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Internetnutzung im integrativen Unterricht: Darstellung einer Unterrichtseinheit in einer 3. Jahrgangsstufe

©2007 Examensarbeit 56 Seiten

Zusammenfassung

Das Thema „Internetnutzung im Grundschulalter“ erweckte das Interesse der Autorin, auch wenn oder gerade weil sich darüber kontrovers diskutieren lässt: Die Befürworter des möglichst frühen Interneteinsatzes im Unterricht argumentieren, dass die Erweiterung der Medienkompetenz eine wichtige Schlüsselqualifikation für das Privat- und vor allem auch spätere Berufsleben darstelle, und sie heben die kompetente Nutzung des Internets gar in den Rang einer vierten Kulturtechnik. Die Kritiker merken hingegen an, dass das Internet die ohnehin schon mit Medien überfrachteten Kinder zu sehr belaste und ihre geistige Entwicklung schädige.
Die vorliegende Arbeit setzt sich vor diesem Hintergrund mit der Internetnutzung von Kindern auseinander. Das Ziel war es, ein Konzept zu entwickeln, welches integrativ beschulten Schülern einer heterogenen 3. Jahrgangsstufe den Einstieg ins Internet ermöglicht. Die Autorin entwickelte eine Unterrichtseinheit, welche ungeachtet ihres Bezugs auf eine konkrete Lerngruppe auch allgemein gültige Anregungen enthält und Möglichkeiten aufzeigt, wie das Internet in der Grundschule didaktisch sinnvoll eingesetzt werden kann.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


3.4 Kinderspezifische Grenzen bei der Internetnutzung

Trotz der prinzipiellen Offenheit der Kinder gegenüber neuen Lernformen, neuen Technologien und neuen Medien gibt es eine Reihe von Schwierigkeiten, die bei der Internetnutzung zutage treten. Neben den teilweise fehlenden physisch-psychischen Voraussetzungen wie Konzentrationsfähigkeit, visuelles Wahrnehmungs­vermögen, Auge-Hand-Koordination, manuelle sowie körperliche Kontrolle, beruhen einige Probleme auf fehlerhafter Technologie oder Programmierung von Internetseiten, auf nachlässigem Webdesign, sowie auf mangelnden Interneterfahrungen oder unzureichenden Entwicklungsvoraussetzungen der Kinder.

Auch wenn erste Computererfahrungen (Umgang mit Maus, Tastatur, Textverarbeitungsprogrammen etc.) bereits vorhanden sind, ist eine klare Einweisung und die Vermittlung technischer Kompetenzen unumgänglich (Varianten der Browserführung, Navigation auf Internetseiten etc.). Von Vorteil erweist sich ein abgeschlossener Lese- und Schreiblernprozess. Die Schrift verliert nämlich – anders als von vielen Kritikern vielleicht befürchtet – seit der Nutzung des Internets keinesfalls an Bedeutung. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall: Schrift ist notwendige Voraussetzung für das textbasierte Medium Internet und die „lesekundige[n] und vor allem lesefreudige[n] Kinder haben deshalb mehr vom Web als andere“[1]. Eine weitere Schwierigkeit besteht in der im Internet häufig anzutreffenden englischen Sprache. Auch Kinder werden davor nicht verschont und geraten so bei der Eingabe der Internetadresse an ihre orthographischen Grenzen.[2] Des Weiteren entscheidet die Lese- und Schreiblust auch darüber, ob Kinder ab ca. acht Jahren kommunikative Angebote im Internet nutzen, oder ob ihnen dies zu mühselig erscheint. Zwar beherrschen sie in der Regel bereits selbstständiges Navigieren durch ihnen bekannte Internetseiten und sind „nur noch auf begleitende Hilfen von Erwachsenen angewiesen“[3] ; die selbstständige Auswahl von unbekannten Internetseiten bereitet ihnen jedoch noch Probleme. Noch schwieriger fällt es den Kindern mittels einer Suchmaschine gezielt nach Informationen zu suchen. Um Themengebiete durch Schlagworte zu gliedern und wieder zusammenführen zu können, bedarf es eines sprachlichen Kategoriensystems. Bringt das Kind das entsprechende Abstraktionsvermögen bereits mit, besteht die weitere Schwierigkeit in der Beurteilung von Informationen in Bezug auf deren Gültigkeit, Aktualität, Plausibilität und Wahrheitsgehalt. Kinder nehmen häufig noch alles Geschriebene als wahr an. Deshalb ist es Aufgabe der Eltern und/oder Pädagogen, den Schülern die unbegrenzte Offenheit des Internets bewusst zu machen und sie zu einem kritischen Umgang mit diesem Medium zu befähigen. Die genannten Schwierigkeiten sind dabei als Lernprozess zu betrachten, der von erwachsenen Anfängern – wenn ggf. auch etwas schneller – ebenso durchlaufen werden muss.

3.5 Gefahren im Internet

„Im wirklichen Leben würden sie ihre Kinder schützen, dann machen sie’s doch auch im Internet.“[4] So lautet der Werbeslogan der Firma Klicksafe, die auf Gefahren im Netz aufmerksam macht. Zu unterscheiden sind die inhaltlichen Gefahren, auf welche in der zuvor zitierten Werbung Bezug genommen wird, die physisch/psychischen Risiken und die technischen Fallen.

3.5.1 Inhaltliche Risiken

Die größten Gefahren sehen Eltern und Pädagogen in „kinder- und jugendgefährdenden“ und „entwicklungsbeeinträchtigenden“ Inhalten. Die Spanne reicht von pornografischen über gewaltverherrlichende bis hin zu rassistischen Internetseiten. Es stellt sich die Frage, wie Eltern und Pädagogen „ihre“ Kinder vor solchen Seiten schützen können. Trotz zahlreicher Angebote von Kindersicherungen[5] vermögen diese keinen vollkommenen Schutz zu gewährleisten. So ist es z.B. Personen mit pädophilen Neigungen oder anderen schädlichen Absichten ohne Weiteres möglich, sich in Chats für Kinder anzumelden und dabei völlig anonym zu bleiben. Eltern sollten demnach ihre Kinder nicht unbeaufsichtigt lassen, sondern mit ihnen zusammen in einem festgelegten zeitlichen Rahmen im Internet surfen, altersgerechte Internetseiten auswählen, über den Aufbau und Inhalt kommunizieren, sowie favorisierte und von ihnen autorisierte Internetseiten als Lesezeichen anlegen und in regelmäßigen Abständen aktualisieren. Ebenso sollen die Kinder Sicherheitsregeln kennenlernen und verinnerlichen, um sich in für sie unangenehmen Situationen angemessen verhalten zu können (z.B. Chat beenden, mit Erwachsenen über problematische Inhalte sprechen etc.). Weil sich auch das Internet für Kinder nach und nach ökonomisiert und Werbung teilweise sogar für den Erhalt von Kinderseiten sorgt, sollte den Kindern möglichst früh vermittelt werden: Was ist Werbung? Welche Funktion hat Werbung? Und wie verhalte ich mich richtig? Häufig leitet Werbung gleich weiter auf ein Bestell- oder Gewinnspielformular, und das Kind wird aufgefordert, seine Daten einzugeben, obgleich es noch nicht geschäftsfähig ist. Dadurch sind nicht nur die Daten ungeschützt, sondern es können zudem Kosten entstehen, welche vom Kind nicht explizit beabsichtigt oder gar von den Eltern genehmigt wurden.

3.5.2 Physische und psychische Risiken

Mit der unendlich großen Vielfalt an Inhalten, die im Internet geboten werden, vermehrt sich auch die Anonymität, klassische Sozialformen lösen sich auf und zersplittern in „punktuelle Begegnungen“[6]. Das Internet fungiert als zweite Welt („Second Life“), die den Kindern durchaus real erscheint, da ihnen die Unterscheidung zwischen Fiktion und Wirklichkeit nicht immer möglich ist. Die „Identität lässt sich zunehmend konstruieren“[7] und auch die Identität des Gesprächspartners im Internet vermag anonym zu bleiben. Wenn Kinder zu viel Zeit vor dem Bildschirm verbringen, kann ihre soziale Isolation gefördert werden. Deshalb sollte mit den Kindern – so wie beim Medium Fernseher z.B. auch – ein begrenzter zeitlicher Rahmen pro Tag oder Woche ausgehandelt und konsequent eingehalten werden. Dadurch werden auch körperliche Schäden durch mangelnde Bewegung oder einen schlechten Monitor vermieden. Wenn Erwachsene und Kinder am gleichen Computer arbeiten, erweist sich ein höhenverstellbarer Tisch als besonders geeignet. Bei Kindern mit einer Sehschädigung sind weitere Vorkehrungen zu treffen, die in Kapitel 4.1.2 noch ausführlicher dargestellt werden.

3.5.3 Technische Fallen

Zunächst ist es wichtig, sich einen geeigneten Internettarif auszuwählen, damit die Online-Kosten nicht den finanziellen Rahmen der Familie sprengen. Hinzu kommt die technische Absicherung des Computers. So können Spam-Mails z.B. Viren und andere Schädlinge (Würmer, Trojaner etc.) oder Dialer verbreiten. Schützen kann man sich durch kostenfreie, qualitativ hochwertige und sich ständig aktualisierende Virenscanner und Firewalls[8]. Da aber auch diese technischen Vorrichtungen keinen absoluten Schutz bieten, sollen Kinder auch lernen, wie sie sich verhalten, wenn sie Mails von einem unbekanntem Absender erhalten, sich unbeabsichtigt neue Fenster öffnen o.Ä.

3.6 Lösungsansätze zur Minderung von Gefahren im Internet

3.6.1 Kinder- und Jugendschutz

Neben der Stärkung der Personalkompetenz und Medienkompetenz (vgl. Kapitel 3.5.1.2) der Kinder unterstützt der Staat durch Gesetze die Minderung der inhaltlichen Gefahren. Die im Jugendmedienschutzstaatsvertrag von 2003 verankerte „Kommission für Jugendmedienschutz“ (KJM) erstellt Richtlinien, deren Einhaltung von den Selbstkontrolleinrichtungen überwacht wird, erkennt Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle an und engagiert sich im technischen Kinder- und Jugendschutz (Anerkennung von Jugendschutzprogrammen, Prüfung von Verschlüsselungs- und Vorsperrtechnik)[9]. Noch weitgehend ungeklärt ist dabei die Frage, wie der Kinder- und Jugendschutz auf den Kinderwebsites gestaltet werden kann und wie die Regeln zum Datenschutz auszulegen sind. Denkbar wäre z.B. ein Gütesiegel für kindgerechte Internetseiten ähnlich dem europäischen E-Commerce-Gütesiegel Trusted Shops. Trotz dieser praktischen Schutz-Maßnahmen wird aus den oben genannten Gefahren die Forderung nach einem präventiven Kinder- und Jugendschutz hergeleitet. Auch wenn Kinder sich über die Risiken von Internetnutzung im Klaren sind, verhalten sie sich oftmals risikobereit und bitten nur in seltenen Fällen einen Erwachsenen um Hilfe.[10] Dies verdeutlicht die Notwendigkeit der Ausbildung einer Medienkompetenz von Kindern, aber auch ihrer Eltern und Lehrer.

3.6.2 Medienkompetenz und medienpädagogische Aspekte

„Internetkompetenz“ ist ein Teilaspekt von Medienkompetenz, welche als eine zentrale Schlüsselqualifikation gilt. Sie umfasst die Fähigkeit, Medien „richtig“ nutzen zu können, d.h. Nutzenmaximierung und gleichzeitige Schadensvermeidung beim Mediengebrauch. Da hier die medienpädagogische Perspektive im Vordergrund steht, möchte ich zunächst auf die Definitionsmerkmale nach BAACKE zu sprechen kommen, bevor ich auf die für die Medienerziehung in der Schule den Rahmen bildende Vorgaben der KMK eingehe.

BAACKE gliedert den Begriff der Medienkompetenz in vier Dimensionen:[11]

1. Medienkunde (kognitive und instrumentelle Fähigkeiten): Wissen über Struktur und Funktion von Medien, Beherrschung der Fachsprache, technische Handhabung etc.
2. Medienkritik (analytische und reflexive Fähigkeiten): Erfassung problematischer Verhältnisse, Anwendung der analytischen Erkenntnisse auf das eigene Handeln und deren sozial und ethisch verantwortliche Abstimmung
3. Mediennutzung (rezeptive und interaktive Fähigkeiten): Informationsaufnahme und / oder -abgabe (Austausch)
4. Mediengestaltung (innovative und kreative Fähigkeiten): aktive Veränderung und Weiterentwicklung von Mediensystemen.

In dieser Definition finden sich somit „kognitiv-reflexive und Handlungskomponenten ebenso wie [. . .] Aspekte gesellschaftlicher Beteiligung.“[12] Diese sind im Wesentlichen auch in den KMK-Empfehlungen von 1995 enthalten. Die Medienpädagogik hat die Aufgabe, die Schüler „zu einem sachgerechten, selbstbestimmten und sozial verantwortlichen Umgang mit den Medien“[13] zu befähigen, um sie auf ihrem Weg durch die vielfältige Medienlandschaft zu unterstützen und nicht der Selbstsozialisation zu überlassen. Eine volle Ausprägung von Medienkompetenz lässt sich nie ganz erreichen, jedoch sollte sich deren Grad im Idealfall in einem lebenslangen Qualifikationsprozess vergrößern. Auch der schulische Bildungsauftrag lässt sich nicht in wenigen Unterrichtsstunden erreichen, sondern ist vielmehr als ganzheitliches Bildungsziel zu verstehen, welches „nur fächerübergreifend und unter Einbeziehung aller Medien erworben werden kann.“[14] In den unterschiedlichen medienpädagogischen Ansätzen finden sich gemeinsame Zielkategorien mit je eigenen Schwerpunkten wieder. Als übergeordnetes Ziel wird der kompetente Umgang des Nutzers mit den Medien angestrebt, sei es, dass er die Rolle des Rezipienten, des Produzenten oder des Interaktionspartners einnimmt. Die Aufgabe des Pädagogen besteht darin, die Interessen und Erfahrungen der Kinder zu entdecken und aufzugreifen, um mit und durch die Medien das vorhandene Handlungs- und Kommunikationsrepertoire unter Berücksichtigung der individuellen Voraussetzungen zu erweitern und das entdeckende, projektorientierte Lernen zu fördern.

4. Internetnutzung von Schülern mit sonderpädagogischem
Förderbedarf

4.1 Die besondere Bedeutung des Internets für Schüler mit dem Förderschwerpunkt „Sehen“

4.1.1 Förderschwerpunkt „Sehen“

Nach der Sonderpädagogikverordnung von Berlin liegt ein Förderschwerpunkt im Bereich „Sehen“ dann vor, wenn Schüler, „die wegen einer erheblichen Sehschädigung oder wegen Blindheit ihre Fähigkeiten und Anlagen in der Schule ohne diese Förderung auch unter Einsatz von Hilfsmitteln nicht angemessen entwickeln können.“[15] Unterteilt man den Grad der Sehschädigung nach dem Fernvisus (medizinische Klassifikation), beginnt man ab einem Wert von 4/5 eine Sehschädigung anzunehmen. Sie wird subkategorisiert in geringgradige Sehbehinderung (Visus 4/5 bis 1/3), mittelgradige (gesetzliche) Sehbehinderung (1/3 bis 1/25) und hochgradige Sehbehinderung (1/25 bis 1/50 oder Gesichtsfeld kleiner als 10°). Bei einem Sehschärfespektrum zwischen 1/50 und 1/200 oder einem Gesichtsfeld kleiner als 5° spricht man von pädagogischer Blindheit, da noch eine Lichtscheinwahrnehmung und gegebenenfalls eine intakte Projektion (Lichtrichtung erkennbar) zu Orientierungszwecken genutzt werden kann. Hervorzuheben ist jedoch, dass alleine die Kenntnis der objektiv messbaren Sehschädigung noch keine Schlüsse auf die visuelle Funktionsfähigkeit der Menschen zulässt.[16] Neben dem Nah- und Fernvisus sind zudem die Bereiche Gesichtsfeld, Farbensinn, Lichtsinn, Blendungsempfindlichkeit und das beidäugige Sehen zu betrachten. Selbst bei objektiv gleichen Messwerten können Menschen z.B. aufgrund unterschiedlicher Intelligenz, Reizverarbeitung oder Umweltbedingungen ihr Sehvermögen höchst unterschiedlich nutzen. Sie bedürfen somit an ihre spezifischen Voraussetzungen angepasste Kompensationsansätze.

4.1.2 Schlussfolgerungen für die Internetnutzung von Schülern mit dem Förderschwerpunkt „Sehen“

Die bereits in den Kapiteln 3.3 und 3.4 aufgezeigten Möglichkeiten und Grenzen der Internetnutzung für Kinder gelten für Schüler mit einer Sehschädigung[17] in gleicher Weise; sie werden bei ihnen jedoch ggf. im positiven wie im negativen Sinne verstärkt. Vorrangiges Lebensziel für Menschen mit einer Sehschädigung ist die gesellschaftliche Teilnahme und Integration in die Gesellschaft. Um dazu befähigt zu werden, steht die Förderung der Selbstständigkeit in allen Lebensbereichen im Vordergrund – so auch bei der Informationsbeschaffung. Es wird deshalb als besonders wichtig erachtet, bereits im Grundschulalter den Computer als Lern- und gleichzeitiges Hilfsmittel einzusetzen.[18] Um auf sehbehindertenspezifische Schwierigkeiten, wie z.B. Einschränkungen in der Figur-Grund-Wahrnehmung, der Formkonstanz, Lage und Beziehung im Raum u.Ä., Rücksicht zu nehmen und den Schülern die Orientierung auf dem Bildschirm zu erleichtern, sollten folgende Punkte Beachtung finden:

- Höhenverstellbarer Tisch und Stuhl, so dass der Monitor sich in Augenhöhe des Kindes befindet
- Besonders große Monitore (20 Zoll oder mehr)
- Konzepthalter, damit die Augenbewegung zwischen Computer und Textvorlage möglichst gering ist
- Optimale Ausleuchtung des Raumes (evtl. indirektes Licht bei hoher Blendempfindlichkeit) und individuelle Arbeitsplatzbeleuchtung
- Lichteinfall von seitlich bis seitlich/hinten, um Absolut- und Relativblendungen zu vermeiden (ggf. Einsatz von Jalousien)
- Modifizierung der Schriftgröße auf Arbeitsblättern (z.B. vergrößerte Kopien, vergrößerte Zeilen- und / oder Buchstabenabstände) oder im Internet (Strg +/-), ggf. auch Schriftvergrößerungssoftware mit Sprachausgabe und Braille-Zeile
- Anpassung weiterer Computer-Einstellungen (unter dem Menüpunkt „Systemsteuerung“):
- Display-Farbgebung und Kontraste
- Schriftarten
- Symbolgröße
- Größe und Farbe des Cursors[19]
- Schnelligkeit der Mauszeigergeschwindigkeit und des Mausrads (Zeilen pro Drehung)
- Aktivierung der Tastaturmaus etc.

Da jeder Schüler andere Einstellungen benötigt, sind Individualisierung und Differenzierung wesentliches Unterrichtsprinzip – und dies nicht nur im Hinblick auf die Medien, sondern auch bezogen auf den Inhalt, die Methoden, die Organisationsformen und das Lerntempo. Computer und Internet sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken und deshalb ist gerade für Menschen mit einer Sehschädigung das Erlernen des sinnvollen Umgangs hiermit von elementarer Bedeutung. Von ihnen wird nämlich häufig noch mehr Leistung erwartet, um die gleichen Chancen auf dem Arbeitsmarkt und generell in der Gesellschaft zu erhalten als von Menschen ohne Behinderung. Der Computer bietet dafür gute Chancen, weil er, ohne weiter aufgerüstet werden zu müssen, als sofort einsetzbares Hilfsmittel fungiert. Die Kinder benötigen jedoch ein ausreichendes Training – d.h. auch über einen längeren Zeitraum hinweg – bis sie in der Lage sind, die ihnen zur Verfügung stehende Technik adäquat einzusetzen. Das Internet ermöglicht es ihnen dabei, evtl. bestehende Erfahrungsmängel aufzuarbeiten. Zwar vermag das Internet keine Realbegegnungen zu ersetzen, aber anhand von adäquaten Bildern, Skizzen, Fotos oder Videos lässt sich das Prinzip der Anschauung erfolgreich verwirklichen. Zur Förderung der sozialen Interaktion, die sich bei Menschen mit einer Sehschädigung häufig schwieriger gestaltet, bietet sich die Kommunikation über E-Mail oder Chat an. Dort können die Schüler in erster Linie Kind sein und ihre Sehschädigung steht nicht im Vordergrund. Jedoch müssen Eltern und Pädagogen hier in besonderer Weise darauf achten, dass der Schüler nicht ganz und gar in eine Traumwelt abdriftet und in der realen Welt seine eigene Identität verliert.

4.2 Die besondere Bedeutung des Internets für Schüler mit dem
Förderschwerpunkt „Lernen“

4.2.1 Förderschwerpunkt „Lernen“

„Lernen“ kann als Vorgang der Veränderung von Verhaltensdispositionen beschrieben werden, welcher nicht auf Reifung, Alterungsprozesse, Traumata o.Ä. zurückzuführen ist.[20] Bildung ist das Ergebnis eines erfolgreichen Lernprozesses, die Verinnerlichung und das Übersetzen in Handlung und Verhalten. Jeder Mensch ist befähigt zu lernen, jedoch sind fördernde oder hemmende Faktoren für den Erfolg des Lernens ausschlaggebend. Überwiegen anthropogene oder soziokulturelle Faktoren, die sich negativ auf den Lernprozess auswirken, kann eine Lernbehinderung entstehen – abhängig von den als Bezugsgröße herangezogenen Normwerten. Nach der Sonderpädagogikverordnung von Berlin liegt ein Förderschwerpunkt im Bereich „Lernen“ vor, wenn Schüler, „die wegen einer erheblichen und langandauernden Beeinträchtigung ihres Lern- und Leistungsverhaltens die Bildungsziele der allgemeinen Schule trotz des Angebotes individueller Förderung, der Teilnahme am Förderunterricht und gegebenenfalls weiterer besonderer Lernhilfen nicht erreichen können.“[21] Sie werden dann nach dem Rahmenlehrplan für Schülerinnen und Schüler mit dem sonderpädagogischen Förderschwerpunkt Lernen unterrichtet.

Viele Schüler mit Lernbehinderung kommen aus sozial benachteiligten, armen Familien – häufig auch mit Migrationshintergrund. Es ist jedoch nicht möglich, diese Populationsgruppe klar abzugrenzen, indem man z.B. eng umrissene Syndrome benennt. Sie zeigen häufig Probleme in verschiedenen Persönlichkeitsbereichen: Selbstständigkeit, Konzentrationsfähigkeit, Abstraktionsvermögen, Transfer, Verhalten, Wahrnehmung, Motorik, Sprache und bei der Bewältigung von Komplexität.[22]

4.2.2 Schlussfolgerungen für die Internetnutzung von Schülern mit dem Förderschwerpunkt „Lernen“

In der Regel besitzen sozial benachteiligte Familien weniger Computer mit Internetanschluss als die durchschnittliche Anzahl in deutschen Haushalten[23]. Einige Familien sind ganz und gar von der Internetnutzung ausgeschlossen. Die Schule jedoch hat die Möglichkeit, dieser Wissenskluft (digital divide) zwischen „Wissenden“ und „Unwissenden“ entgegenzuwirken, indem sie den Schülern einen kostenlosen Zugang zum Internet bietet und sie einen sinnvollen Umgang mit dem Medium lehrt. Aufgrund der individuellen Lerneinschränkungen bereitet es vielen Schülern trotz der technischen Voraussetzungen Probleme, das Internet als Bildungs-Medium zu nutzen. Verstärkt wird die Desorientierung – ebenso wie für sehbehinderte Schüler auch – durch die Unübersichtlichkeit vieler Internetseiten: eingeblendete Werbung, Pop-ups, Links etc. Schülern mit einer Lernbehinderung fällt es zudem besonders schwer, in einer großen Anzahl ungefilterter Texte gezielt nach Informationen zu suchen, das Wesentliche zu exzerpieren und die Inhalte zu analysieren. Das dafür notwendige Abstraktionsvermögen und die Bildung sprachlicher Kategoriensysteme können bei vielen Schülern mit Lernbeeinträchtigung als nur unzureichend vorausgesetzt werden. Um Misserfolgserlebnissen und Frustrationen entgegen zu wirken, ist es Aufgabe der Pädagogen „Suchwege und Suchergebnisse für Recherche-Aufgaben äußerst penibel vorzustrukturieren“[24], um damit selbstständiges und strukturiertes Lernen kleinschrittig anzubahnen. Die Aneignung von Methoden steht im Vordergrund, ohne dass dabei auf die Vermittlung ausgewählter Lerninhalte verzichtet werden darf. Deshalb bieten sich insbesondere praxisorientierte Lernformen an, z.B. in Form von Projekten, Gruppenarbeiten und fächerübergreifendem Unterricht, der an die Lebenswelt und Erfahrungen der lernbehinderten Schüler anknüpft.

Das Medium Internet bietet viele Optionen, gerade diejenigen Prinzipien zu verfolgen, die im Unterricht mit lernbeeinträchtigten Schülern besondere Berücksichtigung finden sollten:

- Prinzip der Anschauung: z.B. Bilder, Fotos, Grafiken etc.
- Prinzip der Wiederholung: Die Internetseiten können immer wieder aufgerufen werden und sind in ihrer Struktur (mehr oder weniger) gleichbleibend.
- Prinzip der Selbsttätigkeit: Die Schüler müssen zwangsweise selbst tätig werden, um das Internet zu nutzen: kognitiv, motorisch und visuell perzeptiv.
- Prinzip der Motivation: Das Medium an sich wirkt bereits faszinierend auf die Kinder, erhöht sowohl die Konzentration als auch die Lese- und Schreibmotivation.[25]
- Prinzip der Bewegung: Schließt man die Augen- und Handbewegung (Fein­motorik) mit ein, sind die Schüler permanent beschäftigt, mit Maus und Tastatur zu agieren und gleichzeitig die Änderungen auf dem Bildschirm zu verfolgen.
- Prinzip der Differenzierung: Unterricht mit dem Internet unterstützt und fördert die Binnendifferenzierung und damit Individualisierung von Lehr- und Lernprozessen. Zwar ist eine inhaltliche und methodische Vorbereitung des Themas durch den Pädagogen nicht zu ersetzen, aber nicht das gesamte Unterrichtsmaterial muss erst mühsam hergestellt werden, sondern wird durch das Internet größtenteils „gebrauchsfertig“ bereitgestellt.

5. Planung der Unterrichtseinheit „Rund ums Internet“

5.1 Voraussetzungen: Internetnutzung in der 3. Klasse des
Förderzentrums

5.1.1 Institutionelle und organisatorische Rahmenbedingungen der Schule

Die Schule hat eine eher ungewöhnliche Struktur: Es handelt sich um eine kooperative Ganztagsschule für die 1. bis 10. Jahrgangsstufe mit Sonderpädagogischem Förderzentrum (Förderschwerpunkt „Sehen“) und einzügiger integrativer Grundschule in Berlin. Das überregionale Sonderpädagogische Förderzentrum teilt sich wiederum in verschiedene Schulstufen, Schulzweige und die ambulanten Dienste. Auch Schüler mit zusätzlichen Förderschwerpunkten besuchen diese Schule, welche demzufolge eine äußerst heterogene Schülerschaft aufweist.

5.1.1.1 Ausstattung

Die Schule ist insgesamt mit 78 Computern ausgestattet, von denen fast alle (74) mutimedia-fähig sind. 40 befinden sich in den Computerräumen, 33 in den Klassenräumen und 5 Stück im mobilen Einsatz.[26] Die hohe Anzahl der Computer und die hohe Vernetzungsrate hat die Schule ihrer kooperativen Form zu verdanken. Da Schüler aus dem Grundschul- und Sekundarstufe I - Bereich gemeinsam in dieser Schule lernen, profitiert die Grundschule von dieser hervorragenden Computerausstattung: ca. 5 Schüler teilen sich einen Computer mit Breitband-Zugang (DSL-1000 mit Einwahl). Eine Filter­software ist aufgrund der gemeinsamen Computernutzung aller Schüler nicht installiert. Diese Tatsache „nötigt“ die entsprechende Lehrkraft, ihre Schüler frühzeitig über die Gefahren im Internet (vgl. Kapitel 3.5) zu informieren und sie im Umgang damit zu stärken.

Im Klassenraum der 3. Klasse steht ein Computer mit Internetanschluss; zudem können zwei Computerräume mit je ca. 20 PCs genutzt werden. In einem Raum lässt sich der Bildschirm-Inhalt des Lehrer-Computers auf die Schüler-Computer übertragen und umgekehrt. Dieser Computerraum wird jedoch meist von den Schülern der Sekundarstufe I belegt; für den anderen Raum können die Fachlehrer ihren Bedarf auf einer Liste eintragen und ihn so „reservieren“.

Jeder Schüler erhält für die Nutzung der Computer einen persönlichen Zugang mit servergestützter Profil- und Datenspeicherung, so dass vorgenommene Einstellungen nach Anmeldung mit Benutzernamen und Kennwort auf allen Computern zugänglich sind. Der Datenschutz wird durch die Vergabe entsprechender Zugriffsrechte gesichert.

5.1.1.2 Einsatz des Internets im Unterricht

Die Arbeit mit dem Computer ist an der Schule konzeptionell im Computernutzungskonzept verankert. Gleichwohl wurde nach den Fest­stellungen des Inspektionsteams, welches die Schule im Jahr 2005 besuchte und evaluierte, bei den Unterrichtsbesuchen „jedoch selten beobachtet, dass die vorhandenen Computer eingesetzt wurden.“[27] Deshalb schrieb die Kommission als Entwicklungsbedarf der Schule die „Nutzung der vorhandenen Computerausstattung im Unterricht“[28] fest, auch wenn die Mehrheit des Kollegiums – bezogen auf das Fach Sachunterricht – das Internet[29] bereits nutzt.

Diese Angaben bestätigten sich durch eine von mir durchgeführte Umfrage im Kollegium der Schule über die Einbeziehung des Internets in den Unterricht. Aufgrund der zahlreichen und vielfältigen Möglichkeiten, die das Internet bietet, ließ sich bereits die Mehrzahl der Pädagogen aus dem Grundschulbereich von dessen Vorteilen überzeugen. Dennoch stellt es für einige Lehrkräfte noch kein alltägliches Medium dar. Dies ist zum einen auf eine unzureichende Erfahrung und die Unsicherheit vor noch nicht Erprobtem zurückzuführen, zum anderen wurden Bedenken geäußert, die sich auf die in den Kapiteln 3.4 und 3.5 genannten Grenzen und Gefahren der Internetnutzung von Kindern beziehen.

5.1.2 Die 3. Klasse

5.1.2.1 Räumliche Bedingungen

In den Stunden, in denen praktisch am Computer gearbeitet wird, nutzt die 3. Klasse den Computerraum. Er ist mit einer ausreichenden Anzahl an Computern ausgestattet, so dass jeder Schüler an einem „eigenen“ Computer arbeiten kann. Beachtet wurde, dass die Schüler mit einer Sehschädigung einen größeren Monitor zur Verfügung gestellt bekommen. Leider sind die Lichtverhältnisse im Computerraum nicht ideal. Die Deckenleuchten lassen sich nicht einzeln einstellen und auch Einzeltischbeleuchtungen sind nicht angebracht. Zudem stehen die Computer relativ eng nebeneinander, so dass kein Platz für Konzepthalter zur Verfügung steht.

5.1.2.2 Zusammensetzung der Lerngruppe

Zwölf Schüler im Alter von acht bis zehn Jahren lernen in der 3. Klasse: sieben Mädchen und fünf Jungen. Vier Schüler (D,G,J und K) und eine Schülerin (C) haben den Förderschwerpunkt „Sehen“. K hat zusätzlich den Förderschwerpunkt „Lernen“. Auch für B (w) wurde Ende 2006 das Feststellungsverfahren zum Förderschwerpunkt „Lernen“ abgeschlossen. Sie hat danach Förderbedarf.

Die Klasse ist sowohl vom Entwicklungs- als auch vom Leistungsstand sehr heterogen. Die anforderungsbezogenen Voraussetzungen sind weit gestreut. So hätte F (w) – nach jetzigem Beurteilungsstand – bereits nach der 4. Klasse die Möglichkeit, auf ein Gymnasium zu wechseln, während die schwächeren Schüler (B und K) nach dem Rahmenlehrplan für Schülerinnen und Schüler mit dem sonderpädagogischen Förderschwerpunkt Lernen unterrichtet und beurteilt werden. Dazwischen liegt eine große Spanne, die von den übrigen Schülern ausgefüllt wird.

[...]


[1] Feil, 2004: 146

[2] Beispiele: http://www.kidstation.de, http://www.kidsville.de, http://www.milkmoon.de etc.

[3] Feil, 2004: 148

[4] Fernsehspot von Klicksafe, einem von der Europäischen Kommission geförderten Projekt: http://www.klicksafe.de

[5] vgl. Prey, 2006

[6] Maier, 1998: 178

[7] Maier, 1998: 179

[8] z.B. AntiVir und ZoneAlarm

[9] vgl. Kommission für Jugendmedienschutz

[10] vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, 2007: 42 - 45

[11] vgl. Baacke, 1999: 7 ff.

[12] Eirich, 2003: 16

[13] Kultusministerkonferenz, 1995: 1

[14] Eirich, 2003: 17

[15] Senatsverwaltung für Jugend, Bildung und Sport, 2005 b: 6

[16] vgl. Krug, 2001: 15; WHO, 2001

[17] Da die fünf sehbehinderten Schüler der 3. Klasse alle in den Bereich der gering- bis mittelgradigen Sehbehinderung (Binokularer Visus von 2/5 bis 1/8) fallen, beziehe ich mich in den folgenden Ausführungen ausschließlich auf diese Schülerschaft und nicht auf hochgradig sehbehinderte oder blinde Schüler, denen zur Internetnutzung ganz andere technische Voraussetzungen geboten werden müssen (z.B. Sprachausgabe, Braille-Zeile etc.).

[18] vgl. Krug, 2001: 183

[19] Auf der Internetseite der Hamburger Blindenschule kann man sich im Download-Bereich deutliche Cursor herunterladen, die größer und farblich markanter sind als die von Windows. Dort ebenfalls zu finden ist eine kleine kostenfreie Bildschirmlupe, die leicht zu handhaben ist: http://www.hh.schule.de/blindenschule/.

[20] vgl. lernpsychologischer Ansatz

[21] Senatsverwaltung für Jugend, Bildung und Sport, 2005 b: 7

[22] vgl. Werning, 2006: 17 ff.

[23] vgl. KIM-Studie 2006; Werning, 2006: 104 f.

[24] Piéla, 2005

[25] vgl. Feil, 2007: 12

[26] vgl. Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung: „Schulqualität und Organisation der Schule“

[27] Senatsverwaltung für Jugend, Bildung und Sport, 2006: 20

[28] Senatsverwaltung für Jugend, Bildung und Sport, 2006: 29

[29] vgl. Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung: „Schulqualität und Organisation der Schule“

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2007
ISBN (PDF)
9783958207141
ISBN (Paperback)
9783958202146
Dateigröße
854 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Schulpraktische Seminare Berlin
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1
Schlagworte
Integration Rahmenlehrplan Internet-Seepferdchen Differenzierung Förderbedarf
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