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Kundenorientierung bei Mitarbeitenden im Dienstleistungssektor: Faktorenanalyse und Entwicklungsansätze

©2013 Bachelorarbeit 50 Seiten

Zusammenfassung

Das Buch stellt einleitend die Charakteristik und die besondere Bedeutung von Kundenorientierung im Dienstleistungsbereich dar. Untersuchungsgegenstand sind mögliche Ursachen und Gründe einer vorhandenen oder fehlenden Kundenorientierung von Mitarbeitenden. Was ist prägend für die Haltung und das Verhalten gegenüber Kunden? Die persönlichen Merkmale der Mitarbeitenden und die organisatorischen Bedingungen der Unternehmen finden dabei besondere Beachtung. Die Messbarkeit von Kundenorientierung und die Erörterung von zwei grundlegenden wissenschaftlicher Studien geben Aufschluss über Ansatzmöglichkeiten.
Die Arbeit zeigt weiterhin Entwicklungsansätze hin zu einem kundenorientierten Verhalten auf. Welche Methoden können eine Verhaltensänderung erzeugen, welche Faktoren und Anreize beeinflussen das Verhalten gegenüber Kunden? Weiterhin wird untersucht, ob und ggf. wie sich kundenorientiertes Verhalten aneignen lässt.
Daraus ableitend sind Maßnahmen und Handlungsempfehlungen zur Förderung der Kundenorientierung erarbeitet. Es werden Möglichkeiten von Unternehmen aufgezeigt, um ihre Mitarbeitende diesbezüglich zu fördern und zu unterstützen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


2.2 Definition und Bedeutung des Begriffs Kundenorientierung

Die Kundenorientierung ist per se keine neuere Entwicklung und daher auch keine Trenderscheinung. Sie ist vielmehr Ergebnis der Erfahrungen im Umgang und Kontakt mit den Kunden. Die Kundenorientierung wird dabei als dauerhafter zentraler Erfolgsfaktor des Managements angesehen.[1] Der Faktor Mensch hat im Zusammenhang mit der Kundenorientierung eine herausragende Bedeutung. Im Kontext der Kundenorientierung stehen die Menschen, die miteinander in Verbindung treten, im Vordergrund. Sie dominieren die gesamte Wahrnehmung, insbesondere im Dienstleistungssektor.[2] Die sogenannten „weichen Faktoren“ sind somit ausschlaggebend.

Zum Begriff der Kundenorientierung findet sich in der Literatur eine Vielfalt von wissenschaftlichen und praxisbezogenen Veröffentlichungen. Hierbei lassen sich personelle (die Sicht des Mitarbeitenden) und organisatorische Betrachtungsweisen (der Blickwinkel des Dienstleisters) erkennen. Auch die Bedeutung aus der Perspektive des Kunden ist feststellbar. Allgemein bedeutet Kundenorientierung das Erkennen und das sich Einstellen auf Kundenbedürfnisse und Kundenerwartungen.[3] Aus der Sicht des Dienstleisters zielt die Kundenorientierung auf die Erhöhung des Kundennutzens und den Aufbau stabiler Beziehungen zum Kunden ab.[4] Mit den 5 B`s der Kundenorientierung werden die unterschiedliche Intensität der Kundenorientierung und deren Entwicklungsstufen deutlich.[5]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Die Kunden-Betreuungs-Analyse

Die Formulierung „in den Gehirnwindungen des Kunden spazieren zu gehen“ stellt eine metaphorische Bezeichnung der Kundenorientierung aus der Sicht des Mitarbeitenden oder des Dienstleisters dar.[6]

Bei der Mitarbeiterperspektive kann zwischen einer funktionalen und relationalen Kundenorientierung unterschieden werden. Die funktionale Ebene ist aufgaben-bezogen, bei der Hilfe für zufriedenstellende Kaufentscheidungen des Kunden angeboten wird. Die relationale Ebene bezieht sich auf den Aufbau der persönlichen Beziehung zum Kunden.[7]

2.3 Interdependenz von Dienstleistung und Kundenorientierung

Viele Märkte im Dienstleistungssektor sind gesättigt und es fällt schwerer, neue Kunden zu gewinnen. Der harte Wettbewerb verlangt zur Sicherung des Unternehmenserfolgs zunehmend Kundenbindung. Die Kunden wiederum sind mit den zunehmenden Dienstleistungsangeboten gewachsen und zwischenzeitlich kritischer, preis- und qualitätsbewusster geworden.[8]

Bei der Qualitätsbeurteilung dominieren bei Dienstleistungen die Erfahrungs- und Vertrauensqualitäten, während bei Produkten überwiegend Prüfqualitäten (Eigenschaften) im Vordergrund stehen. Die Qualitätsführerschaft von Dienst-leistungsunternehmen ermöglicht dadurch langfristigen Unternehmenserfolg, Kundenzufriedenheit und Kundenbindung. Sie wirkt der Gefahr des reinen Preiswettbewerbs entgegen.[9] Betriebswirtschaftlich betrachtet hängen höhere Deckungsbeiträge, Wiederverkaufsraten, Cross-Selling-Erfolge und andere Ziel-größen entscheidend von der Kundenorientierung ihrer Mitarbeitenden ab.[10] Ergänzend zu der Aufzählung sind die Kundenloyalität und die Ertragsteigerung als Folgewirkung zu nennen.

3. Determinanten und Einflussgrößen der Kundenorientierung

3.1 Überblick

Die Sichtung und Analyse der wissenschaftlichen Literatur samt empirischen Untersuchungen lässt vielfältige Einflüsse auf die Kundenorientierung erkennen. Die empirischen Befunde sind nicht einheitlich. Der Mensch als Individuum und komplexes Gebilde wird von zahlreichen Faktoren in seinem Denken und Handeln bestimmt. Ebenso ist die Arbeitsorganisation ein Faktor, der auf die Kundenorientierung wirkt.

Die Einbeziehung der Organisation als weiteres Element in der Beziehungsstruktur verdeutlicht die Dienstleistungstriade (Abbildung 5). Dort ist die Verbindung rund um das Kundenanliegen (Problem) im Dreiecksverhältnis skizziert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5: Die Dienstleistungstriade

Ein einheitliches theoretisches Konzept, welche Persönlichkeitsmerkmale welche Bereiche beeinflusst, ist bislang nicht vorhanden.[11] Aufgrund der Vielschichtigkeit von Kundenorientierung und des Einflusses verschiedener wissenschaftlicher Bereiche hat sich die Unterscheidung in personen- und organisationsbezogene Merkmale als sinnvoll erwiesen. Beide Merkmale nehmen jeweils eigene Perspektiven ein und beleuchten eigene Wirtschaftssubjekte (Person bzw. Organisation). In der Gesamtschau wird jedoch deutlich, dass sie stark miteinander korrelieren.

3.2 Faktorenanalyse persönlicher Kundenorientierung

Die Kundenorientierung knüpft - entsprechend der Erwartungs-Bestätigungs-Spirale aus dem Marketing - idealerweise an die Kundenerwartungen an. Sie erzeugen bei deren Erfüllung Kundenzufriedenheit. Der positive Einfluss von Kundenorientierung auf die Kundenzufriedenheit ist mehrfach empirisch belegt.[12] Nach einer Untersuchung zur Feststellung der Kundenerwartungen gegenüber Dienstleistungsunternehmen lassen sich diese in zehn Klassen einteilen[13]. Die daraus entwickelten wesentlichen Erwartungen umfassen

- Zuverlässigkeit (Erbringung des versprochenen Service)
- Entgegenkommen (Hilfebereitschaft und rasche Bedienung)
- Kompetenz (Wissen und Fähigkeit für die Ausführung der Dienstleistung)
- Zuvorkommen (Höflichkeit und Freundlichkeit)
- Vertrauenswürdigkeit (Glaubwürdigkeit und Ehrlichkeit)
- Kommunikation (Zuhören und verständliche Erläuterung) sowie
- Verständnis (den Kunden und seine Erwartungen kennenlernen).

Auffällig ist, dass sich die meisten Erwartungen direkt an das Verhalten der Mitarbeitenden mit Kundenkontakt richten.[14] Die dadurch beeinflusste Dienstleistung setzt einen kundenorientierten Maßstab.

Ausgehend von dieser Verdichtung der Kundenansprüche ist eine Kategorisierung für die Dienstleistungsbetriebe über eine Kundenerwartungsmatrix möglich. So können eigene Schwerpunkte gebildet und Prioritäten bei der Erfüllung der Kundenerwartungen gesetzt werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: eigene Darstellung

Abb. 6: Kundenerwartungsmatrix

Auf individuellem Niveau beeinflussen Einstellungen von Mitarbeitenden ihre Wahrnehmung, das Denken und das Verhalten. Die Arbeitseinstellung wirkt sich z.B. typischerweise auf die Arbeitsleistung aus. Vorurteile bedeuten in der Regel Reibungsverluste im Arbeitsalltag. Diese schlichte Abfolge wird aber nur selten durch seriöse empirische Untersuchungen belegt.[15] Die Fachliteratur folgt jedoch überwiegend der Unterscheidung zwischen kundenorientierter Einstellung und dem Verhalten. Die Einstellung wird darin als Denkhaltung und intern orientierte Größe definiert, das Verhalten bezeichnet das von außen beobachtbare Verhalten im Kundenkontakt (z.B. Kommunikation).[16] Die Unterscheidung bietet weiterhin den Vorteil, differenziertes Handeln für die Unternehmen anzusetzen.

In einer weitergehenden Betrachtungsweise aus der lerntheoretischen Psychologie wird Verhalten sowohl als beobachtbare als auch als nicht beobachtbare Verhaltensweise (z.B. kognitive Prozesse oder emotionale Reaktionen) verstanden.[17] Die unterschiedliche Betrachtung von Einstellung und Verhalten wird auch in der Studie von Stock/Hoyer (2005) vorgenommen.[18] Daraus sind empirische Belege entstanden. Die Ergebnisse werden in dieser Arbeit noch näher erläutert.

Aus der Sicht des Verfassers ist eine wahrnehmbare Wirkungskette von Einstellung zu Verhalten festzustellen.

3.3 Personenbezogene Merkmale

Zwischen Eigenschaftsausprägungen und beruflichem Erfolg (im Sinne einer ausgeprägten Kundenorientierung) bestehen direkte Beziehungen.[19] Die darauf basierenden Eigenschaftsmerkmale werden den Persönlichkeitsfaktoren zugeschrieben, welche wiederum in einer Vielzahl verschiedener Varianten zum Ausdruck kommen. Zunächst werden wesentliche Merkmale untersucht, die die Persönlichkeit eines Menschen ausmachen.

Die Persönlichkeit ist bedeutend dafür, wie Menschen in ihrem Verhalten und Erleben wahrgenommen werden. Sie repräsentiert bestimmte Eigenschaften eines Menschen, die von anderen registriert werden können. Als einfache Definition werden gerne diejenigen charakteristischen Merkmale eines Menschen erwähnt, die konsistente Muster des Fühlens, Denkens und des Verhaltens ausmachen. In der Verhaltensforschung wird Persönlichkeit als Endprodukt der Gewohnheitssysteme betrachtet.[20] Sie bezeichnet eine einzigartige Struktur von kennzeichnenden Eigenschaften, welche eine Individualität ausmacht.[21]

Werte gehören zu den grundlegenden Orientierungen der Menschen. Sie werden als stabile Überzeugungen definiert. Und sie beinhalten eine Präferenz für das Wünschenswerte. Als arbeitsplatzbezogene Werte lassen sich z.B. Ehrlichkeit, Verantwortlichkeit, Leistungsbereitschaft, Disziplin und Fleiß nennen. Das Wertesystem wird als stabile Organisation der Überzeugungen hinsichtlich der präferierten Verhaltensweisen oder Endzustände gesehen.[22] Der Wertewandel berührt in besonderem Maße die Bedeutung der Arbeit. Allerdings müssen sich veränderte Werthaltungen nicht unmittelbar auf das Verhalten auswirken, weil es vom persönlichen Wollen, vom individuellen Können, vom sozialen Sollen und Dürfen sowie von der situativen Möglichkeit abhängt.[23]

Der Charakter kann als individuelles Erkennungsmerkmal einer Person betrachtet werden. Kant sieht Charakter als etwas an, was ein Mensch dann hat, wenn er sich nicht von Instinkten, sondern von seinem Willen leiten lässt.

Temperament bezeichnet Persönlichkeitsmerkmale, die bereits in der frühen Kindheit vorhanden sind, deren Ausprägung relativ konstant bleibt und eine genetische Verankerung aufweist. Der Begriff wird häufig im Zusammenhang mit einer Disposition zu Emotionen oder Stimmungen verwendet.[24]

Unverkennbar ist, dass sämtliche Persönlichkeitszüge auf den Menschen im Umgang mit Kunden abfärben. Stark werteorientiert geprägte Mitarbeitende sind z.B. kaum von Handlungen zu überzeugen, die ihrem Wertesystem widersprechen. Temperamentvolle Personen sind häufig auffallend empathisch, allerdings meist schwieriger zu steuern.

Es sind die spezifischen Bereiche der Persönlichkeit, die mit hoher Kundenorientierung einhergehen.[25] Über den lexikalischen Ansatz (Reduktion von über 18.000 Eigenschaftsworten auf die Hauptfaktoren der Persönlichkeit) bzw. über den psycholexikalen Ansatz (Ableitung besonders augenfälliger Merkmale im Umgang mit anderen Menschen) sowie anhand zahlreicher Untersuchungen[26] haben sich fünf Hauptfaktoren der Persönlichkeit, die „ Big Five “, herauskristallisiert:

- Neurotizismus

Menschen mit hohen Neurotizismus-Werten sind emotional eher labil und neigen dazu, nervös, ängstlich, traurig und unsicher zu sein. Sie beklagen sich öfter über Ärger und sind weniger stressresistent.

- Extraversion

Hohe Werte bei Extraversion erreichen Personen, die gesellig, selbstsicher, aktiv und optimistisch sind. Sie suchen nach Aufregung und Unterhaltung. Introvertierte Menschen dagegen sind eher distanziert, kontaktscheu, still und zurückhaltend.

- Offenheit für Erfahrungen

Hierunter werden Personen subsumiert, die neue Erfahrungen, Erlebnisse und Eindrücke suchen. Sie sind wissbegierig, phantasievoll und experimentierfreudig und haben vielfältige kulturelle Interessen. Im Gegensatz dazu steht konventionelles Verhalten mit wenig Spontanität und Kreativität.

- Verträglichkeit

Personen mit hohen Werten der Verträglichkeit sind altruistisch, helfen gerne, sind kooperativ, verständnisvoll und harmoniebedürftig.

- Gewissenhaftigkeit

Die Persönlichkeitsdimension umfasst ausdauernde, hart arbeitende, ordentliche und zuverlässige Personen. Sie sind sorgfältig und verantwortungsbewusst.[27]

Das Fünf-Faktoren-Modell wird als universelles Beschreibungssystem der Persönlichkeitsstruktur des Menschen angesehen. Die notwendige Anzahl von Faktoren zur Beschreibung von Persönlichkeit ist in der Literatur umstritten.[28] In einigen Studien wird eine andere Auffassung vertreten. Es zeigt sich beständig, dass drei der „Big Five“ die persönliche Kundenorientierung als Einstellung beeinflussen: Neurotizismus, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit.[29] Demnach sind Extraversion und Offenheit für neue Erfahrungen hier nicht relevant. Andere metaanalytische Untersuchungen[30] haben ergeben, dass Neurotizismus und Gewissenhaftigkeit signifikante Einflussgrößen von Handlungen darstellen. Dabei fanden sich auch - abweichend zu den oben genannten Studien - Zusammenhänge von Extraversion und Performanz. Generell wird die Persönlichkeit des Mitarbeitenden als besonders bedeutende Antezedenz (Vorwegnahme) der persönlichen Einstellung bewertet.[31]

Eigene berufliche Erfahrungen lassen feststellen, dass hohe Anteile von Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit in der Persönlichkeitsstruktur jeweils positive Wirkungen auf die Arbeit in der Kundenberatung entfalten. Neurotizismus und Extraversion dagegen entwickeln keine markanten Auffälligkeiten.

3.4 Organisationsbezogene Merkmale

Organisationsbezogene Einflüsse und Merkmale von Dienstleistungsunternehmen sind stark prägend auf die Menschen in diesem Umfeld.[32] Auch der Kunde nimmt die Organisation des Dienstleisters wahr. Er erlebt die personifizierte Dienstleistung über den Mitarbeitenden. Die Organisation steht damit in einer Dreiecks-Austauschbeziehung zwischen Dienstleister, Mitarbeitende und Kunde. Nachfolgend werden bestimmte Merkmale in Bezug auf die Unternehmensorganisation dargestellt.

Die Rolle bezeichnet die Summe von Erwartungen gegenüber einer Person.[33] Die damit verbundenen Rollenerwartungen können in sozial sanktionierten Rollen-verpflichtungen und damit in Rollenkonflikten münden. Ein derartiger Konflikt tritt im Dienstleistungssektor insbesondere dann auf, wenn sich die Erwartungen an den Mitarbeitenden innerhalb seiner Rangordnung richten und das Rollenverständnis nicht deckungsgleich ist (z.B. Kollision mit der Persönlichkeit, der Werteorientierung oder dem Selbstbild).[34] In Bezug auf die Kundenorientierung wird daraus ableitend gefordert, für Rollenklarheit zu sorgen.[35]

Eine immanente Aufgabe in Organisationen ist die Regulierung von Emotionen. Es wird vermutet, dass Kunden die Dienstleistung bei Darstellung positiver Gefühle der Mitarbeitenden besser bewerten. Diese Emotionsarbeit wird als Management der Gefühle verstanden, das darauf bedacht ist, einen öffentlichen Körper- und Gesichtsausdruck herzustellen.[36] Die Darstellungsregeln variieren dabei zwischen der Darstellung positiver Gefühle und der Forderung, negative Gefühle zu unterdrücken. Dabei wird zwischen Oberflächenhandeln (Gefühlsausdruck unabhängig von den erlebten Gefühlen, z.B. Lächeln nach Bedarf) und Tiefenhandeln (Gefühl entsprechend der gewünschten Darstellung) unterschieden. Oberflächenhandlung wirkt eher negativ auf die Kundenorientierung, Tiefenhandlung hat dagegen eine positive Wirkung. Eine Untersuchung[37] hat ergeben, dass sich Oberflächenhandeln relativ gut durch die Fünf-Faktoren-Persönlichkeitsmerkmale erklären lässt, Tiefenhandeln dagegen nur in geringem Maße. Neurotizismus korreliert dabei positiv mit Oberflächenhandeln, niedrige Neurotizismus-Werte lassen auf Tiefenhandeln schließen.[38]

Aus dem Blickwinkel des Verfassers ist Rollenklarheit in der Kundenberatung unbedingt erforderlich. Unterschiedliche Ansprüche und Erwartungen sind sonst nicht kompatibel. Wahrnehmbar ist in der Tat die unterschiedliche Emotionsarbeit. Tiefenhandeln wirkt authentisch und erzeugt Empathie beim Kunden. Gerade dieser Aspekt wird als sehr wertvoll und wertschätzend erachtet.

Als eine der substanziellsten organisatorischen Grundlagen der kundenorientierten Organisation wird das Dienstleistungsklima angesehen.[39] Es bezeichnet die von den Mitarbeitenden geteilte Wahrnehmung, dass ein qualitativ hochwertiger Service für die Organisation das Wichtigste ist.[40] Weitergehend wird das Dienst-leistungsklima als überdauernde Qualität der Organisation gesehen. Es wird durch ihre Mitglieder (Mitarbeitende) erlebt, es beeinflusst ihr Verhalten und beschreibt die Merkmale der Organisation.[41] Konkretisiert auf die Kundenorientierung lassen sich daraus die Bereiche Umfeld und Prozesse festlegen. Um diese beiden Bereiche wurde - neben dem personellen Aspekt - auch das Dienstleistungsmarketingmix gegenüber dem herkömmlichen Marketingmix erweitert.

Das Umfeld beeinflusst das Dienstleistungsklima, denn es thematisiert die gezielte Gestaltung des Settings, in dem die Dienstleistung erbracht wird. Hierbei ist das Kundenerlebnis zu nennen, durch das die wahrgenommene Dienstleistungsqualität positiv beeinflusst werden kann.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Nerdinger (2011a), S. 545 ff.

Abb. 7: Übersicht Dienstleistungsklima

Die Einzelaspekte verdichten sich zu einem Gesamteindruck und stellen imagebildende Maßnahmen für das Unternehmen dar.[42] Damit wird die Verbindung von Mitarbeitenden -und Kundeneinstellungen offenkundig. Sie ist in Bezug auf die Ansatzpunkte für Veränderungen hin zu kundenorientiertem Verhalten elementar. Es existieren Untersuchungen, die auch die wahrgenommene Dienstleistungsqualität sowie die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeitenden bestätigen. Die Untersuchungen belegen empirisch, dass Kunden das Dienstleistungsklima sehr genau wahrnehmen und die Kundenzufriedenheit davon substanziell beeinflusst wird.[43]

Demnach wird deutlich, dass sich ein Dienstleistungsklima systematisch gestalten lässt und - aus organisationspsychologischer Sicht - durch Unternehmenspolitik und Führung beeinflusst werden kann. Eine Steuerung in Richtung Dienstleistungsorientierung über ein positives Dienstleistungsklima ist dadurch möglich; es kümmert sich sowohl um den Kunden als auch um die Mitarbeitenden.[44]

Ein positives Dienstleistungsklima wird mit ordentlicher Arbeit und mit Qualität assoziiert. In Bezug auf die Mitarbeitenden ergibt sich daraus ein Wohlfühlfaktor. Insbesondere strukturiert arbeitende Personen verbinden damit ein angenehmes Arbeitsumfeld, das leistungsfördernd ist. Dies wiederum hat positive Effekte auf den Kundenumgang.

Die Gestaltung des Dienstleistungsklimas ist Führungsaufgabe. Führung kann allgemeingültig als bewusste und zielbezogene Einflussnahme auf Menschen definiert werden.[45] Speziell fokussiert auf die Kundenorientierung wird Führung gerne auf die Dimensionen Leistungs- und Mitarbeiterorientierung bezogen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Homburg/Stock (2000), S. 100 f.

Abb. 8: kundenfokussierte Führung

Darüber hinaus kommt den Führungskräften die Vorbildfunktion zu. Sie setzen dadurch Standards und müssen vormachen statt vorsagen.[46] Auch wird der Standpunkt vertreten, dass kundenorientierte Mitarbeitende bereits intrinsisch motiviert sind, einen guten Service bieten zu wollen.[47] Diese Haltung nimmt auch Sprenger im Wesentlichen ein. Nach seinen Thesen zerstört alle Motivierung die Motivation und alles Motivieren ist Demotivieren. Er vertritt den Standpunkt, dass die Vermeidung von Demotivation der wesentliche Aspekt ist und man demnach Leistungsbereitschaft nur behindern kann. Die Motivation jedes einzelnen wird als die natürliche Ordnung der Dinge angesehen.[48]

Andere Auffassungen gehen von der Grundannahme aus, dass Wertschätzung die beste Entlohnung für Leistung ist. Aufrichtiges Lob und situative Anerkennung gelten als maßgebliche Treiber für Spitzenleistungen. Menschen verstärken ihr Verhalten, wenn sie dafür Anerkennung bekommen. Und sie wiederholen Verhalten, für das sie belohnt werden.[49] Diese Form der transaktionalen Führung beruht auf dem lerntheoretischen Prinzip der Verstärkung: Ist der Mitarbeitende erfolgreich, wird er belohnt, Zielverfehlung wird dagegen bestraft.[50]

Die transformationale Führung setzt bei der normalen Anstrengung der Mitarbeitenden an und erhöht – d.h. transformiert – sie zu einer Extra-Anstrengung. Eine Gesamtschau mehrerer Studien zu den Leistungsergebnissen von Mitarbeitenden mit Kundenkontakt ergibt, dass transformationale Führung in deutlichem Zusammenhang zum Mitarbeiterverhalten gegenüber Kunden steht. Es steuert das Mitarbeiterverhalten und die Kundenzufriedenheit. Unter transformationales Verhalten werden weiterhin Bewunderung, Respekt und Loyalität gegenüber der Führungskraft subsumiert. Ziel ist es, Sinn in der Arbeit zu vermitteln.[51]

Die unterschiedlichen Auffassungen zur Führung resultieren auch aus verschiedenen Menschenbildern. Menschenbilder sind Typologien von Menschen mit der Grundannahme über seine Ziele, Motive, Bedürfnisse und deren zu erwartenden Verhaltensweisen. Menschenbilder beeinflussen das Verhalten von Führungskräften.[52] Im Rahmen der implizierten Persönlichkeitstheorie hat vor allem die am weitesten verbreitete Theorie von McGregor Beachtung gefunden. Nach der Theorie X hat der Mensch eine angeborene Abneigung zur Arbeit und versucht, ihr aus dem Wege zu gehen. Er muss zur Arbeit gezwungen werden. Daher wird ihm keine Verantwortung delegiert; es wird eng kontrolliert. Die Reaktion der Mitarbeitenden mündet in passivem Arbeitsverhalten, führt zu fehlender Initiative und Scheu vor der Verantwortung; dies bestätigt wiederum der Theorie X. Dieser Teufelskreis wird als sich selbst erfüllende Prophezeiung bezeichnet. Bei der Theorie Y geht die Annahme davon aus, dass der Mensch die Arbeit liebt. Ihm wird daher Handlungsspielraum und Verantwortung übertragen. Dies ermöglicht dem Mitarbeitenden, Engagement für seine Arbeit zu zeigen und sich selbst zu verwirklichen. Daraus entsteht Initiative und Verantwortungsbereitschaft, was die Theorie Y verstärkt.[53]

Daraus ist zu konstatieren, dass das vorherrschende Menschenbild von der Führungskraft und nicht vom Verhalten des Mitarbeitenden ausgeht. Das Menschenbild der Führungskraft entscheidet somit darüber, mit welchem Engagement und in welcher Qualität die Mitarbeitenden ihre Aufgaben erledigen. Kundenfokussierte Mitarbeiterführung geht folglich nicht von der Personalabteilung aus oder über den Arbeitsvertrag.[54]

Menschenbilder formen nach einhelliger Auffassung in der Tat das Führungsverhalten. Es existieren geprägte Denkmuster und Vorurteile. Führungsarbeit wird in der Praxis als individuell angepasste Handlung verstanden. Ein gleichförmiges Führungsverhalten ist nicht zielführend. Die Einflussnahme auf ein kundenorientiertes Verhalten unterliegt der situativen Führung abhängig vom Reifegrad und Entwicklungsstand des Mitarbeitenden. Gerade für die Kundenorientierung hat die Vorbildfunktion eine gravierende Signalwirkung.

[...]


[1] Vgl. Homburg/Stock (2000) et al., S. 10.

[2] Vgl. Homburg/Stock (2000), S. 16.

[3] Vgl. Nerdinger (2003), S. 1.

[4] Vgl. Nerdinger (2011b), S. 36.

[5] Vgl. Nagel/Menthe (2008), S. 91 ff.

[6] Nagel/Menthe (2008), S. 97.

[7] Vgl. Homburg/Müller/Klarmann (2011), S. 798.

[8] Vgl. Nerdinger (2003), S. 1.

[9] Vgl. Nerdinger (2011a), S. 532 f.

[10] Vgl. Jansen. o.J., S.1.

[11] Vgl. Judge/Ilies (2002), S. 797 ff.

[12] Vgl. Stock und Hoyer (2005) et al., S. 546.

[13] Vgl. Zeithaml/Parasuraman/Berry (1992), S. 34 ff.

[14] Vgl. Nerdinger (2003), S. 8 ff.

[15] Vgl. Six/Felfe (2004), S. 597, S. 601.

[16] Vgl. Homburg/Stock (2000), S. 18 f.

[17] Vgl. Rammsayer/Weber (2010), S. 88.

[18] Vgl. Stock/Hoyer (2005), S. 536 ff.

[19] Vgl. Asendorpf (2009), S. 51.

[20] Vgl. Rammsayer/Weber (2010), S. 12 f., S. 67 f.

[21] Vgl. Nerdinger (2011b), S. 31.

[22] Vgl. Six/Felfe (2004), S. 598 ff.

[23] Vgl. Rosenstiel/Nerdinger (2011), S. 51 ff.

[24] Vgl. Rammsayer/Weber(2010), S. 13.

[25] Vgl. Bowen/Schneider (1988) et al, S. 251 ff.

[26] Vgl. Tupes/Christal (1992) et al, S. 225 ff.

[27] Vgl. Jansen o.J, S.1.; Rammsayer/Weber (2010) et al, S. 233 ff.

[28] Vgl. Rammsayer/Weber (2010), S. 236 f.

[29] Vgl. Siguaw (1994) et al, S. 106 ff.; Vgl. Jansen o.J.

[30] Vgl. Judge/Ilies (2002) et al, S. 797 ff.

[31] Vgl. Homburg/Stock (2000), S. 46.

[32] Vgl. Freilinger/Hofer (1996), S. 190 ff.

[33] Vgl. Nerdinger (2003), S. 49.

[34] Vgl. Nerdinger (2011a), S. 525 ff.

[35] Vgl. Nerdinger (2003), S. 53.

[36] Vgl. Hochschild (1990), S. 30.

[37] Vgl. Dieffendorff/Croyle/Gosserand (2005), S. 339 ff.

[38] Vgl. Rosenstiel/Nerdinger (2011), S. 62 ff.; Nerdinger (2011b), S. 76 ff.

[39] Vgl. Schneider/Bowen/Ehrhart/Holcombe (2000), S. 21 ff.

[40] Vgl. Nerdinger (2011a), S. 550.

[41] Vgl. Rosenstiel/Nerdinger (2011), S. 371.

[42] Vgl. Nerdinger (2011a), S. 545 ff.

[43] Vgl. Schneider/White/Paul (1998), S. 150 ff.

[44] Vgl. Nerdinger (2011a), S. 550 ff.

[45] Vgl. Nerdinger (2011b), S. 168.

[46] Vgl. Nerdinger (2003), S. 58.

[47] Vgl. Nerdinger (2003), S. 44, S. 92.

[48] Vgl. Sprenger (1993), S. 9, 69, 149,166 und ff.

[49] Vgl. Schüller (2008), S.104 ff, S. 184 ff.

[50] Vgl. Nerdinger (2011b), S. 171.

[51] Vgl. Nerdinger (2011b), S. 175.

[52] Vgl. Weinert (1987), S. 1427 ff.

[53] Vgl. Nerdinger (2012), S. 66 ff.; Rosenstiel/Nerdinger (2011), S. 137 f.

[54] Vgl. Schüller (2008), S. 164.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2013
ISBN (PDF)
9783958207387
ISBN (Paperback)
9783958202382
Dateigröße
974 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Fachhochschule Südwestfalen; Abteilung Iserlohn
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,7
Schlagworte
personenbezogene Merkmale Einflussgröße Potenzialanalyse Dienstleistung Organisationsbezogene Merkmale

Autor

Herbert Raach, B.A., absolvierte sein Studium berufsbegleitend an der Fachhochschule Südwestfalen über ein Bachelor-Anschlussstudium für Betriebswirte der VWA Stuttgart. Dieses schloss der Autor im Jahre 2013 mit dem akademischen Grad „Bachelor of Arts (B.A.)“ erfolgreich ab. Seit vielen Jahren arbeitet er bei einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung in verantwortlicher Funktion. Sein Anspruch im Wettbewerb um Mitglieder umfasst die bestmögliche Kundenorientierung. Er bringt seine Erfahrungen mit Kunden von über zwei Jahrzehnten und den Kundenumgang der Mitarbeitenden im vorliegenden Buch mit ein.
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