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Kreditwürdigkeitsprüfung von Privatpersonen: Methoden und Verfahren

©2014 Bachelorarbeit 51 Seiten

Zusammenfassung

Die vorliegende Arbeit betrachtet die fundamentale Rolle der Bonitätsbeurteilung als Instrument des Risikomanagements bei der Vergabe von Krediten an Privatpersonen im deutschen Bankwesen. Dabei wird zunächst eine Abgrenzung der Begriffe „Rating“ und „Scoring“ vorgenommen, anschließend werden die üblichen mathematisch-statistischen Grundlagen erläutert, die wesentlichen Vor- und Nachteile der einzelnen Verfahren dargelegt und ihr jeweiliger Stellenwert im Einsatz des Scorings beurteilt. Trotz der eingeschränkten Verfügbarkeit von detaillierten Informationen wurde versucht, den Scoringprozess von Auskunfteien am Beispiel der SCHUFA möglichst genau zu schildern und die Rolle der verschiedenen Einflussfaktoren herauszustellen.
Sodann werden mögliche Risiken und Auswirkungen im Hinblick auf die Manipulation der Verfahren und datenschutzrechtliche Probleme des Kreditscorings allgemein erörtert. Die Arbeit schließt mit einem Fazit sowie einem Ausblick über die zukünftige Entwicklung und daraus resultierenden Problemen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


2.2 Scoring im Privatkundengeschäft

Dem Begriff „Scoring“ sind demnach alle Methoden und Verfahren der Bonitätsbeurteilung von natürlichen Personen (Privatpersonen) zuzuordnen. In Deutschland finden diese seit Beginn der 1990er Jahre Anwendung. Beim Scoring im Konsumentenkreditgeschäft werden alle verfügbaren Bonitätsinformationen eines Antragsstellers anhand einer aus mathematisch-statistischen Verfahren entwickelten Scorekarte möglichst automatisiert zu einem Scorewert gebündelt, meist in Form einer prognostizierten Ausfallwahrscheinlichkeit. Diese Scorewerte fallen je nach Verwendungszweck verschieden aus, da eine zweckabhängige Gewichtung der Bonitätsmerkmale (auch: Risikotreiber[1] ) erfolgt.

Eine Übersicht der wesentlichen Merkmale und der daraus erstellten Scorekarte liefert Tabelle 2.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2: Mindestkriterien der Bonitätsbeurteilung von Privatpersonen

(Quelle: In Anlehnung an Wächtershäuser, M., Kreditrisiko und Kreditentscheidung im Bankbetrieb (1971), S. 123 ff. / Rat, A., Scoring-Verfahren und Datenschutz (2003), S. 9)

Grundlegend wird unter Einbeziehung der Mindestkriterien zwischen positiven und negativen Bonitätsmerkmalen unterschieden. Ein positives Bonitätsmerkmal stellt bereits das Vorhandensein einer Kreditkarte dar, ebenso vertragsmäßig getilgte Kredite auch anderer Kreditinstitute. Als Negativmerkmale werden alle Arten von nicht-vertragsmäßigem Verhalten sowie gerichtliche Vollstreckungsmaßnahmen erfasst (Kreditausfälle, überzogene Konten, privates Insolvenzverfahren etc.). Letztere werden auch als harte Negativmerkmale bezeichnet und werden aus öffentlichen Registern wie z.B. dem Handelsregister, aus Veröffentlichungen der Insolvenzgerichte oder aus Verzeichnissen der Amtsgerichte ermittelt. Tauchen bei einem Antragssteller harte Negativmerkmale auf, folgt meist eine Ablehnung des Kreditwunsches.[2]

Ein vollständiger Überblick über die herkömmlichen positiven als auch negativen Bonitätsmerkmale wird in der Tabelle 7 im Anhang am Beispiel der Schufa verschafft.

Die Kriterien werden unterstützend im Kreditvergabeprozess eingesetzt und liefern eine relativ objektive Beurteilung der materiellen als auch eingeschränkt persönlichen Kreditwürdigkeit. Für das abschließende Bonitätsurteil und somit der Entscheidung, ob es zu einer Kreditvergabe kommt, bedarf es neben dem Kreditgespräch einer Berücksichtigung der Haushaltsrechnung und Vermögenssituation des Kunden. Eine Gegenüberstellung von Kreditbelastung und frei verfügbarem Einkommen soll sicherstellen, dass der geforderte Kapitaldienst fristgerecht und in voller Höhe erbracht werden kann.[3] Dabei wird das frei verfügbare Einkommen durch Gehaltsnachweise, Kontoauszüge und regelmäßige Belastungen wie Miete, Versicherungen etc. durch die Bank ermittelt.[4] Meist ist diese Gegenüberstellung schon im Scoring der Banken implementiert.

Grundlegend wird das Scoring in folgende Bereiche unterteilt:

Externes Kreditscoring

Analog zum Rating erfolgt eine Einteilung in „internes“ und „externes“ Scoring. Das „externe Scoring“ wird von speziellen Unternehmen (i.d.R. Auskunfteien) übernommen. Zu den größten und bekanntesten Wirtschaftsauskunfteien in Deutschland gehören die SCHUFA Holding AG, CEG Creditreform Holding AG und Bürgel Wirtschaftsinformationen GmbH & Co. KG.[5] Neben der Bonitätsbeurteilung für klassische Bankkredite wird das externe Scoring vor allem für Konsumentenkredite in Form von Ratenzahlungen, Kreditkarten, Leasingverträge, Versandhandelskäufe auf Rechnung, Mobilfunkverträge und sogar Wohnungsanmietungen eingesetzt.[6]

Internes Kreditscoring

Das interne Scoring wird innerhalb des kreditgebenden Instituts selbst realisiert. Ursprünglich bildeten das Kreditgespräch und der daraus entstandene Eindruck des Bankberaters die Grundlage für eine Risikoeinschätzung. Diese eher subjektive Bonitätsanalyse verlor jedoch durch die rasche Entwicklung der Technik und Anwendung standardisierter mathematisch-statistischer Verfahren ihre Rolle als Schlüsselinstrument, da die vielmehr objektiv ausgerichteten Methoden genauere Ergebnisse erzielen. Konventionell werden in allen Kreditinstituten meist einheitliche Formulare wie die vom Antragsteller ausgefüllte Selbstauskunft zur Analyse herangezogen. Die Beweislast liegt somit zunächst beim Kreditnehmer, er muss seine Zahlungsfähigkeit in Form von Einkommens- oder Vermögensnachweis etc. begründen. Gewöhnlich werden diese Haushaltsrechnungen auf Basis von Erfahrungswerten nochmals überprüft.

Integriertes Kreditscoring

Letztendlich führt der direkte Geschäftspartner die Risikoeinschätzung und Kreditwürdigkeitsbeurteilung des Antragsstellers durch. Generell bedienen sich die Kreditinstitute dabei sowohl dem internen als auch dem externen Scoring. Man spricht bei dieser Kombination vom integrierten Kreditscoring. Der Scorewert einer oder mehrerer Auskunfteien wird in das bankinterne Verfahren einbezogen und verrechnet, sodass sich ein „integrierter Score“ ergibt.

Allgemein wird zudem zwischen dem Antragsscoring und dem Verhaltensscoring unterschieden. Im Antragsscoring wird die Bonität eines Neukunden beurteilt, im Verhaltensscoring dagegen die bestehende Kundenverbindung analysiert.[7]

Im folgenden Kapitel wird nun näher auf die gängigen mathematisch-statistischen Grundlagen des Kreditscorings Bezug genommen.

3. Mathematisch-Statistische Grundlagen

Ziel aller mathematisch-statistischer Scoringverfahren ist es, eine möglichst hohe Trennschärfe zu erreichen. Denn je höher die Trennschärfe eines Verfahrens ist, desto besser können potenzielle Ausfälle einzelner Kreditnachfrager von risikoarmen Kreditengagements abgegrenzt werden.[8] Durch diese Differenzierung der Kreditnehmer kann das Kreditportfolio der Banken optimiert werden.

Die Trennschärfe eines Verfahrens[9] korreliert folglich mit dessen Leistungsfähigkeit: Darlehensverluste und Opportunitätskosten fallen durch eine hohe Trennschärfe geringer aus, durch Maximierung der Trennschärfe geht eine Gewinnmaximierung im Kreditgeschäft einher.

3.1 Univariates Vorgehen

Bei univariaten Verfahren werden die Bonitätsmerkmale einzeln hinsichtlich ihrer Prognosefähigkeit[10] analysiert, anschließend erfolgt eine ungewichtete Gegenüberstellung der prognosefähigen Merkmale mit kritischen Vergleichswerten (sog. cut-off scores[11] ).[12] Diese cut-off scores können aber nicht nur risikominimierend eine Abgrenzung zwischen solventen und insolventen Antragsstellern treffen, sondern werden auch variiert eingesetzt, um beispielsweise eine Vergrößerung des Marktanteils oder eine Beschränkung auf einen Kundenkreis mit erhöhter Bonität zu erzielen.[13] Liegen die Merkmale unterhalb der jeweiligen cut-off scores, ist eine genauere Prüfung der Kreditwürdigkeit nötig oder aber es erfolgt überhaupt keine Kreditvergabe.

In der Kreditwürdigkeitsprüfung von Privatpersonen findet hauptsächlich das Verfahren der dichotomen Klassifikation Verwendung:

Dichotome Klassifikation

Der dichotomische Klassifikationstest (auch: univariate Diskriminanzanalyse) untersucht mit Hilfe von getrennt betrachteten Kennzahlen bzw. Faktoren die Trennfähigkeit einzelner Gruppen, im Falle des Kreditscorings betrifft das die Einteilung in solvente oder insolvente Bankkunden. Die Kennzahlen werden hierbei mit einem statistischen Trennwert verglichen. Üblicherweise sortiert man die Bankkunden aufsteigend nach ihrer jeweiligen Kennzahl, sodass eine Grenze zwischen den beiden Gruppen gezogen werden kann. Die Auswahl der kritischen Kennzahl erfolgt wiederum mit der Absicht der Trennschärfenoptimierung, d.h. der Bestimmung eines Trennpunktes (kritischer Score), in welchem die Summe der Fehlklassifikationen minimal ausfällt.[14] Dies ist nötig, da die Aussagekraft der Kennzahlen untereinander stark inkonsistent ist: Es existieren Überschneidungsbereiche zwischen den Gruppen, welche zu Fehlklassifikationen und somit falschen Kreditwürdigkeitsurteilen führen können. So kann ein isoliert betrachteter Kunde bei getrennter Untersuchung zweier Kennzahlen einmal positiv und ein anderes Mal negativ in der Kreditwürdigkeit eingestuft werden. Eine beispielhafte dichotome Klassifikation mit derartiger Überschneidung im Bereich der kritischen Kennzahl Kkrit stellt Abbildung 1 dar.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Dichotomische Klassifikation

(Quelle: In Anlehnung an Krause, C., Kreditwürdigkeitsprüfung mit neuronalen Netzen (1993), Abb. 3 S. 16)

Es wird zwischen zwei Fehlklassifikationen unterschieden: Der Fehler erster Art (α-Fehler) charakterisiert den Anteil an insolventen Bankkunden, welche fälschlicherweise als zahlungsfähig klassifiziert wurden. Der Fehler zweiter Art (β-Fehler) kennzeichnet dagegen den Anteil an solventen Bankkunden, welche irrtümlich als nicht zahlungsfähig eingeordnet wurden. Die Optimierung der Trennschärfe geschieht durch das Verschieben der Diskriminanzfunktion, was einer Änderung der α-β-Kombination entspricht. Es kann einerseits fehlerminimierend optimiert werden, andererseits aber auch kostenminimierend. Der α-Fehler ist letztendlich die Ursache für die Ausfallkosten, der β-Fehler für die Opportunitätskosten.[15]

Ein weiterer Nachteil der dichotomischen Klassifikation ist, dass mit der Analyse einer Kennzahl nur ein geringer Teil der erfassten Informationen über den Kunden berücksichtigt wird. Bei Betrachtung einer großen Menge von Kennzahlen wird das Prognoseverfahren jedoch zu komplex.

Der große Vorteil hingegen ist die relativ einfache Durchführung und Nachvollziehbarkeit des Verfahrens sowie die Tatsache, dass die Grundgesamtheit der Kennzahlenwerte in jedweder Verteilungsform vorliegen kann.[16],[17]

3.2 Multivariates Vorgehen

Im multivariaten Vorgehen werden mehrere Bonitätsmerkmale zusammen hinsichtlich ihrer Prognosefähigkeit und –güte betrachtet, darauf folgend findet eine Gewichtung anhand der jeweiligen Prognosequalität der Merkmale statt.[18]

Zu den Verfahren gehören die lineare als auch die quadratische Diskriminanzanalyse, die logistische Regression sowie die Nutzwertanalyse:

3.2.1 Nutzwertanalyse

Entscheidungssysteme, welche auf Basis der Nutzwertanalyse ablaufen, treffen ihre Einteilung in solvente und insolvente Gruppen mittels eines Skalenwerts. Der Skalenwert ergibt sich aus der Bündelung und nummerischen Quantifizierung sämtlicher persönlicher als auch materieller Kundeninformationen. Diese Informationen werden angesichts einzelner Bonitätsmerkmale risikoabhängig bewertet, gewichtet und im Anschluss zusammengefasst. Es findet wieder ein Gegenüberstellung mit einem Trennwert statt, welcher die Grenze von vertretbarem und nicht-vertretbarem Risiko repräsentiert. Die am häufigsten vorkommende Methode im Bereich der Punktebewertungsverfahren ist die sogenannte Punkteaddition: Den Ausprägungen der Bonitätsfaktoren werden anhand von Erfahrungswerten aus der Vergangenheit subjektiv Punkte zugeordnet, anschließend werden diese zum Bonitätsscore zusammengefasst und letztendlich mit dem cut-off score verglichen.

Heutzutage findet die klassische Nutzwertanalyse eher weniger Verwendung in der Bonitätsbeurteilung an sich als vielmehr in der damit zusammenhängenden Kundenwertanalyse zur Klassifizierung von margenstarken und margenschwachen Kundengruppen. Dennoch beruhen viele neue Scoringmodelle auf den Grundlagen der Punktebewertung in Kombination mit weiteren mathematisch-statistischen Verfahren, u.a. auch wegen ihrer nachvollziehbaren Ergebnisentstehung. Nachteilhaft bei der Zusammenfassung zum Bonitätsscore ist die meist schwer zu erfüllende Bedingung, dass die einzelnen Ausprägungen der Faktoren voneinander unabhängig und metrisch skaliert sein müssen.

3.2.2 Lineare Diskriminanzanalyse

Die lineare Diskriminanzanalyse untersucht analog der dichotomen Klassifikation die Trennfähigkeit zweier oder mehrerer Kundengruppen, allerdings werden bei diesem Verfahren mehrere Kennzahlen bzw. Faktoren zugleich betrachtet und durch eine Trennfunktion (Diskriminanzfunktion) zu einer einzigen Variablen zusammengefasst.[19] Die Auswahl der aussagekräftigsten Faktoren erfolgt mit Hilfe heuristischer Methoden anhand eines vorher aufgestellten Kriterienkatalogs.[20] Der bei der Kombination der Merkmalsvariablen auftretende Informationsverlust ist hierbei minimal.

Die allgemeine Form der Diskriminanzfunktion lautet:

Durch eine optimale Schätzung der Diskriminanzkoeffizienten für die zur Linearkombination zusammengeführten Merkmalsvariablen wird der Wert für die nominal skalierte Diskriminanzvariable Y errechnet. Somit wird das Ziel des Verfahrens, nämlich die Einteilung der Grundgesamtheit in möglichst disjunkte Gruppen, erreicht.[21] Die Diskriminanzkoeffizienten ermöglichen eine Interpretation der Gruppenunterschiede. Es erfolgt die Ermittlung eines Diskriminanzwertes Z[22], anhand dessen schließlich die Klassifizierung durchgeführt wird.[23]

Wie bei der univariaten Diskriminanzanalyse treten α-Fehler und β-Fehler auf. Das Verfahren ist relativ einfach durchzuführen und liefert gute Ergebnisse, allerdings müssen die zur Betrachtung herangezogenen Kennzahlen in der Grundgesamtheit eine Normalverteilung (Gaußverteilung) vorweisen. Damit die Bedingung der stochastischen Unabhängigkeit erfüllt ist, muss die Anzahl der Kennzahlen gering gehalten werden. Des Weiteren ist die Analyse „weicher“ (schwer quantifizierbarer) Bonitätsmerkmale aufgrund der komplizierten Transformation in eine metrische Skala nicht ohne Anwendung weiterer mathematisch-statistischer Methoden möglich.[24]

Gegenüber der linearen wird bei der quadratischen Diskriminanzanalyse keine Normalverteilung der betrachteten Faktoren in der Grundgesamtheit vorausgesetzt. Nichtsdestotrotz kommt es bei der Wahl anormal verteilter Faktoren zu ungeeigneten Werten, die wie alle Werte von quadratischen Funktionen wirtschaftlich nicht oder nur schwer zu beurteilen sind.[25]

Aufgrund ihrer Komplexität und dem daraus resultierenden Mangel an Transparenz wird die quadratische Diskriminanzanalyse folglich bis auf wenige Ausnahmen nicht zum Kreditscoring verwendet.

3.2.3 Logistische Regression

Als nichtlineares Verfahren liefert die logistische Regression anhand eines Regressionsansatzes die Wahrscheinlichkeit der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe (im Fall der Bonitätsbeurteilung: solvente und nicht-solvente Kunden) in Abhängigkeit von einem oder mehreren unabhängigen Bonitätsfaktoren (Kovariaten). Des Weiteren kann eine genaue Aussage darüber getroffen werden, anhand welcher Einflussgrößen sich die Gruppen am besten differenzieren lassen.[26]

Abbildung 2 zeigt die allgemeinen Phasen einer logistischen Regression:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Ablauf der logistischen Regression

(Quelle: In Anlehnung an Backhaus, K./Erichson, B./Weiber, R., Multivariate Analysemethoden (2011), S.257)

Im ersten Schritt müssen zunächst die in Frage kommenden Ereignisse der sog. abhängigen Variable definiert werden, z.B. Ereignis y=1: „solvent“ und Ereignis y=0: „insolvent“. Dann werden diejenigen Bonitätsfaktoren (unabhängige Variablen) festgelegt, welche die Eintrittswahrscheinlichkeiten pi für die Ereignisse A und B am genauesten ermitteln und in Form der aggregierten Einflussgröße Z beeinflussen. Anschließend werden Hypothesen über nichtlineare Wirkungsbeziehungen zwischen den unabhängigen und der abhängigen Variablen aufgestellt[27], beispielsweise „Je höher das frei verfügbare Einkommen, desto besser fällt auch das Zahlungsverhalten des Kunden aus“.

Da die abhängige Variable i.d.R. keine binäre Ausprägung besitzt, bedarf es der multinomial-logistischen Regressionsanalyse. Im Gegensatz zur multivariaten linearen Diskriminanzanalyse sind die Voraussetzungen zur Durchführung der logistischen Regression geringer: Die Kovariaten müssen nicht zwingend eine Normalverteilung in der Grundgesamtheit besitzen, ebenso wenig muss die Bedingung der Unkorreliertheit erfüllt sein. Ferner muss kein einheitliches Skalenniveau vorliegen, wobei multinomiale Variablen in mehrere binäre Dummy-Variablen[28] zerlegt werden.

Im zweiten Schritt gilt es, die Parameter der logistischen Regressionsfunktion durch Anwenden der Maximum Likelihood-Methode zu schätzen. Dies geschieht mit der Absicht, die Gewichtung des Einflusses der unabhängigen Variablen auf die abhängige Variable so festzulegen, dass die Wahrscheinlichkeit, bereits vorliegende Ausgangsdaten[29] zu erhalten, maximiert wird.[30]

Das Fehlen von Linearität zwischen den unabhängigen Variablen und den Eintrittswahrscheinlichkeiten ruft ein Interpretationsproblem hervor. Ein Vergleich zwischen den geschätzten Regressionskoeffizienten und folglich deren Kontrolle auf ökonomische Konsistenz[31] ist nicht möglich, ebenso wenig verläuft der Einfluss einer unabhängigen Variable auf ihrer gesamten Ausdehnung stetig: Eine Änderung des frei verfügbaren Einkommens von 1000 GE auf 2000 GE hat beispielsweise einen anderen Effekt auf die Wahrscheinlichkeit, als eine Änderung von 9000 GE auf 10.000 GE, obwohl jeweils ∆x = 1000 GE gilt. Deshalb ist im dritten Schritt eine detaillierte Analyse der Regressionskoeffizienten nötig, um eine Interpretation über die Richtung des Einflusses und das Ausmaß vornehmen zu können. Hierfür betrachtet man das Verhältnis der Eintrittswahrscheinlichkeit zur Gegenwahrscheinlichkeit, welches als Chancenverhältnis (Odd) repräsentiert.[32]

Logarithmiert entsprechen die Odds[33] der aggregierten Einflussgröße Z, diese Linearkombination der unabhängigen Variablen erleichtert letztendlich die Interpretation.

Zusammenfassend gibt Abbildung 3 einen Überblick über die wesentlichen Beziehungen zwischen den Größen der logistischen Regression.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Größen der logistischen Regressionsanalyse

(Quelle: In Anlehnung an Backhaus, K./Erichson, B./Weiber, R., Multivariate Analysemethoden (2011), S. 257)

Anhand diverser Tests wird in den letzten Schritten das entwickelte Modell und dessen Merkmalsvariablen noch mehreren Prüfungen unterzogen, um eine Aussage über die Qualität der Ergebnisse zu treffen.

Im Vergleich zu den linearen Verfahren bedarf es für die Durchführung selbst aber einer erhöhten Rechenleistung[34] aufgrund komplexer iterativer Algorithmen zur Bestimmung der Schätzwerte, jedoch werden dadurch die Probleme wirklichkeitsgetreuer erfasst und genauere Prognosen ermöglicht. Aus diesen Gründen und besonders wegen der allgemein hohen Ergebnisqualität wird diese mathematisch-statistische Methode bei der Entwicklung neuer Scoringverfahren bevorzugt eingesetzt, weshalb die Vorgehensweise bei diesem Verfahren besonders ausführlich behandelt wurde.

[...]


[1] Vgl. Geodeckemeyer, K. H. (2003), S. 252.

[2] Vgl. Mannsmann, U. (2014), S. 1.

[3] Vgl. Gaumert, U. (2006), S. 55.

[4] Vgl. Mannsmann, U. (2014), S. 1.

[5] Vgl. Stiftung Warentest (2010).

[6] Vgl. SCHUFA Holding AG (2007), S. 4.

[7] Vgl. Mettler, A. (1994), S. 15.

[8] Vgl. Everling, O. (2008), S. 64.

[9] Als Maßstab für die Trennschärfe dient der sog. Gini-Koeffizient (statistische Größe).

[10] Zusammenhang zwischen Ausprägung und Ausfallrate.

[11] Ein cut-off score definiert das maximal akzeptable Grenzrisiko, wobei mindestens die Verluste durch Zahlungsausfälle mit Erträgen aus risikoarmen Geschäften ausgeglichen werden sollen (Erfolgsmaximierung des Gesamtporfolios).

[12] Vgl. Müller, J. (1997), S. 41.

[13] Vgl. Häußler, W. M. (1981), S. B79 f.

[14] Vgl. Everling, O. (2008), S. 161.

[15] Vgl. Everling, O. (2008), S. 163.

[16] Vgl. Müller, J. (1997), S. 45 f.

[17] Vgl. Krause, C. (1993), S. 15 ff.

[18] Vgl. Müller, J. (1997), S. 41.

[19] Vgl. Everling, O. (2008), S. 162.

[20] Vgl. Daldrup, A. (2007), S. 164.

[21] Vgl. Müller, J. (1997), S. 54.

[22] Der Diskriminanzwert Z ist definiert als Abstand von der Diskriminanzfunktion Y.

[23] Vgl. Everling, O. (2008), S. 161.

[24] Vgl. Everling, O. (2008), S. 163 ff.

[25] Vgl. Gunther, W. (1998), S. 18.

[26] Vgl. Backhaus, K. (2011), S. 250.

[27] Vgl. Backhaus, K./Erichson, B./Weiber, R. (2011), S. 256 f.

[28] Vgl. Backhaus, K./Erichson, B./Weiber, R. (2011), S. 250 f.

[29] Die Ausgangsdaten dienen der Konfiguration des Systems.

[30] Vgl. Backhaus, K./Erichson, B./Weiber, R. (2011), S. 258 f.

[31] Vgl. Everling, O. (2008), S. 167.

[32] Vgl. Backhaus, K./Erichson, B./Weiber, R. (2011), S. 262 ff.

[33] Logarithmierte Odds werden auch als Logits bezeichnet.

[34] Mit dem heutigen Stand der Technik stellt dies allerdings kein Problem dar.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2014
ISBN (PDF)
9783958207394
ISBN (Paperback)
9783958202399
Dateigröße
879 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Technische Universität Ilmenau
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Schlagworte
Rating Scoring Risikoabsicherung SCHUFA Auskunftei
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