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Migration und sozialer Aufstieg: Vom philippinischen Bauern zum amerikanischen Intellektuellen

©2012 Bachelorarbeit 53 Seiten

Zusammenfassung

Die Möglichkeiten und Zwänge in der philippinischen Arbeitsdiaspora im Amerika des 20. Jahrhunderts werden anhand der Analyse der halbfiktionalen Biografie des Carlos Bulosan beleuchtet. Der amerikanische Traum wird zum Kampfplatz der Lebensverwirklichung des Protagonisten im Amerika des 20. Jahrhunderts. Ziele und Wünsche in der Diaspora korrespondieren mit neuen transnationalen, delokalisierten sozialen Wirklichkeiten zwischen Herkunfts- und Ankunftsregion. Die Realität der anwachsenden Zahl der philippinischen Landarbeiter befeuert die rassistischen Ideen unter der ärmeren amerikanischen Bevölkerung und begünstigt Antiphilippinismus, der sich in Gewalt und Diskriminierung niederschlägt. In der Studie werden förderliche und hinderliche Faktoren der Verwirklichung des großen Traums, akzeptiertes Mitglied der amerikanischen Gesellschaft zu sein, betrachtet.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1 Kritische Betrachtung der Quelle
1.1 Adressaten
1.2. Der Autor Carlos Bulosan
1.3.Schlüsselbegriffe
1.4. Zeitbedingtheit
1.5. Intention
1.6. Rezeption
1.7.Inhalt
1.8. Autobiografie und ihr Stil
1.9.Historischer Kontext
1.9.1.Geschwächte agrarische Gesellschaft
1.9.2. Wellen der Immigration
1.9.2.1. „Recruited Immigration“
1.9.2.2. „Virtual Exclusion“
1.10. Einschätzung der Quelle unter Berücksichtigung der konkurrierenden Narrative

2 Lebensentwurf des Carlos Bulosans. Prägungen, Werte, Visionen mit hinderlichen und förderlichen Faktoren
2.1. Heimatgesellschaft und Push Faktoren für die Emigration
2.2 Visionen von dem Leben in Amerika
2.3. Amerikanische Realität

3 Identität in der Arbeitsdiaspora
3.1. Prägungen der Heimatgesellschaft durch die spanische Kolonialzeit und den amerikanischen Imperialismus
3.2.Amerikanisch- philippinische Realität
3.3.Visionen der kolonialisierten Filipinos
3.4. Philippinische Arbeitsdiaspora in Amerika des 20. Jahrhunderts

Schlussgedanken

Bibliographie

Einleitung

1930 wurden vom United States Census mehr als vierzigtausend Filipinos auf dem Festland der Staaten und fünfundsechzigtausend in Hawaii gezählt.[1] Der Wunsch nach sozialer Mobilität ließ junge Filipinos zu Beginn des 20. Jahrhunderts immer häufiger nach Amerika gehen. Sie waren schlecht informiert über die Gesellschaft, die sie dort erwartete.[2] Durch die Migration kamen sie in eine rassistisch aus­gegrenzte Minderheitensituation, die sich ab den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts verschärfte. Die Arbeiter auf den Plantagen, die ursprünglich kamen, um in Amerika ein Studium zu beginnen, Kapital für ein Haus oder Land anzusparen und Geld nach Hause zu schicken, konnten all diese Ziele, während der Great Depression und der zunehmenden Mechanisierung von Arbeitsplätzen, kaum erreichen.

Rassismus, die Konstruktion von Andersartigkeit aufgrund der Herkunft und der Ethnie, kann verschiedene Funktionen erfüllen und wirkt komplex auf die Lebenssituation der Ausgegrenzten. Sie werden in Gettos abgeschoben und arbeiten als Billiglohnarbeiter.[3] Im Falle der Filipinos bildet sich eine soziale Dynamik aus, die als Diaspora bezeichnet wird.

Der Identität in der Arbeitsdiaspora ist das Spannungsfeld zwischen der kulturellen Herkunft, den Visionen und Hoffnungen für den individuellen Lebensentwurf und der sozioökonomische Realität im Gastland, immanent. Das Machtmonopol des imperialen Amerika regelt sowohl die Kontrolle der Bildungsinstitutionen in der Heimat als auch die Einreise. Die Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung sind durch das Vorenthalten der Bürgerrechte eingeschränkt.

Die Verwirklichung des individuellen Lebensentwurfs des Carlos Bulosan steht im Zusammenhang mit diesen Faktoren. Er drückt in dem Titel seines Romans America Is In The Heart [4] seine Vision aus, ein anerkannter Teil einer westlichen Gesellschaft zu sein.

1 Kritische Betrachtung der Quelle

Die intendierte Quelle ist in englischer Sprache 1946 in Amerika von Harcourt, Brace und Company[5] veröffentlicht worden und liegt als Ausgabe von 1973 vor. In der Biografie von Susann Evangelista heißt es, Harcourt und Brace hätten Bulosan um eine Autobiografie gebeten.[6] 1946 wird Carlos Bulosans autobiografischer Roman America Is In The Heart veröffentlicht. Eine Widmung für Grace Funk und John Woodburn steht vor dem Vorwort. Bulosan dankt seinen Mitmenschen mit den Worten „Because I would like to thank you for accepting me into your world, I dedicate this book of my life in the years past: let it be the testament of one who longed to become a part of America.“[7] Der Titel und die Widmung geben Einblick auf den Adressaten.

1.1 Adressaten

Im Titel America Is In The Heart bezieht sich der Autor auf die Identität der Leserschaft, die das Anliegen, ein Teil Amerikas zu sein, hat. Der Text Bulosans richtet sich an Menschen, die sich selbst als Amerikaner empfinden, von der Gastgemeinde aber nicht als solche akzeptiert werden. Bulosans Zielgruppe sind Menschen, die Ideale, Werte und Prägungen aus der Heimat mitbringen und deren Kultur in Amerika nicht anerkannt wird. Bei den Adressaten geht es um Identitäten, deren Rechte und Lebensideale in Amerika als Marginalien gelten. Die Zielgruppe des Textes sind indigene Gruppen, die als Arbeitskräfte kolonialer Gebiete in der Heimat beherrscht oder kontrolliert und im imperialen Zentrum ausgebeutet werden.

„I’m glad that I remained what I am, because it will give you the chance to see your own brother in darkness[…]My lostness in America will give you a reason to work harder for your ideals, because they are my ideals too.“[8]

Das imperialistische Amerika ist, wie es bei José Rizal[9] die Kolonialherren waren, die Adresse Bulosans Kritik. Beide formulieren ihre Diagnose in der Sprache der Kolonialherren.

1.2. Der Autor Carlos Bulosan

Wenn man sich an die Chronologie des Textes hält, hat Bulosan mit circa 30 Jahren, das Manuskript verfasst. Da wusste er schon circa fünf Jahre, dass er früh sterben würde. Mit etwa 17 Jahren kam er in Amerika an. Carlos Bulosan wurde wahr­scheinlich am 24.11. 1913[11] in Binalonan, Pangasinan, in Luzon, in den Zentral-Philippinen geboren. Er war der Sohn eines kleinen Bauern. Bulosan kam nach Lompoc um mit seinem älteren Bruder Dionisio, den er in America Is in the Heart Amado nennt, zusammen zu sein.[12] Viele Dinge, die er dort sah und der Schock, den er hier erlebte, flossen in seinen autobiografischen Roman ein.[13] [10]

Ein gravierender Unterschied vom Autor zum Alter Ego Allos war die körperliche Konstitution. Bulosan war von Anfang an kaum in der Lage zu arbeiten. Auf den kalifornischen Plantagen arbeitete er wegen seiner schlechten physischen Konstitution nur kurze Zeit. Anschließend ging er nach Los Angeles um mit seinem Bruder Aurelio, im Buch Macario, der ihm einen Job besorgte, zusammen zu sein. Einige der Dinge, die er in America is in the Heart beschrieb, hat er selbst erlebt oder hat sie von Bekannten oder Verwandten erzählt bekommen.

Zu Beginn der 40er Jahre veröffentlichte er zwei kleinere Titel Gedichte, die ihm eine gewisse Bekanntheit einbrachten.[14] Über seine literarische Tätigkeit kam Bulosan mit anderen Schriftstellern und Gewerkschaftern, mit denen ihn das soziale Anliegen auf politischer und intellektueller Ebene, verband, in Kontakt.[15] Zu ihnen gehörte John Fante,[16] Louis Adamic und Mc Williams, der das Vorwort zur Quelle schrieb. Ihre Anliegen waren soziale Gerechtigkeit, Überwindung des Rassismus und der Kontraktarbeit.[17] Zur Zeit der Veröffentlichung war Bulosan bereits als philippinischer Schriftsteller für die Arbeiterbewegung tätig. Obwohl er nur eine geringe Schulbildung besaß, war er in den Jahren von 1936 bis 1946 schriftstellerisch tätig.[18]

Bulosan hatte auf den Philippinen drei Jahre die Schule besucht und sprach ein wenig Englisch, als er in den USA ankam. 1932 begann er zu publizieren. 1934 veröffentlichte er The New Tide, ein radikales Magazin, das erste dieser Art von amerikanisch- philippinischen Landarbeitern.[19]

Carlos Bulosan gehört als Filipino einer Gruppe an, die besonders großen Wert auf soziale Beziehungen legt. Es ging ihm um die Gleichheit der Menschen, als Grundvoraussetzung für eine faire Gesellschaft und Basis der Demokratie. Bereits in den 30er Jahren schrieb er Texte für die Arbeiterbewegung.[20] Bulosans körperliche Verfassung legte ihm, gezeichnet von seiner ihm aufgezwungenen Lebensweise in der Heimat und dem Lebensstil in Amerika, große Beschränkungen auf. Von 1936 bis 1938 befand er sich wegen Tuberkulose in stationärer Behandlung.[21] Diese Jahre gehörten zu seiner kreativsten Zeit. Er kehrte niemals wieder auf die Philippinen zurück und nahm das umstrittene Angebot im Rahmen des Naturalization Act vom 2. Juli 1946, Bürger zu werden, nicht an.[22]

1.3.Schlüsselbegriffe

Wesentliche Schlüsselworte im Text sind „Filipino unity in America,“[23] „Social awakening of my people“[24] und „Abraham Lincoln“[25] als Symbol der Gleichheit aller Menschen und America und heritage. “All of us, from the first Adams to the last Filipino, native born or alien, educated or illiterate- We are America!”[26] Der Identität des Protagonisten wurden zahlreiche Wenden im Text angelegt. Der Ausdruck „Something snapped inside of me“[27] ist Ausdruck für die wesentlichste Wende. Für die Darstellung der rassistischen Welt, im Gegensatz zur idealen Gesellschaft, benutzt Bulosan den Begriff „white universe.“[28]

1.4. Zeitbedingtheit

Der Entstehungskontext der Quelle hängt mit Bulosans persönlicher Entwicklung und den verschärften Bedingungen während der Wirtschaftskrise in Amerika zusammen. Die Pinoys kommen schlecht informiert in Amerika an. Ihnen eine Orientierung in die Hand zu geben, scheint dem Autor dringend notwendig. Rassismus, Ausbeutung, kriminelles Milieu und Glückspiel beschreiben die Dimensionen vom Leben in der amerikanischen Realität für die Filipinos während der Depression.[29] Bulosans Landsleute kommen, um an der Wertschöpfung, am Leben in Amerika teilzuhaben und die soziale und ökonomische Leiter zu erklimmen.[30] Die Auswirkungen der Wirtschaftskrise und der zunehmenden Mechanisierung machte es ihnen noch schwerer ihre Ziele zu verfolgen.[31]

Die Arbeiterbewegung in Amerika litt zu dieser Zeit unter Korruption und Zerwürfnissen innerhalb der Gewerkschaften.[32] Die Filipinos als Cannery Workers’ and Farm Labourer’s Union (CWFLU), Local 18257 traten 1933 in die American Federation of Labor (AFL) ein.[33] In den Jahren ab 1937 begann eine neue Ära im Kampf für die Arbeiterrechte. Die alten AFL Mitglieder stiegen in die Agricultural Packinghouse, and Allied Workers of America (UCAPAWA) unter dem Congress of Industrial Organizations (CIO) als Führungsmitglieder ein.[34] Die Machtmonopole der Contractors schienen unverrückbar in den Köpfen, sogar der Gewerkschafts­funktionäre zu sein und waren immer wieder Anlass von Streitigkeiten innerhalb der Gewerkschaften.[35] Zunächst war versucht worden in die Machtmonopole der Contractors einzubrechen und auch aus der Machtressource Arbeitsplatzvermittlung Geld zu machen.[36] Die Machtmonopole waren von den Contractors lange beherrscht worden. Sie nannten sich schlicht „labor agents.“[37] Mitte der 30er Jahre fanden zwischen den unterschiedlichen unions und den Contractors Machtkämpfe statt.[38]

Die Vertretung der Interessen der philippinischen Mitglieder wurde auch in politischer Hinsicht in der Arbeiterbewegung aufgefangen.[39] Daher hatte dieses Engagement eine große Bedeutung für die Filipino Community.

1.5. Intention

Der Autor geht davon aus, dass Klassenbewusstsein, ethnisches Bewusstsein und selbstbewusstes Handeln in der amerikanischen Gesellschaft Vorbedingungen eines lebenswerten Lebens sind. Bulosan möchte die Pinoys warnen und ihnen eine Anleitung in die Hand geben.

„Now culture being a social product, I firmly believe that any work of art should have a social function- to beautify, to glorify, to dignify man. This assertion has always been true, and it applies to all social systems.” [40]

Den Text betrachtet der Autor als soziales Produkt, nicht als das Ergebnis einer individuellen Kreativität. Als solches hat der Text eine Funktion für die Gemein­schaft. Bulosan möchte seinen Landsleuten, wie Moses es getan hat, den Weg zeigen und ihnen Mut machen. Im Weiteren möchte er, wie der philippinische Nationalheld José Rizal, die Krankheit der imperialen Gesellschaft aufzeigen.[41]

Der Autor selbst spürt die große Kraft, die von Vorbildern, Freunden oder Menschen die ihn freundlich aufnehmen, ausgeht. Ihnen möchte er danken und ein Denkmal setzen. Auch die Familie, besonders sein Vater, dessen Leiden so unsinnig scheint, gehört hierzu. Damit bekommt die Leidensgeschichte der Familie einen Sinn.

Bulosan kritisiert die amerikanische kapitalistische Gesellschaft und möchte ein Bewusstsein der unterdrückten Minderheiten mit seinem Text fördern. Es geht um die Identität einer ethnischen Minderheit. Bulosan blickt im Spannungsfeld von Heimat- und Gastgesellschaft aus sozialistischer Perspektive auf die reaktionäre amerikanische Gesellschaft. Er möchte ein Dokument gegen die Zersplitterung, die er in der Gesellschaft erlebt hatte, schaffen. Er fordert auch Amerika auf das Selbstverständnis zu überdenken. Dazu möchte er mit seinem Engagement beitragen.

„I glanced out of the window again to look at the broad land that I had dreamed so much about, only to discover with astonishment that the American earth was like a huge heart unfolding warmly to receive me. I felt it spreading through my being […] no one at all- could destroy my faith in America again. […] something that had grown out of my defeats and successes […]out of sacrifices and loneliness o my friends[…] my family in the Philippines[…] of our desire to know America[…] and to contribute something toward her final fulfilment”[42]

1.6. Rezeption

Die Quelle wird er als Klassiker kollektiver Erfahrungsgeschichte der Pinoys[43] gelesen, aber auch als semi- autobiografische Novelle und als Klassiker der amerikanisch- asiatischen Literatur bezeichnet, die das Leben jener Menschen, die auf die Feldern Kaliforniens kamen, um dort einen Grundbaustein für ein besseres Leben zu setzen, beschreibt .[44] Carey McWilliams, persönlicher Freund Bulosans, nennt seinen Blick akkurat.[45] Die Quelle wird als Kollektivbiografie betrachtet und gilt als relevant, wenn man sich mit der Geschichte philippinischer Arbeitsdiaspora in Amerika beschäftigen möchte. Der Roman wird als eine Möglichkeit betrachtet, Einblicke in das Leben der Arbeitsmigranten zu erhalten.[46] Filipinos, ausgebeutete Arbeiter, Menschen aus dem ostasiatischen Raum, Farbige, Randgruppen und Menschen mit Interesse an Strukturen und Folgen von Ausgrenzung kommen als Leser infrage. Von Bulosan heißt es heute, er sei jemand, der Menschen jeder Ethnie und jeden Geschlechts dazu anrege, die eigene Beziehung zu anderen Gruppen und Ethnien zu verbessern.[47]

1.7.Inhalt

Carlos Bulosan erzählt die Geschichte eines Migranten von circa 1930 bis 1941 in Amerika. Zunächst geht es um das Leben im philippinischen Dorf. Hier skizziert der Autor Szenen, die heimische Strukturen und amerikanische Einflüsse beleuchten. Der Mangel an Zukunftsperspektiven wird in verschiedenen Bildern illustriert. Darauf folgen Schilderungen der harten Lebensumstände in Amerika während und nach der Depression in der Arbeitsdiaspora. Bulosan schildert die Entwicklung des Protagonisten Allos vom naiven philippinischen Bauernjungen zum Pinoy, der sich für mehr Demokratie und Selbstbewusstsein unter den Arbeitern mit Migrations­hintergrund einsetzt.

Im Teil eins, in zwölf Kapiteln, beschreibt Bulosan den Alltag der bäuerliche Familie sowie gesellschaftliche, ökonomische und politische Zusammenhänge auf den Philippinen. Bulosan beschreibt die Schwierigkeiten, der ländliche Bevölkerung bei der Teilhabe von Bildungskultur.

Die Familie litt unter Armut und Mangel an sozialer Unterstützung. Sie war ständig in Sorge um das tägliche Überleben und die Zukunft. Bulosan schildert die Schwierig­keiten, die mit dem Schulbesuch der Brüder zusammenhingen.[48] Jeder, auch die Kinder, seien gezwungen, zum Familieneinkommen beizutragen. Die Familie be­schreibt er als zerrissen, da sie an verschiedenen Orten versuchen mussten, der Vater auf dem Land, die Mutter auf dem Markt, die Söhne mal hier, mal da, für ein Aus­kommen zu sorgen. Gleichzeitig wird versucht, an den amerikanisch ausgerichteten Bildungsangeboten zu partizipieren. Deswegen musste der Vater das Land beleihen. Der Autor beschreibt die gegenseitige Abhängigkeit der Familien­mitglieder über die Gegenwart hinaus. Die Zukunft aller Familienmitglieder sei verknüpft, durch die Investition in Bildung für die Kinder und die damit verbundene Erwartung, später von ihnen das Geld zurück zu bekommen. Die Existenzgrundlage und Zukunftsperspektive der Familie brach zusammen, als der Vater schließlich das Land verlor.

In verschiedenen Bereichen des Lebens erläutert der Autor, die zwei sich gegenüberstehenden Wertesysteme, der philippinischen Analphabeten und der amerikanischen Regierung. Ein demokratisches Denken setzt ein und würde die Generationen voneinander trennen. Allos stellt fest, dass er zwischen zwei Mauern steht, die ihn vor einem unsichtbaren Feind beschützen.[49]

Bulosan stellt die Bevölkerung des Archipels, als streng an Hierarchien orientiert und feudale Praktiken gewöhnt, dar. Konflikte mit der wohlhabenden Mittelschicht würden gescheut.[50] Er beschreibt andererseits Bauern- und Arbeiteraufstände aufgrund der Vertiefung sozialer Unterschiede. Bulosan findet Verursacher in der Regierung, die das Land in eine ökonomische Krise geführt hätten. Die Inseln wären von ihren Wurzeln getrennt und eine breite nationale Einheit verhindert worden.[51] Neben Idealen von Demokratie und Bildung für alle, gebe es auch falsche amerika­nische Ideale.

„For a time it seemed that the younger generation, influenced by false American ideals and modes of living, had become total strangers to the older generation. In the provinces where the poor peasants lived and toiled for the rich hacienderos, or landlords, the young men were stirring and rebelling against their heritage.“[52]

Eine Zukunft in der Heimat schien für Allos und seine vier älteren Brüder nicht vorstellbar.[53] Schon der Vater habe keine Zukunft für sich erkennen können.[54] Allos war überzeugt, dass es seinem Bruder ebenso ergehen würde, wie dem Vater. „I knew that in ten years he would want to lie down and die.“[55] Allos war fasziniert, als er von Abraham Lincolns Lebensgeschichte hörte.[56] Nun konnte er neue Visionen von seiner Zukunft haben. Er hörte, in Amerika wären alle Menschen gleich, arbeitete er für die Überfahrt. Aber schon auf dem Unterdeck wurde der Protagonist unsicher.

„Why had I left home? What would I do in America? I looked into the faces of my companions for a comforting answer, but they were as young and bewildered as I, and my only consolation was their proximity and the familiarity of their dialects.”[57] Zugehörigkeit, die über die Dialekte evident würde, stelle sich Verbundenheit innerhalb der Pinoys als Tribalismus ein. Dieser sei ein Hindernis für die „Filipino unity in America.“[58]

Es bestand kein philippinisches Bewusstsein unter den jungen Männern, auf dem Unterdeck, sondern Dialektverwandtschaften wurden wahrgenommen. Auch bei der Ankunft erkennt er, keinen Zusammenhalt. Er erlebte, dass seine Filipinos die eigenen Landsleute verkaufen. So kommt es, dass Allos für eine Saison als Zwangsarbeiter nach Alaska gebracht wird.

Der Kontraktarbeit entronnen wird Allos zum Wanderarbeiter auf dem Land und Billiglohnarbeiter in der Stadt. Die ständigen Neuanfänge mit nichts als dem Hemd am Leib, verfolgt von Rassenhass, verhinderten ein Leben, frei von Ausbeutung.[59]

Er beobachtete, dass das Geld, das die Filipinos den Sommer über hart auf dem Feld verdienten, von ihnen in den chinesischen Spielhallen wieder verloren wurde. „Why, the Chinese control this town! The local Banks can’t do business without them, and farmers, who badly need the health and interests of Filipino workers, don’t want to do anything because they borrow money from the banks.”[60] Die Machenschaften von Kriminalität, Glücksspiel, Prostitution schienen in der amerikanischen Gesellschaft geduldet, die Exekutive trat willkürlich auf.

[...]


[1] Vgl. B. M. Posadas: At a Crossroad: Filipino American History and the Old Timers’ Generation, S. 87- 97. In: Amerasia Journal Volume 13 Heft 1 Filipinos in American Life Asian American Studies Center UCLA Publisher D. T. Nakanishi 1986/87; S. 86

[2] „America is the greatest country on earth; the people are the greatest people; American institutions of learning, the colleges and universities, are the finest on the face of the earth; American democracy is the highest and most enlightened form of government, because it seeks to elevate all men regardless of creed, belief, backround and tradition, color and nationality.“ Buaken, M.: Lure of America, zitiert nach Letters in Excile. An introductory reader on the history of pilipinos in America. UCLA University of California 1976 S. 23- 25, S. 24, 25. Buaken stellt, in einem zweiten Aufsatz im gleichen Band, dieser Aussage eine Beschreibung der Lebenssituation der Filipinos gegenüber.Vgl.: No Orientals Are Wanted. S. 45- 50. Dieser wurde dem Titel Buakens „I HAVE LIVED WITH THE AMERICAN PEOPLE” Caldwell; Idaho: Caxton Printers 1948 entnommen.

[3] Der unterbezahlten Arbeit der Filipinos in Amerika stehen weitere Faktoren zur Seite, die den Filipinos unmenschliche Härten zumuten. Die Aufsicht der Arbeiter findet aus der Perspektive der Arbeitsplatzvermittler, der Contractors, Foremen oder Subcontractors statt und stellt deren Interessen und die Interessen der Unternehmer und Arbeitgeber sicher. Die Interessenvertretung der Arbeiter muss erst aufgebaut werden. Vgl. Ch. Friday: Organizing Asian American Labor. The Pacific Coast Canned- Salmon Industry, 1870- 1942 Philadelphia: Temple University Press 1994 S. 136

[4] Bulosan, C.: America Is In The Heart. A Personal History. Seattle and London. University of Washington Press. 1973 (Orginalausgabe 1946)

[5] Harcourt, Brace & Howe United States San Diego, California & Manila Philippines wurde 1905 gegründet und ist ein Verlag für Fachbücher, Schulbücher u.a.

[6] Vgl. S. Evangelista: Carlos Bulosan And His Poetry. A Biography and Anthology. Seattle and London: University of Washington Press 1985, S. 18

[7] Bulosan, C.: America Is In The Heart, Widmung S.v

[8] Bulosan, C.: America Is In The Heart S. 322

[9] Vgl. C. Bulosan: America Is In The Heart S. 46

[10] Die biografischen Daten und Ereignisse sind aus Interviews von Freunden und Bekannten Bulosans. Zitiert nach S. Evangelista: Carlos Bulosan And His Poetry. A Biography and Anthology.

[11] Vgl. C. Mc Williams: America Is In The Heart, Introduction S. xv

[12] Vgl Evangelista S.: Carlos Bulosan And His Poetry S. 7

[13] Vgl Evangelista S.: Carlos Bulosan And His Poetry S.8

[14] Einige Veröffentlichungen von Bulosan waren unter anderem in der Saturday Evening Post ein Artikel mit dem Titel Freedom from Want auf Einladung von Louis Adamic. Er veröffentlichte außerdem Gedichtbände wie Letter from America und Chorus for America, später The voice of Bataan und eine Monographie, The Laughter of my Father. Über das Magazin The New Tide, das er selbst veröffentlicht schreibt, Bulosan in America Is In The Heart, S. 193-194 Vgl. S. Evangelista: Carlos Bulosan And His Poetry S. 10

[15] Vgl. S. Evangelista: Carlos Bulosan And His Poetry S. 10

[16] John Fante war Autor und Drehbuchautor und wurde 1909 als Sohn italienisch Stämmiger Eltern in den Staaten geboren. Louis Adamic wurde 1899 geboren und emigrierte aus dem heutigen Slovenien nach Amerika. Ihm gelang eine Karriere als einer der erfolgreichsten ethnisch-amerikanischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Vgl.: Immigration History Research Center University Minnesota http://www.ihrc.umn.edu/research/vitrage/all/aa/ihrc95.html Carey McWilliams wurde 1905 in Kalifornien geboren. Er arbeitete als Journalist und Schriftsteller. Vgl.: Online Archive of California http://www.oac.cdlib.org/findaid/ark:/13030/tf1779n6sf/ auf

[17] Vgl. S. Evangelista: Carlos Bulosan And His Poetry S. 14

[18] Vgl. C. McWilliams: Introduction S. xvii In: C. Bulosan: America Is In The Heart

[19] Evangelista, S.: Carlos Bulosan and his poetry S. 10

[20] Vgl. S. Evangelista: Carlos Bulosan And His Poetry S. 10

[21] Vgl. S. Evangelista: Carlos Bulosan And His Poetry S. 11

[22] Vgl. S. Evangelista: Carlos Bulosan And His Poetry S. 19

[23] Bulosan, C.: America Is In The Heart S. 98

[24] Bulosan, C.: America Is In The Heart S. 139

[25] Bulosan, C.: America Is In The Heart S. 70

[26] Bulosan, C.: America Is In The Heart S. 189

[27] Bulosan, C.: America Is In The Heart S.163

[28] Bulosan, C.: America Is In The Heart S.164

[29] In der Literatur über Filipinos in Amerika wird häufig auf Rassismus und Ausbeutung hingewiesen. Die Grafik vom 22. Juni 1932 „In the Mire in Chicago,“ zeigt einige der wesentlichen Kräfte, die an den Protagonisten ziehen. Die Arbeitslosigkeit und Niederlohnbeschäftigung, schlechte wirtschaftliche Lage, der gesetzliche Ausschluss von der freien Partnerwahl, die Freizeitbeschäftigungen im kriminellen Milieu, sind Momente des Lebens der Menschen, die sich in Amerika, zunächst als ausgegrenzte ethnische Gruppe, wiederfanden. Die Grafik stellt dar, dass es Kräfte gibt, die in den Filipinos geweckt werden müssen, damit sie aus dem Sumpf entkommen. Das Bewusstsein dafür war in Teilen der Bevölkerung schon zu Beginn der dreißiger Jahre vorhanden. „In the Mire in Chicago,“ Graphic, 22 June 1932 zitiert nach B. M. Posadas: At a Crossroad S. 90

[30] Vgl. B. M. Posadas: At a Crossroad: Filipino American History and the Old Timers’ Generation, S. 93

[31] Zwischen 1929 und 1933 sanken die Löhne der Filipinos bei der Saisonarbeit in Alaska beispielsweise um 40 Prozent. Vgl. Ch. Friday: Organizing Asian American Labor. The Pacific Coast Canned- Salmon Industry S. 134

[32] Vgl. L. Adamic: Dynamit. Geschichte des Klassenkampfes in den USA (1880- 1930) (1931 L. Adamic: „Dynamit“; 1958 St. Adamic) Frankfurt Trikont- Verlag 1974 S. 363

[33] Vgl. Ch. Friday: Organizing Asian American Labor. The Pacific Coast Canned- Salmon Industry S. 136

[34] Vgl. Ch. Friday: Organizing Asian American Labor. The Pacific Coast Canned- Salmon Industry S. 156

[35] Unzufriedene Mitglieder belasteten die offiziellen Führer der CWFLU der Korruption. Vgl. Ch. Friday: Ch. Friday: Organizing Asian American Labor. The Pacific Coast Canned- Salmon Industry, 1870- 1942 Philadelphia: Temple University Press 1994 S. 142

[36] Ch. Friday: Organizing Asian American Labor. The Pacific Coast Canned- Salmon Industry S. 140

[37] Ch. Friday: Organizing Asian American Labor. The Pacific Coast Canned- Salmon Industry S. 142

[38] Ch. Friday: Organizing Asian American Labor. The Pacific Coast Canned- Salmon Industry S. 142

[39] Ch. Friday: Organizing Asian American Labor. The Pacific Coast Canned- Salmon Industry S. 145

[40] Bulosan C. zitiert nach S. Evangelista: Carlos Bulosan and his poetry S.28

[41] Bulosan C.: America Is In The Heart S. 312

[42] Bulosan C.: America Is In The Heart S 326- 327

[43] In der Asian- American -Bewegung der 70er Jahre galt der Roman als einer der Klassiker. Vgl Evangelista S.: Carlos Bulosan And His Poetry S. 27

[44] Vgl. http://www.enotes.com/topic/America_Is_in_the_Heart gefunden am 25. 02. 2012

[45] Vgl. C. McWilliams zitiert nach Evangelista S.: Carlos Bulosan And His Poetry S. 31

[46] Vgl. http://www.enotes.com/topic/America_Is_in_the_Heart gefunden am 25. 02. 2012

[47] Vgl. http://www.enotes.com/topic/America_Is_in_the_Heart gefunden am 25. 02. 2012

[48] Vgl. C. Bulosan: America Is In The Heart S.10, 14, 17, 43

[49] Vgl. Bulosan: America Is In The Heart, S. 21

[50] Vgl. C. Bulosan: America Is In The Heart S. 38, 72

[51] Vgl. Bulosan, C.: America Is In The Heart S.5

[52] Bulosan, C.: America Is In The Heart S. 5

[53] Vgl. C. Bulosan: America Is In The Heart S. 65-66

[54] Vgl. C. Bulosan: America Is In The Heart, S. 64

[55] Bulosan, C.: America Is In The Heart S.89

[56] Vgl. Bulosan, C.: America Is In The Heart S 70

[57] Bulosan, C.: America Is In The Heart S. 97

[58] Bulosan, C.: America Is In The Heart S. 98

[59] Vgl. C. Bulosan: America Is In The Heart S. 111

[60] Bulosan, C. : America Is In The Heart S. 118

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2012
ISBN (PDF)
9783958207318
ISBN (Paperback)
9783958202313
Dateigröße
1.1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
FernUniversität Hagen
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
2,5
Schlagworte
philippinische Arbeitsdiaspora Lebensvision negatives soziales Kapital Philippinos amerikanische Sozialisation Diaspora

Autor

Gabriele Oestereich, Jahrgang 1965, erlangte 2012 den Bachelor of Arts an der FernUniversität Hagen im Studiengang Kulturwissenschaften mit Schwerpunkt Neuere und Außereuropäische Geschichte. Während ihres Studiums beschäftigt sie sich vertiefend mit Autobiografien. Praktika in regionalen und überregionalen Radiosendern folgen. Die Verwirklichung von Lebensentwürfen und Identität sind Thema ihrer Radiosendungen und Sonntags Talks beim Freien Radio Salzburg. Gabriele Oestereich arbeitet als freie Journalistin.
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Titel: Migration und sozialer Aufstieg: Vom philippinischen Bauern zum amerikanischen Intellektuellen
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