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Eine metapherntheoretische Abhandlung mit Schwerpunkt auf der kognitiven Metapherntheorie von Lakoff und Johnson

©2014 Bachelorarbeit 40 Seiten

Zusammenfassung

Der Hauptgegenstand der vorliegenden Arbeit ist die Auseinandersetzung mit der kognitiven Metapherntheorie von Lakoff und Johnson. Diese wird auch metaphernanalytisch auf Ausschnitte einer politischen Rede angewendet, um ihre Struktur, Funktionsweise und Grenzen aufzuzeigen. Die Arbeit besteht aus einem theoretischen und einem angewandten Teil, sowie einem abschließenden Ausblick.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


2. Die Metapher - von Aristoteles bis in die Gegenwart
"Me/á t
/ pher, die;-, -n (Sprachw. Wort mit übertragener Bedeutung, bildliche
Wendung, z. B.» Haupt der Familie«)" (DUDEN: Seite 684)
Diese einfache Definition der Metapher kann ihr komplexes Gebilde als sprachliches
Phänomen nicht erfassen, denn historisch gesehen variieren die Definitionen der
Metapher im Umfang sehr (vgl. Haverkamp: Seite 25).
Dieses Kapitel meiner Arbeit sucht nicht nach einer allgemein gültigen Definition,
sondern hat zum Zweck, einen geschichtlichen und theoretischen Überblick zu
schaffen. Dieser Überblick soll als Grundlage für die weitere Betrachtung der
Metapherntheorien, die bezüglich der Theorie von Lakoff und Johnson relevant sind,
dienen.
Das sprachliche Phänomen der Metapher wurde bereits in der Antike thematisiert,
wie überlieferten Texten zu entnehmen ist, wobei hier die Metapherntheorie von
Aristoteles die größte Rolle spielt. Das Fundament der aristotelischen und
postaristotelischen Metaphorologie wurde von den vorsokratischen Denkern und
Platon gelegt. Diese befassten sich jedoch nicht direkt mit Metapherntheorien,
sondern mit der Erkenntnis von Denk- und Ausdrucksformen und der Klärung des
Verhältnisses von Sprache und Wirklichkeit (vgl. Lau: Seite 53).
2.1 Aristotelisches Metaphernkonzept
"Es ist ein nur zu oft übersehener Wink, daß das, was bei einer Metapher geschieht,
ursprünglich mit Hilfe einer Metapher charakterisiert wurde. Denn das Wort
»Übertragung« (epiphora), das Aristoteles in diesem Zusammenhang verwendete,
war metaphorisch verwendet. Ein Wink deswegen, weil damit stillschweigend
ausgedrückt wird, daß die Beschreibung der metaphorischen Prozedur selbst wieder
Metaphern voraussetzt­ebenso wie die Beschreibung der Sprache Sprache
voraussetzt" (Kurz: Seite 7).
Die aristotelische Metapherntheorie ist für diese Arbeit relevant, da sich alle
Theorien, die nachfolgend geschildert bzw. praktisch angewendet werden, wenn
auch kritisch, am aristotelischen Erklärungsmodell orientieren (vgl. Kurz: Seite 8).
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Die zwei signifikantesten Werke, in denen Aristoteles seine Metaphorologie entfaltet,
sind die "Poetik" und die "Rhetorik" (vgl. Lau: Seite 119). Zahlreiche Beispiele und
Gedanken zur Metapher sind dort zu finden.
Unter den poetischen Mitteln ist laut Aristoteles die Metapher das weitaus wichtigste.
Er betrachtet laut Kurz die Metapher als ein Mittel der poetischen Redeweise und
nicht als Mittel der konventionellen alltäglichen Redeweise (vgl. Kurz: Seite 8). Laut
dem aktuelleren Werk von Lau ist jedoch diese oft in der modernen Metaphorologie
vertretene Ansicht, dass Aristoteles die Metapher nicht als eine allgemeine
Erscheinung der menschlichen Sprache verstanden hat, falsch.
Lau beweist in seiner Aushandlung mit ausgewählten Zitaten, dass bereits Aristoteles
die Metapher als ein übergreifendes Konzept verstanden hat (vgl. Lau: Seite 119).
2.2 Zentrale linguistische Metapherntheorien
Die Definitionen von Aristoteles gelangen über das Mittelalter bis in die
gegenwärtigen Metapherntheorien. Seit den 30er Jahren des zwanzigsten
Jahrhunderts steht man jedoch einer völlig neuen Welle der Metaphernforschung
gegenüber (vgl. Feng: Seite 15). Im folgenden werden zwei zentrale
Metapherntheorien vorgestellt. Zusätzlich wird die Bildfeld- und Kontexttheorie von
Harald Weinrich geschildert, da diese laut Drewer als Vorgänger der kognitiven
Linguistik und des Begriffs der kognitiven Metapher von Lakoff und Johnson gilt (vgl.
Drewer: Seite 19).
2.2.1 Vergleichs- bzw. Substitutionstheorie
Die Vergleichs- bzw. Substitutionstheorie zählt als die "klassische" Metapherntheorie.
Max Black verweist als erster Forscher in seiner Typologisierung auf die Vergleichs -
bzw. Substitutionstheorie, indem er die Theorien von Aristoteles und Quintilian
zusammenfasst (vgl. Feng: Seite 16).
Blacks Vergleichstheorie geht auf folgende Definition der Metapher nach Aristoteles
zurück:
"Eine Metapher ist die Übertragung eines Wortes (das somit in uneigentlicher
Bedeutung verwendet wird), und zwar entweder von der Gattung auf die Art, oder
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von der Art auf die Gattung, oder von einer Art auf eine andere oder nach den Regeln
der Analogie" (Poetik: Kap. 21 und 22).
Black entwickelt diesen Ansatz weiter, indem er die Behauptung, dass eine Metapher
in der Darstellung der zugrundeliegenden Analogie oder Ähnlichkeit bestehe, als
Vergleichstheorie klassifiziert.
Die Vergleichstheorie der Metapher besagt zusammengefasst, dass das Konstrukt `A
ist B' die Metapher umschreibt. Der Ausdruck `Moritz ist ein Fuchs' würde also
bedeuten, dass Moritz(A) ein Fuchs(B) ist, da eine Analogie oder Ähnlichkeit
zwischen `Moritz' und `Fuchs' besteht.
In der Substitutionstheorie liegt der Schwerpunkt nicht auf dem Vergleich oder der
Analogie. Wie der Begriff Substitution schon verrät - von lat. substituere ,ersetzen`, -
besteht die Substitutionstheorie im Kern darin, dass die Metapher den eigentlichen
Sinn eines Wortes oder eines sprachlichen Objekts ersetzt. Black nennt genauer
gesagt jede Auffassung, die davon ausgeht, dass ein metaphorischer Ausdruck einen
wörtlichen solchen ersetzt, substitutionstheoretisch. Die Substitutionstheorie besagt
also nicht `A ist B' sondern vielmehr `A ist C' wobei C für die Bedeutung von B steht
und A umschreibt: `Moritz' ist `schlau'.
"Der Substitutionstheorie zufolge wird der Fokus einer Metapher, also jenes Wort
oder jener Ausdruck, der deutlich metaphorisch gebraucht ist innerhalb eines
Rahmens, der durch den Wortlaut des Satzes gegeben ist, dazu benutzt, eine
Bedeutung mitzuteilen, die auch wörtlich hätte ausgedruckt werden können" (Black:
Seite 62).
Damit der Rezipient die Bedeutung einer Metapher entziffern kann, muss er jedoch
die beabsichtigte wörtliche Bedeutung kennen (Fuchs=schlau). "Das Verstehen einer
Metapher gleicht dem Entziffern eines Codes oder dem Auflösen eines
Rätsels" (Black: Seite 63).
Die kognitive Leistung des Rezipienten beschränke sich demzufolge auf die Deutung
des metaphorischen Ausdrucks anhand eines Analogieschlusses. Die Nachteile des
Models der Substitutionstheorie liegen darin, dass dieses für die Analyse komplexer
Metapherngebilde nur bedingt geeignet ist. So können damit die kreativ-produktive
W i r k u n g d e r M e t a p h e r a u f d a s B e w u s s t s e i n u n d d i e L e i s t u n g d e r
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Metaphernproduktion nicht differenziert und adäquat bewertet werden (vgl.
Internetquelle 6: Seite 228).
2.2.2 Interaktionstheorie
Max Blacks wichtigster Beitrag zur metapherntheoretischen Forschung ist die
Einführung der Interaktionstheorie, die sich grundsätzlich von dem aristotelischen
Ansatz unterscheidet. Laut der Interaktionstheorie ist die Metapher keine Substitution
auf Wortebene, die Metapher begrenzt sich nicht auf die Sprache, sie ist vielmehr
eine Kombination verschiedener Aspekte, die auch miteinander interagieren (vgl.
Feng: Seite 26).
Hierzu bezieht sich Black auf den semantischen Ansatz des Metaphernforschers
Richards:
"Auf die einfachste Formulierung gebracht, bringen wir beim Gebrauch der Metapher
zwei unterschiedliche Vorstellungen in einen gegenseitig aktiven Zusammenhang,
unterstützt von einem einzelnen Wort oder einer einzelnen Wendung, deren
Bedeutung das Ergebnis der Interaktion beider ist" (Richards: Seite 34; Black: Seite
69).
Die Interaktionstheorie vertritt nicht die Ansicht, dass Metaphern durch den Analogie/
Ähnlichkeit-Ansatz der Vergleichs/Substitutionstheorie zu ergründen sind. Sie befreit
die Metapherndiskussion von den Beschränkungen der Analogien und setzt Ihren
Schwerpunkt auf die Interaktion auf kognitiver Ebene.
Weiterhin führt Black das Konstrukt ein, in dem der Primärgegenstand in einem
gegenseitigen Implikationszusammenhang mit dem Sekundärzusammenhang steht:
"Im Kontext einer bestimmten metaphorischen Aussage "interagieren" die beiden
Gegenstände auf folgender Weise: (I) das Vorhandensein des Primärgegenstandes
reizt den Zuhörer dazu, einige der Eigenschaften des Sekundärgegenstandes
auszuwählen; und (II) fordert ihn auf, einen parallelen "Implikationszusammenhang"
zu konstruieren, der auf den Primärgegenstand paßt; und umgekehrt (III) wiederum
parallele Veränderungen im Sekundärgegenstand bewirkt" (Black 1977: Seite 393).
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Die oberen Aussagen implizieren folgendes: Der Primärgegenstand (Moritz) und der
Sekundärgegenstand (Fuchs) sind nicht nur sprachliche Objekte, vielmehr sind sie
für den Rezipienten Konzepte. Diese Konzepte werden auf kognitiver Ebene
generiert und können je nach dem gesellschaftlichen und kulturellen Kontext des
Rezipienten variieren, ausserdem ist die Kommunikationssituation der Akteure ein
Faktor, der diese Konzepte beeinflusst und bestimmt.
Das hieße, der Rezipient hätte in dem Fall `Moritz ist ein Fuchs' auf kognitiver Ebene
das Konzept `Fuchs' mit dessen (dem Rezipienten) bekannten Eigenschaften und
Bedeutungen auf das Konzept `Moritz' projiziert. Im europäischen Kulturraum wären
das mitunter Qualitäten und Bedeutungen wie `schlau', `verschlagen', `flink',
`räuberisch' , `schwer zu fassen', `Ungeziefer' etc.,etc..
`Moritz' an sich ist allerdings auch ein Konzept, das zusätzlich vom Kontext der
Aussage und der Kommunikationssituation beeinflusst wird. Auch im Falle eines
fehlenden Kontexts könnte Moritz einige Assoziationen erwecken, die das Konzept
bilden. Z.B.: Moritz ist vermutlich eine männliche Person deutschsprachiger
Abstammung, ausserdem ist Moritz ein Name, der in Wilhelm Buschs "Max und
Moritz ­ Eine Bubengeschichte in sieben Streichen" vorkommt und eventuell bei
einigen Rezipienten eine Assoziation mit dieser Kunstfigur erweckt. In diesem Fall
würden die Rezipienten wahrscheinlich die gängigste Bedeutung von `Fuchs' auf
`Moritz' projizieren, nämlich `schlau'. Würden der Kontext oder die kommunikative
Situation jedoch implizieren, dass `Moritz' ein Verbrecher ist, so würden die
Rezipienten womöglich eher Qualitäten wie `verschlagen', `schwer zu fassen' oder
`Ungeziefer' auf Moritz projizieren. Somit hätte man zwei mentale Konzepte, die sich
gegenseitig beeinflussen.
2.2.3. Bildfeldtheorie
Die Bildfeld- und Kontexttheorie von Harald Weinrich gilt als Weiterentwicklung der
Interaktionstheorie (Vgl. Internetquelle 7: Seite 15) und Vorgänger der kognitiven
Metapherntheorie von Lakoff und Johnson (vgl. Drewer: Seite 19).
Weinrich entwarf die Bildfeld- und Kontexttheorie in fünf Aufsätzen, die zwischen
1958 und 1976 verfasst wurden. (vgl. Internetquelle 7: Seite 15)
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In seinem Konzept des Bildfeldes betrachtet Weinrich die Metapher nicht mehr als
statisches Phänomen der Bedeutungsübertragung, sondern vielmehr als ein
dynamisches Prozess der Bedeutungskonstruierung (vgl. Drewer: Seite 20). Nach
Weinrich stehen Einzelmetaphern in einem sprachlichen Zusammenhang mit
anderen Metaphern, diesen Zusammenhang nennt er Bildfeld (vgl. Internetquelle 7:
Seite 16).
Dabei sind die Bildfelder eine Erscheinung der langue - das nach de Saussure
allgemeine, überindividuelle, soziale Sprachsystem als ein System von Zeichen und
grammatischen Regeln (vgl. Internetquelle 8). Diese Erscheinung der langue wird im
konkreten Sprechakt auf der Ebene der parole als Einzelmetapher realisiert wird.
Dabei ist parole die Ebene der konkreten räumlich-zeitlichen Realisierung der langue
in sprachlichen Äußerungen (vgl Internetquelle 8), (vgl Drewer: Seite 20).
Dabei bestehen Bildfelder aus einem Bildspender und einen Bildempfänger:
"Insofern zwei Sinnbezirke Bestandteile eines Bildfeldes sind, benennen wir sie [...]
als bildspendendes und bildempfangendes Feld. In unseren Beispielen wird das
bildempfangende Feld vom Sinnbezirk Sprache gebildet, das bildspendende Feld
vom Sinnbezirk Finanzwesen; das Bildfeld, das sich in der Koppelung der beiden
Sinnbezirke konstituiert, wollen wir nach seiner Zentralmetapher `Wortmünze'
benennen" (Weinrich 1976: Seite 284).
Damit ist gemeint, dass z.B. in der Metapher `Wortmünze' das Sinnbezirk `Wort' den
Begriff `Sprache' mitbringt, und den Sinnbezirk `Münze' den Begriff `Finanzwesen'
mitbringt. Somit wäre `Finanzwesen' das bildspendende Feld und `Sprache' das
bildempfangende Feld. Zusammen bilden Sie das Bildfeld `Wortmünze' (vgl. Kovtun:
Seite 69). Wichtig dabei ist, dass die Verknüpfung zwischen dem bildspendenden
und bildempfangenden Feld nicht willkürlich entstehen und gemeinsames Wissen
unter den Kommunizierenden erfordert. Bildfelder sind also objektive, soziale
Gebilde, die in der Gesamtheit der Sprache existieren. Bildfelder werden nach
Weinrich selten neu erschaffen, dafür wachsen sie stetig an dem Metapherumfang,
den sie beinhalten. Da viele Metaphern mehreren Bilfeldern zugleich angehören,
können sich Bildfelder auch überschneiden (vgl. Internetquelle 7: Seite 17).
Weinrich erreicht durch seinen Ansatz folgenden methodischen Fortschritt: Man
muss nicht jede einzelne Metapher interpretieren und erklären; vielmehr erklären und
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stützen sich Metaphern, die dem selben Bildfeld gehören, gegenseitig (vgl. Drewer:
Seite 20). Somit schuf Weinrich eine Theorie anhand derer die sprachlichen
Einzelmetaphern zu übergeordneten Einheiten, die sowohl Herkunfts- und
Zielbereich erfassen, zusammengefasst und systematisiert werden konnten. Dies
ermöglichte die Metapher zu verstehen und deren Produktion vorherzusagen
(Drewer: Seite 19). Metaphern sind nach Weinrich also nicht nur ein Mittel, um
bestehenden Analogien und Korrespondenzen auszubilden, vielmehr erschaffen sie
neue solche, womit sie auch die Realität strukturieren und erschaffen.
Somit legte Weinrich die Ansätze eines "kognitiven" Verständnis der Metapher bereits
vor dem sprachwissenschaftlichen Umbruch, der zur Entwicklung der kognitiven
Linguistik und im Speziellen zu dem Metaphernkonzept von Lakoff und Johnson
führte (vgl. Drewer: Seite 22).
3. Metapherntheorie von Lakoff und Johnson
In diesem Kapitel wird die Metapherntheorie von Lakoff und Johnson nicht in ihrem
ganzen Umfang präsentiert, vielmehr werde ich die Grundsätze dieser schildern und
mich auf einzelne Konzepte konzentrieren, die dieser Arbeit zuträglich und für die
nachfolgende metapherntheoretische Analyse relevant sind. Ich werde mich vermehrt
auf die Interpretation von J. Kruse beziehen, da seine Methodik der rekonstruktiven
Metaphernanalyse auf seiner Sicht der kognitiven Metapherntheorie aufbaut.
Anfang der 80er Jahre stellten Lakoff und Johnson im Rahmen der kognitiven
Linguistik eine neue und innovative Metapherntheorie vor (vgl. Drewer: Seite 4).
Im klassischen Sinne der Rhetorik zählt die Metapher zu den Troppen. Das sind
Stillmittel, die einen eigentlichen Ausdruck durch einen "uneigentlichen" solchen
ersetzen. Unter anderem zählen zu den Troppen folgende sprachliche Mittel:
Metonymie, Synekdoche, Antonomasie, Vossianische Antonomasie und
Personifikation. Lakoff und Johnson verstehen die Metapher nicht wie Aristoteles
oder die klassische Rhetorik. Sie verstehen alle sprachlichen Phänomene, in denen
Bedeutung übertragen wird, als Metapher. Bei Lakoff und Johnson stehen nicht die
Stilfigur und ihre grammatische Funktion im Vordergrund, sondern deren Funktion für
die Konstruktion von Realität. Weiterhin erweitern Lakoff und Johnson die Definition
der Metapher, indem sie die Behauptung aufstellen, dass alle Stilfiguren, die eine
Gleichung + eine Ungleichung enthalten, metaphorisch sind (vgl. Kruse: Seite 46).
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Betrachten wir als Beispiel den Ausdruck `Europa ist ein Haus':
Gleichung:
Man kann sowohl `Europa' als auch ein 'Haus' betreten oder verlassen, denn sie
haben physikalische Grenzen. Beides ist auch geografisch gesehen unbeweglich
und hat Bewohner.
Ungleichung:
Man kann ein `Haus' abreißen oder auch vermieten, ein `Haus' kann man anfassen,
abschliessen oder um eine Etage erweitern. Oberes ist mit `Europa' nicht machbar.
Durch diese Definition von Lakoff und Johnson rückt die Metapher aus der
sprachlichen Eingrenzung der Rhetorik und wird zu einem übergreifendem Normal in
der Alltagssprache. Durch das Projizieren von Eigenschaften von bekannten
Z u s a m m e n h ä n g e n a u f u n b e k a n n t e s o l c h e , d i e n t d i e M e t a p h e r d e r
Veranschaulichung und führt infolgedessen zur Verständlichkeit eines abstrakten
oder unbekannten Phänomens. So projizieren wir auf abstrakte Gebilde wie z.B.
`Zeit' Eigenschaften wie `fließend', `unaufhaltsam' etc. Diese Projektion verhilft uns
die Komplexität des Gegenstands zu verringern und diesen in unserer
Weltansicht aufzunehmen.
So werden unbekannte und unfassbare Phänomene ins Bekannte übersetzt. Nun, da
das Bekannte jedoch subjektiv und begrenzt ist, werden diese Phänomene nicht nur
übersetzt, sondern auch in das Bekannte eingefangen und darin begrenzt. So
impliziert die Metapher "Eine Theorie ist ein Gebäude", dass eine Theorie wie ein
Gebäude konstruiert und betreten werden kann. Jeder weiss wie ein Gebäude
aussieht und gewinnt durch die Metapher Einsicht in das Konzept `Theorie'. Die
Gebäudemetapher impliziert jedoch auch eine gewisse Starrheit, so kann man ein
Gebäude nicht mit einem anderen Gebäude kombinieren, was bei Theorien jedoch
möglich ist. So ermöglichen uns Metaphern Dinge in die Welt zu sprechen, diese
werden jedoch auch reduziert auf die Eigenschaften des bildenden Gegenstands. So
strukturieren und beleuchten Metaphern Dinge nicht ganzheitlich, sondern nur
teilweise (vgl. Kruse: Seite 65,66).
Nach Lakoff und Johnson bilden Metaphern ein dynamisches Netz von
ineinandergreifenden Konzepten, wodurch unsere Realität strukturiert wird. Die
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Autoren unterscheiden dabei zwei Arten von Beziehung zwischen Metaphern -
Kohärenz und Konsistenz.
Konsistent zu einander wären die Metaphern "Die Liebe blüht auf" und "Die Liebe ist
verwelkt" - beiden Metaphern beziehen Sich auf die Liebe als Pflanze.
Kohärent wären die Metaphern "Die Liebe ist verwelkt" und "Die Liebe findet ihre
Wege". So wäre die Liebe im ersten Beispiel eine Pflanze und im zweiten ein
Lebewesen mit Intentionen, beide Konzepte sind unterschiedlich, haben jedoch die
gemeinsame Ableitung, dass Liebe ein Lebewesen ist. Diese metaphorische
Ableitung zeigt laut Lakoff und Johnson, dass sich Metaphern überschneiden (vgl.
Kruse: Seite 68).
3.1 Metaphorische Konstruktion der Wirklichkeit
Laut Lakoff und Johnson sind Metaphern auf eine vorbewussten Weise
allgegenwärtig in Denken, Kommunikation und Handeln. Sie sind der Ausdruck
konzeptübergreifenden Denkens und eröffnen uns Handlungsdimensionen, indem
bereits bekannte Zusammenhänge, Wissen und Einstelllungen vom bildspendenden
Bereich auf unsere Handlungsziele übertragen werden (vgl Kruse: Seite 68).
Sie bestimmen sogar unser Alltagshandeln und unsere Wahrnehmung, da beides
von einem weitgehend metaphorischen Konzeptsystem bestimmt wird.
"Unser alltägliches Konzeptsystem, nach dem wir sowohl handeln als auch denken,
ist im Kern und grundsätzlich metaphorisch" (Johnson : Seite 11).
Da die Metaphern allgegenwärtig und mit Selbstverständlichkeit gebraucht werden,
sind diese oft schwer als solche zu identifizieren (vgl. Kruse: Seite 69).
Um diese wahrnehmen und erfassen zu können muss man sie aus der Erfahrung
bewusst heraus rekonstruieren. Hierzu stellen Lakoff und Johnson Konzepte vor,
wodurch wir die metaphorische Konstruktion der Wirklichkeit erfassen könnten (vgl.
Kruse: Seite 69).
Laut Lakoff und Johnson erfahren wir die Realität in vieldimensionalen strukturierten
Ganzheiten, die sie Gestalten nennen. Diese Gestalten enthalten in ihrer
vieldimensionalen Struktur Eigenschaften, Schemata und Skripte, wodurch wir
unsere Erfahrungen einordnen.
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Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2014
ISBN (PDF)
9783958207790
ISBN (Paperback)
9783958202795
Dateigröße
677 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Bielefeld
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
2
Schlagworte
Metaphernanalyse Substitutionstheorie Jan Kruse Interaktionstheorie Bildfeldtheorie
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Titel: Eine metapherntheoretische Abhandlung mit Schwerpunkt auf der kognitiven Metapherntheorie von Lakoff und Johnson
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