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Frozen Frames: Die Portablisierung des Bullet Time Effektes

von Ahmad Mohammadi (Autor:in) Timo Laufs (Autor:in)
©2014 Masterarbeit 80 Seiten

Zusammenfassung

Der Bullet-Time- oder Time-Slice-Effekt bezeichnet in der Filmkunst einen Spezialeffekt, bei dem der Anschein erweckt wird, dass eine Kamerafahrt um ein in der Zeit eingefrorenes Objekt simuliert wird. Dieser Filmeffekt erlaubt es besonders bei schnellen, abrupten Handlungen und Geschehnissen das Szenario aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Neben dem Stillstand sind ebenso die Verlangsamung, sowie das rückwärtige Abspielen der Zeit möglich. Der filmische Bullet Time Effekt wird nicht mit Hilfe einer echten Kamerafahrt umgesetzt, sondern vielmehr mit Aufnahme vieler aneinander gereihter Kameras, bei denen das zeitgleiche Bild genommen und zu einer Sequenz zusammengefügt wird.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


2
Einleitung
In dem vorliegenden Projekt werden
Problemstellungen erfasst und priorisi-
ert Abgearbeitet. Die Lösungsansätze
sind durch variantenreiche empirische
und dokumentarische Versuche ermit-
telt und definiert worden.
Ein zentraler Aspekt unseres vorgehens
beruht auf der kontinuierlichen Wech-
selwirkung zwischen Theorie und Prax-
is. Viele der Lösungsmöglichkeiten sind
aus der Theorie heraus entsprungen,
jedoch scheiterten viele dieser Denk-
ansätze in der Praxis. Nichtsdestotrotz
wurde die praxisnahe Willkür durch
systematisches und methodisches
Vorgehen verstanden und konnte insbe-
sondere in der Schlussphase als erfolg-
reich und durch ein visuelles Ergebnis
als abgeschlossen deklariert werden.
Zu Beginn erfolgt eine historisch chro-
nologische Entwicklung der Definition
von Raum, Perspektive und Zeit. Kunst-
als auch technische Ereignisse und Ent-
wicklungen haben unser Verständnis im
Laufe der Jahrhunderte geprägt.
Um den Stellenwert unserer Arbeit bess-
er verstehen zu können, ist es wichtig,
dass man die einzelnen technischen und
künstlerischen Zwischenstufen ken-
nenlernt und in den gesellschaftlichen
und geschichtlichen Kontext einordnen
kann.
Neben der reinen Entwicklung und Aus-
reifung des Produkts wurde der Ver-
marktungs- und Gründungsbereich un-
tersucht, um Einblick zu bekommen in
welcher Art unser Produkt vertrieben
werden kann, welche Einsatzbereiche
in Frage kommen und wo ein allgemein
gesellschaftlicher und wirtschaftlicher
Mehrwert unserer Arbeit denkbar wäre.
Durch das Anfertigen eines Forschun-
gsexposé, der Entwicklung von Zusatz-
programmen, wie zum Beispiel einen
interaktiven Viewer für unser Produkt,
konnte man abwägen, wo Bedarf und
Zukunft besteht bzw. es als lohnenswert
erscheint einen bestimmten Branchen-
zweig weiter zu verfolgen.

3
Abstrakt
Der Bullet Time oder Time-Slice-Effekt
bezeichnet in der Filmkunst einen Spezi-
aleffekt, bei dem der Anschein erweckt
wird, dass eine Kamerafahrt um ein in
der Zeit eingefrorenes Objekt simuliert
wird. Dieser Filmeffekt erlaubt es, be-
sonders bei schnellen, abrupten Hand-
lungen und Geschehnissen das Szenar-
io aus verschiedenen Perspektiven zu
betrachten. Neben dem Stillstand sind
ebenso die Verlangsamung, sowie das
rückwärtige Abspielen der Zeit möglich.
Der filmische Bullet Time Effekt wird
nicht mit Hilfe einer echten Kamera-
fahrt umgesetzt, sondern vielmehr mit
Aufnahme vieler aneinander gereihter
Kameras, bei denen das zeitgleiche
Bild genommen und zu einer Sequenz
zusammengefügt wird.
Faszination und Kreativität sollten nicht
durch technischen Anspruch und Kom-
plexität im Keim erstickt werden. Wir
Ahmad Mohammadi und Timo Laufs
haben uns mit Experten aus den Fach-
bereichen Produktdesign und Kamer-
atechnik zusammengesetzt und eine
erweiterte und optimale Umsetzungs-
variante eines Rigs
1
für die Anwendung
des Bullet Time Effektes konzipiert
und entwickelt. Die Produktstärken
unseres RIGs sind insbesondere die
einfache Bedienbarkeit, der unkompli-
zierte Transport, der minutenschnelle
Aufbau, die Flexibilität sowie die erhe-
bliche Kostenreduzierung. Durch die
vielen einsetzbaren modularen Zusatz-
funktionen und das geringe Gewicht,
kann egal ob Amateur oder Profi, das
Rig nach den eigenen Bedürfnissen und
Vorhaben zusammengebaut werden.
Mit unserem Rig kann man ortsunge-
bunden Filmen, egal ob zu Lande, im
Wasser oder auch in der Luft. Durch
die leichte Bedienung soll es auch in
anderen Bereichen Verwendung fin-
den, egal ob bei der Modenschau, wo
traumhafte Faltenwürfe eingefangen
werden oder in der Automobilbranche,
beispielsweise beim Crash-Test, wo
die Bilder dem Auswerten und Analy-
sieren dienen. Das Endprodukt ist ein
Basis-Rig, welches sich nach belieben
erweitern und individualisieren lässt.
Im Zusammenspiel mit der passenden
Software ist auch die Weiterverarbei-
tung der Rohdaten ein Kinderspiel und
bei Fragen steht ein Online Support zu
Verfügung.
1: Rig (v.; n.) rigged, rig-ging: apparatus designed for some purpose (http://www.thefreedictionary.
com/rig)
Ein Rig bezeichnet ein Hilfsmittel, welches für eine vorgesehene Vereinfachung von Abläufen oder
Problembewerkstelligung entworfen wurde.

4
Abstract
The bullet time or time slice effect re-
fers to a special effect in cinematogra-
phy in which it seems as if the camera
makes a tracking shot around an object
frozen in time. This film effect makes
it possible to observe a scenario from
multiple perspectives, especially when
there are fast, abrupt movements and
actions in the scene. Besides the freeze
frame effect, slow motion and reversed
time effects are also possible. The bul-
let time effect is not created with an ac-
tual tracking shot, but rather with shots
from many cameras side by side, from
which the simultaneous frames are tak-
en and combined into a sequence.
Fascination and creativity should not
be stifled from the start by technical
standards and complexity. We, Ahmad
Mohammadi and Timo Laufs, have col-
laborated with experts in the fields of
product design and camera engineer-
ing, to create and develop a further, im-
proved variation for camera installation
to use the bullet time effect. The prod-
uct strengths of our camera installation
are in particular its user friendliness,
the simple transport, the setup within
minutes, the flexibility and considerably
lower costs. Thanks to many modular
features which can be used and its light
weight, the Rig can be installed accord-
ing to one's needs and plans, whether
you are an amateur or pro.
With our Rig one can film in any location
­ whether on land, in water or in the air.
The simple operation should also make
it useful in other fields, whether in fash-
ion shows, where magnificent folds are
captured, or in the automotive branch,
for example in a crash test, where the
shots are used for evaluation and anal-
ysis. The final product is a Basic Rig
which can be augmented and individu-
alized according to the user's desires.
Together with the appropriate software,
the processing of raw data is made easy
and an online support service is avail-
able to answer questions.

5
Die Entwicklung von Perspektive,
Raum und Zeit
Die Idee von der Multiperspektivität
reicht bis ins 15. Jahrhundert zurück.
Schon der Maler Jan Van Eyck hat im
seinen Bild ,,Die Madonna in der Kirche"
mit mindestens zwei oder mehreren
Fluchtpunkten gearbeitet.
Deutlich ist zu erkennen, dass die
vordersten Säulenbasen nicht mit den
Fluchtpunktlinien der Bodenkacheln
übereinstimmen. Einerseits wollte Jan
Van Eyck möglichst viel Raum in der
nahsichtigen Betrachtung einfangen,
anderseits wollte er aber auch zwei Wel-
ten in seinem Kunstwerk konstruieren
und hat ganz bewusst den Bruch in der
Zentralperspektive herbeigeführt.
Dieses Beispiel zeigt, dass sich die Kün-
stler schon früh mit Bedeutung der tech-
nischen Sehweise und des Bildraums
beschäftigt haben und dieses Vorgehen
war weit weniger intuitiv bzw. empirisch
als man zunächst vermuten würde.
Vielmehr bot diese Methode eine echte
Alternative zur italienischen Zentralper-
spektive, welche sich ausschließlich für
Räume mit kleinen Winkeln eignet.
1
1: Vgl. Diekmann, Stefanie / Gerling, Winfried: Freeze Frames ­ Zum Verhältnis von Fotografie und
Film. 2010, S. 150f
Abb. 1
Jan van Eyck - Die Madonna in der Kirche

6
Die Entwicklung von Perspektive,
Raum und Zeit
Auch der Maler Caspar David Friedrich
hat um 1805/06 mit seinen zwei Bil-
dern ,,Blick aus seinem Atelier" die Mul-
tiperspektivität zum Thema seiner Arbe-
it gemacht. Diese beiden Bilder wurden
mit einer Camera-Obscura
2
zu unter-
schiedlichen Zeiten aufgenommen.
Mit diesen zwei Bildern thematisierte er
die Wahrnehmung des Sehens bezüglich
Bewegung und Standort. Unserer be-
wegtes und zweiäugiges (binokular
3
)
Wahrnehmungsorgan operiert nicht mit
der auf Basis einer Kamera-Obscura,
dessen Betrachtung nämlich unbewegt
und einlinsig ist. Durch die Doppelung
der Bilder wird auf den einhergehenden
Sachverhalt der Bewegung des Blickes
und des Kopfes aufmerksam gemacht.
Des Weiteren findet Aufgrund der
durchgängigen Schärfe im Vorder- als
auch Hintergrund eine unterschiedliche
Fokussierung im Auge statt.
Mit diesem Werk synchronisiert er die
zeitliche Differenz der nacheinander
wahrgenommenen Blickpunkte und ver-
eint diese in demselben Raum. Setzen
wir dieses Werk in Bezug zum Bullet
Time Effekt, so wirkt dieses Konzept
verblüffend komplementär, da der Bul-
let Time Effekt die verschiedenen Blick-
punkte im Raum zeitlich synchronisiert.
Hinzufügend hat dieses Werk deutlich
gemacht, dass sich panoramatische
Betrachtungen nur aus großer Entfer-
nung zum Objekt eignen.
Unverkennbar scheint der linke Teil
sich gegenüber dem rechten Teil förm-
lich weg zuklappen, während der dar-
gestellte Hintergrund von ,,Dresden vor
dem Pinaischen Thore" hingegen exakt
und fast kontinuierlich panoramatisch
verläuft.
2
2: Die Camera obscura (lat. camera ,,Zimmer, Gewölbe"; obscura ,,dunkel") ist die Urform der
fotografischen Kamera. (Wikipedia - Camera obscura) Vgl. Diekmann, Stefanie / Gerling, Winfried:
Freeze Frames ­ Zum Verhältnis von Fotografie und Film. 2010, S. 150f.
3: [...] binokular [bezeichnet] ein optisches Instrument [...], welches für das Betrachten eines Ge-
genstandes über zwei getrennte Strahlengänge mit beiden Augen gleichzeitig ermöglicht. Beispiels-
weise ein Fernglas. (Wikipedia - Binokular)
Abb. 2
Caspar David Friedrich - Blick aus seinem Atelier
(1805/06)

7
Die Entwicklung von Perspektive,
Raum und Zeit
Ungefähr 40 Jahre später machte Henry
Fox Talbot mit seiner Aufnahme ,,Rouen"
den Unterschied zum monokularen
4
und apparativen
5
Sehen deutlich. Der
Blick ist statisch und auf einen bestim-
mten Punkt gerichtet.
Die Aufnahme lässt erkennen, dass
nicht die Maste der Segelschiffe
fokussiert werden, sondern die Fläche
des Fensters, hinter dem die Konturen
unscharf auftauchen.
3
3: Vgl. Diekmann, Stefanie / Gerling, Winfried: Freeze Frames ­ Zum Verhältnis von Fotografie und
Film. 2010, S. 152
4: [...] monokular [bezeichnet] ein optisches Instrument, das für das Betrachten eines Gegen-
standes mittels eines einzelnen Auges konzipiert ist.
Beispielsweise ein Fernrohr. (Wikipedia - monokular)
5: apparativ [bedeutet] mit Hilfe eines Apparats [etwas anfertigen]. (fremdwort.de - apparativ)
Abb. 3
Henry Fox Talbot - Rounen (1843)

8
Die Entwicklung von Perspektive,
Raum und Zeit
Eadweard Muybridge, eigentlich Edward
James Muggeridge wurde am 9. April
1830 in Kingston geboren. Im Zuge des
kalifornischen Goldrausches um 1849
segelte Eadweard Muybridge drei Jahre
später nach Amerika. Die Aussicht ein
Leben lang als Getreidehändler zu ar-
beiten schien für den Tatendrang und
Neugierde getriebenen Eadweard nicht
zu genügen.
Nach dem er zunächst kaufmännisch
tätig war, beschloss er 1867 Photog-
raphie bei Carleton E. Watson in San
Franzisko zu studieren. Eadweard Muy-
bridge wurde Meister im Naßkollodium-
verfahren
6
und Partner von Watson.
Ende Februar 1868 brachte Eadweard
eine Fotoserie unter dem Namen
,,Helios, the Flying Camera" heraus und
bekam für seine Landschaftsfotografien
großes Lob seitens der Presse.
Insbesondere seine bewölkten Him-
melaufnahmen sowie seine Mondlicht-
bilder begeisterten die Leute. Aufgrund
der hervorragenden Qualität seiner Ar-
beiten wurde er zum ,,Director of Pho-
tographic Surveys" der amerikanischen
Regierung ernannt. 1969 erfand Muy-
bridge einen der ersten brauchbaren
Verschlussmechanismen für Kameras.
Muybridge machte Bekanntschaft mit
einem der damals reichsten Männer
jener Zeit. Leland Stanford, ehema-
liger Gouverneur und Präsident der
Central Pacific Railroad. Eines seiner
Leidenschaften war der Reitsport und
sein Ehrgeiz beanspruchte für sich die
besten Trab- und Rennzuchtpferde der
Welt. Sein ganzer Stolz war das Pferd
,,Occident". Im Jahre 1872 diskutierte
Stanford mit einem anderen ,,millionen-
schweren" Pferdefreund, über die Art
und Weise, wie ein Pferd im Trab oder
Galopp die Beine bewege. Beide hatten
einen Artikel von Dr. Etienne-Jules Mar-
ey gelesen, der behauptete, dass sich
zeitweise gar keine Hufe des Pferdes
auf dem Boden befände.
4
4: Vgl. MacDonnell, Kevin: Der Mann, der die Bilder laufen ließ oder Eadweard Muybridge und die
25.000$ Wette. 1973, S. 11ff.
6: Das Naßkollodiumverfahren ist ein Negativ-Verfahren bei dem ein Bild mit einer fotografisch-
en Platte entwickelt wird. (Vgl.: Wikipedia - Kollodium-Nassplatte)

9
Die Entwicklung von Perspektive,
Raum und Zeit
Mc Crellish hielt dies für unmöglich. In
vielen Berichten ist zu lesen, dass sich
die beiden auf eine 25.000$ Wette ein-
ließen, davon kann aber indes keine
Rede, da Stanford keine Spielernatur
war und lediglich ein Bild seiner ren-
nenden ,,Occident" wollte, da er mit
dem Ergebnis, das die Maler zustande
brachten nicht zufrieden war.
Muybridge war von Anfang an klar,
dass die Belichtungszeit so gering sein
würde, dass lediglich die Silhouetten
des Reiters darauf zu erkennen sein
werden. Die ganze Rennbahn wurde mit
weißen Leinentüchern ausgestattet,
damit der Kontrast möglichst hoch war.
Die ersten beiden Tage blieben ohne Er-
folg für Muybridge.
Erst als er mit einem Lamellenverschluss
experimentierte konnte er umgerechnet
mit einer Belichtungszeit
7
von 1/500
Sekunde aufzeichnen. Zwar gelang es
ihm anhand eines Fotos zu beweisen,
dass alle vier Hufen in der Luft waren,
jedoch war die Qualität des Negatives
so schlecht, dass die Streitfrage weiter-
hin ungeklärt blieb. Er wollte Informa-
tionen über die Fortbewegungsart eines
Pferdes gewinnen.
5
Abb. 4
Gemälde von Standfords Occident
Abb. 5
Muybridges Lamellenverschluss
5: Vgl. MacDonnell, Kevin: Der Mann, der die Bilder laufen ließ oder Eadweard Muybridge und die
25.000$ Wette. 1973, S. 16f.
7: [...] Belichtungszeit [bezeichnet] die Zeitspanne, in der ein photosensibles Medium [...] zur
Aufzeichnung eines Bildes dem Licht ausgesetzt wird. (Wikipedia - Belichtungszeit)

10
Die Entwicklung von Perspektive,
Raum und Zeit
Nach einem kurzen Gefängnisaufent-
halt, wegen Mordes an dem Liebha-
ber seiner Frau, wurde Muybridge be-
auftragt eine Stereoaufnahmen
8
über
den Vernichtungskrieg der weißen Sied-
ler gegen die Modoc-Indianer in Nord-
kalifornien zu machen.
Im Zuge dieser Expedition sammelte
er wichtige Erkenntnisse und Erfah-
rung über seine mechanischen und
chemischen Methoden. Er hatte einen
wirksameren Verschluss gefunden,
sowie eine schneller reagierende Nass-
kollodium-Emulsion
9
oder aber einen
intensiveren Entwickler entdeckt. Dies-
mal bediente sich Muybridge einem
doppelten Gleitverschluss. Im Gegen-
satz zu seinem Vorgängermodell hatte
er nun zwei hölzerne Lamellen, welche
an einer Nut entlang liefen und per Fe-
derdruck ausgelöst wurden. Nachdem
es ihm gelang eine gestochen scharfe
Aufnahme eines ca. 40 Km/h vorbei
galoppierenden Pferdes zu machen,
wollte Stanford Informationen über die
Fortbewegung seines Pferdes gewin-
nen, um es besser trainieren zu kön-
nen.
Er fragte ob es möglich sei mit mehreren
Kameras, einen ganzen Bewegungs-
ablauf eines Pferdes einzufangen.
Muybridge war von der Idee sehr ange-
tan und so ließ Stanford zwölf speziell
angefertigte Fotoapparate in England
bauen. Der Auslöser der Kameras wurde
mit einem Draht verbunden, welcher
beim Zerreißen durch den Hufen die-
sen betätigte und ein Bild geschossen
wurde. 1878 wurden so gute Resultate
erzielt, dass Muybridge sich getraute eine
Pressekonferenz einzuberufen.
6
Abb. 6
Muybridges Versuchsaufbau an der
Pferderennbahn
6: Vgl. MacDonnell, Kevin: Der Mann, der die Bilder laufen ließ oder Eadweard Muybridge und die
25.000$ Wette. 1973, S. 18ff.
8: [...] Stereofotografie oder Stereoskopie genannt
-
[bezeichnet] die Wiedergabe von Bildern mit einem räum-
lichen Eindruck von Tiefe, der physikalisch nicht vorhanden ist. (Wikipedia - Stereoskopie)
9: Flüssigkeit, welche die Fotoentwicklung beschleunigt

11
Die Entwicklung von Perspektive,
Raum und Zeit
Die Nachricht seines Ex-
perimentes ver breitete sich
durch ganz Amerika und
Europa und löste eine Sen-
sation aus. Muybridge ver-
besserte seine Aufnah
me-
Technik und bedeckte die
Rennbahn mit gewelltem
weißem Gummi, um jegliche
Staubbildung zu vermeiden.
Eben so wurde ein Uhrwerk
konzipiert, das die Kamer-
averschlüsse mit Hilfe eines
rot ierenden Kontaktes na-
cheinander aus löste. Schon
im Sommer 1879 wur de die
Anzahl der Kameras auf 24
Stück verdoppelt.
7
Abb. 7
Muybridges Kameraverschluss im Detail
Abb. 8
Fotonegativserie der
aufgenommenen Bilder
7: Vgl. MacDonnell, Kevin: Der Mann, der die Bilder laufen ließ oder Eadweard Muybridge und die
25.000$ Wette. 1973, S. 26

12
Die Entwicklung von Perspektive,
Raum und Zeit
Nach seinem erfolgreichen Pferde-
versuch erfand Muybridge wohl seine
widersprüchlichste Erfindung: Die Film-
kamera. Stanford als auch Muybridge
experimentierten unabhängig mit dem
stroboskopischen Zylinder
10
und den
Pferdeaufnahmen und als sie ein ele-
ktrisches Modell im Schaufenster
der Londoner Sportzeitung Field aus-
stellten, lockte dies wahre Menschen-
mengen an.
Aber die Bilder waren zu klein, sodass
diese jeweils nur von einer einzigen
Person betrachtet werden konnte. Muy-
bridge suchte nach einer Lösung seine
Sequenzen auf eine Leinwand zu proji-
zieren und baute eine Vorrichtung, die
es erlaubte jedes Bild für den Bruchteil
einer Sekunde aufblenden zu lassen.
Zwar versuchten sich auch andere Er-
finder an dieser Idee, doch keiner konnte
bis dato solch ähnliche Sequenzen, wie
Muybridge dem Publikum zugänglich
gemacht hatte, vorweisen.
Muybridge kann daher als der unbes-
trittene Erfinder des Filmes genannt
werden. Seinen Projektor nannte er
,,Zoopraxiskop" und ging 1881 mit
seiner ,,Wundermaschine" auf Tournee
durch Amerika und Europa.
8
Abb. 9
Muybridges Zoopraxiskop
Abb. 10
Beispiel einer
strobokopischen
Scheibe
8: Vgl. MacDonnell, Kevin: Der Mann, der die Bilder laufen ließ oder Eadweard Muybridge und die
25.000$ Wette. 1973, S. 28f.
10: Der stroboskopische Zylinder [auch] Lebensrad [oder] [...] Kinetoskop [genannt], ist ein
um seine Achse drehbarer, oben offener Zylinder, der nahe seinem oberen Rand mit zwölf Schlitzen
versehen ist. Beim Betrachten diesen sich drehendem Zylinders kann Aufgrund der Trägheit des
Auges Bildsequenzen wahrgenommen werden. ( http://de.academic.ru/dic.nsf/meyers/135941/
Stroboskop)

13
Die Entwicklung von Perspektive,
Raum und Zeit
In Paris machte Muybridge dann Beka-
nntschaft mit Dr. Etienne-Jules Marey,
dieser war es, der den Zeitungsartikel
verfasste, indem stand, dass sich alle
vier Hufen beim Galopp eines Pferdes
für den Bruchteil einer Sekunde in der
Luft befanden und dieser Anlass für
Muybridge Versuche war. Marey bat
Muybridge einige Sequenzen über den
Vogelflug anzufertigen.
Da die Vögel nicht von sich aus Kam-
eraverschlüsse auslösen konnten, ar-
beitete man mit dem Uhrwerkmecha-
nismus. Doch leider erwies es sich als
unmöglich den Mechanismus mit der
Fluggeschwindigkeit zu synchronisieren.
Marey konzipierte in diesem Zuge eine
Art ,,photographisches Gewehr", mit
einem einzigen Objektiv und einer lich-
tempfindlichen Scheibe, die zwölf Auf-
nahmen in rascher Folge erlaubt. Je-
doch gab es nur eine Aufnahme, die im
richtigen Winkel aufgenommen wurde
und verwertbar war.
Muybridge erregte das Interesse beson-
ders in der Wissenschaft durch seine
Forschungen von Bewegungsabläufen des
Menschen und Tieres. Doch um sein Vorha-
ben weiter verfolgen zu können benötigte
er viel mehr Kapital. Glück licherweise ge-
wann er die Gunst von J. B. Lippincott, ein
wohlhabender Mann der Universität von
Pennsylvanien. 1884 wurden die Arbeiten
seines For
schungsprojekts aufgenom-
men und zwei Jahre später wurden über
hundert tau send Aufnahmen angefertigt,
wobei man größtenteils Fotoserien nack-
ter männlicher sowie weiblicher Modelle
festgehalten hatte.
9
Die eingefangenen Bewegungsabläufe
konzentrierten sich auf das Rennen,
das Springen, das Treppen empor stei-
gen, das Rudern, das Boxen und jede
son stige erdenklich akrobatische Aktivi-
tät. Im Herbst 1885 konzentrierte sich
Muy bridge auf die Bewegungsabläufe
von Tieren. Die Aufnahmen fanden aus-
schließlich im Zoo von Philadelphia
statt. Anders als bei den menschlichen
Be wegungsabläufen erwiesen sich die se
als schwieriger, da Muybridge den ,,Mo-
dellen" nicht vorschreiben konnte, was
9: Vgl. MacDonnell, Kevin: Der Mann, der die Bilder laufen ließ oder Eadweard Muybridge und die
25.000$ Wette. 1973, S. 30f.

14
Die Entwicklung von Perspektive,
Raum und Zeit
10: Vgl. MacDonnell, Kevin: Der Mann, der die Bilder laufen ließ oder Eadweard Muybridge und die
25.000$ Wette. 1973, S. 33ff.
diese tun sollten und in welche Rich-
tung sie sich zu bewegen hatten. Seine
Arbeit verschlang insgesamt 30.000
Dollar und 1887 veröffentlichte er sein
elfbändiges Werk ,,Animal Locomotion
­ Eine elektrophotographische Studie
. Es
enthält 781 Lichtdrucke und der Beglei-
ttext wurde von Dr. H. Allen, Professor
der Physiologie an der Universität von
Pennsylvanien verfasst.
Im Jahre 1888 entwickelte Muybridge
eine Photographie-Apparatur für den
Zieldurchgang. Diese Idee seines Er-
findungsgeists ist heute noch auf der
ganzen Welt anzutreffen. In diesem
Jahr lernte er auch den Erfinder Thomas
Alva Edison kennen. Muybridge schlug
im vor seinen erfundenen Phonogra-
phen mit seinem Projektor zu kombinie-
ren und wäre dieses Vorhaben mit mehr
Hartnäckigkeit verfolgt worden, so hätte
schon der erste Tonfilm im Jahre 1888
das Licht der Welt erblickt.
Um 1900 kehrte Muybridge nach Kings-
ton zurück, wo er am 8. Mai 1904 ver-
starb. Sein Zoopraxiskop bleibt laut tes-
tamentarischer Verfügung in Kingston
und gilt als Paradebeispiel des dortigen
Museums.
10
Abb. 11
Pressemitteilung über die
Veröffentlichung ,,Animals
in Motion" von Eadweard
Muybridge in 1882

15
Die Entstehung des Bullet Time
Effektes
11: Vgl. Diekmann, Stefanie / Gerling, Winfried: Freeze Frames ­ Zum Verhältnis von Fotografie und
Film. 2010, S. 154f.
Das Konzept für die Grundlage des
Bullet Time Effektes wurde 1967 mit
der japanischen Zeichentrickserie ge-
boren. Der Japanische Anime ,,MAHHA
GOGOGO", in Deutschland bekannt als
,,Speedracer", zeigt in seiner Opening
Sequence den Protagonisten aus sei-
nem Fahrzeug springen, während die
virtuelle Kamera in angehaltener Zeit
um 90° zur Seite rotiert wird.
Speed Racer - Opening Sequenz
Kurioserweise gab es schon eine bild-
liche Vorstellung des Bullet Time Ef-
fektes, bevor ein kinematografisches
Verfahren zur Produktion von ähnlichen
Sequenzen im Film existierte.
11

16
Die Entstehung des Bullet Time
Effektes
Die Entwicklung dieser simultanen Foto-
grafie des Bullet Time Effektes ist auf
zwei Personen zurück zuführen, welche
gleichermaßen die Urheberschaft in An-
spruch erheben: Der Brite Tim Macmil-
lan und er US-Amerikaner Dayton Tay-
lor experimentierten nahezu zeitgleich
ohne jegliche Kenntnisse über den an-
deren und dessen Vorhaben. Tim Mac-
millan entwickelte seine ersten Kam-
eras Anfang der achtziger Jahre an der
Bath Academy of Fine Arts in England,
während Dayton Taylor sein Kamerasys-
tem Mitte der Achtziger an der Universi-
ty of Colorado in den USA ausarbeitete.
Doch der Stellenwert ihrer Arbeit wird
erst durch das digitale Compositing
11
und heutige fortgeschrittene digitale
Aufnahmetechniken erkennbar.
Dayton Taylor vermerkte zu seiner Er-
findung: ,,Ich wusste, dass es mit Zeit zu
tun hatte, insbesondere die Illusion der
Zeit durch aufgenommene Bilder. Ich
wusste, dass die Szenen, die mit mein-
er Kamera aufgezeichnet sein würden,
ließe, dass Zeit verginge, obwohl es in
der Tat nicht der Fall sei."
Bullet Time Effekt bezieht sich Dayton
Taylor auf Chris Markers preisgekrönten
,,La Jetée" und
auf die Special Effects aus Steven Spiel-
bergs Indiana Jones ­ The Temple of
Doom. Tim Macmillan dagegen studierte
Malerei und bezieht sich bei seinem Ka-
meraexperiment auf den Kubismus und
seinen multiperspektivischen Ansatz.
12
11: Compositing ist ein Begriff aus der Video- und Filmtechnik und [...] [beschreibt den Prozess,
bei dem] zwei oder mehr voneinander getrennt aufgenommene oder erstellte Elemente zu einem
Bild zusammengeführt werden. (Wikipedia - Compositing)
12: Vgl. Diekmann, Stefanie / Gerling, Winfried: Freeze Frames ­ Zum Verhältnis von Fotografie und
Film. 2010, S. 155f.
Abb. 12
Tim Macmillan, 360° Kamera (1984)
Abb. 13
Die Kameraanordnungen im Vergleich

17
Die Entstehung des Bullet Time
Effektes
Mit dem Video ,,Like a rolling Stone"
von Michel Gondry wurde der der Bul-
let Time Effekt erstmals einem breiten
Publikum zugänglich gemacht. Hierbei
wurden synchrone Aufnahmen der-
selben Person aus verschiedenen Per-
spektiven aufgenommen und Mittels
,,Morphing" verbunden.
13
Das Morphing bezeichnet einen com-
putergenerierten Spezialeffekt, bei
dem Zwischenbilder binnen zwei Einzel-
bildern errechnet werden. Anders als
bei einer reinen Überblendung des
Bildes, werden beim Morphing durch
gezielte Verzerrungen, zum Beispiel bei
den Umrissen des Gesichtes, diese so
ausgerichtet, dass die Konturen übere-
instimmen, um realitätsnahe Effekte zu
erzielen.
14
Auch in Taylors Filmproduktionen spielt
das Morphing eine wesentliche Rolle.
Noch heute untersucht er verschiedene
Verfahren zur Errechnung von 2D und
3D Zwischenbildern, aber auch Meth-
oden und Ansätze, welche das Erzeugen
von Zwischenbildern unnötig machen.
Sogar in der Patentierung und Durch-
setzung der Technologien scheint Day-
ton Taylor wohl im Vorteil gegenüber
Tim Macmillan zu sein, da seine Ka-
mera- und Softwareentwicklung aus
heutigen (Hollywood)-Filmproduktionen
kaum noch wegzudenken sind. Jedoch
wird Tim Macmillan im wissenschaftli-
chen Zusammenhang, der meist Ange-
führte sein, da seine Arbeiten vor denen
Taylors begonnen haben.
15
13: Vgl. Diekmann, Stefanie / Gerling, Winfried: Freeze Frames ­ Zum Verhältnis von Fotografie und
Film. 2010, S. 156
14: Vgl. Wikipedia - Morphing URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Morphing (Stand 10.06.13)
15: Vgl. Diekmann, Stefanie / Gerling, Winfried: Freeze Frames ­ Zum Verhältnis von Fotografie und
Film. 2010, S. 157
Abb. 15
Patentschrift Dayton Taylor (1997)
Abb. 14
Morphing mit drei Zwischenschritten
Georg W. Busch zu Barack Obama

18
Die Entstehung des Bullet Time
Effektes
Als The Matrix 1999 in die Kinos kam,
war die Verschmelzung von Jean Bau-
drillard und Cyber Punk perfekt. Das
Publikum wurde nahezu von der Pracht
der opulenten Bilder erschlagen und in
ihren Bann gezogen. Zusammengefasst
geht es um den Computer-Hacker Neo,
gespielt von Keanu Reeves, welcher
in der Computersimulationswelt ,,Ma-
trix" gefangen ist. Eine selbsternannte
Freikämpfertruppe von Computerhack-
ern, versucht die Menschheit von dieser
Illusion zu befreien.
16
Vor allem wurde The Matrix durch die
Etablierung des filmischen und in noch
nie dagewesener Brillanz und Vielfalt
des Bullet Time Effektes bekannt. VFX
12
-
Guru John Gaeta realisierte diesen Spe-
zialeffekt, indem er 120 Kameras und
zwei Bewegbildkameras um eine Szene
aufbauen ließ.
17
12: VFX abgekürzt visual effects, zu Deutsch: visuelle Effekte (Vgl.: Wikipedia - VFX)
16: Vgl. Filmkritik: "Matrix" - Elegante Ballerorgie; URL: http://www.spiegel.de/kultur/kino/filmkri-
tik-matrix-elegante-ballerorgie-a-27140.html (Stand: 12.06.13)
17: Vgl. Wikipedia - Bullet Time; URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Bullet_Time (Stand 12.06.13)
Abb. 16
Die Green Screen Studio Aufnahmen wurden im
finalen Film mit CGI Szenen ersetzt
Abb. 17
In den Studiofilmaufnahmen sind die Schaus-
pieler am Seil befestigt
Abb. 18
Die Seile wurden für die finale Sequenz wegre-
tuschiert und der Hintergrund wurde ersetzt

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2014
ISBN (PDF)
9783958206366
ISBN (Paperback)
9783958201361
Dateigröße
26.6 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hochschule Hannover
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,7
Schlagworte
Gopro Time Slice effect Matrix-Effekt Time freeze Kameraeffekt GoPro-Batterie

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Titel: Frozen Frames: Die Portablisierung des Bullet Time Effektes
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