommen werden könnte, welche Güter produziert werden sollten, um jene Wissens-spillovers hervorzubringen.
Die folgenden Überlegungen knüpfen an den lerning-by-doing Mechanismus an, verfolgen jedoch einen intuitiv verständlicheren und vor allen empirisch beweisbaren Leitgedanken. Hausmann et al. Idee folgt dem Ansatz des schnelleren Wachstums durch die Produktion von Exportgütern, welche auch von reichen Volkswirtschaften produziert werden. Demnach existieren „rich-country-products“[3], welche eine höhere Produktivität aufweisen und deshalb von reichen Ländern produziert werden. Ebenso produzieren arme Länder „poor-counts-products“[4], welche weniger produktiv sind und gerade deshalb weniger Beitrag zu mehr Wachstum in Richtung der Produktivität reicher Länder leisten. Die Erkenntnis, welche Hausmann et al. nun mit ihrem Artikel zum übergeordnetem Forschungsfeld Wirtschaftswachstum durch Exporte beitragen, besteht darin, dass eine Hierarchie für derartige Exportgüter im Güterraum konstruiert werden kann. In diesem Rahmen wird der legeren Satz geprägt: „Countries become what they produce“[5]. Es ist für die einzelnen Volkswirtschaften also bedeutsam wie hoch sie ihre jeweils produzierten Güter in dieser Hierarchie platzieren können, um mehr Wirtschaftswachstum zu implementieren. Der Vorteil dieses Ansatzes ist zum einen seine intuitive Verständlichkeit und zum anderen der Umstand, dass er sich empirisch belegen lässt.
2.1 Cost Discovery
Um diesen Prozess formal zu modellieren, bedienen sich die Autoren eines Mechanismus, den sie „cost discovery“[6] nennen. Hausmann und Rodrik entwickelten dieses Konzept der Aufdeckung der den Projekten einer Volkswirtschaft unterliegenden Kostenstrukturen bereits in früheren Publikationen.[7] Darin haben sie anhand der Empirie mehrerer Länder gezeigt, wie die bis dahin bekanntesten Theorien der Volkswirtschaftslehre nicht im Stande waren den Prozess des Wandels von ärmeren zu reicheren Volkswirtschaften ausreichend zu erklären. So wurden die Konzepte der offenen Volkswirtschaft und die Etablierung von fähigen Regierungen, die keiner Korruption unterliegen, herangezogen, um die Generierung wirtschaftlichen Wachstums in Entwicklungsländern zu erklären. Jedoch hat das Wachstum vieler lateinamerikanischer Länder in den neunziger Jahren stagniert oder ihre Leistungsfähigkeit ist sogar zurückgegangen, obwohl im Vorfeld und währen des entsprechenden Zeitraums signifikant mehr Maßnahmen ergriffen wurden, um den internationalen Handel voranzutreiben und die Korruption in Regierungskreisen einzudämmen. Selbst die hohen Wachstumsraten der mit am erfolgreichsten wirtschaftenden Ökonomien Uruguay und Argentinien waren nur den wirtschaftlich sehr schwachen, vorangehenden achtziger Jahren zu verdanken. Allein das Wachstum Chiles bildet für diesen Zeitraum eine Ausnahme. Die gleiche Erklärungsnot traditioneller Wachstumstheorien zeigte sich an den Beispielen vieler asiatischer Länder. In den sechziger Jahren wuchsen die Volkswirtschaften Süd Korea und Taiwan mit hohen Raten. In den Siebzigern verzeichnete die Volksrepublik China hohe Wachstumsraten und das gleiche gelang Indien in den achtziger Jahren. In all jenen Fällen des asiatischen Raumes betrieben die Länder jedoch wirtschaftlichen Protektionismus oder schafften es nicht, ihren Bürgern Eigentumsrechte zu gewähren. Trotz der Nichterfüllung von Voraussetzungen etablierter, volkswirtschaftlicher Modelle ist es den genannten Ländern gelungen, nachhaltiges Wachstum zu erreichen, teilweise ihren Status armer Entwicklungsländer abzulegen und sich zum Schwellenland oder im Falle Taiwans sogar zur Industrienation zu entwickeln.[8]
Aus diesen Mangeln begründet, haben Hausmann et al. für die Erklärung wirtschaftlichen Wachstums eine anderen Perspektive forciert: Lernen, in welcher Produktion von Exportgütern eine Ökonomie besonders effektiv ist. Die Investitionsentscheidung, die ein Entrepreneur trifft, wenn er seine Firma gründet, ist von großer Bedeutung für zukünftiges Wirtschaftswachstum, denn sie bestimmt die Spezialisationsmuster der Volkswirtschaft. In seiner Absicht ein neues Gut zu produzieren, sieht sich der Entrepreneur erheblichen Unsicherheiten bezüglich der zu erwarteten Kosten gegenüber. Deshalb resultiert ein Großteil seiner Arbeit in der Aufdeckung der Kostenstrukturen, die der Produktion seines neuen Gutes unterliegen. Wenn sich die Produktion des neuen Gutes schließlich als lohnenswert herausstellt, die erzielbaren Erlöse also über den nötigen Produktionskosten liegen, werden bald Nachahmer auf den neuen Markt drängen, um ebenfalls vom Geschäft mit dem neuen (produktiven) Gut zu profitieren. Das Wissen über die unterliegenden Kostenstrukturen in der Volkswirtschaft, welches der Entrepreneur aufgedeckt hat, wird somit allgemein bekannt und steht nunmehr der gesamten Volkswirtschaft zur Verfügung. Seine Innovationstätigkeit beinhaltet positive externe Effekte. Stellt sich die Produktion des neuen Gutes jedoch als unrentabel heraus, bleiben die Verluste dem einzelnen Entrepreneur vorbehalten. Zieht eine neue, hoch rentable Erfindung viele Nachahmer in den Markt, so entstehen für die Gesellschaft hohe soziale Gewinne, da die Produktion ausgeweitet wird. Von diesen gesamtgesellschaftlichem Nutzen, welchen der ursprüngliche Entrepreneur generiert, erhält er nur wenig. Somit ist die positive externe Wissensexternalität im Laissez-faire-Gleichgewicht zu gering ausgeprägt und die Investitionstätigkeit der Entrepreneure im Prozess der cost discovery verbleibt suboptimal gering. Es ist Aufgabe der herrschenden Regierungen eines Landes die positive Externalität so zu internalisieren, dass die Innovationskraft ihrer Firmengründer ex ante, das heißt vor der Produktion neuer Güter, gesteigert und die Produktionsdiversifikation ex post, also nach der Entdeckung der entsprechenden Kostenstruktur, rationalisiert wird.
Den Terminus „Entrepreneur“ wird hier für Personen oder Firmen genutzt, die hauptsächlich in Entwicklungsländern, in denen weniger diversifizierte Produktionsstrukturen existieren, die Produktion neuer Güter maßgeblich vorantreiben. In Industrieländern werden sie Innovatoren genannt. Die Problematik zu verstehen, welche Güter in einer Volkswirtschaft produktiv hergestellt werden können, bleibt für beide die gleiche. Der Innovator genießt jedoch höher ausgeprägte Eigentumsrechte, wie zum Beispiel Patente, als der Entrepreneur. Warum gerade der Export für das Wachstum von Volkswirtschaften im Modell entscheidende Bedeutung besitzt, begründen Hausmann et al. mit der Tatsache, dass die Weltmärkte verhältnismäßig größer sind als der inländischen Märkte und weitaus höhere soziale Renditen, die aus der Innovationstätigkeit resultieren, abwerfen.
2.2 Mikroökonomische Betrachtung
Bei der Frage, inwiefern die Wohlfahrt einer Volkswirtschaft mit ihrer Exportzusammensetzung korreliert, ist Wissen über die zugrundeliegende Produktionsstruktur der Volkswirtschaft von Nöten. Hausmann et al. konzentrieren sich bei der Bestimmung der Produktionsstruktur einer Volkswirtschaft auf die Modellierung der cost discovery. Von entscheidender Bedeutung hierfür ist die Offenlegung der Kostenstrukturen, denen sich die Entrepreneure innerhalb der Volkswirtschaft gegenübersehen. Denn je besser die Ökonomie in der Lage ist, die Aktivität ihrer Entrepreneure zu steigern, desto mehr Wissen über die Produktivität von Gütern ist vorhanden und kann somit zu Herstellung effizienterer Güter beitragen. Die herkömmlichen Standardkräfte des komparativen Vorteils nach Ricardo sind dabei für die Leistungsstärke der Volkswirtschaft noch immer wichtig, jedoch im Modell nicht entscheidend. Die Kostenstruktur ist ex ante nicht bekannt und wird daher stochastisch modelliert. Welche Güter eine Volkswirtschaft produzieren wird und wie ihr Einkommen dadurch steigt, ist somit durch eine Wahrscheinlichkeitsverteilung charakterisiert.
Die Volkswirtschaft gliedert sich in zwei Sektoren. Im modernen Sektor wird eine Vielzahl an Gütern produziert während der traditionelle Sektor ein einzelnes homogenes Gut beinhaltet. In der Literatur wird der primäre Sektor häufig mit der Produktion primärer Güter wie Rohstoffen gleichgesetzt. Der moderne Sektor steht hingegen für die Produktion im Rahmen hoch entwickelter Technologien. Da es im Modell darum geht die Güter nach ihrer Produktivität zu klassifizieren, ist lediglich der moderne Sektor von Interesse. Hier spielen sich die entscheidenden Mechanismen ab. Arbeit wird als der einzige Produktionsfaktor angenommen.
Um die verschiedenen Güter in einem Index zusammenfassen zu können, werden Gütereinheiten so normalisiert, dass jedes Gut einen exogen gegebenen Weltpreis besitzt. Im modernen Sektor besitzt jedes Gut somit ein Produktivitätsniveau , welches die Einheiten an Output angibt, die eine Investition von gegebener Größe abwirft. Aus den gegebenen Produktivitätsniveaus der Volkswirtschaft lässt sich nun eine Rangfolge konstruieren. Demnach haben Güter mit höherer Produktivität auch einen höheren Rang. Die Produktivitätsniveaus aller Güter befinden sich im Intervall . Damit kann die Produktivität eines Gutes jeden beliebigen Wert zwischen Null und der oberen Grenze annehmen. Wenn Arbeit als der einzige Produktionsfaktor angesehen wird, bezeichnet als die obere Grenze des Produktivitätsspektrums das Humankapital der Volkswirtschaft. Es spiegelt also die Fähigkeit der Volkswirtschaft wieder überhaupt Güter in bestimmten Mengen produzieren zu können und deckt so die Prinzipien des komparativen Vorteils nach Ricardo ab. Je höher ist, desto höher ist also die Produktivität der Güter, die in der Volkswirtschaft produziert werden.
Das Projekt, welches ein Investor realisieren kann, um ein neues Gut mit ex ante unbekannter Produktivität zu entwickeln, erfordert eine konstante Investition von Einheit Arbeit. Dem Investor ist dabei lediglich bekannt, dass die Produktivität des neuen Gutes zwischen Null und liegen wird. Also muss er zunächst die Investition von Einheiten Arbeit tätigen, um die Produktivität seines Gutes zu entdecken und zu erfahren ob sein Gut eine hohe oder niedrige Produktivität aufweist.
Nachdem der Investor die Kostenstruktur für die Produktion seines Gutes aufgedeckt hat, steht dieses Wissen sofort allen anderen Marktteilnehmern zur Verfügung. Diese können daraufhin entscheiden ob sie dasselbe Gut produzieren möchten. Dabei müssen sie keine Entwicklungskosten von Einheiten Arbeit investieren, produzieren aber auf einem etwas geringeren Produktivitätsniveau mit , da der Entrepreneur bereits einen gewissen Teil des jeweiligen Marktes beansprucht. Da jeder Investor nur ein Projekt realisieren kann, muss er sich, nachdem er die Produktivität seines Gutes entdeckt hat, für die Produktion seines Gutes oder das eines anderen entscheiden. Im Folgenden werden Marktteilnehmer, denen die Entscheidung noch bevorsteht, ihr Projekt zu realisieren oder jenes eines anderes zu imitieren als Investoren bezeichnet. Investoren, die ihr Projekt realisieren und ein neues Gut produzieren, werden als Entrepreneure bezeichnet.
Bei der Wahl zwischen seinem eigenen und fremden Projekten wird der Investor das Produktivitätsniveau seines Gutes mit dem höchsten Produktivitätsniveau aller anderen bereits entdeckten Güter vergleichen. Alle übrigen Güter auf dem Markt weisen ein geringeres Produktivitätsniveau als auf. Deswegen spielen sie bei der Entscheidung des Investors keine Rolle. Sie liefern ihm für die gleiche Investition einen geringeren Output. Die Entscheidung des Investors sein eigenes Projekt zu realisieren oder das Projekt eines anderen Investors nachzuahmen hängt also allein davon ab, ob das Produktivitätsniveau seines Projektes größer oder kleiner ist als das Produktivitätsniveau des imitierten Projektes . Ist weist sein Projekt eine höhere Produktivität auf und er wird es realisieren. Falls gilt, kann der Investor bei der Imitation eines anderen Gutes eine höhere Produktivität erlangen und er wird sein Projekt nicht realisieren sondern das Gut mit dem höchsten Produktivitätsniveau aus der Volkswirtschaft produzieren. Das Intervall im Produktionsspektrum der Volkswirtschaft, in welchem der Investor produzieren wird, ist in Abbildung 1 dargestellt.
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Abbildung 1: Das Produktivitätsspektrum, Hausmann et al., 2007, „What you export matters“, S.5
Nun werden die erwarteten Erträge betrachtet, die eine Investition in den modernen Sektor erzielt. Der potenzielle Investor wird seine Entscheidung in den Markt einzutreten schließlich auf Grundlage der erzielbaren Gewinne treffen. Da der Investor vor der Wahl steht sein eigenes Projekt zu realisieren oder jenes eines anderen Investors zu imitieren, hängt sein erwarteter Profit zum einen von der Produktivität seines eigenen Projekts als auch von der höchsten Produktivität aller anderen Projekte ab, die er im Zweifelsfall wählen wird. Die Wahrscheinlichkeitsdichte, wie hoch die Produktivität des jeweiligen Projektes eines jeden Investors letztlich sein wird, ist an jeder Stelle innerhalb des Produktivitätsspektrums gleich verteilt. Daher wird als Wahrscheinlichkeitsverteilung für die Produktivität die stetige Gleichverteilung angenommen. Je mehr Entrepreneure ein Projekt realisieren, desto schneller werden auch die korrespondierenden Kostenstrukturen aufgedeckt und somit Projekte identifiziert, die eine höhere Produktivität aufweisen. Die höchste Produktivität verschiebt sich im Produktivitätsspektrum nach rechts und nähert sich an. Die Anzahl an Investoren, die sich entscheiden in den modernen Sektor zu investieren, ist . Der Erwartungswert von ist somit positiv mit korreliert, das bedeutet ist eine positiv abhängige Funktion von im Definitionsbereich des Produktivitätsspektrums. Da das Produktivitätsmaximum im Modell durch das Humankapital repräsentiert wird, ist die Funktion ebenfalls positiv von abhängig. Es ist also entscheidend wie schnell die Volkswirtschaft ihrem Produktivitätsmaximum nähern kann und wie hoch dieses ausgeprägt ist. Eine Kernaussage dieser Arbeit besteht in der Fähigkeit einer Volkswirtschaft einen hohen komparativen Vorteil durch hohe Innovationskraft seiner Entrepreneure nächstliegend zu erreichen.
Für den Erwartungswert einer Gleichverteilung im Intervall gilt:
Der Erwartungswert im Produktivitätsspektrum wird daher im Fall eines Marktteilnehmers durch beschrieben. Da sich die erwartete maximale Produktivität mit einer steigenden Anzahl an Investoren jedoch in Richtung verschiebt, konstruieren Hausmann et al. den Erwartungswert wie folgt:
Dieser Zusammenhang ist in Abbildung 2 abgebildet. Je mehr Investoren ihr Projekt
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Abbildung 2: Zusammenhang zwischen der Anzahl an Entrepreneuren und dem Erwartungswert der maximalen Produktivität, eigene Darstellung
also im modernen Sektor realisieren, desto näher kommt die maximale Produktivität an die Produktivitätsgrenze und konvergiert in schließlich gegen .
Die erwartete maximale Produktivität beeinflusst die Entscheidung des Investors sein eigenes Projekt zu realisieren oder jenes eines anderen zu imitieren. Da alle Produktivitäten gleichverteilt sind, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Investor für sein eigenes Projekt entscheidet:
Dass heißt die Produktivität seines Gutes ist höher als die aller anderen. Die Wahrscheinlichkeit, an welcher Stelle zwischen den Grenzen und sich die Produktivität des neuen Gutes befinden wird, ist wiederum gleichverteilt. Somit folgt für die erwartete Produktivität aus dem Projekt:
Die Produktivität für ein Gut gibt die Anzahl an Output-Einheiten für einen konstanten Input an. Um den erwarteten Ertrag aus dem eigenen Projekt des Investors zu berechnen, wird daher die Produktivität lediglich mit dem exogen gegebenen Weltpreis multipliziert und es folgt:
Auf die gleiche Weise kann der Ertragsanteil an bestimmt werden, der sich für den Investor ergibt, wenn sein Projekt weniger Output liefert als das produktivste aller anderen Projekte. Der Investor wird also das Projekt mit der Produktivität wählen und seine anteilige Produktivität wird betragen. Die Wahrscheinlichkeit für diesen Fall beträgt
Der erwartete Ertrag für den Investor ist in diesem Fall das Produkt aus seinem Anteil an der erwarteten Rendite des produktivsten Projektes und dem Weltpreis:
Um nun den endgültigen, erwarteten Ertrag für den Investor aus einer Investition in den modernen Sektor ermitteln zu können, werden die Ertragsanteile beider Fälle mit ihren Wahrscheinlichkeiten multipliziert und schließlich die entstandenen Produkte addiert: ausklammern von führt zu und weiteres zusammenfassen schließlich zu
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(1)
Wird den Gesamtertrag einer Investition durch den exogen gegebenen Weltpreis geteilt, resultiert die erwartete Produktivität eines Engagements in den modernen Sektor:
Der erwartete Ertrag ist also lediglich das Produkt aus Weltpreis für das erzeugte Gut und seiner Produktivität. Bei genauerer Betrachtung der Gleichung , wird deutlich, dass der erwartete Ertrag zum einen vom Weltpreis abhängt, den der Investor für das Gut erzielen kann. Dieser Preis kann jedoch weder vom Investor, noch von der Regierung beeinflusst werden und ist deshalb exogen gegeben. Desweiteren steigt aber die Produktivität seines Gutes und damit der erzielbare Ertrag mit dem Humankapital , welches der Volkswirtschaft zur Verfügung steht und der Anzahl m der Investoren, die in den Markt vordringen. Je mehr Entrepreneure mit der Realisierung ihrer Projekte an der Entdeckung verschiedener, zugrundeliegender Kostenstrukturen von neuen Gütern beteiligt sind, desto produktivere Güter können alle Investoren und damit die gesamte Volkswirtschaft herstellen.
2.3 Makroökonomische Betrachtung
Das Verhalten der Investoren im modernen Sektor wurde soweit untersucht, dass ich mich nunmehr den makroökonomischen Konsequenzen für die Volkswirtschaft zuwenden kann. Dabei wird ein allgemeines Gleichgewichtsmodell genutzt und ein kurzfristiges sowie ein langfristiges Gleichgewicht betrachtet. Ich beginne mit letzterem, da das kurzfristige Gleichgewicht lediglich ein Sonderfall des langfristigen darstellt. Das Modell beruht auf der endogenen Wachstumstheorie, das heißt keine externen Faktoren beeinflussen das Gleichgewicht, sondern die Eigenschaften der ökonomischen Gleichgewichtsallokation selbst. Somit wird die Anzahl an Investoren m auf dem modernen Sektor im langfristigen Gleichgewicht endogen durch die Bedingung bestimmt, dass die Gewinne Null werden. Hat ein Entrepreneur also ein profitables Gut entdeckt, werden solange Nachahmer in den neuen Markt dringen, bis keine Gewinne mehr erzielt werden können. Die langfristig erwarteten Gewinne im modernen Sektor sind also
Die langfristig gleichgewichtige Anzahl an Investoren ist . Ist als das Lohnniveau der Volkswirtschaft, so resultiert der Aufwand für die Herstellung neuer Güter aus dem Produkt von und den Einheiten Arbeit , die für die Realisierung der Projekte benötigt werden. Dieser Aufwand muss dem Barwert aller zukünftig zu erwartenden Gewinne entsprechen, um die Bedingung der Null-Gewinne zu erfüllen. Da die lange Frist betrachtet wird und die Anzahl der teilnehmenden Investoren am modernen Sektor naturgemäß hoch ist, nutzen Hausmann et al. hier das Barwertkonzept[9] einer ewigen, stetigen Rente um den Zeitwert aller Gewinne, die in Zukunft anfallen, zu berücksichtigen. Damit machen sie die Gewinne mit dem aktuellen Lohnniveau der Volkswirtschaft, welches seinerseits nicht von der Zeit , sondern von , abhängt, vergleichbar. Mit als Zinsrate ergibt sich:
Mit Arbeit als dem einzigen Produktionsfaktor interessiert daneben das Gleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt. Die Löhne werden hier durch das Gleichgewicht aus der gesamten Arbeitsnachfrage aus dem modernen sowie aus dem traditionellen Sektor der Volkswirtschaft und dem festen Arbeitsangebot bestimmt. Im modernen Sektor entspricht die Nachfrage nach Arbeit dem Produkt aus realisierten Projekten im Gleichgewicht und den zu diesen Investitionen benötigen Einheiten Arbeit . Im traditionellen Sektor wird ein einziges homogenes Gut mit Arbeit als dem einzigen Produktionsfaktor und mit einem festen Weltpreis je hergestellter Einheit produziert. Unter der Annahme, dass die marginale Produktivität pro eingesetzter Einheit Arbeit im traditionellen Sektor sinkt, jede eingesetzte Einheit Arbeit somit weniger Output liefert, kann die Nachfrage nach Arbeit hier durch abnehmende Funktion beschrieben werden. Damit ist das Arbeitsmarktgleichgewicht der gesamten Volkswirtschaft gegeben durch:
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[11]
2.4 Gleichgewicht zwischen Arbeitsmarkt und Zero-Profit-Bedingung
Die langfristigen Werte der endogenen Variablen m und w sind damit durch die Gleichungen und bestimmt. In Abbildung 3 werden beide Gleichungen und das Gleichgewicht von Lohnniveau und Anzahl der Investoren dargestellt. An dieser Stelle merken Hausmann et al. an, dass ein stabiles Gleichgewicht einem steilerem Anstieg der -Kurve als dem Anstieg der -Kurve bedarf. Anderenfalls wären Skalenerträge aus der Steigerung der Produktivität aufgrund der wachsenden Anzahl von Investoren so stark ausgeprägt, dass für das Verhalten der Investoren kein stabiles Gleichgewicht existieren kann. Schneidet die -Kurve die -Kurve also von unten, ist unter den weiteren Annahmen, die bezüglich der Dynamiken im Modell weiter unten im Text getroffen werden, das Gleichgewicht instabil. Die Annahme, dass eine geringere Steigung aufweist als , impliziert somit, dass der Anteil an der Produktivität des imitierten Projektes nicht zu groß sein darf. In der kurzen Frist kann sich die Anzahl der Investoren nicht wesentlich ändern und wird zu einer festen Größe. Das bedeutet, dass das Lohnniveau kurzfristig für jedes durch die Steigung der Kurve bestimmt wird.
Um aus dem Modell und den bisherigen Annahmen nun Rückschlüsse auf das Verhalten der Investoren ziehen zu können, muss die Dynamik, die in den Gleichgewichtszustand strebt, näher betrachtet werden. Dazu wird zunächst der Mechanismus analysiert, welcher den modernen Sektor ins Gleichgewicht führt und anschließend die komparativen Dynamiken, die aus Verschiebungen der -Kurve und der -Kurve resultieren.
Abbildung 3: Gleichgewicht und komparative Dynamik, Hausmann et a., 2007, „What you export matters“, S.7
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Würde sich die Anzahl der Investoren auf dem Markt augenblicklich anpassen können, käme sofort das Gleichgewicht im Schnittpunkt zwischen der - und der -Kurve zustande. Wie noch deutlich wird, verhalten sich Investoren eigentlich derart, dass sich eine Konvergenzbewegung zum Gleichgewichtszustand augenblicklich einstellt. Von Interesse ist somit der Prozess, der von einem Ungleichgewicht in einen Gleichgewichtszustand im -Raum führt. Das vorrausschauende Verhalten der Investoren bringt den Mechanismus in Gang, welcher unmittelbar in das langfristige Gleichgewicht strebt. Wird beispielsweise eine Anzahl an Investoren auf dem Markt, die unterhalb des Gleichgewichts liegt, betrachtet, bedeutet dies, dass der Barwert der zu erwartenden Auszahlungen größer ist als die Kosten , die ihm gegenüber stehen. Es lohnt sich demnach in den modernen Sektor zu investieren und als auch werden steigen. Was bedeutet das jedoch für den einzelnen Investor? Wenn er weiß, dass aufgrund der erzielbaren Gewinne mehr Entrepreneure auf den Markt drängen, wird die Imitation eines Projektes in Zukunft produktiver sein als sie es im Moment der Entscheidung ist. Auf Grund dieser Überlegung würde ein Investor ein Engagement in den modernen Sektor nicht sofort wahrnehmen. Jedoch weiß er ebenso, dass mit dem Anstieg von die Löhne in Zukunft steigen werden und er sich höheren Kosten zur Produktion eines Gutes gegenüber sieht. Durch die Annahme begründet, dass schneller wächst als , werden die Löhne als Kostenfaktor die Produktivitätssteigerung in der Zukunft überkompensieren. Damit investieren alle Investoren im modernen Sektor lieber sofort, als ihre Investitionsentscheidung in die Zukunft zu verlagern und dadurch mögliche Gewinne zu verlieren. Da jedoch auch in der Realität nicht beliebig viele Projekte augenblicklich umgesetzt werden können, treffen Hausmann et al. die Annahme, dass pro Zeitperiode nur eine gewisse Anzahl an Projekten realisierbar sind. Diese Grenze, welche den Anstieg von einschränkt, wird mit dem Parameter bezeichnet. Damit gilt für den Anstieg von :
Die Veränderung der Anzahl der Entrepreneure, die in den modernen Sektor investieren, in Abhängigkeit von der Zeit beträgt also maximal . Liegen die Kosten für die Produktion neu entwickelter Güter über deren Auszahlungen , streben Löhne und Anzahl der Entrepreneure ebenso in das Gleichgewicht. Auch in diesem Fall wird die sinkende Zahl an Entrepreneuren vom exogenen Parameter begrenzt. Verhalten sich die Entrepreneure nun entsprechend den getroffenen Annahmen, werden sie zu jeder Zeit, in welcher kein Gleichgewichtszustand besteht, maximalen Aufwand betreiben, um ihre Projekte zu realisieren. Die Anzahl an Entrepreneuren strebt mit der Rate in das Gleichgewicht , in welchem keine zusätzlichen Gewinne mehr erzielbar sind. Damit ergibt sich für alle möglichen Zustände im -Raum:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Ist die Summe der zukünftig zu erwartenden Auszahlungen aus einer Investition in den modernen Sektor größer als die Kosten der Investition, treten mehr Entrepreneure in den Markt. Sind die Kosten hingegen größer als die erwarteten Auszahlungen, verlassen Entrepreneure den Markt. Im Falle der Gleichheit von Auszahlungen und Kosten sind keine zusätzlichen Gewinne oder Verluste im Markt realisierbar. Weder werden Entrepreneure in den Markt drängen, noch werden sie ihn verlassen. Der moderne Sektor befindet sich im Gleichgewicht.
Bisher wurde betrachtet, auf welche Weise sich das Gleichgewicht im Schnittpunkt von und einstellt. Mit diesem Wissen können nun die komparativen Dynamiken untersucht werden, die sich durch Verschiebungen der - und -Kurve ergeben. Diese Analyse veranschaulicht die Zusammenhänge zwischen Arbeitsmarkt und dem Markt für durch Entrepreneure neu zu entwickelnde Güter. Somit kann das Verhalten der Volkswirtschaft erläutert werden.[12] Graphisch sind die Zusammenhänge in Abbildung 3 dargestellt. Dazu wird zunächst ein Anstieg von oder von betrachtet. Steigt der Preis für neu entwickelte Güter oder steht den Entrepreneuren ein höher entwickeltes Humankapitel zur Verfügung, mit welchem sie ihre Produktivität steigern können, sind Entrepreneure in der Lage höhere Auszahlungen aus der Produktion neuer Güter zu generieren.[13] Damit verschiebt ein Anstieg von oder die -Kurve nach links. Für ein gegebenes Lohnniveau wären für die Bedingung der Null-Gewinne weniger Entrepreneure erforderlich, welche in den modernen Sektor investieren. Die Aussicht auf höhere Gewinne motiviert jedoch neue Firmen Investitionen im modernen Sektor zu realisieren. Diese Firmen setzen erneut den cost-discovery-Prozess in Gang. Durch die ceteris paribus höhere Produktivität aufgrund einer höheren Zahl an Entrepreneuren im modernen Sektor müssen die Löhne steigen, um die Bedingung der Null-Gewinne zu gewährleisten. Wie in Abbildung 3 deutlich wird, befinden sich Löhne und Anzahl an Entrepreneuren im neuen Gleichgewicht auf einem höheren Niveau. Damit erhöhen steigende Preise oder höher entwickeltes Humankapital Löhne und Anzahl der Entrepreneure im modernen Sektor. Verantwortlich hierfür sind die positiven Extenalitäten, die in Form von Wissen-spillovers bezüglich der zugrundeliegenden Kostenstruktur einer Volkswirtschaft während des cost-discovery-Prozesses im modernen Sektor entstehen. Steigende Produktivitäten durch mehr Entrepreneure können dann nur durch steigende Löhne kompensiert werden, um die Null-Gewinn-Bedingung zu erfüllen.
Auch im Falle eines höheren Arbeitsangebotes auf dem Arbeitsmarkt werden sich und erhöhen. Die -Kurve wird sich nach unten verschieben, da für ein gegebenes durch das höhere Arbeitsangebot niedrigere Löhne durchgesetzt werden können. Diese verringern die Kosten der Realisation eines Projektes für potentielle Investoren und es werden mehr Entrepreneure in den modernen Sektor investieren. Das damit wachsende erhöht letztlich wiederum die Löhne, welche sich im neuen Gleichgewicht, in dem die Null-Gewinn-Bedingung erfüllt ist, auf höherem Niveau verglichen mit dem Anfangsniveau befinden. Erhöhen sich die Kosten für die Realisation eines Projektes, , dann werden unter den oben genannten Stabilitätsannahmen und sinken, da sich sowohl als auch nach unten verschieben. Hausmann et al. betonen an dieser Stelle, dass diese weniger überraschenden Ergebnisse wichtige, wenn auch sehr allgemeine Informationen für die politische Anwendung bereitstellen.[14] So kann aus den Ausführungen geschlossen werden, dass eine Erhöhung der Preise für neu entwickelte Güter (beispielsweise durch Importbeschränkungen oder Exportsubventionen) eine Expansion im modernen Sektor durch eine steigende Zahl an in cost-discovery beteiligten Firmen fördern kann und somit das Wachstum stimuliert. Gleiches gilt für die Förderung des Humankapitals oder allgemein die Erhöhung der Fähigkeit zur Erstellung produktiver Güter. Auch in diesem Bereich kann durch entsprechende Politikmaßnahmen das Wirtschaftswachstum gefördert werden.
In dem oben konstruierten endogenen Wachstumsmodell wurden einige Parameter und Mechanismen diskutiert, welche in Hinblick auf den Prozess der cost-discovery Einfluss auf das Wachstum einer Volkswirtschaft nehmen. Eine Erkenntnis hieraus besteht in der Schlussfolgerung, dass das ursprüngliche Laissez-faire Gleichgewicht zu nicht befriedigend hoher Entrepreneurtätigkeit in der Volkswirtschaft führt. Eine weitere Erkenntnis, welche den Kerngedanken dieser Arbeit und jener von Hausmann et al. bildet, besteht in der Identifikation eines Zusammenhanges zwischen der Art der Gütern, die von einer Volkswirtschaft produziert werden und dem Wirtschaftswachstum jener Volkswirtschaft. Die zentrale Variable dieser Betrachtung, welche jene Art von Gütern nach ihrer Produktivität klassifiziert, ist . Schafft es die Volkswirtschaft Güter mit einer hohen Produktivität zu erstellen und folglich zu exportieren, so wird sie nach dem oben entwickelten Modell schneller wachsen. Sie kann also durch die Spezialisierung auf höher im Produktivitätsspektrum angesiedelte Güter den Wachstumsprozess auslösen, der in einen neuen Gleichgewichtszustand strebt. In diesem Prozess imitieren Investoren ein neu entdecktes, hoch produktives Gut. Zu der Entdeckung solcher Güter bedarf es lediglich der Förderung ihrer Entrepreneure. Im folgendem empirischen Teil dieser Arbeit wird gezeigt, wie Hausmann et al. stellvertretend für einen Index konstruieren, welcher jedem Gut eine Produktivität zuordnet und die Güter anhand jener Produktivitäten in eine Rangfolge bringt. Anschließend wird der Zusammenhang zwischen diesem Index und dem Wachstum einer Volkswirtshaft untersucht.
[...]
[1] Vgl. Barro, R., Sala-i-Martin, X., 2004, “Economic Growth”, Aghion P., Howitt, P., 1998, „Endogenous Growth Theory”
[2] Etwa: Der Übergang von Wissen eines Unternehmen in andere.
[3] Vgl. Hausmann et al., 2007, „What you export matters“, S.2
[4] Ebd., S.2
[5] Ebd., etwa: Die Länder werden zu dem, was sie produzieren.
[6] Etwa: Entdeckung der Kosten.
[7] Hausmann, R., Rodrik, D., 2003, „Economic development as self-discovery”
[8] Ebd., S.604f
[9] Alle zukünftig anfallenden Zahlungen werden mit einem implizit gegebenen Zinssatz ρ abgezinst, um den Wert im Zeitpunkt t=0 zu erhalten.
[10] (ZP) steht für die Gleichgewichtsbedingung keiner zusätzlichen Gewinne (zero profits).
[11] (LL) steht für den gleichgewichtigen Arbeitsmarkt (labour demand/labour supply).
[12] Hausmann et al., 2007, „What you exports matters”, S.8
[13] Dabei erscheint der Anstieg von p in Form eines Schocks intuitiv verständlicher.
[14] Ebd., S.8
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Erstausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2012
- ISBN (PDF)
- 9783958206564
- ISBN (Paperback)
- 9783958201569
- Dateigröße
- 800 KB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Technische Universität Dresden
- Erscheinungsdatum
- 2015 (Februar)
- Note
- 1
- Schlagworte
- Externer Effekt Produktivität Cost Discovery Entrepeneurship Spezialisationsmuster