Nationalsozialistische Leibeserziehung: Eine Analyse der Hintergründe und eine didaktische Aufbereitung für den Geschichtsunterricht
©2013
Examensarbeit
70 Seiten
Zusammenfassung
Im Rahmen dieser Arbeit wird die Bedeutung der schulische Sportunterricht für die Ideologie des Nationalsozialismus untersucht. Aufbauend darauf wird eine Möglichkeit aufgezeigt, das Thema der nationalsozialistischen Leibeserziehung gewinnbringend in den Geschichtsunterricht einer Realschulklasse einzubringen. Als theoretische Grundlage wird das Sportverständnis Hitlers sowie einiger maßgeblicher Pädagogen dargelegt. Zudem wird ein Überblick über die vier Grundprinzipien der nationalsozialistischen Weltanschauung gegeben, welche sich in den theoretischen Zielsetzungen und der Umsetzung der Leibeserziehung wiederfinden. Auch Hitlers persönliche schulerzieherische Erfahrungen werden miteinbezogen und anschließend die tatsächlich realisierten Änderungen des Schulsystems vorgestellt.
Im didaktischen Teil werden Anregungen formuliert, in welcher Form und mit welchen Zielen die schulische Leibeserziehung als bedeutsames Element des Nationalsozialismus in den Geschichtsunterricht eingebracht werden kann. Der Film „Napola. Elite für den Führer“ dient hierbei als Hauptmedium und die Zielsetzungen ergeben sich aus den Kompetenzbestimmungen des Bildungsplans Baden-Württembergs für Realschüler.
Im didaktischen Teil werden Anregungen formuliert, in welcher Form und mit welchen Zielen die schulische Leibeserziehung als bedeutsames Element des Nationalsozialismus in den Geschichtsunterricht eingebracht werden kann. Der Film „Napola. Elite für den Führer“ dient hierbei als Hauptmedium und die Zielsetzungen ergeben sich aus den Kompetenzbestimmungen des Bildungsplans Baden-Württembergs für Realschüler.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
4
Nachfolgend wird ein Überblick über die vier Grundprinzipien der nationalsozialistischen
Weltanschauung gegeben. Sie werden sich sowohl in den theoretischen Zielsetzungen als
auch in der Umsetzung der Leibeserziehung immer wiederfinden, da sie einen Teil der
Basis für jene bilden. Neben diesen Prinzipien ist jedoch auch die Erziehungsvorstellung
Hitlers von großer Bedeutung. Darum werden anschließend zum einen seine persönlichen
schulerzieherischen Erfahrungen und zum anderen seine konkreten
Erziehungsvorstellungen beleuchtet, die er in seiner Propagandaschrift ,,Mein Kampf"
äußert. Diese waren im Nationalsozialismus nicht nur für die allgemeine Umstrukturierung
des Schulwesens, sondern auch für die Erarbeitung neuer leibeserzieherischer Richtlinien
maßgeblich verantwortlich. Hitler war jedoch nicht der einzige, der sich in vielerlei
Hinsicht für eine Reform der Leibeserziehung aussprach. Auch Sportpädagogen wie
Altrock, Baeumler und Stünzner favorisieren in ihren Texten ähnliche Veränderungen.
Aufbauend auf den zuvor erläuterten Theorien zur neuen Leibeserziehung werden die
konkreten Zielsetzungen thematisiert, die das Reichserziehungsministerium (REM) 1937
und 1941 für die Leibeserziehung der Jungen und Mädchen an Schulen erließ. Da die
Zielsetzungen in den Richtlinien aber nur sehr oberflächlich benannt sind, werden sie
jeweils durch die Angaben vertieft, welche die bereits angesprochenen Sportpädagogen zu
ihnen äußern. Aus ihren Aussagen wird deutlich, dass sich die Grundprinzipien der
nationalsozialistischen Ideologie nicht nur in den leibeserzieherischen Übungen
widerspiegeln, sondern dass sie durch das im Sport Gelernte und Erfahrene auch langfristig
Bestand haben sollen.
Im Anschluss an diese theoretische Grundlage werden die realisierten Auswirkungen der
Machtübernahme auf das Schulsystem vorgestellt. Dabei wird anfänglich kurz die
allgemeine Veränderung des Schulwesens skizziert. Denn nur durch Eingriffe wie
beispielsweise die Umgestaltung des Stundenplans war es möglich, auch den Forderungen
bezüglich des Sportunterrichts angemessen gerecht zu werden. Der Weg zu einem
größeren Pensum an Sportunterricht führte über die Einführung einer dritten und
letztendlich einer fünften Turnstunde. Diese dürfen jedoch nicht nur als eine Erweiterung
der Leibeserziehung angesehen werden, sondern insbesondere die fünfte Turnstunde hat
eine weitaus größere Bedeutung, wenn es darum geht, inwiefern das nationalsozialistische
Regime Einfluss auf das Leben der Bevölkerung ausübte. Denn durch sie wurde die
Leibesertüchtigung gänzlich der persönlichen Entscheidungsgewalt entzogen und dem
Staat unterstellt.
5
Um Theorie und Umsetzung transparenter und somit greifbar zu machen, wird zudem die
individuelle Bedeutung des Turnens sowie des Sports behandelt. Während sich die
generelle Bedeutsamkeit des Turnens aus seinen Ursprüngen im 19. Jahrhundert herleiten
lässt, muss beim Sportunterricht jede Sportart für sich untersucht werden. Als Beispiele
wurden das Boxen und der Geländesport ausgewählt, da speziell das Boxen von Hitler in
seiner Schrift ,,Mein Kampf" gesondert hervorgehoben wird und genau jene Sportart ist,
die auch in der Filmanalyse des didaktischen Teils dieser Arbeit relevant ist. Der
Geländesport hingegen stellt eine sportliche Betätigung dar, die sich nicht explizit in den
Richtlinien des Reichserziehungsministeriums wiederfindet, aber dennoch von Pädagogen
wie Momsen und Zimmermann als wichtige leibeserzieherische Einheit hervorgehoben
wird. Beide Sportarten sind ausschließlich den Jungen vorbehalten, da Mädchen sich
primär der Gymnastik oder turnerischen Übungen widmen sollten.
Nachdem die Bedeutung des schulischen Sportunterrichts für die Ideologie des
Nationalsozialismus herausgearbeitet wurde, schließt sich der didaktische Teil dieser
Arbeit an. In ihm werden Überlegungen formuliert, in welcher Form und mit welchen
Zielen die schulische Leibeserziehung als bedeutsames Element des Nationalsozialismus in
den Unterricht eingebracht werden kann. Hierbei handelt es sich lediglich um eine Option
der Umsetzung, jedoch nicht um eine Musterlösung. Der schulische Sportunterricht ist kein
typischer Inhalt für eine Unterrichtssequenz über den Nationalsozialismus, darum wird
zuerst begründet, wieso er dennoch lehrreich im Geschichtsunterricht eingesetzt werden
kann. Darüber hinaus wird der Film ,,Napola. Elite für den Führer" als Hauptmedium der
festgelegt. Aus dieser Entscheidung resultiert die anschließende Einführung in die Theorie
ausgewählter Bereiche der Filmanalyse, die auch für die beschriebenen
Unterrichtsüberlegungen relevant sind. Anhand dieser theoretischen Basis werden im
Anschluss fünf bestimmte Filmsequenzen analysiert. Diese thematisieren die
Leibeserziehung im Nationalsozialismus am Beispiel eines Heranwachsenden, der als
Schüler einer Nationalpolitischen Lehranstalt, kurz Napola, durch intensives Boxtraining
und Kämpfe seinen Charakter so verändert, dass er letztendlich in vielen Wesenszügen
genau dem Idel der Nationalsozialisten entspricht. Bei der durchgeführten Filmanalyse
werden ausschließlich die Handlungsstruktur, die Figurencharakterisierung und die Musik
beziehungsweise Geräuschkulisse der Sequenzen untersucht da Aspekte wie
Kameraführung, Licht- oder Farbgestaltung keine tragende Funktion für das Erfassen und
Verständnis der Intention darstellen. Auch die Ziele der nachfolgend beschriebenen
6
Unterrichtsumsetzung können ohne die Analyse jedes Teilbereichs der Sequenzen erreicht
werden. Die Zielsetzungen ergeben sich aus den Kompetenzbestimmungen, die der
Bildungsplan Baden-Württembergs für Realschüler vorsieht. An ihnen orientiert sich die
vorgestellte methodische Umsetzung der Filmanalyse mit der Thematik der
nationalsozialistischen Leibeserziehung im Geschichtsunterricht.
Forschungsstand
Während es zu der Thematik des Holocaust oder auch des Zweiten Weltkriegs eine große
Bandbreite an Literatur gibt, die sich damit auseinandersetzt, ist die Anzahl der
Untersuchungen der Leibeserziehung des Dritten Reichs aus postnationalsozialistischer
Perspektive eher begrenzt. Als Hauptansatzpunkt für diese Arbeit dienen darum die
wissenschaftlich fundierten Veröffentlichungen des Sporthistorikers Hajo Bernett. Der
Schwerpunkt seiner Arbeiten liegt auf der Darstellung der Leibeserziehung als staatliches
Instrument. Er vermittelt dabei die Ansicht, dass der Sport nicht mehr von der
Durchsetzung politischer Ziele zu trennen gewesen sei. Darüber hinaus widmet er sich der
Beurteilung der damals vollzogenen leibeserzieherischen Veränderungen sowie der
Untersuchung ihrer Hintergründe. Hierbei beruft er sich unter anderem auf die
erziehungstheoretischen Aussagen und Forderungen des nationalsozialistischen Pädagogen
Alfred Baeumlers.
Um den Wandel der Leibeserziehung jedoch nicht isoliert, sondern in seinem schulischen
Kontext betrachten zu können, wird in dieser Arbeit auch auf die Erkenntnisse der
Pädagogin Elke Nyssen verwiesen. Sie analysiert die Verknüpfungen zwischen der
nationalsozialistischen Ideologie und der Umstrukturierung des Schulwesens inklusive des
Sportunterrichts. Durch ihre Definition der vier ideologischen Prinzipien des
Nationalsozialismus ist es möglich, konkrete Bestandteile dieser Weltanschauung zu
benennen und auch in den Zielsetzungen der Leibeserziehung klaren Bezug darauf zu
nehmen.
Im Gegensatz zu der historischen Thematik selbst gibt es viele Autoren, die sich mit der
didaktischen Umsetzung des Dritten Reichs im Geschichtsunterricht auseinandersetzen. Da
die didaktischen Überlegungen sich im Rahmen dieser Arbeit auf die Analyse bestimmter
Filmsequenzen konzentrieren, wurde als Grundlage der Analyse selbst die Literatur des
angesehenen Medienwissenschaftlers Werner Faulstich ausgewählt. Seine Kenntnisse
werden durch die Theorien Rongstocks und Schröters ergänzt, welche sich beide mit der
7
konkreten Verwendung von Filmanalysen im Geschichtsunterricht auseinandersetzen. Auf
ihren Aussagen beruhen letztlich die dargelegten Überlegungen.
2. Begriffsklärung: Sport
Zur Zeit des Nationalsozialismus versuchten einige Pädagogen, den Begriff des Sports
genauer zu definieren. Während lange Zeit immer allgemein von schulischem
Sportunterricht gesprochen wurde, wurde diese Bezeichnung unter Hitlers Herrschaft
kritischer betrachtet. Denn ,,Sportunterricht" als allgemeine Bezeichnung für die
Leibeserziehung der Jugend wurde dem Konzept der damals erwünschten körperlichen
Erziehung ihrer Ansicht nach nur teilweise gerecht.
Laut Aussage des damaligen Reichsdietwartes
2
Münch sei Sport zu einem Begriff
verkommen, der in vielen alltäglichen Situationen benutzt werde, mit denen er nichts zu
tun habe, wie etwa der Sport eines Casanovas, Frauen zu erobern. Und auch wenn es sich
um körperliche Tätigkeiten handle, so repräsentiere Sport nur die einseitige, in sich
geschlossene Ausbildung eines Menschen in einem bestimmten Bereich, in dem er
messbare Höchstleistungen erzielen wolle. Im Gegensatz dazu verstehe man unter
Leibesübungen eine ganzheitliche Ausbildung der körperlichen und auch charakterlichen
Fähigkeiten.
3
Auch Malitz kontrastiert Sport von Leibesübungen; er sieht sie jedoch nicht als
unvereinbare Gegensätze an, sondern er betrachtet Sport als etwas, das aus Leibesübungen
resultieren solle. Seiner Ansicht nach zeichne sich Sport dadurch aus, dass er Kampfgeist
besitze und das leidenschaftliche Begehren, sowohl über seinen Gegner als auch über sich
selbst zu siegen. Leibesübungen hingegen seien geplant betriebene Übungen des Körpers
mit dem Ziel einer ganzheitlichen Körperausbildung. Erst dann, wenn diese
vorangeschritten und die Muskelpartien des Menschen gleichmäßig ausgebildet seien,
könne durch sportliche Übungen auf einen Kampf hingearbeitet werden. Somit sei eine
ganz normale Wanderung als körperbildende Leibesübung anzusehen, während bei
Wettmärschen der Sieg und damit auch der Kampfgeist im Fokus stehe.
4
Der begriffliche
Unterschied liegt somit in der Einstellung, mit der eine Übung ausgeführt wird und nicht in
der Übung selbst.
2
Zum Aufgabenbereich des Reichsdietwartes gehörte es, eine ideologisch geprägte Leibeserziehung zu
gewährleisten
3
Vgl. Münch 1935, S. 83
4
Vgl. Malitz 1934, S. 12 - 19
8
Da diese konsequente Differenzierung Malitz` in der Mehrzahl der nationalsozialistischen
Schriften über Leibeserziehung jedoch nicht eingehalten, sondern Sport meistens als
Überbegriff für leibeserzieherische Übungen verwendet wird, soll auch im Rahmen dieser
Ausarbeitung nicht ausschließlich die Bedeutung der kämpferischen Leibesübungen,
sondern die Gesamtheit der leibeserzieherischen Übungen hinsichtlich ihrer ideologischen
Bedeutung untersucht werden.
3. Die nationalsozialistische Weltanschauung als Grundlage
der Erziehung im Dritten Reich
Die Zeit des Nationalsozialismus war geprägt durch eine individuelle Art der
Weltanschauung, die nicht zuletzt maßgeblich durch die Propagandaschrift Hitlers, Mein
Kampf, beeinflusst wurde. Obwohl der Inhalt dieser Schrift keineswegs auf eine eindeutige
Struktur der nationalsozialistischen Weltanschauung rückschließen lässt, wird nachfolgend
der Versuch unternommen, jene charakteristischen ideologischen Grundsätze näher zu
beleuchten, welche auch bezüglich der Ideologievermittlung im damaligen Schulsystem
relevant waren. Die Beschreibung dieser Prinzipien beschränkt sich in diesem Fall auf jene
Aspekte, die dem besseren Verständnis der Hauptthematik dienlich sind. Hierbei wird sich
bei den Bezeichnungen der vier Grundprinzipien an den Begrifflichkeiten orientiert,
welche 1979 von Elke Nyssen herausgearbeitet wurden. Gemäß ihrer Aussage zählen die
von ihr benannten Prinzipien zu ,,den obersten Erziehungszielen der Schule"
5
.
3.1 Der nationalsozialistische Rassebegriff
Den Kern der nationalsozialistischen Weltanschauung bildet der Rassegedanke.
Hierbei unterscheidet Hitler in Mein Kampf zwischen drei Arten der Menschheit:
,,Kulturbegründer, Kulturträger und Kulturzerstörer"
6
. Als Kulturbegründer und
Kulturträger sieht er die Arier, welche von ihm auch als ,,geniale Rasse"
7
bezeichnet
werden ihnen gegenüber steht das jüdische Volk, welches, von Hitler dem Marxismus
zugeordnet, dem Zerstörer der Kultur entspreche
8
. Die Juden hätten demnach nicht nur
versucht, durch die Verunreinigung des Blutes und die Vermehrung ihrer Art, die arische
5
Nyssen 1979, S. 20
6
Hitler 1943, S. 318
7
Ebd., S. 321
8
Ebd., S. 69 f.
9
Rasse zu vernichten, sondern sie hätten zudem eine dem Nationalsozialismus
oppositionelle politische Haltung vertreten.
Den Ursprung dieser deutschen, arischen Rasse stellte damals die nordische Rasse der
Germanen dar. Denn sowohl ihre körperliche Gestalt als auch viele ihrer Wesenszüge
waren für die Ziele der nationalsozialistischen Führung erstrebenswert.
9
Doch Hitler
begründet nicht nur das rassische Körper- und Charakterideal durch geschichtliche
Überlieferungen, sondern er versucht auch, das Verhalten der Nationalsozialisten
gegenüber anderen Völkern in einem weltgeschichtlichen Kontext zu rechtfertigen: ,,Alles
weltgeschichtliche Geschehen ist aber nur die Äußerung des Selbsterhaltungstriebes der
Rassen im guten oder schlechten Sinne"
10
. Es sei somit keine Besonderheit, wenn die
arische Rasse versuche, ,,die scharfe Scheidewand zwischen Herr und Knecht"
11
wieder
aufzurichten, ganz gleich ob durch Unterdrückung anderer Völker oder auch durch die
Realisierung rassenhygienischer Eingriffe
12
.
Dieses rassistische Gedankengut sollte nicht nur vom deutschen Volk verinnerlicht,
sondern speziell der Jugend regelrecht eingetrichtert werden:
,,Die gesamte Bildungs- und Erziehungsarbeit des völkischen Staates muß ihre Krönung
darin finden, daß sie den Rassesinn und das Rassegefühl instinkt- und verstandesmäßig in
Herz und Gehirn der ihr anvertrauten Jugend hineinbrennt."
13
Dies war wichtig, denn nur durch eine frühe Prägung der Jugend hinsichtlich dieser
Thematik, konnte erwartet werden, dass die Heranwachsenden letztendlich im
Erwachsenenalter dazu bereit waren, für die kriegerischen und menschenverachtenden
Ziele der Nationalsozialisten einzustehen und alles dafür zu opfern.
3.2 Das nationalsozialistische Eliteprinzip
Basierend auf der soeben skizzierten Theorie, dass der Arier anderen Völkern und Rassen
überlegen gewesen sei, entstand zudem die Auffassung, dass es auch hierarchische
Unterschiede zwischen einzelnen ,,Volksgenossen" geben müsse.
14
Auch diese Idee wurde
von Hitler selbst angestoßen: ,,E i n e W e l t a n s c h a u u n g , d i e s i c h
b e s t r e b t , u n t e r A b l e h n u n g d e s d e m o k r a t i s c h e n
9
Vgl. Münch 1935, S. 76
10
Hitler 1943, S. 324
11
Ebd., S. 324
12
Vgl. ebd., S. 446 - 448
13
Ebd., S. 475
14
Vgl. Nyssen 1979, S. 23
10
M a s s e n g e d a n k e n s , d e m b e s t e n V o l k , a l s o d e n h ö c h s t e n
M e n s c h e n , d i e s e E r d e z u g e b e n , m u ß l o g i s c h e r w e i s e
a u c h i n n e r h a l b d i e s e s V o l k e s w i e d e r d e m g l e i c h e n
a r i s t o k r a t i s c h e n P r i n z i p g e h o r c h e n u n d d e n b e s t e n
K ö p f e n d i e F ü h r u n g u n d d e n h ö c h s t e n E i n f l u ß i m
b e t r e f f e n d e n V o l k s i c h e r n . "
15
Aus der Überzeugung, es existiere eine elitäre Gruppe im Volk, erwuchs zudem die
Ablehnung demokratischen Staatsformen, da die Regierenden in einem derartigen Staat
sich bei ihren Entscheidungen sonst an der Meinung der breiten Bevölkerung orientieren
müssten. Dies war bei einer solchen Unterteilung der Bevölkerung nur schwerlich möglich,
da die meisten Menschen aufgrund ihrer Stellung innerhalb der Gesellschaft als unfähig
angesehen wurden, die entsprechenden Entscheidungen zu fällen. Hitler selbst bezeichnet
die deutsche Bevölkerung als ,,ebenso schwankenden wie zu Zweifel und Unsicherheit
geneigten Menschenkinder"
16
, welche keineswegs zur Führung eines Staates geeignet
seien.
Das Prinzip einer führenden Elite zeigt sich jedoch nicht nur in der allgemeinen
Organisation der deutschen Bevölkerung, sondern auch das Schulwesen blieb von diesem
Elitegedanken nicht unberührt. Durch die Errichtung von sogenannten Eliteschulen sollte
bereits im Kindes- und Jugendalter eine Auslese der Schüler nach festgelegten Kriterien
vorgenommen werden. Zu solchen Eliteschulen zählen unter anderem Nationalpolitische
Erziehungsanstalten, auch Napolas genannt, und Ordensburgen.
17
Doch auch unabhängig
von den Eliteschulen sollten im gewöhnlichen Volksschulwesen und speziell in der
Leibeserziehung elitäre Gruppen und Führungspersonen herangezüchtet werden.
3.3 Das nationalsozialistische Führer- Gefolgschaftsprinzip
In den Ausführungen des Eliteprinzips zeigt sich die nationalsozialistische Absicht, aus
den elitären Kreisen Personen zu benennen, denen mehr Macht zuteil wird als dem Volk.
Nyssen bezeichnet dieses Prinzip als ,,entscheidendes sowohl ideologisches als auch
organisatorisches Moment der nationalsozialistischen `Weltanschauung` "
18
, denn nach
15
Hitler 1943, S. 493
16
Ebd., S. 200
17
Vgl. Nyssen 1979, S. 24
18
Ebd., S. 24
11
Ansicht vieler Bürger drehte sich alles um den Führer: ,,Im Führer steckt notwendig das
Schöpferische, im Führer vollzieht sich die Krise, entscheidet sich das Werden[...] er
bricht verbrauchte Norm und schafft neue Norm".
19
Letztendlich ging es hierbei schlichtweg um die kritiklose Unterordnung eines Menschen
unter den Willen eines Vorgesetzten. Die Bevölkerung sollte als Gefolgschaft aufhören,
Entscheidungen und Befehle zu hinterfragen, sondern ihnen einfach Folge leisten.
20
Hitler selbst beschreibt die Rolle eines Führers wie folgt: ,,Wer Führer sein will, trägt bei
höchster unumschränkter Autorität auch die letzte und schwerste Verantwortung".
21
Diese
Sichtweise deckt sich mit der Kritik, die Momsen an den damaligen politischen Zuständen
äußert. Seiner Ansicht nach sei es nicht möglich, einen Staat richtig zu führen, wenn alle
Entscheidungen von einer anonymen Masse getroffen würden, da diese bei einer
Fehlentscheidung nie zur Rechenschaft gezogen werden könne.
22
Doch auch, wenn ein
Führer über jegliche Entscheidungsgewalt verfüge, so sei ,,Der Führer [.] nichts ohne die
Gefolgschaft, vor der er bahnbrechend herschreitet [...] er verkörpert ihren Willen"
23
.
Hitler schaffte es, dass die Mehrheit der Bevölkerung ihm nicht nur mehrheitlich blind
folgte, sondern auch dass sich ein Großteil der Nation durch den Hitlergruß sogar
öffentlich und jederzeit zu ihm als ihren allgegenwärtigen Herrscher bekannte.
Diese Orientierung an einer Führungsperson fand jedoch nicht nur auf der nationalen
Ebene, sondern auch in vielen weiteren Lebensbereichen statt. Betrachtet man das
Schulwesen der damaligen Zeit, stellt man fest, dass dieses Prinzip sich durch die gesamte
schulische Hierarchie zog sei es das Verhältnis zwischen Lehrer und Schulleiter oder
auch das zwischen Lehrer und Schüler. Jeweils wurde widerstandsloser Gehorsam von
dem Untergebenen gefordert.
3.4 Die nationalsozialistische Volksgemeinschaftsideologie
Das Prinzip der Volksgemeinschaftsideologie widerspricht auf den ersten Blick den soeben
erläuterten, das Volk unterteilenden Prinzipien, denn in der Volksgemeinschaft wurde den
Menschen das Gefühl vermittelt, dass die Unterschiede der Klassengesellschaft der
19
Momsen 1935, S. 15
20
Vgl. Nyssen 1979, S. 25
21
Hitler 1943, S. 379
22
Vgl. Momsen 1935, S. 15
23
Ebd., S. 15
12
Weimarer Republik überwunden gewesen seien. Alle Mitglieder dieser Volksgemeinschaft
sollten das Bewusstsein in sich tragen, einer elitären Rasse und somit einem höherwertigen
Volk anzugehören ganz gleich, ob es sich bei ihnen um einen einfachen Arbeiter oder
auch um einen reichen Unternehmer handelte.
24
Die hierarchischen Unterschiede innerhalb
dieser elitären Rasse selbst wurden dabei für die Bevölkerung gänzlich ausgeblendet, denn
auch wenn ein Mensch zwar wenig gebildet, aber dennoch körperlich gesund war und über
einen im nationalsozialistischen Sinn guten Charakter verfügte, sollte er als angesehenes
Glied der Gesellschaft betrachtet werden. Hitler ging sogar so weit, den körperlich
Ausgebildeten mehr Achtung entgegen zu bringen, als jenen, die lediglich über eine
wissenschaftliche Bildung verfügten.
25
Laut der Aussage Nyssens sei die Arbeit der
Menschen ideell gesehen gleichwertig gewesen, solange sie sich mit Engagement in die
Gesellschaft einbrachten. Materiell betrachtet sei die Leistung jedoch anhand ihres Nutzens
für das Volksganze bewertet worden.
26
Nichtsdestotrotz war es keineswegs so, dass die Differenzen zwischen den einzelnen
Gesellschaftsschichten überwunden gewesen wären: ,,Der Grundpfeiler der
nationalsozialistischen Weltanschauung ist die Erkenntnis von der Ungleichheit der
Menschen"
27
. Dies zeigt sich wiederum im parallel dazu existierenden Führer-
Gefolgschafts- und dem Eliteprinzip, denn wenn alle Menschen des Volkes gleichwertig
gewesen wären, so hätte diese Unterteilung nie stattfinden können. Nur durch diese interne
Unterscheidung der einzelnen Glieder eines Volkes war es möglich, viele Individuen zu
unterdrücken und sie dazu zu bringen, sowohl einem elitären Kreis als auch Adolf Hitler
als Führer mit Treue, Unterordnung, Opfersinn und Verschwiegenheit zu unterstehen und
die angeordneten Befehle kritiklos durchzuführen.
28
Vergleichbares zeigte sich auch im Schulwesen. Obwohl die Volksschule der damaligen
Zeit ihrem Namen nach den Eindruck vermittelte, dass sie für das gesamte Volk
zugänglich und gleichermaßen zielführend gewesen wäre, gab es auch in ihr noch nicht für
jeden Schüler dasselbe Recht, den gleichen Beruf erlernen, sondern es wurde immer noch
selektiert und damit die Unterschiede der Schichtenzugehörigkeit aufrecht erhalten. Um
diesen Missstand der sozialen Ungleichheit zu kaschieren, sollte darum zumindest
24
Vgl. Nyssen 1979, S. 26
25
Vgl. Hitler 1943, S. 452
26
Nyssen 1979, S. 26
27
Brennecke 1937, S. 9
28
Vgl. Hitler 1943, S. 470 - 724
13
inhaltlich den Schülern das Gefühl gegeben werden, dass sie dieselben Chancen im Leben
hätten.
29
Elke Nyssen fasst dieses Phänomen der Individualität unter vermeintlich Gleichen mit den
folgenden Worten zusammen: ,,Mit Volksgemeinschaft ist [.] nicht die Gleichheit aller
Deutschen gemeint, sondern lediglich die Gemeinsamkeit gegenüber anderen Völkern"
30
.
4. Erziehung im Nationalsozialismus
,,Im nationalsozialistischen Staat reckt sich das große Ziel empor, Menschen zu erziehen,
die mit sittlicher, rassischer, ethischer und charakterlicher Vollwertigkeit Deutsche
sind."
31
So äußert sich Hans Schemm, der damalige Gauleiter und Leiter der kulturellen und
erzieherischen Angelegenheiten Bayerns, im Jahre 1934 zum Sinn der Erziehung in dem
nationalsozialistischen Staat. Der Erziehung, die den Schülern in den kommenden Jahren
zu Teil werden sollte, waren klare Ziele zugeordnet. Diese sollten in jedem Fall erreicht
werden, ganz gleich, welche Veränderungen dafür unternommen werden mussten.
Neben eigens zu nationalsozialistisch- erzieherischen Zwecken gegründeten
Organisationen wie der Hitlerjugend oder dem Bund Deutscher Mädel sollte die
Umerziehung der gegenwärtigen Generation auch in der Schule geschehen. Diese sollte
jedoch nicht gleich durch eine Schulreform vorangetrieben werden, sondern zunächst war
es der Führungsspitze wichtig, dass sowohl Schule als auch Schüler durch kleine
Veränderungen in ihrer Loyalität gegenüber dem nationalsozialistischen Regime gefestigt
wurden.
32
Welche Zielsetzungen diese im nationalsozialistischen Sinne geprägte Schule
erfüllen sollte, geht vor allem aus Hitlers Propagandaschrift hervor, deren erster Teil
bereits im Jahr 1924 veröffentlicht wurde. In ihr behandelt er die positiven und negativen
Erfahrungen, die er in seiner eigenen Schulzeit machte. Aus ihnen gehen die erzieherischen
Schwerpunkte hervor, die er im zweiten Teil von Mein Kampf formuliert, wobei es sich
dabei noch nicht um ein ,,systematisches, in sich logisches Erziehungskonzept"
33
handelt.
29
Vgl. Nyssen 1979, S. 28
30
Nyssen 1979, S. 27
31
Schemm 1934, S. 105
32
Vgl. Scholz, H. 1980, S.33f.
33
Heymen et al. 1989, S. 164
14
4.1 Hitlers Schulzeit als Auslöser seiner erzieherischen Ideen
Hitlers Vorstellungen von der idealen Erziehung der Jugend wurden nicht unwesentlich
von seiner eigenen Erziehung und Schullaufbahn beeinflusst. Den Aussagen, die er in
seiner Programmschrift Mein Kampf über seine eigene Schulzeit äußert, lässt sich
entnehmen, dass er bereits im Jugendalter eine klare Meinung darüber vertreten hat,
welche Schulfächer für sein weiteres Leben relevant und welche Kenntnisse unwichtig
waren. Bemerkenswerter Weise wird der Sportunterricht bei der Beschreibung seiner
jugendlichen Schulerfahrungen mit keinem Wort erwähnt, obwohl die Leibeserziehung
später einen wesentlichen Aspekt seiner erzieherischen Forderungen darstellte.
Stattdessen benennt er insbesondere die Defizite, die es seiner Ansicht nach im Bereich des
Geschichtsunterrichts gegeben habe. Diese seien den Lehrern geschuldet, da es ihnen an
den Fähigkeiten mangele, den Fokus auf die weltgeschichtlichen Zusammenhänge zu
lenken, und sie hingegen überwiegend stupide Fakten abfragten.
34
Diese negative Einstellung dem Lehrkörper gegenüber zeigt sich erneut bei einem
Tischgespräch im Führerhauptquartier am 12. April 1942 , als Hitler feststellte, dass Lehrer
unfähig seien, den Lebenskampf zu bestreiten, da sie nicht aus eigener Kraft schöpferisch
aktiv werden könnten. Aufgrund dieser fehlenden Persönlichkeit sei jeder deutsche
Feldwebel nach seiner Ausbildung und Dienstzeit geeigneter, die Erziehung der Jugend zu
übernehmen. Hierdurch verschwimmt die Grenze zwischen militärischer und schulischer
beziehungsweise kindlicher Erziehung. Indem er einen Militär einem Pädagogen vorzieht,
wird unter anderem deutlich, dass für Hitler auch Aspekte wie Drill, Zucht sowie die
körperliche und psychische Belastung von Kindern und Jugendlichen eine wichtige Facette
von Erziehung darstellte. Dies unterscheidet ihn maßgeblich von den Ansichten der
Reformpädagogen, welche bis dahin versuchten, das Wesen der Schulpädagogik zu
prägen.
35
Während der Reformpädagoge Herman Nohl 1935 das Recht eines jeden Menschen auf
eine individuelle Entwicklung betonte, sah Hitler ein ,,Erwachen all der individuellen
Instinkte"
36
als eine Gefahr an, welche lediglich durch ,,gemeinsame Erziehung,
gemeinsame Tradition, gemeinsame Interessen"
37
eingedämmt werden könne.
34
Vgl. Hitler 1943, S. 8 - 11
35
Vgl. Flessau, K.-I. 1977, S. 23
36
Hitler 1943, S. 78
37
Ebd., S. 78
15
Aus welchen konkreten Bestandteilen sich diese gemeinsame Erziehung zusammensetzen
sollte, thematisierte Hitler zunächst in seiner politisch- ideologischen Programmschrift
Mein Kampf, bevor sie letztendlich unter seiner Herrschaft zum Großteil umgesetzt
wurden.
4.2 Erzieherische Aspekte in
Mein Kampf
Beeinflusst durch seine persönlichen Erfahrungen und seine nationalsozialistische
Gesinnung, behandelt Hitler hinsichtlich der Erziehung in seiner Propagandaschrift
insbesondere die Gewichtung der drei folgenden Bereiche: die wissenschaftliche Schulung,
Charaktererziehung und Leibeserziehung.
Gemäß Hitlers Auffassung seien diese keineswegs als gleichwertig zu betrachten, sondern
sie stünden in einem fast als hierarchisch zu bezeichnenden Verhältnis zueinander.
Durch ihre Neugewichtung sollte nicht nur der ,,völkische Staat"
38
gefördert, sondern auch
Fehler der Weimarer Republik kompensiert werden, die zum Versagen im Ersten
Weltkrieg geführt hätten. Während dieser Zeit seien die ,,männlichen soldatischen
Tugenden"
39
zu sehr vernachlässigt worden und der erzieherische Fokus habe zu sehr auf
dem wirtschaftlichen Erfolg der Bevölkerung gelegen.
40
Aus der nachfolgenden Erläuterung der einzelnen Erziehungsbereiche wird deutlich,
weshalb die Leibeserziehung ein wichtiger Bestandteil der nationalsozialistischen
Erziehung war, der es wert ist, dass man sich noch im 21. Jahrhundert näher mit ihm
auseinandersetzt, um sein Wissen über die Verbreitung der damals gegenwärtigen
Ideologie erweitern möchte.
4.2.1 Wissenschaftliche Schulung
,,E i n v e r f a u l t e r K ö r p e r w i r d d u r c h e i n e n s t r a h l e n d e n
G e i s t n i c h t i m g e r i n g s t e n ä s t h e t i s c h e r g e m a c h t , ja , es ließe
sich höchstens Geistesbildung gar nicht rechtfertigen, wenn ihre Träger gleichzeitig
körperlich verkommene und verkrüppelte, im Charakter willensschwache, schwankende
und feige Subjekte wären."
41
38
Hitler 1943, S. 444
39
Giesecke 1999, S. 20
40
Vgl. ebd., S. 20
41
Hitler 1943, S. 453
16
Diese Aussage Hitlers lässt erkennen, mit welcher Geringschätzung er schulischem Wissen
gegenüber stand.
Bereits in seiner eigenen Jugend machte er die Erfahrung, dass in der Schule - seiner
Ansicht nach - zu viele Kenntnisse vermittelt wurden, welche die Schüler nach kurzer Zeit
wieder vergaßen, wodurch sie keinen langfristigen Effekt auf die Entwicklung der
Jugendlichen hatten. Hitler selbst habe die von den Lehrern vermittelten Kenntnisse
selektiert und sich ausschließlich auf das konzentriert, was ihm wichtig erschien.
42
Diese
Fähigkeit spricht er aber dem Großteil der anderen Menschen ab. Hitler bemängelt, dass
viele nicht in der Lage seien, wertvolles Wissen von wertlosem zu trennen, und darum zu
viel nutzlosen Ballast mit sich herumtragen würden.
43
Aufbauend auf dieser These solle durch eine Kürzung des Lehrplans und der Stundenzahl
eine radikale Veränderung des theoretischen Unterrichts vorgenommen werden. Zum
einen, um zu vermeiden, dass die junge Generation falsche Schlüsse aus dem erfahrenen
Wissen ziehe, da sie Wichtiges und Unwichtiges nicht richtig voneinander trennen könne.
Zum anderen, um zu gewährleisten, dass die Schüler genau das dauerhaft in sich
aufnehmen, wodurch sie nicht nur zu einem halben Pazifisten oder Demokraten, sondern
zu einem ganzen Deutschen würden.
Im Rahmen dieser Reduktion der wissenschaftlichen Bildung müsse darauf geachtet
werden, dass die Schulen ihren Fokus auf eine allgemeine Bildung legten. Dies begründet
Hitler mit der These, dass Spezialwissen immer noch aufbauend erworben werden könne,
jedoch nicht für jeden Schüler in gleichem Maße relevant sei. Speziell bei den
naturwissenschaftlichen Fächern müsse der Umfang gekürzt und die Kapazität im
Gegenzug zur humanistischen Bildung verwendet werden.
Des Weiteren sei es nötig, dass ein Teil der frei gewordenen Zeit darauf verwendet werde,
eine spezielle Charakterbildung der Kinder und Jugendlichen anzukurbeln.
44
42
Vgl. Hitler 1943, S. 8
43
Ebd., S.36
44
Vgl. ebd., S. 469 - 474
17
4.2.2 Charakterbildung
Bezüglich der Versäumnisse des Ersten Weltkriegs kritisiert Hitler besonders die
charakterlichen Eigenschaften der damals Beteiligten.
,,Die politische Vorbereitung sowohl als die technische Rüstung für den Weltkrieg war
nicht deswegen ungenügend, weil etwa zu w e n i g g e b i l d e t e Köpfe unser Volk
regierten, sondern vielmehr, weil die Regierenden ü b e r g e b i l d e t e Menschen waren,
vollgepropft von Wissen und Geist, aber bar jedes gesunden Instinkts und ledig jeder
Energie und Kühnheit[...]übertriebene reingeistige Hochzüchtung unseres
Führermaterials".
45
Im Hinblick auf seine kriegerischen Zielsetzungen war es darum notwendig, in diesem
Bereich hinreichende erzieherische Veränderungen vorzunehmen
46
Diese charakterliche Ausbildung kennzeichnete Hitler durch einige Eigenschaften, die
speziell für die Männer des Staates von besonderer Wichtigkeit seien. Hierbei wird
deutlich, in wie weit für ihn die Grenzen zwischen militärischer und kindgerechter
Erziehung verschwimmen.
Oberste Priorität habe für ihn die ,,Ausbildung der Willens- und Entschlußkraft sowie die
Pflege der Verantwortungsfreudigkeit"
47
. Die Aneignung dieser Charakterzüge wirkt auf
den ersten Blick noch nicht intensiv ideologisch geprägt, doch betrachtet man sich die
leibeserzieherischen Forderungen, welche während Hitlers Herrschaft verfolgt wurden,
zeigt sich deutlich die Bedeutsamkeit dieser Eigenschaften für die Durchsetzung seiner
kriegerischen Ziele.
Darüber hinaus fordert Hitler Attribute, die unmissverständlich seine nationalsozialistische
Gesinnung widerspiegeln. Sowohl die Aufforderung, den Kindern und Jugendlichen solle
das ,,wehleidige Heulen"
48
aberzogen werden, als auch die Anweisung, Treue,
Opferwilligkeit und Nationalstolz
49
zu fördern, sind darauf ausgerichtet, folgsame Männer
und Frauen heranzuziehen, die seinen Plänen Folge leisten, und im stetigen Glauben daran,
das Richtige zu tun, keine Schwäche zeigen. Zuzüglich solle sichergestellt werden, dass
alle Bürger vollkommen verschwiegen seien, denn auf eine mangelnde Verschwiegenheit
45
Hitler 1943, S. 480f.
46
Ebd., S. 462
47
Ebd., S. 462
48
Ebd., S. 462
49
Ebd., S. 461 - 473
18
sei zurückzuführen, dass viele der deutschen Pläne im Ersten Weltkrieg zu den Gegnern
gelangten.
50
Ein wesentlicher Teil dieser Charakterzüge wurde unter anderem durch die
Leibeserziehung gefördert.
4.2.3 Körperausbildung/ Leibeserziehung
Hitler betrachtet die Leibeserziehung als Mittel, das nicht nur eine optimale
Charakterprägung ermögliche
51
, sondern auch seinem höchsten Erziehungsziel diene: der
,,Erhaltung des physischen Lebens"
52
.
Die Ausbildung ,,gesunde[r] und kraftvolle[r] Körper"
53
hatte für ihn einen solch hohen
Stellenwert, da ein ,,gesunder, kräftiger Geist"
54
nur in einem solch gestärkten Körper
existieren könne.
55
Hitler kontrastiert in seiner Propagandaschrift unverkennbar seine Wertschätzung der
körperlichen Erziehung gegenüber der ,,Ausbildung der geistigen Fähigkeiten"
56
. Es
genüge nicht, den Menschen mit Wissen zu versorgen, da dies nur einen willensschwachen
Menschen ohne Entschlusskraft erzeuge. Ein Volk und besonders eine junge Generation
bestehend aus ,,körperlichen Degeneraten"
57
würde nicht seinem Anspruch gerecht:
,,Der Junge muß dereinst ein nützliches Glied der menschlichen Gesellschaft werden."
58
Die körperliche Ausbildung ist nicht nur von der wissenschaftlichen Bildung zu trennen,
sondern sie sollte den arischen Menschen auch dazu befähigen, sich im Hinblick auf die
Erhaltung der arischen Rasse von Juden abzuheben. Denn während Hitler der Ansicht ist,
dass der perfekte Deutsche mit einem makellosen Körper ausgestattet sei, charakterisiert er
seine Gegner als ,,krummbeinige, widerwärtige Judenbankerte"
59
.
Um dieses elitäre Gefühl des deutschen Volkes aufrecht zu erhalten, sei es wichtig, das
,,krasse Mißverhältnis"
60
schulischer Fächer zu beheben und anstatt nur zwei fakultativer
50
Vgl. Hitler 1943, S. 460
51
Ebd., S. 460
52
Ebd., S. 433 f.
53
Ebd., S. 452
54
Ebd., S. 452
55
Vgl. ebd., S. 276
56
Ebd. S. 452
57
Ebd., S. 452
58
Ebd., S. 470
59
Ebd., S. 458
60
Ebd., S. 454
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Erstausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2013
- ISBN (PDF)
- 9783958207684
- ISBN (Paperback)
- 9783958202689
- Dateigröße
- 1 MB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Pädagogische Hochschule Karlsruhe
- Erscheinungsdatum
- 2015 (Februar)
- Note
- 1
- Schlagworte
- Drittes Reich Napola Didaktik Ideologische Relevanz Filmdidaktik