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Die Norwegisierung der Sámi im 19. und 20. Jahrhundert

©2012 Magisterarbeit 61 Seiten

Zusammenfassung

Ziel dieser Arbeit ist, die Handlungsweisen, die zu der Norwegisierung der Sámi im 19. und 20. Jahrhundert dienten, zu analysieren. Zentraler Zweck ist eine ausführliche Untersuchung der sámischen Norwegisierung und ihrer Folgen. Es wird eine mögliche Relation zwischen dem Prozess der Norwegisierung und der Entwicklung eines norwegischen Nationalbewusstseins erforscht, sowie die Identitätskonstruktion und die essentiellen Gemeinsamkeiten, die die Sámi zu einem Volk machen.
Einem Herauskristallisieren der auslösenden Faktoren der Norwegisierung liegt zunächst eine kritische Auseinandersetzung mit den historischen Hintergründen zugrunde. In der Tiefe wird die Frage untersucht, welche Konsequenzen die Norwegisierung für die sámische Ethnizität in Norwegen hatte. Anhand statistischer Angaben wird ermittelt, wie sich die Anzahl der Menschen, die sich selbst als Sámi bezeichneten, unmittelbar nach den Jahren des Höhepunktes der Norwegisierung veränderte. So wird die These aufgestellt, dass die kulturelle und politische Unterdrückung die Entwicklung eines gemeinsamen Bewusstseins verursachte, denn die sámische Identitätskonstruktion im modernen Sinne begann erst, nachdem die Sámi davon bedroht waren, als Volk zu verschwinden. Infolgedessen kann die Norwegisierung als ein Katalysator der sámischen Identitätskonstruktion gewirkt haben.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


1. Einleitung

Der Begriff ‚Sámi‘ bezeichnet ein Urvolk in dem nördlichen Teil Europas. Die Sámi formen eine ethnische Gruppe in den modernen Staaten Norwegen, Finnland, Schweden und Russland. Sie sind eines der zahlreichsten indigenen Völker, die in Europa überlebt haben und faszinieren die Forscher seit Jahrhunderten. Bis heute stellen sich Fragen, was der an­thr­opologische Ursprung dieses Volkes ist, woher die sámischen Sprachen stammen und wann die Territorien in Nordeuropa von ihnen zum ersten Mal bewohnt wurden.

Die Geschichte dieses indigenen Volkes ist lang. Archäologischen Befunden nach ist das heutige Lebensgebiet der Sámi seit langem eine Heimat für Menschen gewesen: „Entlang der Küste Finnmarkens hat man Steinwerkzeuge gefunden, die als Beweis für eine Besiedlung des Gebietes vor 8000 Jahren dienen“.[1] Wann genau die Sámi das Gebiet besiedelten, ist laut unterschiedlichen Quellen schwer einzuschätzen. Aber das Jäger- und Fischervolk, das diese Gebiete in Nordeuropa schon seit Tausenden von Jahren besiedelt hat, bestand höchstwahrscheinlich aus den Vorfahren der heutigen Sámi. Durch die Jahrhunderte mussten die Sámi die Vereinnahmung ihres Landes beobachten und miterleben. Als ein friedliches Volk, dessen „eigene Sprache den Begriff ‚Krieg‘ nicht aufweist“[2], nahmen die Sámi ihre Kolonisatoren gewaltlos auf und lebten ihren An­forderun­gen nach, was manchmal eine Steuerzahlung an drei unterschiedliche Mächte bedeutete[3], die eine extreme Armut für die Sámi zur Folge hatte. Die reichen natürlichen Ressourcen von Nordeuropa – ein ergiebiger Fischbestand in dem Meer und den Seen, weitreichendes Weideland und eine Tierwelt reich an Jagdwild lockten schon immer Opportunisten an. Das ist sowohl ein Segen als auch ein Fluch für die Ureinwohner des europäischen Nordens gewesen. Die Neuerungen, die die neuen Siedler mit sich brachten, hatten nicht immer einen positiven Einfluss auf das indigene Volk. Der Alkohol zum Beispiel, der unter anderem das Ende für die Ureinwohner von Amerika als einzige Herrscher ihres Kontinentes bedeutete, übte seinen verderblichen Einfluss auch auf die sámische Gesellschaft aus. Auf der anderen Seite führten die Kolonisatoren viele Modernisierungen und Verbesserungen des Lebens in dem sámischen Alltag ein.

Dass heutzutage die Sámi eine anerkannte Ethnizität mit einer zelebrierten Identität darstellen, ist unbestritten. Es gab allerdings Zeiten, in denen das Wort Sámi eine sehr negative Konnotation trug und den sámischen Namen oder Sprache zu behalten, brachte Armut, Verachtung und Diskriminierung mit sich. In Norwegen und Schweden unterliefen die Sámi im 19. und Anfang des 20. Jahrhundert einen Prozess der Assimilierung – respektive Nor­wegisierung und Schwedisierung genannt. Die sámischen Sprachen, Namen und Lebensweise waren historisch gesehen unbequem für die derzeitigen politischen Ziele der Staaten und folglich auch unerwünscht. Dieser Prozess war in Norwegen äußerst ausgeprägt. Die Schwedisierungsmaßnahmen waren weder so intensiv und effizient gewesen noch dauerten sie so lange, wie diese in Norwegen. Besonders in dem Bildungs­wesen wurde vieles unternommen, um die Sámi in „a population of Norwegian farmers who are tied by their livelihood to where they live and who have an empathic sense of Nor­wegian nationhood“[4] umzuwandeln. Die sámische Sprachen durften in der Schule überhaupt nicht mehr benutzt werden. In anderen Bereichen kam es auch zu Beschränkungen und Druck, die eigenen Namen und Sprache zu ändern, um sich in die norwegische Gesellschaft eingliedern zu können.

Ziel dieser Magisterarbeit ist, die Handlungsweisen, die zu der Norwegisierung der Sámi im 19. und 20. Jahrhundert dienten, zu analysieren. Der Norwegisierungsprozess im Lande galt nicht nur für die Sámi, sondern auch eine andere Ethnizität, die in Norwegen existiert: die Kven. Zentraler Zweck dieser Arbeit ist aber eine ausführliche Untersuchung der sámischen Nor­wegisierung und ihrer Folgen, insofern wird sich das Hauptinteresse der Arbeit ausschließlich diesem Volk widmen. Es wird weiterhin eine mögliche Relation zwischen dem Prozess der Norwegisierung und der Entwicklung eines norwegischen National­bewusstseins erforscht, in sowohl historischer als auch politischer und kultureller Hinsicht. Zu diesem Zweck wird zunächst die zentrale Begrifflichkeit, die sich auf die Sámi als indigenes Volk und eine mögliche Identitäts­konstruktion bezieht, erläutert. Es wird die Identitätskonstruktion und die essentiellen Gemeinsamkeiten, die die Sámi zu einem Volk machen, untersucht. Eine kritische Auseinandersetzung mit den historischen Hintergründen, die die Bildung des nationalen Bewusstseins in Norwegen voraussetzen, wird einem Herauskristallisieren der auslösenden Faktoren der Norwegisierung zugrunde liegen. Es wird in der Tiefe die Frage untersucht, welche Konsequenzen die Norwegisierung für die sámische Ethnizität in Norwegen hatte. Anhand statistischer Angaben wird untersucht, wie sich die Anzahl der Menschen, die sich selbst als Sámi bezeichneten, unmittelbar nach den Jahren des Norwegisierungshöhe­punktes veränderte; auf der anderen Seite aber hat dieser Prozess das gemeinsame Bewusstsein der Sámi geweckt und das Volk zusammengebracht. Es wird die These aufgestellt, dass die kulturelle und politische Unterdrückung die Ent­wicklung eines gemeinsamen Bewusstseins verursachte, dass die Gefahr der Assimi­lierung und des Verlustes der eigenen Sprache und des kulturellen Erbes die Sámi als Volk zusammenbrachte; die sámische Identitätskonstruktion im modernen Sinne beginnt eigentlich erst nachdem die Sámi davon bedroht waren, als Volk zu verschwinden. Infolgedessen kann die Norwegisierung als ein Katalysator der sámi­schen Identitätskons­truktion gewirkt haben. Inwiefern diese zerstreuten Stämme, deren Sprachen sich zum Teil so sehr vonein­ander unterschieden, dass sie sich nicht mal untereinander verstanden, ein Bewusstsein für Zusammengehörigkeit hatten, bevor der Druck der Norwegisierung sie in den Internaten in Finnmark zusammenbrachte, ist eine schwer zu beantwortende Frage. Da eine ethnische Gruppe ist „defined by certain cultural features, including language”[5], ist auf jeden Fall anzunehmen, dass die Sámi schon im 16. Jahrhundert als eine getrennte Ethnizität in Skan­dinavien anerkannt wurden. Ihre Differenz zu den anderen Skandinaviern wurde zweifels­ohne gesehen. Spätestens seit dem Jahr 1751, als das Lappenkodizill unterschrieben wurde, ist es klar zu bemerken, dass die Sámi als ein unterschiedliches Volk wahrgenommen wurden, mit unterschiedlichen Bedürfnissen, wie das Recht sich über die Staatsgrenzen frei zu bewegen. Die­se Anerkennung hatten aber die Sámi wahrscheinlich schon viel früher verdient:

For the Saami, the chronological limit would logically seem to be located at the beginning of the Modern Age [...] (1550-1600). At this time many historically recognized Saami characteristics, such as certain types of dwelling and reindeer husbandry, rapidly formed and became established [...]. While many of the older features, such as religion, clearly survived in the region, one can nevertheless take this to be the point at which the Saami identity began in historical sense.[6]

Aber wann genau hat sich diese ‚Identität‘ so weit entwickelt, dass sie auch von den Sámi selbst verinnerlicht wurde? Es ist anzunehmen, als sie von dem norwegischen Staat angegriffen wurde. In diesem Sinne wird die These untersucht, dass die Norwegi­sierung zu der Konstruktion der sámischen Identität einen wesentlichen Beitrag leistete.

1.1. Über das sámische Volk

Um die Norwegisierung besser verstehen und analysieren zu können, ist es wichtig, an erster Stelle den Begriff Sámi zu erläutern. Es stellt sich die Frage: was macht einen Sámi aus und welche kulturelle, ethnische und politische Bedeutung dieser Begriff trägt. Zu diesem Zweck ist es wichtig, Schlüsselmomente der sámischen Geschichte vor dem Anfang der Norwegisierung aufzulisten sowie zentrale Begriffe zu erläutern, die zu dem Verständnis beitragen sollen, was indigenes ‚Volk‘, ‚Ethnizität‘, ‚Minderheit‘ etc. ist.

Die Sámi sind das Urvolk Nordeuropas. Das Gebiet, das sie bewohnen, wird von ihnen selber als ‚Sápmi‘ bezeichnet. Dieses Gebiet, das seit Urzeiten von den Sámi Heimat genannt wird, ist aufgrund der Grenzziehung zwischen den modernen Staaten Norwegen, Schweden, Finnland und Russland, aufgeteilt: „The Sami region of today extends from Idre in Dalarna, Sweden and adjacent areas in Norway south to Engerdal in Hedmark County. To the north and east it stretches to Utsjoki in Finland and Varanger in Norway and on to the Kola Peninsula in the Russian Federation”.[7] Durch die Jahr­hunderte bekamen die Sámi viele verschiedene Bezeichnungen – ‚Finnoi‘, ‚Skrithfinoi‘, ‚Screrefennae‘[8]. Die früheste bekannte Quelle über sie stammt von dem römischen Schriftsteller und Politiker Tacitus. Seine ethnographische Schrift über die germa­nischen Völker „Germania“ von 98 n. Chr. Spricht über die ‚Fenni‘, es wird meistens angenommen, dass damit die Sámi gemeint sind. Eine an­dere Benennung gehört zu einer moderneren Begrifflichkeit: ‚Lappen‘. Etymologisch ist das Wort auf die geographische Bezeichnung ‚Lappland‘ zurückzuführen, aber der „Terminus ‚Lappen‘ ist durch die politische und ethnische Bewußtseinsbildung im Laufe der vergan­genen Jahre durch die Eigenbezeichnung ‚Saamen‘ ersetzt worden [...]“.[9]

Heute befinden sich die Sami in ihrem Siedlungsgebiet fast überall in der Minder­heit. In Abhängigkeit davon, welche Kriterien zur Bestimmung der Ethnizität gelten, werden unter­schiedliche Angaben in diversen Quellen bezüglich der Anzahl der Sámi heute gefunden. Die Zahlen schwanken zwischen 50 000 und 70 000. Von diesen sind geschätzt etwa die Hälfte, 30 000–35 000, Muttersprachler einer der sámischen Sprachen.[10] Die Mehrheit der Quellen einigt sich über die folgenden Angaben: in Schweden wohnen zwischen 17 000–20 000; 5 700 – in Finnland; am kleinsten ist die sámische Bevölkerung in Russland – rund 2 000 Men­schen; in Norwegen besteht die größte sámische Bevölkerung, zwischen 30 000 und 40 000.[11] Die Mehrheit der norwegischen Sámi „live in the two northernmost provinces (Finnmark 15,000, Troms 9,000)“.[12]

Untersuchungen des anthropologischen Ursprungs der Sámi fanden heraus, dass keine Ver­wandtschaft zwischen ihnen und den anderen Skandinaviern besteht. Umso inte­ressanter ist die Frage: woher kam dieses Volk? Eine sichere Antwort auf diese Frage liegt noch im Dunkeln der Ge­schichte. Unter der Annahme, dass die Rentierherden die Hauptnahrungsquelle der Vorfahren der Sámi gewesen sind,

gehen viele Forscher davon aus, dass die Lappen dem nach Norden vordringenden Ren gefolgt seien. Nach der letzten Eiszeit wanderte das Ren über Südschweden und über die karelische Landzunge in den skandinavischen Raum ein. Überall auf diesem Weg gibt es auch archäologische Funde [...].[13]

Es ist allerdings nicht eindeutig, ob diese archäologische Funde auf die Sámi zurückzuführen sind. Durchaus möglich ist, dass es sich in diesem Fall um ein anderes Volk oder anderen Stamm handelt, denn „Das Leben war viel zu hart, der tägliche Existenzkampf so dramatisch und die Ernäh­rungsweise so abwechslungslos, daß sich keine höhere Kultur entwickeln könnte“.[14] Folglich sind die gefundenen Artefakte nicht unbedingt spezifisch für die sámische Kultur. Auch deswegen ist es so schwierig den sámischen Ursprung heraus­zufinden. Durch die Jahre gab es viele Theorien, mehr oder weniger überzeugend:

Early researchers into Saami racial traits were largely preoccupied with measuring Saami skulls, and have presented a range of hypotheses claiming almost every conceivable origin for the Saami. Guerault (1860-63) and Nilsson (1866) considered the Saami to be mongoloid. Schefferus (1673) grouped the Saami with the Finns. Giuffrida-Ruggeri (1913) placed them with the Samoyeds. Wiklund conceived of the Saami as the remnants of the root race for both yellow and white races. The Saami have even been called the lost tribe of Israel.[15]

Bis jetzt hat sich keine der existierenden Theorien als eindeutig wahr etabliert. Es ist nicht völlig klar, woher die Sámi stammen. „In ihrem physiognomischen Er­scheinungs­bild differieren die Lappen deutlich von den anderen Bewohnern der Nordkalotte.“[16] Typisch sind eine kleinwüchsige magere Körperstruktur, eine dunklere Hautfarbe und eine kantig ausgeprägte Gesichtsform. Einem der letzteren Forschungs­stände nach, handelt es sich bei den Sámi nicht um eine getrennte ‚Rasse‘, sondern um eine „Anpassungsform an den Lebens­raum“.[17] Die Messungen der physiognomischen Merkmale „stehen denen anderer nord­­eurasischer Naturvölker sehr nahe, denn alle diese Völker sind phäno- und geno­typisch durch die harte Umwelt mehr oder minder verkrüppelt“.[18] In diesem Kontext sollte sich natürlich „verkrüppelt“[19] als ‚den natürlichen Umständen angepasst‘ verstehen, ähnlich wie die Inuit in Kanada sich mit der Zeit an das harte Klima durch physiologische Veränderungen angepasst haben. Die Sámi an sich haben bemerkenswerte Unterschiede entwickelt, so dass eine ethno­logische Grenze zwischen Ostsámi und skandinavischen Sámi gezogen werden kann, die durch den Inari-See verläuft.[20]

Aus sprachwissenschaftlicher Sicht könnten die Sámi mit den Finnen, Esten oder anderen Völkern, die finnougrischen Sprachen sprechen, verwandt sein. Die finno­ugrischen Sprachen konstituieren einen getrennten Zweig in der europäischen Sprachen­landschaft und sind insofern ‚exotisch‘, da sie nicht zu der indoeuropäischen Sprachfamilie gehören. Sprachen dieser Sprachfamilie sind auch Ungarisch, Chantisch, Mansisch, Komi, Udmurtisch. Die Zugehörigkeit der sámischen Sprachen zu der finnougrischen Sprachfamilie zeugt für eine kulturelle Gemeinsamkeit mit den Völkern, deren Sprachen aus dieser Sprachfamilie stammen. Viele Gemeinsamkeiten haben die sámischen Sprachen auch mit den samojedi­schen, besonders auf der lexikalischen Ebene, es bestehen viele Wortgleichheiten. Mehrere Lehn­­wörter aus dem Finnischen indizieren einen Umgang mit den Finnen, der seit mindes­tens 2000 Jahren existiert.[21] Die Lehn­wörter aus dem Altnordischen wanderten wahrschein­lich schon 500–600 in die sámi­schen Sprachen ein, als ein stärkerer Kontakt mit den Norwegern bestand.[22]

Obwohl eine eindeutige Aussage über die Frage, woher sie kommen und welche ethni­sche Zugehörigkeit sie haben, nicht gemacht werden kann, kann man mit relativer Sicher­heit sagen, dass die Sámi sich als Volk von den heutigen Skandinaviern unter­scheiden. Umso weniger rational scheint ein Versuch, diese Menschen, die weder genetisch noch sprachlich mit den Norwegern verwandt sind, zu norwegisieren.

1.2. Früheste Quellen und sámische Geschichte

Es ist sehr wichtig, ausdrücklich zu vermerken, dass in dem Fall der Sámi erst nach dem Ersten Weltkrieg sich die Kennzeichen einer Identitätskonstruktion bemerkbar ma­chen. Vorher waren die Sámi eher zerstreute Stämme, die ein großes Territorium in Skandinavien bewohnten. Aus diesem Grund hatten die unterschiedlichen Stämme auch wenig Kontakt miteinander und untergingen folglich auch zum Teil einer unter­schiedlichen geschichtlichen Entwicklung. Deswegen ist es schwierig, die sámische Geschichte als eine Einheit zu betrachten und überhaupt feste Aussagen über ‚die Sámi als Volk‘ zu machen.

Des Weiteren sind die Quellen, die in diesem Kapitel angegeben werden, teilweise sehr alt und deswegen nicht immer vollkommen verlässlich. Vielmals wird über die ‚Fenni‘ gesprochen, die laut neueren Quellen tatsächlich die Sámi waren. Für die Ziele dieser Arbeit wurde dieser Umstand ohne Weiteres angenommen. Nichtsdestotrotz müssen die ältesten Quellen sehr kritisch und mit Vorsicht betrachtet werden.

Die Sámi blicken auf eine sehr lange Geschichte zurück. Berichte über sie sind schon in Tacitus „Germania“ zu finden, aber auch in manchen skandinavischen Sagas. Über sie infor­mieren auch der Norweger Óttar, Adam von Bremen, der griechische Historiker Procopius.

Tacitus schreibt im Jahre 98 n.Chr. eine kurze ethnographische Schrift über die germa­n­ischen Stämme in Europa – Germania. Darin erwähnt er auch das Volk der ‚Fenni‘ (‚Fen­nen‘ in der deutschen Übersetzung) und beschreibt ihre Gesellschaft als eine unentwickelte und extrem arme: „Bei den Fennen ist eine wunderbare Wildheit und abscheuliche Armuth. [...] zum Lebensunterhalt dient Gras, zur Kleidung Felle, das Lager ist der Boden“.[23]

Die nächste bedeutende Quelle erscheint erst ca. 500 Jahre nach Tacitus. Der griechische Historiker Procopius erwähnt die Sámi unter dem Namen Skritiphinoi und beschreibt sie als ein Jägervolk.[24]

Óttar war ein wohlhabender norwegischer Bauer, der nach der von ihm unternom­menen Reise in den höheren Norden, einen Bericht darüber schrieb und diesen dem König Alfred dem Großen von England gab. Es wird berichtet, dass Óttar selbst Rentiere besaß, was zu dieser Zeit nur für die Sámi typisch war, und dass die Sámi ihm eine Steuer zahlten – die sogenante ‚finneskatt‘, wobei jeder seinem Wohlstand entsprechend zahlte.[25] Aus seinem Bericht ist zu lesen, dass die Sámi, in deren unmittelbaren Nähe er lebte, in ers­ter Linie Fischer und Jäger waren, die Jagd auf Pelztiere und Wal- und Seehundfang betrieben,[26] aber auch, dass sie sich mit der Rentierzucht beschäftigten: „Ottar er den første av våre kilder som spesielt nevner tamreinen i forbindelse med samene“.[27] Dass sie ihm Steuer zahlten, spricht für ihre friedliche Natur und den Mangel an militärischen Erfahrungen. Es bestätigen sich die Informationen, die Tacitus angibt, dass die ‚fenni‘ keine Waffen besaßen. In diesem Sinne nehmen manche Historiker an, dass die Steuer, die die Sámi an die skandinavischen Jarlen zahlen haben müssen: ‚finneskatt‘, eigentlich Resultat eines Abkommens zwischen den Sámi und den Skandinaviern war. Die Sámi produzierten Waren, die in Westeuropa als rar und wertvoll galten: „fine furs, hides, ropes and walrus ivory, which were useful in the gift exchange system between members of the Norse elite“.[28] Deswegen stellt sich die These, dass die Sámi die Steuer ‚finneskatt‘ zahlen mussten, um sich die Protektion der skandinavischen Jarle gegen eventu­elle Koloni­sa­toren ihrer Territorien zu sichern. Wäre die Vergünstigung nicht gegenseitig gewesen, macht Bately die berechtigte Bemerkung, dass „otherwise they would simply have ‚va­nished‘ into the landscape“.[29] Weiterhin konnten die Sámi von ihren Beziehungen mit den Skan­­dinaviern und insbesondere mit den Norwegern durch den Erwerb neuen Wissens pro­fitiert haben, beispielsweise bei der Landbebauung: „Moreover, linguists argue that loan­words in Sami which are derived from early Norwegian, maybe as early as 500–600, [...] im­ply that groups of Sami at this stage took up agriculture according to the practice of their Nordic neighbours“.[30] Es sind auch archäologische Befunde vorhanden, die belegen, dass die Sámi von den Skandinaviern metallische Gegenstände bekamen, höchstwahr­scheinlich als Währung bei dem Handel: „Sami metal depostis from the 9th and 10th century mainly contain objects probably deriving from the West“.[31] In allen Fällen steht die Annah­me fest, dass die Beziehung zwischen den Sámi und den Skandinaviern, insbesondere den Norwegern auf gegenseitigem Respekt und Zusammenarbeit basierten.

Interessant ist die Anmerkung über die Sámi in der Egils Saga, dass eine Steuer von den ‚finn‘ im Norden gesammelt wurde: „hann fekk honum og finnferð, konungssýslu á fjalli og finnkaup“.[32] Unter anderem werden auch andere Völker benannt: ‚Kvenir‘, ‚Kirjálar‘, die eindeutig keine sámischen Völker sind. Aus diesem Grund ist es relativ gefahrlos anzu­nehmen, dass mit dem Begriff ‚finn‘ doch genau die Sámi gemeint sind, und dass ‚Finnmörk‘ eine geographische Bezeichnung für das Wohngebiet dieses Volkes ist. Aus der Saga lässt sich herauslesen, dass es sich bei dem ‚finneskatt‘ um eine Tradition gehandelt hat, da die Sámi mal mehr, mal weniger bezahlten: „Þeir fóru um vetrinn á fjall og hǫfðu með sér þrjá tigu manna; þótti Finnum miklu minni vegr at þessum sýslumǫnnum en þá er Þórólfur fór; greiddisk allt miklu verr gjald það, er Finnar skyldu reiða“.[33] Es können Beispiele aus mehre­ren Sagas hervorgebracht werden, die belegen, dass ein Kontakt zwischen den Sámi und den Skan­dinaviern bestand: Die Heimskringla erwähnt sie in den Geschichten von Olav Trygg­vason und König Harald Hårfagre. Aber auch in diesen Fällen müssen die Quellen mit Vor­sicht be­han­delt werden, und obwohl generell angenommen wird, dass an diesen Stellen tat­säch­lich die Sámi erwähnt werden, ist es immerhin nicht vollkommen sicher, dass das unbedingt der Fall ist.

Von den später erschienenen Quellen sind der deutsche und der dänische Historiker Adam von Bremen und Saxo Grammaticus erwähnenswert, die auch über ein Jägervolk in Skandi­navien schreiben. Interessant sind die Informationen, die von dem Schweden Olaus Magnus stammen, dass auch die sámische Frauen an der Jagd teilnahmen,[34] ein deutlicher Beweis über die relative Gleichstellung der Geschlechter in der sámischen Gesellschaft.

Über die Zeit bis 1751, dem Jahr, in dem das sogenannte Lappenkodizill unter­schrieben wurde, ist über die sámische Geschichte die Entwicklung der se­pa­raten Stämme ver­­hält­nismäßig wenig bekannt. Es gibt Informationen, dass ihre Länder von den Norwegern, vor allem aber auch von den Russen und den Finnen langsam koloni­siert wurden: „Particularly during times of harvest failure and famine, many lesser freeholders and peasants left their families and fled north in search of the riches offered by the northern forests and to seek shelter from the advancing feudal powers”.[35] Somit wurden langsam auch die Territorien im Norden von den schon stabilen Staaten Schweden, Norwegen und Russland beansprucht. Aufgrund von Unklar­heiten unter den Staaten gab es auch Bereiche, die von mehr als einem Staat als eigene ­Territorien anerkannt wurden. Somit mussten die Sámi, die in solchen Ländern lebten, Steuer an bis zu drei Steuerempfänger zahlen: Russland, Norwegen und Schweden. Im 17. Jahrhundert haben Russland und Norwegen sich darüber geeinigt, von den Sámi, die an der Küste lebten, nicht gleichzeitig Steuer zu verlangen. Alle Sámi, die im Landesinneren lebten, mussten Steuer an Dänemark-Norwegen auf der einen Seite, und an Schweden auf der an­deren bezahlen.[36] Die Unklarheiten bezüglich genauer Grenzen zwischen den Staaten wurden im 18. Jahrhundert behoben. Das Friedensabkommen von Teu­sina vom Jahre 1595 setzte die Grenzen zwischen Russland und Schweden fest. Die Sámi, die auf der Kola Halbinsel lebten, wurden von den skandinavischen Sámi getrennt. Die Grenz­frage zwischen Dänemark-Norwegen und Schweden wurde in dem Friedensvertrag von 1751 in Strøm­­stad geklärt. Ein 30-seitiges Addendum sorgte für die sámischen Migrationsrechte über die Staatsgrenzen, das sogenannte Lappenkodizill, das auch als die ‚Sámi Magna Car­­ta‘[37] bekannt ist. Es wurde das Sonderrecht der Rentierzüchter berücksichtigt und wonach ihnen die Bewegungsfreiheit über die Staatsgrenzen hinaus zusammen mit dem Rentier gewähr­t wurde.

Die schriftlichen Quellen über das sámische Volk aus dem 17 Jahrhundert sind schon von einem größeren historischen Wert. Die schriftlichen Dokumente aus der Zeit „sind in Zusammenhang mit Maßnahmen entstanden, mit denen die Politik der nationalen Einheit insbesondere seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Schwe­den-Finnland und in Dänemark-Norwegen gefördert werden sollte“.[38] Am wichtigsten war, die sámische Religion besser zu verstehen, und die Sámi im Idealfall zum Christentum zu bekehren, was eine Vor­aussetzung für die Stabilität der Staaten ein Faktor sein könnte. Sowohl auf den schwedi­schen als auch auf den norwegischen Territorien wurden Missionare beauftragt, die sámi­sche Kultur, Lebensweise, Sprachen und Religion zu dokumentieren und dort den christlichen Glauben zu verbreiten. Sehr bekannt ist in diesem Zusammenhang der Deutsche Johannes Schefferus, Professor für Rhetorik und Staatslehre an der Universität Uppsala, der eine Abhandlung über die Sámi verfasste: „Lapponia“ erschien 1673 in Frankfurt am Main.[39] Die Abhandlung wurde sehr schnell populär und in mehrere Sprachen übersetzt.

In Norwegen wurde Thomas von Westen mit der Aufgabe beauftragt, die Sámi zum Christentum zu bekehren. Er wurde später oft als ‚Saamenapostel‘[40] bezeichnet. Seine Schrif­­ten, die er auf Berichten der Sámi basierte, sowie eine bedeutende Kollektion von Scha­manentrommeln wurden leider in dem Brand von Kopenhagen 1795 zerstört. Von Westens Erfolg auf seiner Mission beruhte auch auf dem Fakt, dass er eine sámische Sprache lernte. Er führte sogar einen Zensus durch, aus dem bekannt ist, dass „1724 there were 1472 Sámi families, representing 77231 individuals, in the Sámi areas of Norway“.[41]

Die Arbeit, die Schefferus und von Westen über die Sámi leisteten, ist zentral in dem Sinne, dass die Existenz der Sámi zum ersten Mal für die Welt „veröffentlicht“ wurde und sie für den Rest Europas bekannt machte. Viele andere Forscher beschäftigten sich in dieser Zeit auch mit den Sámi, unter anderem Olsen und Jens Kildal, Johan Randulf, Carl Solander, Knut Leem, Henric Frobius und Sigvard Kildal, die über Norwegischlappland berichtet haben, sowie Pehr Hög­ström und Pehr Fjellströmm, die Informationen über Schwe­disch­lappland sammelten.[42]

Diese Werke konstituieren die Basis für eine extensive Forschung über die Sámi, die bis heute noch fortgeführt wird. Es werden immer noch die Aspekte des ‚Sámitums‘ untersucht und analysiert, wie bereits erwähnt, die Faszination mit diesem Volk bleibt erhalten. Heutzutage wird viel über die Sámi von Forschern und Wissenschaftlern sámischen Ursprungs geschrieben. Berühmte Namen darunter sind der Professor für Ethnologie Israel Ruong oder die Professorin für sámische Literatur Vuokko Hirvonen. Andere namhafte sámische Wissen­­schaftler sind Harald Gaski, Mikael Svonni, Nilla Outakoski. Bekannte Forscher, die wichtige Beiträge zur Sámiforschung leisteten und deren Werke unter anderem auch dieser Arbeit als Quellen zu Grunde liegen, sind Vorren und Manker, Hugh Beach, Ole Magga, Ivar Bjørklund. Mehrere Werke wurden in den letzten Jahren verfasst, die sich auf die soziokulturellen und -politischen Aspekte des Lebens der Sámi konzentrieren sowie die Aufsätze von Thuen oder Jones-Bamman. [43]

Dieser Überblick über die sámische Geschichte und Forschung hatte zum Ziel, die Sámi als einen Exoten unter den Völkern in dem heutigen Europa darzustellen. Das sind sie jeden­­falls – ein indigenes Volk, das seit Urzeiten Territorien in Fennoskandinavien bewohnt und das sich von den heutigen Skandinavier in vielerlei Hinsicht, die seine unikale Identität zum Vorschein bringt, unterscheidet – Sprache, Herkunft, kulturelle Traditionen, Kunst. Sie sind ein Volk mit besonderer Stellung unter den anderen in Europa, das schon immer vielerlei Forschung in unterschiedlichen Bereichen inspiriert hat.

2. Zentrale Begrifflichkeit

Essenziell für die richtige und profunde Ausarbeitung des Themas über die Norwe-gisierung der Sámi ist die Definition mehrerer Begriffe. In diesem Kapitel sollen die wichtigsten, sofern möglich, definiert und erläutert werden.

An allererster Stelle ist eine Auseinandersetzung mit dem Begriff ‚Identität‘ nötig, da er in einem engen Zusammenhang mit dem Thema steht. Es soll die These untersucht werden, dass die Norwegisierung der Sámi eine verstärkte Identitätskonstruktion unter ihnen ausgelöst haben muss, und um diese überhaupt beweisen zu können, muss eine Definition für ‚Identität‘ herausgearbeitet werden. „Amartya Sen vertritt die Ansicht, dass nicht nur die kulturelle Zugehörigkeit, eine Einteilung der Welt nach wenigen Kriterien wie Ethnizität oder Religion, die Identität eines Menschen ausmacht.“[44] Also haben mehrere Faktoren eine Bedeutung bei der Bestimmung der Identiät eines Menschen oder einer Gruppe. Neben Ethnizität und Religion können das die Sprache, Kulturerbgut und traditionelle Lebensweise sein. Des Weiteren muss die Identität eines Individuums als „eine Konstruktion, die auf äußere Bedingungen reagiert“[45] verstanden werden. Deswegen war der Eingriff des norwegischen Staates auf die sámische Gesellschaft und auf zentrale Charakteristiken, die die Identität einer Gruppe ausmachen - Sprache und kulturelle Traditionen, so gefährlich – die Identität einer Person kann beeinflusst und willkürlich geändert werden.

Der Begriff ‚Minderheit‘ an sich ist einer, der eine so breite Bedeutung haben kann, dass es sehr schwierig ist, ihn klar zu definieren. Eine Gruppe von Menschen kann eine Minderheit darstellen, basierend auf, im weitesten Sinne, Unterschieden, die sie gegenüber der domini­erenden Gesellschaft aufweisen. Eine Definition aber, die alle Minderheiten auf der Welt umfassen könnte, sollte so allgemein sein, dass die Besonder­heiten der diversen Minder­heiten nicht darin angegeben werden könnten. Deswegen sind alle Definitionen des Begriffes, die zum Zwecke dieser Arbeit gefunden wur­den, relativ umfassend und etwas ungenau. Im allgemeinen Verständnis kann ‚Minderheit‘ mit der Definition Capotortis bestimmt werden:

Die wohl weiteste Anerkennung hat die Definitionsthese von Capotorti erfahren, der ein Mitglied der VN-Unterkommission zur Verhinderung der Diskriminierung und zum Schutz von Minderheiten war. Demnach ist eine Minderheit: „Eine zahlenmäßige kleinere Gruppe als der Rest der Bevölkerung , dessen Mitglieder Staatsangehörige sind und ethnische, religiöse oder sprachliche Merkmale besitzen, die sie vom Rest der Bevölkerung unterscheidet und die, wenn auch nur implizit, ein Solidaritätsgefühl zeigen, um ihre Kultur, Tradition, Religion oder Sprache zu bewahren.[46]

Der Begriff ‚Ethnizität‘ stammt aus dem griechischen Wort ‚ethnos‘, das Heide[47] be­deu­tete und somit eine Konnotation der Fremdheit und der Nichtzugehörigkeit trägt. „Today the word is used in scholarship to refer to a group of people, or to a cultural minority”[48], oder als Eriksen es ein wenig allgemein ausdrückt: „ [...] has something to do with the classification of people and group relationships”.[49] Der Begriff schließt in sich kul­turelle Aspekte wie Sprache, Religion, Traditionen und weitere Charakteristika ein, die eine Gruppe benutzt, um sich selbst zu definieren, oder als Basis ihrer Identität sieht. Die Ethnizität ist an erster Stelle ein Aspekt der sozialen Beziehungen und ist mit dem Zusam­mengehörig­keits­gefühl der Menschen verbunden.[50] In einer unmittelbaren Beziehung mit dem Begriff ‚Ethnizität‘ steht ‚ethnische Minderheit‘, besonders im Falle der Sámi in den skandinavischen Staaten und Russland. Sie sind sowohl eine Ethnizität an sich, wie aus der oben erwähnten Definition abzuleiten ist, als auch eine ethnische Minorität in dem Rahmen der Staaten, in denen sie geboren sind: „An ethnic minority can be identified as a group which is nume­rically inferior to the rest of the population in a society, which is politically non-dominant and which is being reproduced as an ethnic category. (cf. Minority Rights Group, 1990: xiv)“.[51]

Sowohl die Selbstidentifikation als auch die Sprache, die die Rolle der „particular cultural feature“[52], die nötig für die Bestimmung der ethischen Identität ist, übernimmt, als auch eine soziale Struktur, sind wichtige Faktoren bei der Selbstbestimmung der heutigen Sámi. Die ethnische Identität ist auch ein mit den obengenannten verbundener Begriff und „is a part of a person’s social identity, which in turn is made up of numerous identities [...]. Ethnic identity offers people a comforting and unchanging sense of solidarity and continuity with the past”.[53] Die ethnische kollektive Identität einer Gruppe von Menschen „must al­ways be defined in relation to that which they are not – in other words, in relation to non-members of the group“[54] und “becomes most im­portant the moment it seems threatened”.[55] In diesem Sinne kann behauptet werden, dass die sá­mische Identität zum ersten Mal ein reales und für die Sámi bewusstes Phänomen wird, wenn der Versuch stattfindet, die Sámi in eine andere Ethnizität umzuwandeln. Die wichtige Funktion, die die ethnische Identität für die Sámi hat, und die Tatsache, dass sie relativ spät zu einem Faktor in dem sámischen Bewusstsein als ein vereinigtes Volk wurde, ist in dem Vorwort zu dem Sámischen politischen Programm von 1980, in dem zum ersten Mal die Kriterien der sámischen Identität festgehalten werden, zu bemerken: „We Saamis are one people, and national frontiers shall not divide the unity of our people. We have our own history and tradition, our own culture and our own language”.[56]

Nachdem die Begriffe Ethnizität, ethnische Minderheit und ethnische Identität im Zu­sam­menhang mit den Sámi geklärt wurden, muss als nächstes der Begriff ‚indigenes Volk‘ beleuchtet werden. Die Sámi sind an erster Stelle ein indigenes Volk und es muss untersucht werden, was dieser Begriff mit sich bringt. Aikio bringt die folgende Definition vor: „According to the current international definition, an indigenous people is characterized by pre-existance, non-dominance, dissimilarity of culture, and self-identification”.[57] Die Urvölker sind, anderen gängigen Definitionen nach, die Nachkommen marginalisierter ethnischen Gruppen, die präexistent auf bestimmten Territorien sind und kolonisiert oder erobert worden sind. Sie behalten aber ihre Sprache und Traditionen im Rahmen des neugegründeten Staates und verstehen sich selbst als ein eigenständiges Volk. Darüber hinaus „Indigenous groups are defined as non-state people, and are always linked with a non-industrial mode of production. [...] they represent a way of life which renders them particularly vulnerable in relation to modernisation and the state“.[58] Dieser Fall trifft auf die Sámi zu, die sich seit Jahrhunderten von Rentierzucht und Fischfang ernähren.

Die meistverbreitete moderne Definition von dem Begriff ‚indigenes Volk‘ geht auf den UN-Sonderbericht­erstatter José Martínez-Cobo zurück, der diesen 1986 in seiner grund­legenden Studie über Diskriminierung gegen indigene Völker an vier Kriterien knüpfte. Erstes Kriterium ist die Präexistenz: die indigenen Völker sind relativ gesehen die ältesten Bewohner eines bestimmten Gebietes; ein deutlicher kultureller Unter­schied muss zwi­schen dem Urvolk und der dominierenden Gesellschaft bestehen, der sich meistens in unterschied­­licher Sprache, Religion und Traditionen äußert; die Selbst­idetifikation und die Anerkennung der restlichen Gesellschaft als ein unterschiedliches Volk müssen auch vor­handen sein; und letztendlich, es muss auch eine Erfahrung an Assimilierungsversuche, Mar­gina­lisie­rung und Unterdrückung bestehen.[59] Die Kriterien, die Martínez-Cobo für die De­finition der indigenen Völker empfiehlt, erfüllen die Sámi zweifelsohne. In ihrem Falle handelt es sich definitiv um ein indigenes Volk, das besondere Rechte braucht, um seine Identität zu bewahren.

Von einer gleichgroßen Bedeutung für diese Arbeit ist die Definition des Begriffes ‚Nationalismus‘. In der neueren europäischen Geschichte hat dieser eine zentrale Stellung, sowohl für die Großmächte auf der politischen Szene als auch für die kleineren und jün­ge­ren Nationen. Seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts baute sich in Europa eine Stimmung des Nationalgefühls auf, und mit fortschreitender Zeit und Ereignissen kam es zu einem ver­stärkten nationalen Bewusstsein, das auch als ‚Nationalismus‘ bekannt ist. Gellner definiert den Begriff folgendermaßen:

[...] nationalism is the doctrine that the legitimate political unit is also the ethnic one. Or to put it more simply still: it is about the marriage of State and Culture. One state, one culture; one culture, one state. Every culture wants its own political roof; every state needs to defend a culture in order to justify itself.[60]

Darüber hinaus kann hinzugefügt werden, dass „Nationalism is always a response to external challenges. Nationalism is often a defense reaction to rapid commercialization and modernization, […] to social upheaval, […] to political pressure”.[61] Eine andere Definition von Gellner besagt weiterhin aus: „In brief, nationalism is a theory of political legitimacy, which requires that ethnic boundaries should not cut across political ones”.[62] Also, geht der Begriff ‚Nationalismus‘ auf eine spezifische Verbindung zwischen Staat und Ethnizität zu­rück. Aus diesem Grund kann ein Nationalstaat folgendermaßen definiert werden: „a state, dominated by an ethnic group, whose markers of identity (such as language or religion) are frequently embedded in its official symbolism and legislation”.[63] Demnach ist die Norwe­gisierung mehr oder weniger ein zu erwartender Prozess gewesen. Sowohl die politische Situation in Skandinavien und Europa zu dieser Zeit als auch die nationalistischen Bestre­bungen, die auf dem ganzen Kontinent in „the long nineteenth century, say 1789 to 1914“[64] verbreitet waren, lösten einen Prozess des Assimilation fremder Ethnizitäten nicht nur in Norwegen, sondern auch im restlichen Europa aus. „På samme måte som i en rekke andre små og store land i Europa spredde det seg ei nasjonal begeistring som til da hadde vært fremmed. Breie lag av folket ble grepet av nasjonalfølelse”.[65]

In diesem Kontext soll die Aufmerksamkeit auch dem Begriff ‚Assimilation‘ gewidmet werden. Er geht auf das lateinische ‚assimilare‘ oder ‚assimulare‘ zurück, was als ‚ähnlich machen‘, ‚nachbilden‘, ‚angleichen‘ übersetzt wird.[66] Aumüller führt die Definition von ‚Assimilation‘ aus der deutschsprachigen Enzyklopädie „Der große Brockhaus“ (16. Auflage) auf: „ein Vorgang der Durchdringung und Verschmelzung, bei dem Einzelne oder Gruppen die Traditionen, Gefühle und Einstellungen anderer Gruppen übernehmen und in diesen allmählich aufgeben. [...] In der Regel ist ethnisch A. auch mit Sprachwechsel verbunden“.[67] Darüber hinaus erläutert Aumüller „Assimilation [...] ist mit einem Identitätswechsel verbunden, der vom Individuum nur unter Schwierigkeiten zu bewerkstelligen ist. Zentral ist hier das Argument der Aufgabe: von Werthaltungen, der Muttersprache, des Gefühls der Zugehörigkeit“.[68]

Diese Definition scheint im Falle der norwegischen Sámi vollkommen anwendbar zu sein; hinzufügen ist, dass hierbei der Prozess nicht ein willkürlicher war; den Sá­mi ist bei der Norwegisierung keine Wahl überlassen worden.

Die Begriffe, die in diesem Kapitel ans Licht gebracht wurden und, sofern möglich, definiert wurden, sind von zentraler Bedeutung für die Ausarbeitung des Themas über die Norwegisierung der Sámi im 19. und 20. Jahrhundert. Nachdem sie erläutert wurden und mit Rücksicht auf ihre konkrete Bedeutung, müssen die Gründe ermittelt werden, die die Norwegisierung der Sámi im 19. und 20. Jahrhundert auslösten. Einer dieser Grün­de war der Nationalismus der sich gerade entwickelnden Nation der Norweger. Er verursachte die Assimilation des indigenen Volkes löste somit seine Identitäts­kontruktion aus.

3. Geschichtliche Entwicklung in Norwegen nach 1814. Die norwegische Identitätskonstruktion

Die Kriege im 19. Jahrhundert, die die Grenzen in Skandinavien veränderten, hatten einen Einfluss auf die norwegische und somit auch auf die sámische geschichtliche Entwicklung, der in der Langzeit sichtbar wurde. „Finland, which had been a part of the Swedish kingdom since the twelfth century, was lost to Russia after a war in 1808–1809. It became an autonomous Grand Duchy, and the border towards Sweden was es­tablished in 1809”.[69] Eine weitere Änderung in dem politischen und geographischen Bild in Skandinavien war die Konsequenz des Kieler Friedens 1814 nach der napoleonischen Niederlage. Norwegen wurde ein Teil eines schwedisch-norwegischen Bundes und „What had previously been an international border now became an internal border within the union”.[70] In dieser Union sollten beide Länder de jura eine Gleichstellung haben. De facto aber waren die Machtverhältnisse in der Union asymmetrisch und die norwegische Politik wurde in der Tat von der schwedischen Krone geführt. Erst nach der Auflösung auch dieser Personalunion 1905 wurde Norwegen zu einem unab­hängigen Staat. Im Lichte dieser historischen Ereignisse soll in diesem Kapitel die Identitätskonstruktion in Norwegen nach 1814 betrachtet werden. Viele Faktoren spielen dabei eine wichtige Rolle, unter anderem auch der Wunsch, ein vereinigtes Land zu haben, mit einer Bevölkerung, die das Bewusstsein eines Volkes mit gemeinsamer Geschichte und Identität teile. Die sich gerade entwickelnde norwegische Identität musste an zwei Fronten kämpfen: einerseits gegen den schon seit Jahren bestehenden kulturellen dänischen Einfluss, andererseits gegen den schwedischen politischen Einfluss, der sich natürlicherweise während der Zeit der Personalunion mit Schweden etablierte. Insofern war es wichtig, für das sich gerade entwickelnde Bewusstsein der norwegischen Gesellschaft, keine marginalisierten Minoritätsgruppen im Rahmen des neuen Staates zu haben, sondern eine homogene Bevölkerung, deren Haupt­interesse ein gemeinsames Wohl wäre. Der schon aufgeführten Definition des Begriffes ‚Natio­nalismus‘ nach ist die Assimilierung solcher Minderheiten vorausgesetzt: „[...] ethnic boun­daries shoud not cut across political ones“.[71]

Die Entfaltung eines norwegischen Nationalgefühls, sogar Nationalismus, wurde in poli­tischer Hinsicht in erster Linie von der Etablierung eines unabhängigen Norwegischen Staates bewirkt. Schon 1814, als Norwegen in die Union mit Schweden eintreten sollte, gab es „numerous indications of an increased consciousness and an interest in the peculiarly Norwegian, in sections of the upper classes in Norway“.[72] Der Eintritt in die Personalunion mit Schweden spornte dieses Interesse nur an und wandelte es in nationalistische Gefühle um. Diese nationalistische Stimmung vertiefte sich besonders nach 1905, als Norwe­gen zu einem unabhängigen Staat wurde. Mehrere Faktoren unterstützen diese Umwandlung.

3.1. Die Rolle des technischen Progresses

Einer dieser Faktoren ist die industrielle Revolution gewesen, die einen enor­men Fortschritt und Veränderungen im alltäglichen Leben mit sich brachte. Es kam zu einer stark beschleunigten Entwicklung von Technologie, Produktivität und Wissenschaften, die na­türlich ihre Spur in der gesellschaftlichen Entwicklung hinterließ. „All in all, a com­mon interior market and a framework of a homogenous, mass cultural consciousness were created“.[73] Die verstärkte Urbanisierung aktivierte diesen Aufklärungsprozess noch weiter: „I 1815 var det nærare 900 000 innbygggjarar i Noreg, og vel 90 prosent av desse budde på landsbygda. Femti år seinare var innbyggjartalet mest dobla, og i 1890 passerte det 2 mil­lionar. Da budde mellom 30 og 40 prosent av folket i byar og tettstader”.[74] Die Menschen wurden mit den neuen ‚technischen Wundern‘ bekannt gemacht, das Leben wurde schlicht­weg ein­facher. Durch den technischen Fortschritt wurde zum Beispiel die Landbebauung sehr viel leichter. Die Modernisierung des Lebens war somit ein sozio-ökonomischer Hintergrund für die Entwicklung des norwegischen Nationalgefühls. Die verbesserten Infra­struktur und In­formations­verbreitungsmittel bewirkten bessere Möglichkeiten der Aus­bildung und somit eine Aufklärung der Gesellschaft: „Utbredelsen av lesekyndigheten blant folk flest var sjøl­sagt også ei viktig forutsetning for at følelsen av fellesskap og tilhørighet hos mennesker innafor nasjonale grenser skulle kunne skapes”.[75] Viel mehr Kinder hatten Zugang zu Schulen, eine Hochschulausbildung wurde sogar für die Jugendlichen aus dem Dorf langsam vorstellbar; eine Veränderung in der Gesellschaft, die Arne Garborg in seinem Roman „Bondestudentar“ von 1883 beschreibt. Die jungen Leute aus dem Dorf, für die es bis dahin nur eine Zukunft bei dem Ackerbau gab, konnten jetzt eine höhere Bildung erfahren. Die intelektuelle Elite des Landes wuchs und somit entwickelte sich ein Bewusstsein für das eigene Land und für den Wert der eigenen Identität: „new layers of intellectuals developed and more and more farmers became aware and active participants in political life“.[76]

3.2. Die Erschaffung des ‚nynorsk‘

Arne Garborgs Roman ist aber auch in einer anderen Hinsicht sehr zentral für die Entwicklung des norwegischen Nationalgefühls – er ist einer der ersten, auf nynorsk verfassten bedeutenden Werke in Norwegen. Seine Erscheinung übte einen starken Einfluss auf die Etablierung der auf Dialekten basierten Sprache aus, die in sich das spezifisch ‚nor­­wegische‘ verbinden sollte.

Unbestritten brauchte der neue Staat eine rein norwegische literarische Sprache, die die kulturelle Elite des Landes von dem starken dänischen Einfluss lösen sollte: „the literary language was Danish. [...] the culture of the Norwegian elite was [...] strongly influenced by Denmark [...]. [...] one could not make a real Norwegian nation before there was a separate Norwegian language”.[77] Aber nur die Sprache der Intellektuellen des Landes musste ‚norwe­gisiert‘ werden; die Dialekte, die die Landbevölkerung sprach, waren bei weitem nicht so sehr vom Dänischen beeinflusst. Außerdem wurde die These vertreten: „In den Dia­lekten setzt sich das ‚echte‘ Norwegische der altnordischen Vergangenheit fort“.[78] Genau auf dieser Annahme hat der norwegische Privatgelehrte Ivar Aasen gestützt, als er sich auf eine extrem aufwendige Mission begab, eine Schriftsprache aus den, seiner Meinung nach, am wenigsten vom Dänischen berührten Dialekten, zu konstruieren. Die Leistung, die er erbrachte, war enorm. Um die norwegischen Dialekte so zusammenzusetzen, dass ein sprachlicher Standard entstand, mussten diese zunächst in einer dialektologischen Er­fassung systematisiert werden. Zu diesem Zweck erforschte Aasen die Mundarten in Süd- und Westnorwegen gründlich und die in Ost- und Nordnorwegen eher generell in ihren Grundzügen sowie ihre Relationen zum Dänischen und Schwedischen. Die Resultate seiner Arbeit erscheinen zum ersten Mal 1840 in einem Grammatikbuch und 1850 in einem Wörter­buch.[79] Die Sprachennorm, die sich konstruieren ließ, wurde als ‚landsmål‘[80] bezeichnet. Die Lösung von Aasen hatte viele Anhänger in der norwegischen Kunstelite, wurde aber auch von vielen negativ empfangen. Der heiterste Gegner des landsmåls war der Schriftsteller Bjørn­stjerne Bjørn­son. Für ihn war die Aufnahme dieser neuen Sprachnorm „an attempt to force an artificial language, imprinted with inferior, provincial peasant culture, on a high and flourishing national culture“.[81] Aber in der Suche nach dem spezifisch ‚norwegischen‘ und nach der eigenen Identität wandte sich Norwegen immer mehr dem norwegischen Bauern zu, derjenige, der das Land bebaute und derjenige, der die nationale Wirtschaft vorantrieb: „The free Norwegian landholder was seen as the most important symbol of this national character, as well as Norway’s historical traditions“.[82] 1885 bekam das landsmål in aller Form, einer Entscheidung des Parlaments, dem ‚Storting‘,nach, einen gleichwertigen Status wie die bis jetzt offizielle literarische Sprache, die in der Tat dänisch war. „[...] 1892 konnte landsmål als Unterrichtssprache in Volksschulen gewählt werden“.[83] Nachdem die Norweger auch eine vom Dänischen definitiv unterschiedliche Sprache bekamen, beschleunigte sich der Prozess der norwegischen Identitätskonstruktion vielfach. Die Sprache ist ein riesiger Teil der kollektiven Identität eines Volkes und im Falle des jungen Norwegens hat Ivar Aasens Sprachnorm eine sehr wichtige Rolle gespielt.

3.3. Der kulturelle Nationalismus

Norwegens Geschichte als dänische Kolonie verstärkte den Wunsch für die Kreation einer nationalen Identität immens und der Eintritt in die Union mit Schweden 1814 „cre­ated the potential for nationalism in Norway, a nationalism really flourishing at the end oft he nineteenth century“.[84] Die Entwicklung des norwegischen Nationalgefühls, gefolgt von der Entwicklung eines Nationalismus, war mit dem politischen Klima der Zeit verbunden: die Französische Revolution, die Amerikanische Revolution und die Ideale der Aufklärung lösten im Allgemeinen die Ideen über die Nation und der nationalen Identität in dem ‚neu­verteilten‘ Europa aus. Der Prozess der Nationbildung in Norwegen äußerte sich auf ver­schiedene Art und Weise. Seit 1840 erfolgte ein Prozess der aktiven Modernisierung der norwegi­schen Gesellschaft: „a common interior market and the framework of a homo­ge­nous, mass cultural consciousness were created“.[85] Eine Erweiterung des Wahlrechts ab 1884 trug zu der Demokratisierung des politischen Systems im Lande bei. Verschiedene Symbole des ‚norwegischen’, die eine politische Aussage machen sollten, wurden eingeführt, so wie der Einsatz einer getrennten norwegischen Flagge oder die Einführung des 17. Mai als offizieller Feiertag der norwegischen Konstitution. In der ‚Venstre‘ Partei nahm die Stimmung gegen die schwedischen Eingriffe auf die norwegische Souveränität zu: „aggressive na­tionalism with and anti-Swedish, anti-union profile“.[86] Diese politischen Handlungen und Stimmungen führten zu der beschleunigten Bildung des nationalen Bewusstseins, und gar zu der Bildung einer Nation mit einer eigenen nationalen Identität: „This activity may be labelled practical nation-building“.[87]

Auf der kulturellen Ebene wurden die nationalistischen Bestrebungen von vielen Seiten unterstützt. In erster Linie entwickelte sich dieser „cultural nationalism“[88] aufgrund der originalen norwegischen und gar skandinavischen Folklore, die auf dem Lande, unter den Bauern verbreitet war, in Form von Märchen, Legenden, Tänzen und Liedern. Ein weiteres grundlegendes Element in der Bildung und Entstehung einer spezifisch norwegischen Kul­tur und Tradition war die altnordische Geschichte und das Feststellen einer unbestrit­tenen Verwandtschaft des modernen Norwegers mit den Wikingern.[89] Es war sehr wichtig, dieser, Gesellschaft mit einem kol­lektiven, sehr alten Ursprung, zu präsentieren, und somit in den Norwegern ein Gefühl der Zusammen­gehörigkeit und des nationalen Stolzes als Erben der glorreichen skandinavischen Seefahrer, zu wecken. Diese Methode ist des Öfteren im Falle einer sich entwickelnden nationalen Identität verwendet worden: „Indeed, the modern discipline of history is very deeply shaped by the tradition of producing national histories designed to give readers and students a sense of their collective identity“.[90] Die ersten norwegischen Bestrebungen in dieser Richtung markiert Gerhard Schøning, der Snorris Sagas ins Dänische übersetzte und eine norwegische Ge­schichte schrieb – „Norges Riges Historie I–III“, die 1771–1781 entstand.[91] Ein anderer namhafter Anhänger und Unterstützer des historischen Diskurses über die Wichtigkeit der älteren Geschichte des Landes war der Nationaldichter Norwegens Henrik Wergeland. In seiner berühmten Rede von Eidsvoll im Jahre 1834 erklärte er die fundamentale Verbindung zwischen dem alten, den Wikingern gehörenden Norwegen, und dem modernen Staat, diese beiden Teile würden zusammengehören und es sei die wichtigste Aufgabe der modernen Gesellschaft, ihre authentische Ganzheit zu bewahren[92]. In diesem Zusammenhang gewann die Lehre von Rudolf Keyser, der an der Universität Kristiania lehrte[93], sehr viele Anhänger. Keyser und der norwegische Historiker Peter Andreas Munch gründeten die „norske historiske skolen“[94], die eine zentrale Rolle in der Entwicklung des norwegischen National­bewusstseins spielte. Es wurde die Theorie über die ethnische Zugehörigkeit des nor­wegischen Volkes vertreten, dass die norwegischen Vorfahren aus dem Norden und Osten immigriert haben, um die heutigen Territorien des Landes zu besiedeln. Sehr wichtig war, den Unterschied zu den Schweden zu betonen. Von ihnen hielt man, dass sie aus den süd­li­chen Regionen eingewandert seien[95] und somit die norwegische Einzigartigkeit ausdrück­lich zu kennzeichen. Weiterhin ist es wichtig zu bemerken, dass die Lehre die längere Anwesen­heit der Sámi auf norwegischen Territorien überhaupt nicht erwähnte.

Ganz im Gegenteil behaupteten die Vertreter dieser Lehre, daß es durchgehend Norweger gewesen wären, die mit althergebrachten und sowohl geistig wie auch weltlich überlegenen Gesellschafts­strukturen ein Bildungs-Norwegen geschaffen hätten, im Gegensatz zu den nach damaliger Überzeugung wie zufällig umherstreifenden und ursprünglich wilden nomadisierenden Samen mit ihrem rohen, unzivilisierten und rüpelhaften Lebensstil.[96]

Ziel dieser Doktrin war natürlich die Norweger als ein Volk darzustellen, das die ursprüngliche Rechte auf die Territorien, die es besiedelt hatte, besaß, und das über eine mindestens so alte Geschichte verfügte, wie seine benachbarten Völker: die Schweden und die Dänen.

Ein weiterer Aspekt dieser Lehre beschäftigte sich mit dem altnordischen Erbtum. Es ging um ein echtes kulturelles Reichtum: Sagas, Prosa und Dichtung, unter anderem auch die Dichtung der Edda, literarische, mythologische und geschichtliche Über­lieferungen. Munch und Keyser gehörten zu den extremsten Anhängern der These, dass es sich dabei um strikt norwegische Kunstwerke handelte, die exklusiv in norwegischer Sprache verfasst wur­­­den. Einer ihrer Argumente war die Kolonisation von Island von Norwegern und die Tatsache, dass es Norwegen seit dem 13. Jahrhundert gehörte.[97] Die ruhmreiche Geschichte, die in die­sen literarischen Werken repräsentiert wurde, sollte sehr viel zu der Konstruktion der nor­we­gischen nationalen Identität beitragen. Diesen Zweck erfüllte sie exzellent.

Ancient Norwegian history – as interpreted and presented by historians, teachers, writers and other popularisers – was unusually rich, dramatic and gloriously heroic. It could offer vikings who were completely unabashed about plundering wherever they went, spreading fear and loathing in countries like England and France. It could offer great feats of exploration – America was not discovered by Columbus, but by the Norwegian viking Leif Eriksson. It could offer kings who were both great personalities and great statesmen. It could offer a cultural and social life with and extensive code of law, and expressive religion, a well-developed moral code and an impressive poetry, both epic and lyrical.[98]

‚Norsk historiske skolen‘ wurde von dem größten Teil der kulturellen Elite unterstützt, so dass sie in der Gesellschaft eine richtige Anerkennung bekam: „Major Norwegian authors like Bjørnstjerne Bjørnson and Henrik Ibsen wrote a series of dramas using themes from the Norwegian middle ages [...] during the 1850s and 1860s“.[99] Die Begeisterung des norwegi­schen Volkes mit der Theorie, dass die glorreichsten Helden der altnordischen Geschichte Nor­weger waren, die die norwegische Sprache gesprochen haben, genoß eine große Be­liebtheit. Es wurde auch dafür gesorgt, dass die nachkommenden Genera­tionen ein Bewusst­sein für ihre Wurzeln hatten, die sie stolz machen konnten. In dem schuli­schen Geschichtsunterricht wurde die mittelalterliche Geschichte in Einzelheiten erlernt, erzählt zum größten Teil unter dem Einfluss von Snorris Sagas.[100] Die Erkenntnis der glorreichen Vergangenheit Norwegens hat eine zentrale Stellung in der Bildung der nor­wegischen Identität im 19. Jahrhundert, weil sie so viel einem sich gerade entwickeln­den Bewusstsein anzubieten hatte. Der historische Stoff wurde in so einem Lichte darge­stellt, wie es für die Ziele der Identitätskonstruktion passend war. Die Entwicklung des nor­we­gi­schen National­bewusstseins wurde von mehreren Faktoren unterstützt. Seine Wurzeln la­gen einige Jahre vor der Unionsauflösung mit Dänemark und seine Kulmination erfolgte in den Jahren nach der Auflösung der Union mit Schweden. Es entwickelt sich ein starkes Nationalgefühl, das sich, im Einklang mit den Stimmungen in Europa, sogar in Nationa­lismus umwandelt. Die Darstellung der altnordischen Geschichte und Kultur als exklusiv norwegische, die politischen Handlungen und das allgemeine politische Klima in Europa zu dieser Zeit begünstigten diesen Prozess.

Im Lichte dieser Prozesse soll in den nächsten Kapiteln die Nor­wegisierung der sá­mi­schen Bevölkerung im Lande analysiert werden. Es wird die These vorgebracht, dass obwohl die norwegische Identitätskonstruktion die Unterdrückung der Sámi auslöste, hatte sie einen positiven Einfluss auf die sámische Identitätskonstruktion, die erst angesichts der Gefahr einer Assimilation ihren richtigen Anfang fand.

[...]


[1] Kirchhof, Barbara: Die Lappen. Wirtschafts- und Lebensweise am Rande der Ökumene im Wandel. In: Europäische Hochschulschriften: Reihe 19, Volkskunde, Ethnologie: Abteilung B, Ethnologie; Band 9. Peter Lang: Frankfurt am Main, 1984. S. 14.

[2] Pentikäinen, Juha: Die Mythologie der Saamen. Berlin: Reinhold Schletzer Verlag, 1997. S. 20.

[3] Siehe: Solbakk, John Trygve: The Sámi People – a handbook. Karasjok: Davvi Girji OS, 2006. S. 36.

[4] Paine, Robert: Norwegians and Saami: Nation-State and Fourth World. S. 211-248. In: Gold, Gerald L. [Hrsg.]: Minorities and Mother Country Imagery. St. John’s: Institute of Social and Economic Research, Memorial University of Newfoundland, 1984. S. 219.

[5] Kulonen, Ulla-Maija; Seurujärvi-Kari, Irja [Hrsg.]: The Sami. Helsiniki: Suomalaisen Kirjallisuuden Seura, 2005. S. 102, unter Ethnic identity: stages.

[6] Kulonen; Seurujärvi-Kari [Hrsg.]: The Sami. S. 102, unter Ethnic identity: stages.

[7] Helander, Elina: The Sami People; Demographics, Origin, Economy, Culture. S. 23–34. In: Majority-minority relations. The case of the Sami in Scandinavia; Report; Guovdageaidnu, Norway, 2-4 july 1993. Kautokeino: Nordic Sami Institute, 1994. S. 23.

[8] Dahlström, Åsa Nilsson: Negotiating Wilderness in a Cultural Landscape. Predators and Saami Reindeer Herding in the Lapponian Heritage Area. Uppsala: Uppsala University Library, 2003. S. 33.

[9] Pentikäinen: Die Mythologie der Saamen. S. 18.

[10] Siehe: Kuutma, Kristin: Collaborative Representations. Interpreting the Creation of a Sámi Ethnography and a Seto Epic. Helsinki: Suomalainen Teideakatemia, 2006. S. 31.

[11] Siehe: Dahlström: Negotiating Wilderness. S. 32.

[12] Paine: Norwegians and Saami. S. 216.

[13] Kirchhof: Die Lappen. S. 10.

[14] Seebass, Friedrich: Die Lappen. S. 481–508. In: Geographische Rundschau. Zeitschrift für Schulgeographie. Heft 12. Braunschweig u.a.: Georg Westermann Verlag, 1963. S. 482.

[15] Beach, Hugh: The Saami of Lappland. In: The Minority Rights Group. Report No. 55. London: Minority Rights Group, 1988.

[16] Kirchhof: Die Lappen. S. 11.

[17] Ebd.

[18] Seebass: Die Lappen. S. 482.

[19] Ebd.

[20] Siehe: Kirchhof: Die Lappen. S. 11.

[21] Vgl. Beach: The Saami of Lappland. S. 5.

[22] Bately [Hrsg.]: Ohthere 's voyages. S. 96.

[23] Tacitus, Cornelius: Germania. Leipzig [u.a.]: Teubner, 1930. S. 31.

[24] Siehe: Vorren Ørnulv; Manker, Ernst: Samekulturen. En kulturhistorisk oversikt. Tromsø – Bergen – Oslo: Universitetsforlaget, 1976. S. 23.

[25] Siehe: Nesheim, Asbjørn: Über die Lappen und ihre Kultur. Oslo: Johan Grundt Tanum Forlag, 1964. S. 23.

[26] Siehe: Ebd. S. 26.

[27] Vorren; Manker: Samekulturen. S. 24.

[28] Bately [Hrsg.]: Ohthere 's voyages. S. 96.

[29] Ebd. S. 97.

[30] Bately [Hrsg.]: Ohthere 's voyages. S. 97.

[31] Ebd.

[32] Nordal, Sigurdur Johannesson [Hrsg.]: Egils saga skalla-grímssonar. Reykjavík: Íslenzka Fornritafélag, 1988. S. 19.

[33] Nordal [Hrsg.]: Egils saga skalla-grímssonar. S. 41.

[34] Nesheim: Über die Lappen und ihre Kultur. S. 24.

[35] Solbakk: The Sámi People – a handbook. S. 35.

[36] Siehe: Ebd. S. 36.

[37] Ebd. S. 39.

[38] Pentikäinen: Die Mythologie der Saamen. S. 36.

[39] Ebd . S. 38.

[40] Ebd.

[41] Solbak: The Sámi People – a handbook. S. 55.

[42] Siehe: Pentikäinen.: Die Mythologie der Saamen. S. 38.

[43] Kuutma: Collaborative Representations. S. 33.

[44] Frommberg, Patrick: Minderheitenrechte und kulturelle Entwicklung untersucht am Beispiel aktueller Diskurse über die Landrechte der Saami in Norwegen. Unveröffentlichte Magisterarbeit. Universität Potsdam,

Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät, Institut für Geographie, 27.11.2009. S. 27.

[45] Dörfler-Dierken Angelika; Kümmel Gerhard [Hrsg.]: Identität , Selbstverständnis, Berufsbild. Implikationen der neuen Einsatzrealität für die Bundeswehr. Opladen: Leske und Budrich, 2010. S. 8.

[46] Schönfeldt, Mirko: Die sprachliche und kulturelle Minderheit der Samen in Norwegen unter besonderer Berücksichtigung des restlichen Schutzregimes. Berlin: Duncker & Humblot, 2007. S. 75.

[47] Siehe: Eriksen, Thomas Hylland: Ethnicity and nationalism, 2. Edition. London [u.a.]: Pluto Press, 2002. S.4.

[48] Kulonen; Seurujärvi-Kari [Hrsg.]: The Sami. S. 103. Unter Ethnicity.

[49] Eriksen: Ethnicity and nationalism. S. 4.

[50] Siehe: Kulonen; Seurujärvi-Kari [Hrsg.]: The Sami. S.103. Unter Ethnicity.

[51] Eriksen: Ethnicity and nationalism. S. 121.

[52] Kulonen; Seurujärvi-Kari [Hrsg.]: The Sami. S. 103. Unter Ethnic minority.

[53] Ebd. S. 102. Unter Ethnic identity.

[54] Eriksen: Ethnicity and nationalism. S. 5.

[55] Ebd. S. 68.

[56] Kulonen; Seurujärvi-Kari [Hrsg.]: The Sami. S. 102. Unter Ethnic identity.

[57] Aikio, Marjut: The Sámi language: Pressure of change and reification. S. 93-103. In: Journal of Multilingual and Multicultural Development. Band 12, Ausgabe 1-2. London [u.a.]: Routledge, 1991. S. 94.

[58] Eriksen: Ethnicity and nationalism. S. 125.

[59] Daes, Erika Irene: Standard-setting Activities: Evolution of Standards Concerning the Rights of Indigenous Peoples. Working Paper by the Chairperson-Rapporteuron the concept of „indigenous people”. Working Group on Indigenous Populations, United Nations. Fourteenth Session. 29 July-2 August 1996. S. 9.

[60] Gellner, Ernest: Nations and Nationalism. S. 7-16. In: Sørensen, Øystein [Hrsg.]: Nordic paths to National Identity in the Nineteenth Century. In: KULTs skriftserie Nr 22. Oslo: The Research Council of Norway, 1994.

[61] Østerud, Øyvind: Norwegian Nationalism in a European Context. S. 29-39. In: Sørensen, Øystein [Hrsg.]: Nationalism in small European Nations. In: KULTs skriftserie Nr 47. Oslo: The Research Council of Norway, 1996. S. 29.

[62] Ebd.

[63] Eriksen: Ethnicity and nationalism. S. 98.

[64] Østerud: Norwegian Nationalism in a European Context. S. 29.

[65] Jensen, Eivind Bråstad.: Fra fornorskningspolitikk mot kulturelt mangfold. Stonglandseidet: Nordkalott Forlaget, 2002. S. 21.

[66] Siehe: Aumüller, Jutta: Assimilation . Kontroversen um ein migrationspolitisches Konzept. Bielefeld: transcript Verlag, 2009. S. 27.

[67] Ebd. S. 31.

[68] Ebd. S. 32.

[69] Lantto, Patrick : Borders, citizenship and change: the case of the Sami people, 1751–2008. S. 543-556. In : Citizenship Studies, Bd. 14:5. London: Routledge, 2010. S. 546.

[70] Ebd . S. 546.

[71] Østerud: Norwegian Nationalism in a European Context. S. 29.

[72] Sørensen, Øystein: The development of a Norwegian National Identity during the Nineteenth Century. S. 17-35. In: Sørensen, Øystein [Hrsg.]: Nordic paths to National Identity in the Nineteenth Century. In: KULTs skriftserie Nr 22. Oslo: The Research Council of Norway, 1994. S. 19.

[73] Sørensen: Nordic paths to National Identity in the Nineteenth Century S. 23.

[74] Foss, G.: Det norske sammfunnet 1850-1884. S. 97-110. In: Svensen, Åsfrid: Fra vesle Daniel til student Braut. Oslo: Aschehoug, 1976. S. 97.

[75] Jensen: Fra fornorskningspolitikk mot kulturelt mangfold. S. 21.

[76] Sørensen: The development of a Norwegian National Identity. S. 22.

[77] Ebd. S. 31.

[78] Groenke, Ulrich: Die Sprachenlandschaft Skandinaviens. Berlin: Wiedler, 1998. S. 90.

[79] Siehe: Ebd. S. 91.

[80] Ebd.

[81] Sørensen: The development of a Norwegian National Identity. S. 32.

[82] Ebd. S. 20.

[83] Groenke: Die Sprachenlandschaft Skandinaviens. S. 91.

[84] Sørensen: The development of a Norwegian National Identity. S. 32.

[85] Ebd. S. 23.

[86] Sørensen: The development of a Norwegian National Identity. S. 24.

[87] Ebd.

[88] Ebd.

[89] Siehe: Ebd.

[90] Calhoun, Craig: National Traditions: Created or Primordial? S. 9-30. In: Sørensen, Øystein [Hrsg.]: Nasjonal identitet – et kunstprodukt. In: KULTs skriftserie Nr 30. Oslo: The Research Council of Norway, 1994.

[91] Sørensen: The development of a Norwegian National Identity. S. 26.

[92] Siehe: Sørensen: Ebd.

[93] Siehe: Ebd. S. 41.

[94] Ebd.

[95] Vgl. Sørensen: The development of a Norwegian National Identity. S. 27.

[96] Schönfeldt: Die sprachliche und kulturelle Minderheit der Samen in Norwegen. S. 41.

[97] Siehe: Sørensen: The development of a Norwegian National Identity. S. 27.

[98] Sørensen: The development of a Norwegian National Identity. S. 29.

[99] Ebd. S. 28.

[100] Vgl. Ebd.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2012
ISBN (PDF)
9783958206861
ISBN (Paperback)
9783958201866
Dateigröße
1.6 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität zu Köln
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
2
Schlagworte
Sami Identität Identitätskonstruktion indigen Norwegen
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Titel: Die Norwegisierung der Sámi im 19. und 20. Jahrhundert
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