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Mindestkapitalanforderung für ein Kreditportfolio im Rahmen eines stochastischen Modells mit integriertem Markt- und Kreditrisiko

©2013 Masterarbeit 67 Seiten

Zusammenfassung

Nach der Deregulierung der Finanzmärkte und den daraus resultierenden Finanzkrisen hat die Mindestkapitalanforderung durch die verschiedenen Vorschriften des Baseler Ausschusses eine noch zentralere Rolle in der Aufsicht von Banken eingenommen. Diese gesetzliche Verpflichtung für Kreditinstitute besteht darin, eine minimale Kapitalreserve gegenüber Verlusten sogenannter Finanzrisiken (Markt-, Kreditrisiko, systemisches Risiko) zu bilden. Für die Berechnung der Mindestkapitalanforderung werden die verschiedenen Risikoarten im generell separat modelliert und bewertet. Dann werden sie ohne Berücksichtigung der Abhängigkeitsstruktur, die sie miteinander bindet, aggregiert. Dies kann zu einer fehlerhaften Berrechnung der Mindestkapitalanforderung führen, wie sich das bei der letzten Finanzkrise ergeben hat.
Das Ziel dieser Masterarbeit ist die Bewertung von aggregierten Markt- und Kreditrisiken für ein Kreditportfolio in einem stochastischen Modell mit integrierter Betrachtung von Markt- und Kreditrisiken.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis



1. Einleitung
Nach der Deregulierung der Finanzmärkte und den daraus resultierenden Finanzkri-
sen hat die Mindestkapitalanforderung durch die verschiedenen Vorschriften des Baseler
Ausschusses eine noch zentralere Rolle in der Aufsicht von Banken eingenommen. Diese
gesetzliche Verpflichtung für Kreditinstitute besteht darin, eine minimale Kapitalreserve
gegenüber Verlusten sogenannter Finanzrisiken (Markt-, Kreditrisiko, systemisches Risi-
ko) zu bilden. Diese Kapitalreserve hat außerdem eine Garantiefunktion oder Haftungs-
funktion im Liquidationsfall. Da sich bei Banken oder Kreditinstitute die Finanzrisiken
meist in den verschiedenen Portfolios verbergen, über die sie verfügen, ist dieses aufsichts-
rechtliche Kapital an diesen Portfolios orientiert.
Seit Basel II besteht der Mindestkapitalbedarf für ein Kreditportfolio aus drei Kompo-
nenten: Einer Kapitalanforderung für Marktrisiken, einer Kapitalanforderung für Kredi-
trisiken und einer Kapitalanforderung für operationelle Risiken. Der Mindestkapitalbedarf
wird generell wie folgt bestimmt:
· Zunächst werden alle Einzelrisiken für das Kreditportfolio erfasst und den drei oben
genannten Finanzrisiken zugeordnet;
· Dann werden die Risiken gleicher Art in einem entsprechenden und dafür geeigneten
stochastischen Modell aggregiert und bemessen;
· Anschließend werden die Risikokennzahlen aus den drei Risikoarten aggregiert, um
die Mindestkapitalanforderung für das Portfolio zu berechnen.
Wenn man diese Vorgehensweise zur Bestimmung der minimalen Kapitalreserve genau
unter die Lupe nimmt, kann man feststellen, dass Interaktionen oder Zusammenhänge
zwischen den verschiedenen Risikoarten nicht berücksichtigt werden. Dies stellt ein Pro-
blem dar, da alle Risiken neben Portfolio-spezifischen Faktoren auch makroökonomischen
Faktoren beinhalten, die sie dann miteinander binden. Somit könnten die verschiedenen
Risikoarten sich gegenseitig so beeinflussen, dass die Berechnung der Mindestkapitalanfor-
derung mit der oben dargestellten Methode fehlerhaft ausfällt. Genau solche fehlerhaften
Bewertungen sowie ungenauen Risikomessungen von Finanzderivaten haben die letzte
Finanzkrise ausgelöst. Stochastische Modelle, in denen man die Abhängigkeitsstruktur
zwischen den verschiedenen Risikoarten untersuchen kann, können dazu beitragen, die
Bestimmung des Mindestkapitalbedarfs für ein Kreditportfolio zu optimieren.
Das Ziel dieser Masterarbeit ist die Bemessung von aggregierten Markt- und Kreditri-
siken für ein Kreditportfolio in einem stochastischen Modell mit integrierter Betrachtung
1

von Markt- und Kreditrisiken. Angeregt durch den Artikel Interaction on Market
and Credit Risk: An Analysis of Inter-Risk Correlation and Risk Aggregation
[6] betrachten wir hierfür ein Kreditportfolio, das aus n Darlehen indiziert von 1 bis n
besteht. Wir nehmen ferner an, dass die Anzahl der Darlehen mit der Anzahl der Kre-
ditnehmer übereinstimmt. Für die Beschreibung von jeweils Markt- und Kreditrisiken für
dieses Portfolio betrachten wir zwei verschiedenen Faktor-Modelle. Dann werden wir wie
in Definition 2.6 (in [6]) die beiden Faktor-Modelle verknüpfen, um ein Faktor-Modell
mit integriertem Markt- und Kreditrisiko zu erhalten. Wir betrachten dann dieses Modell
als das zugrundeliegende Modell für diese Arbeit. Wir werden ferner annehmen, dass das
vorgegebene Kreditportfolio homogen und perfekt diversifiziert ist. Dann werden wir mit-
tels empirischer Methoden zuerst untersuchen, wie aggregierte Markt- und Kreditrisiken
in diesem Modell verteilt sind. Anschließend werden wir diese mit dem Value at Risk als
Risikomaß approximativ bemessen.
Diese Arbeit ist wie folgt aufgeteilt: In Kapitel 2 werden wir stochastische Modelle für
Markt- oder Kreditrisiken darstellen, dann werden wir in Kapitel 3 die Verteilung aggre-
gierter Markt- und Kreditrisiken untersuchen, um anschließend mit Kapitel 4 die Min-
destkapitalanforderung für das für diese Arbeit vorliegende Kreditportfolio abzuschätzen.
2

2. Stochastische Modelle zur
Betrachtung von Markt- oder
Kreditrisiken
Wir wollen in diesem Kapitel den Hauptrahmen definieren, in dem eine mathemati-
sche Bewertung und Quantifizierung von aggregierten Markt- und Kreditrisiken machbar
sind. Kurz gesagt werden wir hier aggregierte Markt- und Kreditrisiken modellieren. Eine
Motivation hierfür ist durch den Artikel von Klaus Böcker und M. Hillebrand [6] gege-
ben. Daher werden wir zunächst zwei Modelle zur Betrachtung von jeweils aggregierten
Marktrisiken und aggregierten Kreditrisiken separat vorstellen. Dann werden wir ein inte-
griertes Modell zur gemeinsamen Betrachtung von aggregierten Markt- und Kreditrisiken
darstellen.
2.1. Einfaktormodell für aggregierte Kreditrisiken
Um die Modellierung von Kreditrisiken verständlich machen zu können, wollen wir zuerst
ihre Bedeutung für ein Kreditportfolio erläutern.
Definition 2.1 (Kreditrisiko)
Das Kreditrisiko im engeren Sinne umfasst das Ausf allrisiko (Def aultRisk), d.h. das
Risiko, dass der Schuldner eines Kredits nicht in der Lage ist, seinen Zahlungsverpflich-
tungen (beispielsweise Zinszahlungen oder die Rückzahlung des Kreditbetrages) in voll-
ständiger Weise nachzukommen. Das Kreditrisiko im weiteren Sinne umfasst auch das
M igrationsrisiko (CreditM igration). Dieses beinhaltet das Risiko einer Bonitätsver-
schlechterung und damit einer Erhöhung der Ausfallwahrscheinlichkeit.
Bemerkung 2.1
Der Unterschied zwischen diesen beiden Varianten des Kreditrisikos liegt offenbar in der
Behandlung der zeitlichen Aspekte. Das Ausfallrisiko zu einem bestimmten Zeitpunkt t
(etwa heute) bezieht sich auf eine fixierte künftige Periode [t,T ] und wird für diese Periode
als unveränderlich betrachtet. Das Migrationsrisiko berücksichtigt zusätzlich die Gefahr,
3

dass sich das Ausfallrisiko auch während der fixierten künftigen Periode verschlechtern
kann, was seinen Niederschlag etwa in einer entsprechenden Ratingherabstufung findet.
Wir gehen in dieser Arbeit davon aus, dass sich der Ausfall eines Einzelkredits durch
den Zustand der Bonität des Kreditnehmers bei der Fälligkeit erklären lässt. Außerdem
interessieren wir uns in der Modellierung von Kreditrisiken dafür, wie hoch der Port-
folioverlust ist, wenn sich die Bonität eines oder mehrerer Schuldner bei der Fälligkeit
ändert. Genauer gesagt wollen wir in diesem Abschnitt den Kreditportfolioverlust durch
die Bonitätsindikatoren der jeweiligen Kreditnehmer beschreiben.
Formaler Rahmen
Wir wollen hier den formalen Rahmen zur Modellierung von Kreditrisiken darstellen:
Für die Darstellung der aus heutiger Sicht (t = 0) nicht vorhersehbaren Entwicklung
des Marktgeschehens und Kreditgeschäftes betrachten wir einen Wahrscheinlichkeitsraum
(,
A, F, P), der neben der -Algebra A mit einer Filtration F := (F
t
)
t
[0,T ]
ausge-
stattet ist, welche die im Zeitablauf zunehmende Informationsmenge über den Markt
reflektiert. Dabei ist [0,T] die fixierte Handelsperiode (üblicherweise ist T = 1 Jahr). Wir
nehmen ferner an, dass alle Darlehen im Portfolio ihre Fälligkeit in dem Zeitpunkt T > 0
haben und ihre Ausfallwahrscheinlichkeiten bis zu diesem Zeitpunkt konstant bleiben.
Zur Darstellung des potentiellen Portfolioverlustes betrachten wir bei der Fälligkeit für
jeden Einzelkredit nur zwei mögliche Szenarien: Entweder wird die gesamte Kreditsumme
zurückgezahlt (in diesem Fall hat der Kredit überlebt, also gibt es keinen Kreditaus-
fall) oder nicht (d.h. nur ein Teil des Kredits wird zurückerstattet, in dem Fall spricht
man von Kreditausfall). Daher führen wir die Ausfallvariable L
i
für den Individualkredit
i, i
{1, ..., n} ein, die sich durch die Zufallsvariable
L
i
=
1,
falls ein Ausfall für das Darlehen i eintritt
0,
sonst
beschreiben lässt. Wir haben schon oben erwähnt, dass sich der Kreditausfall meist durch
Verschlechterung der Bonität des Kreditnehmers erklären lässt. Wir wollen nun die auf
dieser Aussage basierende Modellierung der Ausfallvariable genauer erläutern. Sei A
i
, i
{1, ..., n} die Zufallsvariable, die die Bonität des Kreditnehmers i beschreibt. Die weitere
Modellvorstellung beruht auf einer Idee von Merton (siehe Merton [13]). Wir nehmen an,
dass der Ausfall des Darlehens i genau dann eintritt, wenn die Bonitätsvariable A
i
eine
gewisse Ausfallschranke D
i
unterschreitet. Das heißt,
Li = 1
A
i
< D
i
.
(2.1)
Daraus ergibt sich die explizite Darstellung der Ausfallsvariablen:
L
i
= 1
{A
i
<D
i
}
, i = 1, ..., n.
(2.2)
Daher wird auch die Ausfallwahrscheinlichkeit des Darlehen i durch p
i
:=
P(L
i
= 1) =
P(A
i
< D
i
) definiert.
4

Definition 2.2 (Portfolioverlust)
Sei e
i
die Ausfallhöhe der vom Kreditnehmer i zu zahlenden Darlehenssumme bei der
Fälligkeit. Die Verlustvariable für das Darlehen i, bezogen auf den Fälligkeitszeitpunkt T ,
wird durch die Zufallsvariable X
i
wie folgt definiert:
X
i
:= e
i
L
i
.
(2.3)
Daher definieren wir den Portfolioverlust (Gesamtverlust des Portfolios) bei der Fälligkeit
durch die Zufallsvariable
X
(n)
:=
n
i
=1
X
i
=
n
i
=1
e
i
L
i
.
(2.4)
Bemerkung 2.2
e
i
ist generell eine Zufallsgröße und ist durch die Gleichung
e
i
= EAD
i
· LGD
i
.
beschreibbar. Dabei bezeichnet EAD
i
(Exposure at Def ault) den für das Darlehen i aus-
fallbedrohten Betrag und ist meist deterministisch. Mit LGD
i
(Lost given Def ault) wird
die Verlustquote bei Eintritt eines Ausfalls des Darlehen i dargestellt. Diese Verlustquote
ist zwar meist eine Zufallsgröße, aber wir nehmen in dieser Arbeit an, dass sie konstant
und gleich 100% für alle Darlehen i, i
{1, ..., n} ist.
Definition 2.3 (Einfaktormodell für aggregierte Kreditrisiken)
Seien Y,
i
, i = 1, ..., n eindimensionale standardnormalverteilte Zufallsvariablen, die
stochastisch unabhängig sind. Sei ferner
[0, 1], dann definieren wir durch
A
i
=
Y +
1
-
i
, i = 1,
· · · , n
(2.5)
ein Einfaktormodell für aggregierte Kreditrisiken.
Bemerkung 2.3
1. Die Variable Y beschreibt hier den systematischen Kreditrisikofaktor, den man bei-
spielsweise als die konjunkturelle Lage interpretieren kann, während
i
, i = 1, ..., n
die kreditnehmerspezifischen (idiosynkratischen) Kreditrisikofaktoren (Gehalt, Be-
rufstätigkeit, ...) beschreiben.
5

2. Die Bonitätsvariablen A
1
, ..., A
n
sind standardnormalverteilt und korrelieren mit-
einander nur durch den systematischen Faktor Y ; es gilt nämlich
Korr(A
i
, A
j
) = Kov(A
i
, A
j
)
= Kov(
Y,
Y )
= .
Außerdem gilt zwischen den Ausfallschranken D
i
und ihren Ausfallwahrscheinlich-
keiten p
i
folgende Beziehung:
D
i
=
-1
(p
i
), i = 1, ..., n,
(2.6)
wobei die Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung bezeichnet.
2.2. Einfaktormodell für aggregierte Marktrisiken
Für die Modellierung von Marktrisiken in einem Kreditportfolio wollen wir zunächst ihre
Bedeutung erläutern.
Definition 2.4 (Marktrisiko)
Unter dem Begriff Marktrisiko eines Kreditportfolios versteht man das Risiko, dass sich
der Wert von Einzelkrediten (hier als Finanzpositionen betrachtet) aufgrund der Markt-
preisveränderung über eine bestimmte Zeitperiode verändert.
Als formaler Rahmen für die Darstellung des Modells betrachten wir den gleichen
Wahrscheinlichkeitsraum (,
A, F, P) und die gleiche Zeitperiode [0, T ] wie bei der
Modellierung von Kreditrisiken. Den absoluten Periodenverlust des Gesamtfinanzposition
im Kreditportfolio auf Marktwertbasis werden wir durch eine Zufallsgröße Z definieren,
deren Verteilung der sogenannten Gewinn/Verlust-Verteilung entspricht (wir betrachten
hier als Verlust die positiven Werte von Z) und durch die Verteilung der aggregierten
(Gewinn/Verlust-) Zufallsvariablen der Einzelfinanzpositionen (Darlehen) im Kreditport-
folio bestimmt wird. Wir nehmen ferner an, dass Z eindimensional standardnormalverteilt
ist und nur von einem systematischen Marktfaktor Y und einem kreditportfoliospezifi-
schen (oder idiosynkratischen) Marktfaktor beeinflusst wird. Dabei sind Y und uni-
variat standardnormalverteilt und stochastisch unabhängig.
Definition 2.5 (Einfaktormodell für aggregierte Marktrisiken)
Seien Y wie in Definition 2.3 und
N(0, 1) eine standardnormalverteilte Zufallsvariable.
Sind Y, stochastisch unabhängig, dann wird durch
Z =
-
Y +
1
-
(2.7)
6

ein Einfaktormodell für aggregierte Marktrisiken (Gewinn/Verlust) definiert. Dabei sind
[0, 1] und R.
Bemerkung 2.4
Es gilt
Var(Z) =
2
.
Außerdem heißt der Anteil der Varianz von Z, der sich durch den systematischen Risi-
kofaktor Y erklären lässt.
2.3. Einfaktormodell für aggregierte Markt- und
Kreditrisiken
Seien (,
A, F, P) der im Abschnitt 2.1 und Abschnitt 2.2 zugrundeliegende Wahr-
scheinlichkeitsraum und die Handelsperiode [0, T ]. Wir betrachten ferner die in den beiden
Abschnitten definierten Modelle und treffen zusätzlich die folgenden Annahmen:
Annahme 2.1
1. Y, ,
i
, i = 1, ..., n seien stochastisch unabhängig.
2. Es gelte
(0,
2
3
),
(0, 1).
Definition 2.6 (Einfaktormodell für aggregierte Markt- und Kreditrisiken)
Seien die Annahmen aus Annahme 2.1 erfüllt. Seien ferner X
(n)
wie in Definition 2.2
und Z wie in Definition 2.5, dann definieren wir durch den Zufallsvektor (X
(n)
, Z) ein
Einfaktormodell zur integrierten Betrachtung von Markt- und Kreditrisiken.
In der Praxis sind die Kreditportfolios meist sehr "groß"(das heißt, sie bestehen aus
einer großen Anzahl von Kreditderivaten). Wenn man die Struktur der Portfolioverlust-
variable genauer betrachtet, kann man feststellen, dass ihre Verteilung unbekannt und
nicht zu beherrschen ist, wenn n wächst. Dies führt dazu, dass man nicht in der Lage ist,
den absoluten Portfolioverlust zu implementieren oder zu berechnen. Darum wird in der
Praxis eher der relative Portfolioverlust abgeschätzt, dessen Anteil am Gesamtexposure
(potentiell maximaler Verlust) des Portfolios prozentual ist. Der relative (prozentuale)
Portfolioverlust wird dann durch die Zufallsvariable
L
(n)
:=
n
i
=1
e
i
n
i
=1
e
i
L
i
=:
X
(n)
n
i
=1
e
i
(2.8)
definiert. Dabei ist
n
i
=1
e
i
die Gesamtdarlehenssumme des Portfolios. Wie beim Portfolio-
verlust ist die tatsächliche (Gewinn/Verlust-) Verteilung nicht bekannt. Deswegen wird
7

diese durch die Verteilung der in Abschnitt 2.2 definierten Zufallsgröße Z approximiert
oder angepasst. Um die Bewertung von aggregierten Markt- und Kreditrisiken einheitlich
zu machen, nehmen wir an, dass die Werte von Z prozentual an der potentiellen höchsten
absoluten Portfoliowertänderung bei Fälligkeit ausgedrückt werden. Wir betrachten dann
im Folgenden den Zufallsvektor (L
(n)
, Z) als das zugrunde liegende Einfaktormodell für
diese Arbeit zur integrierten Betrachtung von Markt- und Kreditrisiken.
8

3. Asymptotische Bewertung
aggregierter Markt- und Kreditrisiken
für ein homogenes Kreditportfolio
Ziel dieses Kapitel ist es, die Verteilung von aggregierten Markt- und Kreditrisiken (d.h
die Verteilung von L
(n)
+Z) des vorgegebenen Kreditportfolios abzuschätzen. Die zentralen
Fragestellungen hierfür sind:
· Wie ist der (prozentuale) Portfolioverlust L
(n)
verteilt, wenn n wächst?
· Welche Abhängigkeitsstruktur besitzen die Zufallsvariablen L
(n)
und Z?
Wir werden in den folgenden Abschnitten beide Fragen beantworten. Anschließend werden
wir die Verteilung von L
(n)
+ Z asymptotisch bewerten.
3.1. Das ARSF-Modell
Wir wollen in diesem Abschnitt die erste Frage, die wir am Anfang des Kapitels gestellt
haben, beantworten. Wie schon erwähnt, ist die Anzahl von Darlehen in einem Kreditport-
folio meist sehr groß. Darum ist es von Bedeutung, dass man die Verteilung von L
(n)
unter-
sucht, wenn n wächst. Mit dem ARSF-Modell (Asymptotic Single Risk F actor M odel),
das von dem Baseler Ausschuss und insbesondere in [7] entworfen wurde, kann uns dies
gelingen.
Im folgenden Unterabschnitt werden wir erst die Grundannahmen für ein ARSF-Modell
angeben. Dann werden wir diese in das dieser Arbeit zugrundeliegende Modell integrieren.
3.1.1. Homogene und perfekt diversifizierte Kreditportfolios
Das ARSF-Modell basiert auf dem Gesetz der großen Zahlen und wird allgemein durch
folgende Grundannahmen gekennzeichnet:
1. Die Portfolios sind perfekt diversifiziert. Das heißt, kein Darlehen in solchen Port-
folios dominiert die übrigen bezüglich des Exposures größenordnungsmäßig.
2. Die Verlustvariablen X
i
, i = 1,
· · · , n der Darlehen seien durch einen einzigen sys-
tematischen Risikofaktor Y korreliert.
9

Nach Bemerkung 2.3,2. gilt die zweite Grundannahme schon für das zugrundeliegende
Modell. Wir nehmen von nun ab an, dass das für diese Arbeit vorgegebene Kreditportfolio
homogen und perfekt diversifiziert ist. Man spricht in der angelsächsischen Literatur von
einem Large Homogeneous P ortf olio (LHP). Das heißt, es gilt
p
i
:= p
und
e
i
:= e
i {1, ..., n},
(3.1)
wobei p
i
und e
i
die Ausfallwahrscheinlichkeit beziehungsweise die Ausfallhöhe des Darle-
hen i kennzeichnen. Dies bedeutet anschaulich, dass alle Darlehen im Portfolio dieselbe
Ausfallwahrscheinlichkeit und Ausfallhöhe (im Fall eines Kreditausfalls) besitzen. Daraus
ergibt sich folgende Anpassung für das zugrundeliegende Modell:
L
(n)
:=
n
i
=1
e
i
n
i
=1
e
i
L
i
=
e
ne
n
i
=1
L
i
=
1
n
n
i
=1
L
i
(3.2)
und L
i
= 1
{A
i
<D
}
, i
{1, ..., n} , wobei D =
-1
(p).
Um das Verhalten der Verteilung von L
(n)
besser darstellen zu können, wenn die An-
zahl n der Darlehen in dem vorliegenden Kreditportfolio wächst, benötigen wir einige
Konvergenzbegriffe, die wir in dem folgenden Unterabschnitt angeben werden.
3.1.2. Konvergenzbegriffe
Definition 3.1
Seien X und X
n
, n
N, reellwertige Zufallsvariablen auf einem Wahrscheinlichkeitsraum
(,
F, P).
· ( Stochastische Konvergenz ). Die Folge X
n
, n
N konvergiert stochastisch
oder in W ahrscheinlichkeit gegen X, wenn
lim
n
P [|X
n
- X| > ] = 0,
für alle
> 0
gilt. Man schreibt dann auch X
n
P
X.
· ( Fast-sichere Konvergenz). X
n
, n
N konvergiert fast sicher (f.s) gegen X,
wenn
P : lim
n
X
n
() = X ()
= 1
gilt. Man schreibt auch X
n
X f.s, oder X
n
X (P).
· (Konvergenz in Verteilung). Für n N sei X
n
eine reellwertige Zufallsvariable
auf einem Wahrscheinlichkeitsraum (
n
,
F
n
,
P
n
). Die Folge X
n
, n
N konvergiert
in Verteilung gegen X, wenn
lim
n
F
X
n
(x) = F
X
(x), für alle Stetigkeitspunkte x
R von F
x
gilt. Man schreibt X
n
d
X.
10

Bezüglich des Zusammenhangs der verschiedenen Konvergenzbegriffe gilt folgende Aus-
sage:
Satz 3.1
Seien X, X
n
, n
N, reelle Zufallsvariablen auf einem Wahrscheinlichkeitsraum
(,
F, P), dann gilt
1. Für die fast-sichere Konvergenz von X
n
gegen X ist die Bedingung
lim
n
P sup
m
n
|X
m
- X| >
= 0
> 0.
notwendig und hinreichend.
2. Konvergiert die Folge (X
n
)
n
N
stochastisch gegen X so gilt: X
n
d
X.
Beweis
Zu 1. siehe 20.6 Lemma in [4] und zu 2. siehe 17.1.7 Satz in [14].
Im folgenden Abschnitt wollen wir die Verteilung des relativen Kreditportfolioverlusts
asymptotisch (wenn n wächst) bewerten.
3.1.3. Portfolioverlustsverteilung
Definition 3.2 (Bernoulli Mischungsmodell)
Seien m, p
N mit p < m und = (
1
, ...,
p
) ein p-dimensionaler Zufallsvektor; ein
Bernoulli-Mischungsmodell ("Bernoulli mixture model" in angelsächsischer Literatur)
wird durch den Zufallsvektor Y = (Y
1
, ..., Y
2
) bezüglich definiert, wenn für alle
R
p
gilt:
1. Es existieren Funktionen ¯
p
i
:
R
p
- [0, 1], 1 i n, mit
P(Y
i
= 1
| = ) = ¯p
i
() und
P(Y
i
= 0
| = ) = 1 - ¯p
i
().
(3.3)
2.
P (Y
1
=
1
,
· · · , Y
n
=
n
| = ) = P (Y
1
=
1
| = )×· · ·×P (Y
n
=
n
| = ) ,
(3.4)
wobei
i
{0, 1}, i = 1, · · · , n.
11

Lemma 3.1
Seien L
i
, i = 1, ..., n die in unserem Modell definierten Kreditausfallsvariablen. Sei ferner
Y der systematische Marktfaktor. Dann wird durch (L
i
)
1in
bezüglich Y ein Bernoulli
Mischungsmodell definiert. Es gilt
P(L
i
= 1
| Y = y) =
-1
(p)
- y
1
-
, i
{1, ..., n}, für alle y R.
(3.5)
Dabei ist die Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung.
Beweis
Seien y
R und P
y
(.) das bedingte Wahrscheinlichkeitsmaß gegeben
{Y = y}
(d.h.
P
y
(.) :=
P(. | Y = y)). Wir wollen zunächst die Funktionen ¯p
i
, i = 1,
· · · , n finden,
so dass
P
y
(L
i
= 1) = ¯
p
i
(y) und
P
y
(L
i
= 0) = 1
- ¯p
i
(y), i = 1,
· · · , n.
Dazu seien
{0, 1} und := (-1)
1-
, es gilt
P
y
(L
i
= )
=
P
y
(A
i
-1
(p)) (A
i
ist stetig verteilt)
= F
(A
i
|Y )
(
-1
(p)
| y)
=
-1
(p)
-
f
(A
i
,Y
)
(x, y)
f
Y
(y)
dx
=
1
f
Y
(y)
-1
(p)
-
1
1
-
f
(
i
,Y
)
x
- y
1
-
, y dx
i
Y
=
-1
(p)
-
f
Y
(y)
f
Y
(y)
1
1
-
f
i
x
- y
1
-
dx
=
-1
(p)
-
1
1
-
f
i
x
- y
1
-
Tsansformationssatz
=
-1(p)-y
1-
-
f
(
i
)
(x)dx
i
N(0,1)
=
(
-1)
1-
-1
(p)
- y
1
-
.
(3.6)
Wegen
1
- (x) = (-x)
x R,
setze ¯
p
i
:= ¯
p, i = 1,
· · · , n, wobei ¯p durch
¯
p :
R (0, 1),
y
¯p(y) :=
-1
(p)
- y
1
-
(3.7)
definiert ist.
12

Für den Nachweis der stochastischen Unabhängigkeit der L
i
, i = 1, ..., n gegeben
{Y = y}, seien
1
, ...,
n
{0, 1}. Wir setzen hier
i
:= (
-1)
1-
i
und D
i
=
i
-1
(p), i =
1, ..., n. Es gilt
P
y
(L
1
=
1
, ..., L
n
=
n
)
=
P
y
(
1
A
1
D
1
, ...,
n
A
n
D
n
)
= F
(
1
A
1
,...,
n
A
n
)|Y
(D
1
, ..., D
n
| y)
=
D
1
-
...
D
n
-
f
(
1
A
1
,...,
n
A
n
,Y
)
(x
1
, ..., x
n
, y)
f
Y
(y)
dx
1
...dx
n
=
D
1
-
...
D
n
-
f
(
1
1
,...,
n
n
,Y
)
x
1
-
1
y
1-
, ...,
x
n
-
n
y
1-
, y
(1
- )
n
2
f
Y
(y)
dx
1
...dx
n
=
D
1
-
f
1
1
x
1
-
1
y
1-
1
-
dx
1
× ... ×
D
n
-
f
n
n
x
n
-
n
y
1-
1
-
dx
n
(Annahme 2.1,1.)
=
1
-1(p)-y
1-
-
f
1
1
(x
1
)dx
1
× ... ×
1
-1(p)-y
1-
-
f
1
n
(x
n
)dx
n
= (
-1)
1-
1
-1
(p)
- y
1
-
× ... × (-1)
1-
n
-1
(p)
- y
1
-
=
P
y
(L
1
=
1
)
× ... × P
y
(L
n
=
n
)
(3.8)
Satz 3.2
Sei ¯
p eine numerische messbare Funktion, die durch
¯
p :
R (0, 1),
y
¯p(y) :=
-1
(p)
- y
1
-
definiert wird. Sei ferner Y der systematische Risikofaktor, dann gilt für die Ausfallsva-
riablen L
i
, i = 1,
· · · , n:
E[L
m
i
| Y ] = E[L
i
| Y ] := E[L
1
| Y ] = ¯p(Y ), i {1, · · · , n} und m N.
(3.9)
Beweis
Seien m
N, i {1, · · · , n}. Nach dem Faktorisierungslemma (siehe Korollar
1.97 in [9]) existiert eine messbare Funktion g
m
:
R - R, so dass
E[L
m
i
| Y ] = g
m
(Y )
(3.10)
mit
E[L
m
i
| Y = y] := g
m
(y), y
R
(3.11)
13

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Erscheinungsjahr
2013
ISBN (PDF)
9783958207523
ISBN (Paperback)
9783958202528
Dateigröße
941 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Duisburg-Essen
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,3
Schlagworte
Abhängigkeitsstruktuktur Faktor-Modelle Value at Risk Basel II Basel III Solvency II
Produktsicherheit
BACHELOR + MASTER Publishing
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Titel: Mindestkapitalanforderung für ein Kreditportfolio im Rahmen eines stochastischen Modells mit integriertem Markt- und Kreditrisiko
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