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Polizei im Fokus der Informationstechnologie: Bedeutung der ICT für Polizeikorps

©2012 Diplomarbeit 31 Seiten

Zusammenfassung

Die Informations- und Kommunikations- Technologie verändert Geschäftsprozesse - auch bei der Polizei. Die vorliegende Diplomarbeit beleuchtet ein äußerst interessantes Spannungsfeld. Steht doch Polizeiarbeit für Sicherheit und ICT Trends für Veränderungen. (Polizeiliche) Sicherheit im Umfeld von stetigen und aktuell rasanten technologischen Entwicklungen zu produzieren ist eine der großen zukünftigen Herausforderungen. Als erfolgreiches und modernes Korps muss man sich auf diese Veränderungen einlassen und erarbeitet sich damit eine Basis für die Polizeiarbeit von morgen. Die Thesen und Quellen zu möglichen ICT Entwicklungen in den nächsten Jahren sind umfassend und zahlreich. Im Rahmen dieser Diplomarbeit wird insbesondere die COMPOSITE Studie1 zu den ICT Trends in European Policing als Basis beigezogen.
Und wie kann ein Polizeikorps diese Trends nachhaltig organisieren? Sowohl kulturell, wie auch organisatorisch, verändert sich Bekanntes mit einer vielleicht wirklich neuen Dimension. Polizisten reden eine andere Sprache als ICT Fachkräfte. Polizeikorps haben andere Voraussetzungen als öffentlich tätige Unternehmen. Wie können Brücken geschlagen werden? Die vorliegende Studie gibt Antworten auf diese Fragen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


2. Einleitung
Die rasche Entwicklung der ICT Technologie hat zum heutigen Zeitpunkt einen sehr hohen
Einfluss auf die Polizeiarbeit. Technologische Innovationen können sowohl die Polizeiarbeit
unterstützen, beinhalten aber auch neues kriminelles Potenzial. Im Rahmen des europaweiten
Research Projekts (COMPOSITE) liegt ein Studienresultat vor, welches die ICT Entwicklungen
im Polizeiumfeld betrachtet.
Bezugnehmend auf aktuelle und teilweise neue Fragestellungen zur Sicherheit (Terrorismus,
organisierte Kriminalität, Gewalt, Ausschreitungen an Sportveranstaltungen aber auch die
offenen Grenzen, der Umgang mit Informationen, Wirtschaftsdelikte, ...) wird die Polizei immer
mehr, und auch von der Politik und der Bevölkerung, zur Problemlösung aufgefordert oder
sogar verantwortlich gemacht. Dies führt zu einem erhöhten Druck zur Modernisierung und zur
Effizienzsteigerung in den nationalen, kantonalen und regionalen polizeilichen Einheiten.
Das Research Projekt COMPOSITE hat auf der Basis der ICT Trends und Entwicklungen die
Kernfaktoren der anstehenden Veränderungen, die Herausforderungen für die Implementation
(wenigstens ansatzweise) und die Erfolgschancen untersucht. Es sollte gemäss der Studie
möglich sein, auf dieser Basis die konzeptionelle und die Planungsarbeit sowie die (Re-)
Organisation und Implementation in den einzelnen polizeilichen Einheiten (Korps) einzuleiten.
"Das Forschungsprojekt COMPOSITE untersucht, ob und inwieweit organisatorische
und kulturelle Aspekte die Erfolgswahrscheinlichkeit von Veränderungsprozessen in
Polizeiorganisationen beeinflussen. Analysiert werden wesentliche Einflussfaktoren, die
Umsetzung und Erfolgschancen bestimmen. Betrachtet werden die
Polizeiorganisationen von zehn europäischen Staaten; nämlich Belgien, Deutschland,
Frankreich, Grossbritannien, Italien, Mazedonien, den Niederlanden, Rumänien,
Spanien und der Tschechischen Republik
3
."
Die Polizeiarbeit ist (hoch) komplex, erfordert einen hohen Integrationsgrad von
verschiedensten Datenquellen und die Auswertung muss in einer kurzen Zeit erfolgen können.
Ein grosser Teil der Informationen ist klassifiziert und ein `falscher' Umgang damit kann die
Relevanz einer adäquaten ICT Architektur
4
erhöhen. ICT Systeme sind eine Chance für die
Einsatzkräfte und können die Möglichkeiten der Polizei erweitern. Die ICT Konzepte, die
Architektur und die Informationssicherheit sind dazu von grösster Wichtigkeit und unterstehen
einer ständigen Weiterentwicklung (Innovation). Was heute noch am Arbeitsplatz installiert ist,
wird morgen an der Front (bei der Frontperson, im Auto, ...) verwendet werden.
Die Nutzung der ICT Anwendungen ist aber weit mehr als nur eine Folge der technischen
Entwicklung um die Polizeiarbeit einfacher und effizienter gestalten zu können. Die
technologischen Innovationen werden die Organisationen und deren Umfeld in
unterschiedlichsten Weisen verändern. Die Polizeiarbeit ist stark rechtlich reguliert und die
durch den Mitarbeiter gewohnten Möglichkeiten der privat nutzbaren Anwendungen und
Unterstützungen der ICT bedeuten ein erhöhtes Spannungsfeld zwischen den technischen
Möglichkeiten und der entsprechenden Umsetzung im Polizeiumfeld.
3
Quelle:
http://www.fit.fraunhofer.de/de/fb/ucc/projects/composite.html
(Januar 2012)
4
ICT Architektur beinhaltet alle statischen und dynamischen Rahmenbedingungen der Informations- und
Kommunikationstechnologie eines Unternehmens oder einer Organisation. Sie stellt eine Leitlinie dar, die die Grundstrukturen
beschreibt und gleichzeitig das Zusammenwirken aller Komponenten koordiniert.
http://www.ict-
expert.com/services/ictarchitecture.php
(Juli 2012)
4

Die Diplomarbeit hat somit die Interaktion zwischen Technologie, Polizeiorganisation, individuell
Beteiligter / Betroffener, privater Unternehmen (Lieferanten) und der Behördenstellen zu
berücksichtigen. Zur Einleitung werden die sechs ICT Trends in European Policing nach
COMPOSITE erläutert und allgemein verständlich zusammengefasst.
2.1. Trend 1 - Integrierte Systeme
Heute und auch in Zukunft werden unterschiedlichste Systeme und Datenquellen vorhanden
sein und genutzt werden. Die laufenden Aktivitäten im Polizeiumfeld (HPI, Harmonisierung der
Polizei Informatik) der Schweiz zeigen dabei bereits klare Tendenzen wie dies erfolgen wird.
Unter der Leitung des fedpol steht ein technischer Schnittstellenstandard (vorerst mit dem
Schwerpunkt Rapportierung- und Journalisierung) zur Verfügung. Mit diesem Trend können
verschiedene Systeme und unterschiedliche Datenstrukturen neu eine gute Unterstützung für
umfassend und rasch verfügbare Informationen bieten. Integrierte Systeme sind ebenfalls die
Grundlage für eine Einmalerfassung. Dabei spielen kantonale Grenzen (und auch nationale) je
länger je weniger eine Rollen, respektive diese stellen wenigstens technisch keine Hürden mehr
dar. Mit integrierten Systemen ist nicht die Monopolstellung durch einzelne Produkte von
einzelnen Lieferanten gemeint. Im Gegenteil, offen gestaltete Systeme ermöglichen den
zweckmässigen Datenaustausch und ermöglichen damit neue Funktionen und Möglichkeiten.
2.2. Trend 2 - Erhöhte Mobilität
Wie die COMPOSITE Studie zeigt, gibt es bei diesem Trend eine grosse, europaweite
Einheitlichkeit. Mit der Einführung von digitalem Sicherheitsfunk (in der Schweiz durch
POLYCOM), Computern in Fahrzeugen, Smartphones, Notebooks, ... stehen Möglichkeiten für
die Polizeiarbeit zur Verfügung, welche eine ICT Unterstützung vor Ort anbieten. Die
Entwicklung geht in Richtung `ortsabhängige, real-time Informationen' und somit zum
intelligenten Support der Polizeiarbeit. Dazu gehören auch erweiterte Sensoren, welche durch
Polizeisysteme bearbeitet und ausgewertet werden können. Bei allen diesen Trends zur
erhöhten Mobilität stellt sich die Frage wie die hierarchisch strukturierten Korps mit diesen
neuen Möglichkeiten organisatorisch umgehen.
2.3. Trend 3 - Überwachungstechnologie
Ebenfalls ist ein Trend in der Weiterentwicklung und Nutzung von Überwachungstechnologien
erkennbar. Denken Sie an die Diskussionen zur automatischen Bilderkennung an Flughäfen
oder die Unterstützung welche bereits heute durch Videoaufnahmen ermöglicht wird. Dabei
stehen in der Zukunft vermehrt auch die zu klärenden Fragestellungen nach der Balance
zwischen der Notwendigkeit zur Sicherstellung der polizeilichen Aufgaben und den geforderten
Persönlichkeitsrechten / Privatsphäre an. Wie das Beispiel der Lawful Interception
5
zeigt,
existieren heute Europaweit unterschiedliche Gesetze, Vorgaben und Prozesse bezüglich der
Datensammlungen und den Analysemöglichkeiten. Teilweise können Daten bis zu mehreren
Jahren oder unter bestimmten Voraussetzungen noch länger gespeichert werden.
2.4. Trend 4 - Digitale Biometrie
Der Einsatz biometrischer Verfahren wird gegenwärtig im Umfeld des E-Commerce, bei Zutritts-
Kontrollanlagen sowie in der Terrorismusbekämpfung diskutiert. Ziel ist hierbei eine gegenüber
dem blossen Besitz, etwa eines Ausweises, verbesserte Identitätsprüfung. Aus diesem Grunde
5
Lawful Interception (deutsch: Telekommunikationsüberwachung) bezeichnet die Möglichkeit von Staaten, den
Telekommunikationsverkehr von beispielsweise Sprache, Text, Bildern und Filmen überwachen zu dürfen. (MELANI, 03.07.2012)
5

gewinnt die Biometrie gerade in der jüngsten Zeit an Bedeutung, da sie die Personen-
Identifikation mit eindeutigen und unveränderlichen bzw. über einen langen Zeitraum stabilen
Merkmalen eines Menschen verknüpft. Menschen besitzen gewisse eindeutige Eigenschaften
(im Sinne von körperlichen Merkmalen), die für jedes Individuum unterschiedlich sind. In einer
zunehmend elektronisch kommunizierenden Welt wächst das Bedürfnis nach
vertrauenswürdiger und automatisierter Personenidentifikation. So können nach erfolgreicher
Identifikation vorgegebene Privilegien wie der Zutritt zu Räumen eingeräumt werden. Eine
zusätzliche biometrische Prüfung eines Ausweises kann die Überprüfung der wahren
Berechtigung des Inhabers erleichtern.
"Authentizität ist neben Vertraulichkeit, Integrität und Verfügbarkeit eines der
herausragenden Sicherheitsziele im informationstechnologischen Zusammenhang.
Wenn also die Zuordnung des körperlichen Merkmals zu einer Person korrekt erfolgt,
kann mit Verwendung dieses Merkmals sichergestellt werden, dass es sich bei der
vorhandenen Person tatsächlich um die angenommene bzw. behauptete Identität
handelt
6
."
Im polizeilichen Umfeld sind heute vorwiegend digitale Fingerabdrücke (mobil und stationär),
Gesichts- und Iris- Erkennungen im Einsatz. Es ist jedoch auch festzuhalten, dass es einige
weitere Verfahren gibt. Wie etwa die Unterschriftenerkennung, die Sprecher- oder
Stimmenerkennung, die Handgeometrie oder das Erkennen des Tippverhaltens an einer
Tastatur.
2.5. Trend 5 - Anwenderakzeptanz
Erkennbar als eine ständige Herausforderung seit mehreren Jahren ist die Akzeptanz der
Anwender bei der Einführung von neuen technischen Systemen und auch der Umgang mit der
technischen Innovation im Generellen. Aus verschiedenen Gründen werden wichtige und
grundlegende Funktionen von Systemen nicht oder nur mangelhaft genutzt. Aus Rücksicht auf
ältere Einsatzkräfte wird die Innovationsgeschwindigkeit reduziert und neue Systeme aufgrund
mangelnder Akzeptanz oder hohen Forderungen nach Ausbildungen verspätet eingeführt. Im
Weiteren steht auch immer wieder die Frage nach der Nutzung von `einfachen'
Standardprodukten und den bestehenden Anforderungen für polizeispezifische Konfigurationen
zur Diskussion. Als Trend erkennbar ist die Notwendigkeit, dass die Polizeikorps mit der
Entwicklung Schritt halten müssen und die Akzeptanz vermehrt auch eine `Kulturfrage' wird.
2.6. Trend 6 - Social Media
Social Media wie Facebook, Twitter, Google+ oder Skype sind als Trends für die zukünftige
Polizeiarbeit unumstritten zu berücksichtigen. Es besteht eine grosse Chance diese Daten in
einem bedeutend grösseren Umfang für polizeiliche Ermittlungen nutzen zu können. Auch für
den Austausch mit dem Bürger können Social Media eine neue Unterstützung bieten. Bereits
heute wird dieser Weg als zusätzlicher Kanal zur Publikation und zur Werbung der Polizeiarbeit
genutzt. Polizeiaktionen (oder auch Nichtaktionen) stehen aber unter ständigen Online
Kommentar und generieren einen zusätzlichen Druck auf die Arbeit. Für die Zukunft gilt es
ebenfalls die Rolle der Polizei im virtuellen Raum zu definieren.
6
Quelle:
https://www.bsi.bund.de/ContentBSI/Publikationen/Faltblaetter
(Mai 2012)
6

2.7. (Nicht-) Abgrenzung HPI
Die Ergebnisse der COMPOSITE Studie mit dem Verständnis und den Bedürfnissen der Polizei
zu vergleichen und Schlüsse zu ziehen steht im Vordergrund dieser vorliegenden Arbeit. Nichts
desto trotz wäre es (zu) einfach, die aktuellen Bestrebungen in der Schweiz unter dem Namen
'Harmonisierung Polizei Informatik Schweiz' (HPI) in dieser Arbeit als Abgrenzung zu führen.
Die vorgängig vorgestellten und stark zusammengefassten sechs
Trends sind aus einem polizeilichen Blickwinkel getrieben. Sie
beschreiben mögliche polizeiliche Entwicklungen mit organisatorischen
und kulturellen Aspekten, basierend auf den festgestellten ICT Trends
in der europäischen Polizeiarbeit.
COMPOSITE beurteilt
Trends und deren
Auswirkungen auf die
Polizeiarbeit.
Zurzeit basiert das HPI Programm auf treibenden Kräften aus ICT Fachbereichen.
Beispielsweise bei den Basisaussagen
7
(auch Mind Set genannt) wird die
Situationsanalyse nach einem MIT Enterprise Architecture as Strategy Modell
8
dargestellt. Das weitere Vorgehen soll dabei abhängig von der technischen
Integrationstiefe und dem Level an Standardisierung definiert und festgelegt
werden. Die bedeutend konkreteren Ausdrucksweisen von HPI sind in den ICT
Strategiegrundsätzen
9
beschrieben. Dabei werden organisatorische, fachliche und
technische Sichten mit einem Planungshorizont von drei bis fünf Jahren
ausgeführt. In der Planung werden folgende wesentlichen Elemente aufgeführt:
-
Rolle und Einbettung der Informatik innerhalb HPI und nach aussen
-
Organisation und Mitarbeitende
-
Anwendungen und Systemdesign
-
Technologiearchitektur
-
Betrieb und Unterhalt
-
IT Sicherheit
Eine Abgrenzung zu HPI ist in dieser Arbeit dort definiert, wo bereits
Einzelgeschäfte als Projekte abgewickelt werden.
HPI agiert
konkreter,
beurteilt
eine
mögliche,
zukünftige
technische
Plattform
und
Zusammen
arbeits-
formen.
In dieser Arbeit stehen die systemische Betrachtung und die eher
langfristigen Bedeutungen der ICT Trends im Vordergrund. Unter einer
systemischen Sicht wird die Berücksichtigung der personellen Aspekte,
der Prozesse, der Organisation und der Technik verstanden. Wenn wir
uns also der Bedeutung für ein Korps und den möglichen Vorbereitungen
der zukünftigen Polizeiarbeit annehmen wollen, dann müssen alle drei
Aspekte (Personal, Prozesse und Technik) bearbeitet, analysiert und
ausgewertet werden.
Person
Prozess
Technik
7
Diese HPI Grundsätze standen dem Autor erst in den letzten Zügen der Diplomarbeit zur Verfügung. Eine Einbettung in diese
Diplomarbeit, wenn auch nur punktuell und themenbezogen, ist trotzdem sichergestellt.
8
http://web.mit.edu/itag/eag/
(Juli 2012)
9
Quelle: ICT-Basisstrategie HPI, Version 1.1 (18.04.2012)
7

3. Konzept und Arbeitsprozess
Damit diese Arbeit zu nachhaltigen Schlüssen kommen kann, muss eine gute Balance der
'Beobachtungen' gewährleistet werden. Nach der intensiven Auseinandersetzung mit den
Studienergebnissen aus dem COMPOSITE Bericht stand dazu das 'Abholen' verschiedener
Sichten an. Dabei habe ich vier unterschiedliche Anspruchsgruppen definiert. Die Polizeiarbeit
(durch ausgebildete und vereidigte Polizisten) in Front und Rückwärtig differenziert und die
technischen Fachkräfte nach Führungsstufen (Führung und Mitarbeiter) eingeteilt.
Zur Erstellung der Umfrage ­ welche sich mit dieser Ausgangslage
natürlich aufdrängte ­ wurden unterschiedlichste Aspekte
berücksichtigt. Umfragen werden teilweise schon fast inflationär
eingesetzt, persönliche 'Interpretationen' gehen weitgehend verloren,
die Motivation der Umfrageteilnehmer steht somit nicht auf dem
bestmöglichen Niveau. Dank der Online Umfrage überwiegten trotzdem
die positiven Aspekte. So konnte ohne finanzielle Kosten eine einfache
Benutzerführung, eine kurze Zeit für die Dauer der Umfrage und eine
rasche (elektronische) Auswertung ermöglicht werden. Die Umfrage
selbst (siehe Anhang) basiert auf vier aufeinander aufbauenden
Fragegruppen.
¾ Einleitende,
allgemeine
Fragestellungen
¾ System- und
Trendbewertungen
¾ Fragen nach dem
wer, wie und was
¾ Verständnis-und
Präzisierungsfragen
An der Umfrage haben 19 Mitarbeiter der Kantonspolizei St.Gallen teilgenommen. Dies sind
zehn Polizisten mit Frontkontakt, drei Polizisten im rückwärtigen Dienst und je drei ICT
Angestellte mit und ohne Führungsaufgaben. Durchschnittlich arbeiten die Umfrageteilnehmer
seit sechs bis zehn Jahren bei der Kantonspolizei St.Gallen. Drei sind seit über 16 Jahren und
drei seit weniger als zwei Jahren bei der Polizei im Einsatz. Total wurden 42 Personen
angeschrieben, was einer Teilnahmequote von 45% entspricht.
Wie sind die Graphiken zu lesen? Es sind immer alle angegebenen Antworten in Punkte
umgewandelt. So sind am hier abgebildeten Beispiel -2 Punkte für 'absolut unzufrieden' oder für
'eher positiv' +1 Punkt vergeben. In der Graphik selbst sehen Sie jeweils den Mittelwert pro
Anspruchsgruppe in einer eigenen Farbe dargestellt.
Abbildung 1 - Beispiel der Punktevergabe pro Fragestellung
Die ausgewerteten Umfrageergebnisse werden mit den COMPOSITE Trends, den HPI
Aktivitäten und auch mit den dem Autor bekannten Praxiserfahrungen verglichen. Aufgrund
dieser Erkenntnisse wird das mögliche weitere Vorgehen analysiert. Dies führte zu einer
weiteren und erst im Verlauf der Arbeit initialisierten zusätzlichen Umfrage. Aufgrund der
gebotenen Möglichkeit des Chefs Kommandodienste konnte diese (zweite) Umfragerunde direkt
mit den Dienststellenchefs und Stellvertretern durchgeführt werden. Dabei nähern wir uns dem
idealen Profil einen Brückenbauers, wir werden diesen in der Folge auch Business Analyst
nennen.
Alle diese Erkenntnisse und Analysen werden zum Abschluss diskutiert und konkreten
Schlüssen zugeführt.
8

4. Ergebnisse
4.1. Umfrageergebnisse
Ein erstes und den Autor überraschendes Ergebnis betrifft die Nutzenbewertung durch die
Anwender der heute im Einsatz stehenden Systeme. Deshalb präsentiert sich diese Erkenntnis
auch gleich hier am Anfang dieses Kapitels. Nicht innerhalb der einleitend aufgeführten Trends
(COMPOSITE / HPI) wird der grösste Nutzen erkannt, sondern im eigentlich nahe liegenden.
Mit einigem Vorsprung und als einzige Systemumgebung mit positiver Bewertung durch
sämtliche befragten Anwendergruppen wird die Arbeit mit der (MS-) Office Palette betrachtet.
Abbildung 2 - Mehrwert der (IST-) Systemumgebungen
Die Gesamtbeurteilung durch alle Umfrageteilnehmer zeigt folgende Reihenfolge:
1. Office Umgebung (5.0)
2. Portallösungen (2.7)
3. Übergreifende Suche (1.8) und
3. Führungs- und Informationssysteme (1.8) und
3. Dienstplanung (1.8)
6. Journal/Rapportsystem (-0.4)
Eine interessante Erkenntnis zeigt sich beim Journal/Rapportierungssystem. Die direkt
Betroffenen (sprich Polizisten und somit die tagtäglichen Anwender) des Journal/Rapportsystem
bewerten den Mehrwert positiv, die den technischen Teil betreibenden und unterhaltenden
(sprich Angestellte aus den ICT Bereichen) negativ. Ebenfalls zu erwähnen ist die negative
Bewertung der Dienstplanung durch die im Rückwärtigen arbeitenden Polizisten. Der
Frontpolizist erkennt (oder nutzt) den Mehrwert der Führungs- und Informationssysteme im
Gegensatz zum im Rückwärtig tätigen Polizisten nicht. ICT Führungspersonen und im
Rückwärtigen tätige Polizisten erkennen in fünf von sechs Systemumgebungen einen durchaus
nennenswerten Mehrwert. Bedeutend kritischer ist die Sicht der ICT Mitarbeitenden (3 negative
zu 3 positiven). Diese Gruppe ist zugleich auch die den Mehrwert von ICT Systemen generell
am geringsten einschätzende.
9

Überdurchschnittlich geschätzt wird von den Frontpolizisten eigentlich nur die Office Umgebung
und das Journal/Rapportsystem. Bei allen anderen Aspekten fällt die Bewertung nahezu neutral
aus.
Nach der Analyse des Mehrwerts pro Systemumgebung ist die Frage nach der Bewertung der
aktuell vorhandenen ICT Systemlandschaft interessant. Dabei präsentiert die Auswertung der
Umfrage folgendes Bild:
Abbildung 3 - Bewertung (Mittelwert) der aktuellen ICT Systemlandschaft
Die Gesamtbeurteilung durch alle Umfrageteilnehmer zeigt folgende Reihenfolge:
1. Verfügbarkeit (4.1)
2. Weiterentwicklung (2.3)
3. Unterstützung (1.9)
4. Einsatzmöglichkeiten (1.6)
5. Benutzerfreundlichkeit (-1.2)
Die heutige Verfügbarkeit der bei der Kantonspolizei St.Gallen im Einsatz stehenden Systeme
wird als überdurchschnittlich gut wahrgenommen. Mit Ausnahme der Gruppe ICT Führung
wünschen sich alle Befragten eine Weiterentwicklung der aktuell im Einsatz stehenden
technischen Unterstützungssysteme. Negativ bewertet (Frontpolizisten ausgenommen) wird die
Benutzerfreundlichkeit. Aufgrund dieser Ergebnisse kann festgehalten werden, dass die
Verfügbarkeit eines Systems in der Wahrnehmung wenig Einfluss (oder Korrelation) zur
Benutzerfreundlichkeit aufweist.
Interessant scheint die unterschiedliche Einschätzung der Frontpolizisten und der
Führungspersonen aus den ICT Fachbereichen zu der Weiterentwicklung der Systemlandschaft
und der Benutzerfreundlichkeit. In den Betrachtungen ist die Wahrnehmung der Polizisten
bedeutend positiver.
Aus der Analyse geht hervor, dass einzig die Anwendergruppe Frontpolizist in allen Kriterien
eine positive Bewertung abgibt. Und als einzige Gruppe auch die Benutzerfreundlichkeit positiv
einschätzt. ICT Mitarbeiter schätzen die Verfügbarkeit mehr als doppelt so hoch wie ihre
vorgesetzten ICT Stellen ein. Die Unterstützung der ICT Systeme und die Einsatzmöglichkeiten
werden (verhalten) positiv bewertet.
10

Nach dem Mehrwert und der Bewertung der aktuellen ICT Systemlandschaft wollen wir uns der
Zukunft annehmen. Welche Trends und Weiterentwicklungen lohnen sich? Wo soll ein Korps in
die Zukunft investieren?
Abbildung 4 - Geforderte Weiterentwicklungen
Die Gesamtbeurteilung durch alle Umfrageteilnehmer zeigt in der Summe folgende Reihenfolge:
1. Mobilität (6.7)
2. Innovation allgemein (6.4)
3. Integrierte Systeme (5.9)
4. Benutzerakzeptanz (5.3)
5. Bild-/Videosysteme (4.9)
6. Social Media (4.3)
7. Digitale Biometrie (1.8)
An der Spitze des durchgängig erkennbaren Drang nach Weiterentwicklungen in den
aufgeführten Bereichen sind die Polizisten in rückwärtigen Diensten (1.4), gefolgt von der ICT
Führung (1.3), den ICT Mitarbeitern (1.2) und den Frontpolizisten (1.1). Einzige Ausnahme zu
diesem wirklich durchwegs erkennbaren Drang bildet die Gruppe ICT Mitarbeiter zum
Themenbereich Digitale Biometrie.
Die meisterwähnten Bereiche wollen wir in der Folge detaillierter betrachten.
4.2. Mobilität
Aufgrund der Meldung von über 4 Millionen in der Schweiz verkaufter Mobiltelefone (im 2010)
liegt die Erklärung nach dem Wunsch erweiterter mobiler Anwendungen auf der Hand. Dabei
soll jedes vierte Gerät ein Smartphone und laut der Untersuchung davon 787'000 iPhones
gewesen sein.
10
Doch was versteht man heute im Korps der Kantonspolizei St.Gallen unter
mobilen Anwendungen und Mobilität?
Diese Frage wird zusammenfassend wie folgt beantwortet:
-
(mobile) Verfügbarkeit von Informationen
-
Erfassungsmöglichkeiten (zur Überprüfung von Personen und Fahrzeugen)
-
Ablösung von Rapportformularen in Papierform
-
Ersatz von heute nicht funktionierenden Lösungen (MobileBox)
10
Quelle:
http://www.tagesanzeiger.ch/digital/mobil/Die-Schweiz-ist-ein-absolutes-AppleLand/story/26161980
(September 2011)
11

Gemäss COMPOSITE wird unter Mobilität folgendes verstanden:
-
LED Display am Fahrzeug um die Bevölkerung zu informieren (Czech Republic)
-
Mobiler Kommandoposten mit bis zu 100 internen und externen Telefonlinien, inkl.
einem Satelliten Link. Ausgebaut mit modernster Forensik Infrastruktur (France)
-
Infrarot Kamera zum Nummernschild Abgleich mit einer Datenbank. Dies mit dem Ziel
von 4'000 Kontrollen pro Stunde (France / Netherlands)
-
Fahrzeuge so ausgebaut, dass für bestimmte Tätigkeiten nicht mehr ins Büro
zurückgefahren werden muss (Germany)
-
Computing System durch die Sprache (oder Touch Screen) gesteuert (Italy)
-
Verschiebung der rückwärtigen Aufwände (Dispatcher der Einsatzzentrale) an die Front
(Spain)
-
Fotodokumentationen erstellen, Bezahlungen mittels Credit Karten (Germany)
-
Maps, Fahndungs- und Vermisstenfotos auf dem Smartphone (United Kingdom)
Die ICT Basisstrategie HPI äussert sich nicht konkret zur Mobilität. Ein mehr oder weniger
direkter Zusammenhang ist jedoch in der folgenden, generellen Aussage erkennbar:
"Erschliessen von neuen technologischen Themen mit Relevanz für die Polizeiarbeit".
Eine Einbettung der Trends in die gesamte ICT Landschaft (auch des Trends 'Mobilität') steht
bei HPI im Vordergrund. Dazu werden der Informationsschutz, die gemeinsame
Referenzarchitektur, die Strategieentwicklung und der polizeiliche Auftrag in den Vordergrund
gestellt. Dafür ist aktuell im HPI Umfeld erkennbar, dass die Mobilität in Einzelgeschäften
bearbeitet wird. Im HPI Teilprojekt Technik sind die Unterstützungen der Mobilität
beispielsweise durch die Einführung von Webservices oder einer Mobile ID, also konkreten
Lösungen, genannt. Als Projektantrag liegt eine App Entwicklung für Sondereinheiten (aktuell
finanziert durch zwei Korps) vor. Wie zum jetzigen Zeitpunkt eine nachhaltige und sichere
Integration stattfinden soll ist sicherlich noch nicht bis ins Detail fertiggedacht. Diese
Herausforderung sehen wir auch im eigenen Korps. Dazu genehmigen wir uns einen Blick in die
aktuellen Aktivitäten zur Förderung der Mobilität bei der Kantonspolizei St.Gallen.
Mobilität durch KAPOgoesMOBILE
Sowohl zeitlich wie inhaltlich parallel zu dieser Diplomarbeit wird die Fragestellung der Mobilität
in einem internen Projekt mit dem Titel KAPOgoesMOBILE bearbeitet. Die Arbeitsgruppe
erstellte über 20 Anwendungsfälle, welche inzwischen auf 15 gewinnbringende und
weiterzuverfolgende Anwendungen reduziert wurden.
Abbildung 5 - Mobilität am Beispiel KAPOgoesMOBILE
Vergleichen wir dabei die in der Gesamtbeurteilung aufgeführte Reihenfolge zur zukünftigen
Weiterentwicklung mit den Anwendungsfällen KAPOgoesMOBILE, so fällt auf, dass die
Ansprüche zur Mobilität, zur allgemeinen Innovation und zu integrierten Lösungen beidseitig mit
12

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2012
ISBN (PDF)
9783958207592
ISBN (Paperback)
9783958202597
Dateigröße
1.5 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hochschule Luzern
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1
Schlagworte
Business Analyse Mobilität Integration Social Media Usability

Autor

Daniel Frei arbeitet seit über 15 Jahren als Projektleiter und verbindet Business und Technik mit Leidenschaft. Nach seinem Ingenieurstudium in Informatik mit Abschluss im Jahre 2000 arbeitete er im Umfeld der Flugsicherung. Er hat einen Executive Master of Business and Engineering und diverse Weiterbildungen mit dem Fokus auf systemkritische Anwendungen und Prozesse absolviert. Während der Projektleiteraufgaben wie beispielweise während der EURO2008, bei Behörden von Sicherheit und Rettung und als externer Berater für die Einführung von Business Anwendungen kann er seiner Leidenschaft – der Verbindung von Business und Technik – tagtäglich nachkommen. Im Rahmen der Ausbildung zum Polizeilichen Führungslehrgang konnte er diesen Erfahrungsschatz im Rahmen der vorliegenden Arbeit schriftlich festhalten.
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