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Täter-Opfer-Ausgleich oder Jugendstrafe? Alternativen im Jugendgerichtsverfahren

©2001 Examensarbeit 67 Seiten

Zusammenfassung

Bedingt durch das Vorkommen von Straftaten durch Jugendliche und die daraus folgenden jugendstrafrechtlichen Prozesse (traditionelles Jugendstrafverfahren), die mit einer Vorbestrafung enden und somit die Entwicklung der Jugendlichen stören können, wurde in einigen europäischen Ländern (auch in der Bundesrepublik Deutschland) als Alternative bzw. Ergänzung die außergerichtliche Form des Täter- Opfer-Ausgleichs (TOA) entwickelt, wodurch das gerichtliche Verfahren verkürzt oder sogar eingestellt werden kann.
Die vorliegende Arbeit entstand aus der Motivation heraus, die Frage „Kann der TOA als Alternative zum Jugendgerichtsverfahren bestehen?“ zu klären. Dazu soll die Sinnhaftigkeit dieser außergerichtlichen Sanktionierung von jugendlichen Straftätern durch Beschreibung der Ziele und der Durchführung sowie durch Einblicke in die Praxis des seit 1986 in Köln bestehenden Projektes „Die Waage“ und einen Exkurs in die Praxis der gesamten BRD erörtert werden.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


1.5.1 Traditionelles Jugendstrafverfahren

Das Jugendstrafverfahren berücksichtigt die altersbedingte Situation der Jugendlichen und Heranwachsenden. Ihm zu Grunde liegt das Jugend­gerichtsgesetz, das vorsieht, dass Jugendgerichte mit Jugendrichtern und Jugendstaatsanwälte vorhanden sein müssen, die Verstöße gegen das in der Bundesrepublik Deutschland geltende Recht ahnden.

Die im Erwachsenenstrafrecht vorgesehene Untersuchungshaft bei be-stimmten Strafsachen wird bei Jugendlichen und Heranwachsenden weitestgehend vermieden, um sie im gewohnten Umfeld zu belassen, damit die sozialen Kontakte nicht abbrechen. Diese wird nur dann an-geordnet, wenn erzieherische Maßnahmen nicht greifen. Als Alterna-tiven zur Untersuchungshaft werden Unterbringungen in Heimen der Jugendhilfe angesehen.

Kommt es zu einem Strafverfahren, so ist bei Jugendlichen und Heran-wachsenden die Öffentlichkeit zum Schutz der Täter und Opfer immer ausgeschlossen. Außerdem soll dadurch ihre Anonymität gewahrt bleiben.

Das Jugendstrafrecht sieht in erster Pflicht die Erziehung der Täter, dementsprechend unterscheiden sich die Sanktionsformen von denen des Erwachsenenstrafrechts.

Bei der Verhängung einer Jugendstrafe sind erzieherische Maßnahmen in den Jugendvollzugsanstalten vorgesehen.[1] Dabei wird besonders darauf geachtet, dass sich der Straftäter seiner unrechten Tat bewusst wird.

1.5.2 Alternativen zum Jugendstrafverfahren

Das einberufene Verfahren kann schon vor der Verhandlung durch den Jugendstaatsanwalt eingestellt werden, nämlich wenn:

- sich die Unschuld des Jugendlichen herausstellt,
- der Tatvorwurf geringfügig ist,
- erzieherische Maßnahmen seitens der Eltern oder pädagogischer Einrichtungen vom Jugendstaatsanwalt als ausreichend angesehen werden,
- der Beschuldigte die Tat zugibt und der Jugendrichter den Täter er-mahnt oder sanktioniert (z.B. Sozialdienste oder Geldauflagen).

Auch die Jugendrichter können von den oben genannten Möglichkeiten Gebrauch machen, was sie auch im zunehmenden Maße tun. Gerade die erzieherischen Maßnahmen finden immer mehr Zuspruch durch die Jugendgerichte, wobei die Konfliktschlichtung und Wiedergutmachung durch den „Täter-Opfer-Ausgleich“ (TOA) immer häufiger gewählt wird.[2]

Der TOA kann als Teilbereich des Abolitionismus angesehen werden. Diese Theorie der Gegenbewegung zum Gerichtsverfahren wird jedoch von verschiedenen Wissenschaftlern unterschiedlich definiert. Schu-mann sieht in ihm die Bewegung, „bestimmte[r] staatliche[r] Kontroll-strategien, Marginalisierungstechniken und repressive[r] Rechtsstruk-turen zu begründen und zu erreichen.“[3] Gerlinda Smaus fordert die Ab-schaffung von Gefängnissen oder sogar des gesamten Strafrechts. Peters sieht in ihm eine Fortführung des „Labeling Approach“, wobei er statt einer Streitschlichtung die Abschaffung repressiver Gesetze und Institutionen als notwendig erachtet.[4]

1.6 Umgang mit dem Täter-Opfer-Ausgleich (TOA)

In den folgenden Punkten wird näher auf den TOA eingegangen. Dabei werden die Voraussetzungen, Ziele und die Durchführung des TOAs allgemein beschrieben.

1.6.1 Definition

Der Täter-Opfer-Ausgleich ist eine Verfahrensweise in der Justiz, durch die dem Täter und dem Opfer einer Straftat (sowohl bei den Er­wachsenen als auch bei den Jugendlichen und Heranwachsenden) die Möglichkeit gegeben wird, den zwischenmenschlichen Konflikt, der Ursache für die Straftat war, zu lösen. Dabei steht ein Vermittler zur Verfügung (meist eine pädagogische Einrichtung). Durch die Durch-führung des TOAs kann eine Strafverhandlung umgangen oder verkürzt werden. Bei der Konfliktlösung steht die Erziehung des Täters im Mittel­punkt, jedoch soll auch das Opfer seine Sicht verdeutlichen können und eine Entschädigung erhalten.

1.6.2 Voraussetzungen

Folgende Punkte sind Grundvoraussetzung für die Durchführung des Täter-Opfer-Ausgleichs:

- Es kommen nur bestimmte Delikte in Betracht, ebenfalls darf das Gerichtsverfahren in vergleichbaren Fällen nicht eingestellt worden sein. Delikte, bei dem der TOA als Sanktionierungsmaßnahme in Betracht gezogen wird sind Körperverletzung, Diebstahl/Betrug, Sachbeschädigung, Raub und Erpressung, Verbrechensdelikte so-wie Gewaltdelikte.

Hingegen nicht geeignet sind Sexualdelikte, da dort Trauma-tisierungen vorliegen können.

- Das Opfer muss als Person auftreten.

Konfliktschlichtung ist mit Unternehmen oder Institutionen nur selten durchführbar, da dort keine einzelne Person geschädigt wurde. Ist jedoch ein Ansprechpartner zugegen, kann ein TOA als Möglichkeit in Erwägung gezogen werden.

- Der Täter muss seine Tat gestehen.

Um sich mit den Folgen seiner Tat auseinandersetzen zu können, muss der Täter sich der Tat bewusst sein.

- Sowohl Täter als auch Opfer müssen sich freiwillig bereit erklären, am TOA teilzunehmen.

Der erfolgreiche Abschluss des TOA kann nur gelingen, wenn beide Gesprächspartner zur Schlichtung bereit sind. Deshalb werden Täter und Opfer zu ihrer Bereitschaft befragt, bevor es zum ersten Treffen kommt.

- Sind therapeutische Maßnahmen vorrangig, so darf der TOA nicht durchgeführt werden.

Benötigt ein Beteiligter therapeutische Hilfe, sei es wegen einer Traumatisierung oder auch, weil er suchtkrank ist, darf der TOA mit ihm nicht durchgeführt werden, weil dieses der betroffenen Person nicht zuzumuten ist.

1.6.3 Ziele

Wichtigstes Ziel des TOAs ist die Ursachenfindung und Konfliktschlich-tung sowie die Wiedergutmachung an den Geschädigten.

Um dieses Ziel zu erreichen, ist ein persönliches Gespräch zwischen Täter und Opfer zwingend.

Des Weiteren stehen Belange im Mittelpunkt, die durch ein Gerichtsver-fahren häufig nicht (deutlich genug) aufgezeigt werden.

1.6.3.1 Täterperspektive

Dem Täter wird durch das persönliche Gespräch mit dem Opfer das begangene Unrecht wesentlich deutlicher vor Augen geführt. Er muss seine Tatmotive erläutern und sich mit dem tatsächlich zugefügten Schaden auseinander setzen, folglich die Konsequenzen tragen. Weitergehend ergibt sich für den Täter die Möglichkeit, aus seinen Fehlern für die Zukunft zu lernen.

Auch kann der TOA bei erfolgreichem Abschluss zu einer Einstellung oder Verkürzung des Verfahrens führen.

Gerade im jugendlichen Alter sind erzieherische Maßnahmen oft sinn-voller als strafende. Durch den Täter-Opfer-Ausgleich werden dem Täter die Normen und Rechte vor Augen geführt, so dass er aus seinen Fehlern lernen kann.

1.6.3.2 Opferperspektive

Die Belange des Opfers werden bei einem TOA als Nebeneffekt be-achtet, es kann während des Gesprächs seine Gefühle und Ängste offenbaren, auf die während eines normalen Strafverfahrens keine Rücksicht genommen würde. Im Grunde genommen dient es jedoch nur der Gesellschaft, die mit dessen Hilfe den Täter sanktionieren möchte. Das Opfer hilft also, steht keinesfalls im Mittelpunkt.

Dennoch wird der geschädigten Person oft ein langer Zivilrechtsprozess erspart, da sie direkt entschädigt wird. Meist geht es hierbei nicht nur um materielle Entschädigungen, auch eine persönliche Entschuldigung kann das Wohlbefinden des Opfers steigern. Dieses zeigt auch der Wunsch nach der Einsicht des Täters, das Opfer möchte also nicht nur eine Bestrafung des Täters.

Die Bereitschaft zum Täter-Opfer-Ausgleich ist höher, wenn der Konflikt aus einem Vermögensdelikt hervorgegangen ist, bei Gewaltdelikten wird die Zusammenarbeit häufiger verweigert, ebenfalls, wenn der Konflikt zwischen beiden Parteien schon länger andauert, da materielle Delikte emotional schneller verarbeitet werden als körperbezogene Angriffe.

Problematisch für den oder die Geschädigte(n) ist die kurze Zeitspanne von der Tat bis zum TOA. Oft kommt es vor, dass die Tat noch nicht verarbeitet wurde, um aber sich oder der Justiz Unannehmlichkeiten zu ersparen, wird dennoch dem TOA zugestimmt. Hier zeigt sich beson-ders, dass auf die Belange des Opfers weniger geachtet wird als auf die des Täters.

M. E. könnte die Situation für das Opfer erleichtert werden, wenn die Zeit vor dem TOA verlängert würde, folglich der Geschädigte die Tat besser verarbeiten könnte. Dieses wird jedoch durch den Zeitdruck in der Justiz verhindert.

1.6.4 Ablauf

Der Täter-Opfer-Ausgleich kann durch verschiedene Institutionen oder Personen angeregt werden.

- Die Polizei nimmt die Strafsache auf und fügt dem Abschlussbericht für die Staatsanwaltschaft eine Empfehlung für einen Täter-Opfer-Ausgleich bei. Außerdem informiert sie die Jugendgerichtshilfe.
- Die Staatsanwaltschaft hat drei Möglichkeiten, eine Strafsache zu behandeln: Einstellung des Verfahrens, Anklageerhebung oder Empfehlung für einen TOA.
- Die Jugendgerichtshilfe kann vor oder nach Anklageerhebung einen TOA vorschlagen.
- Wurde bis zum Verfahren kein TOA empfohlen und ggf. durchge-führt, kann der Richter diesen initiieren.
- Auch der Täter oder das Opfer können einen TOA vorschlagen.
- Der TOA kann auch Anweisung eines Richters in einem Verfahren sein.

Wurde ein TOA vorgeschlagen, so wird der Täter vom Vermittler /von der Vermittlerstelle angeschrieben und die grundsätzliche Einverständ­nis wird geklärt. Dann findet ein persönliches Gespräch statt. In diesem werden die Vorgehensweisen erläutert und die Verantwortung des Täters während des TOA ohne Druck betont.

Auch das Opfer wird angeschrieben und ein Gespräch findet statt, in dem die Bereitschaft zur Streitschlichtung geklärt wird, dabei wird betont, dass die Interessen des Opfers ebenso berücksichtigt werden wie die des Täters. Aus diesem Gespräch müssen die Bereitschaft des Opfers und dessen Zielvorstellungen klar heraustreten.

Sind Täter und Opfer zu einem gemeinsamen Gespräch bereit, finden sie sich beide in der TOA-Stelle ein. Während des Gesprächs erhalten beide Parteien die Möglichkeit, ihre Gedanken, Motive und Ängste zu offenbaren, dabei ist ein Angestellter der Vermittler-Stelle anwesend. Wiedergutmachungsarten sind Entschuldigungen, soziale Dienste für das Opfer oder finanzielle Entschädigungen.

Verfügt der Täter über keine finanziellen Mittel, so gibt es Opferfonds, aus denen das Geld als zinsloses Darlehen vorstreckt wird, damit die Opfer nicht auf ihre Wiedergutmachung warten müssen. Der Täter zahlt das Geld zurück oder er leistet alternativ für das Geld gemeinnützige Arbeit. Dieses kann beispielsweise der Dienst im Altersheim oder in anderen sozialen Einrichtungen sein.

Diese Rückzahlung wird von der den TOA begleitenden Stelle kon-trolliert.

Ist der TOA erfolgreich, wird das Verfahren durch den Richter bzw. die Staatsanwaltschaft eingestellt. Ist er es nicht, geht die Verpflichtung an die Staatsanwaltschaft (zurück).

1.6.5 Der TOA aus der Sicht der Justiz

Die Polizei hat den ersten Kontakt zu den jugendlichen Verdächtigen unmittelbar nach der Tat. Sie muss den Tathergang ermitteln sowie alle Tatsachen, die für oder gegen die mutmaßlichen Täter sprechen können. Diese Informationen werden später der Jugendstaatsanwalt-schaft übergeben und gelangen so auch an die Jugendgerichte. Da eine Hauptaufgabe der Polizei die Prävention ist, könnte sie als erste Instanz den TOAs anregen, jedoch nicht durchführen, da sie dann im Konflikt mit der Rechtsprechung bezüglich der strengen Vernehmungs­methoden stände. Sie kann also lediglich den TOA vorschlagen, muss jedoch die Beteiligten darauf hinweisen, dass damit nicht automatisch das Verfahren eingestellt wird.

Die Jugendstaatsanwaltschaft bekommt die Anzeige und einen Bericht von der Polizei, in dem möglicherweise der TOA bereits als Maßnahme erwähnt wird. Ob dieser durchführbar ist, muss vom zuständigen Jugendstaatsanwalt überprüft werden. Hält dieser den Fall für geeignet, so gibt er ihn an die Jugendgerichtshilfe weiter, die dann den Fall an Institutionen weiterleitet, die den TOA durchführen können.

Der Jugendrichter hat zunächst nichts mit der Durchführung des TOA zu tun. Er bekommt die Anklageschrift vorgelegt und eröffnet ein Ver-fahren. Wurde bereits ein Ausgleichsgespräch durchgeführt, so kann er jedoch die Strafe mildern oder sogar das Verfahren einstellen (genauer Ablauf des TOA siehe unter 1.6.4).

Bei Beteiligten der Justiz wird der TOA überwiegend positiv bewertet. Eine schriftliche Befragung bei Rechtsanwälten in Köln (gefördert vom Bundesministerium der Justiz) hat ergeben, dass 86,8%[5] der befragten Anwälte den TOA als sinnvoll erachten. Dieser sehr hohe Anteil zeigt die Akzeptanz des TOAs bei den Rechtsanwälten.

Vorteile sehen die befragten Personen durch die Veranlassung des Täters zur Übernahme persönlicher Verantwortung, eine zügige Wiedergutmachung und die Vermeidung kriminalrechtlicher Sanktionen.

Dennoch werden auch Probleme aufgezeigt. Zunächst wurden bei dieser Studie die regionalen Unterschiede im Angebot bemängelt. Die soziale Gerechtigkeit würde dadurch gestört. Liegen beispielsweise in einer Stadt keine Angebote vor, so haben die Täter und Opfer nicht die Möglichkeit der Durchführung des TOAs. Auch die Opferabhängigkeit wird als Hindernis für die Durchführung des TOA gesehen, da dieser nur stattfinden kann, wenn es nur ein Opfer gibt und dieses zudem dem Schlichtungsgespräch zustimmt. Für den Täter ergibt sich die Schwie-rigkeit, dass er zum Zeitpunkt seiner Zustimmung zum Ausgleichs-gespräch noch nicht überblicken kann, ob das Strafverfahren danach dennoch weitergeführt wird. Außerdem kann es passieren, dass der Mediator anschließend als Zeuge für das Verfahren benannt wird, was ggf. nachteilig für den Täter sein kann. Des Weiteren äußerten die An­wälte bedenken bezüglich der finanziellen Einbußen, die sie nicht nur durch ein eventuelles Wegfallen des Verfahrens zu tragen hätten, sondern auch durch die Reduzierung der Zahl der zivilrechtlichen Pro-zesse.[6]

Aus Sicht der Rechtsanwälte wird der TOA also akzeptiert, es werden jedoch auch die Fehler gesehen, die in der Durchführung noch be-stehen.[7]

M. E. könnten diese behoben werden, indem bei ausreichender Wieder-gutmachungsleistung und einem eventuellen psychologischen Gut-achten die Verfahrenseinstellung vorgeschrieben wäre und die Anwälte in das Ausgleichsgespräch als rechtliche Berater einbezogen würden. Außerdem könnte man überregionale TOA-Stellen einrichten, so dass in jeder Gemeinde die Möglichkeit zum Ausgleich bestehen würde.

II.Kapitel

2. Der TOA am Beispiel des Projekts „Die Waage Köln“

Sämtliche Informationen und Daten über die Waage wurden, falls nicht anders angegeben, der Informationsbroschüre „Die Waage Köln. Verein zur Förderung des Täter-Opfer-Ausgleichs e.V. (Hrsg.): Der Täter-Opfer-Ausgleich. Köln. Jahr unbekannt.“, persönlichen Gesprächen mit Waagemitarbeitern (telefonisch), sowie dem unveröffentlichten „Sach-/ Tätigkeitsbericht für das Jahr 2000 zur Vorlage beim Land NRW“ ent­nommen.

2.1 Vorstellung des Projekts

Das Kölner Projekt „Die Waage“ wurde Anfang 1986 gegründet und war die erste Organisation in Nordrhein-Westfalen, die den Täter-Opfer-Ausgleich durchführte. Zu Beginn war es ein Modellversuch, der die außergerichtliche Konfliktschlichtung bei Straftaten von Jugendlichen und Heranwachsenden zum Ziel hatte und diese Verfahrensart deshalb erprobte. Die Modellphase endete 1989, die Einrichtung blieb als eine der ersten anerkannten Schlichtungsstellen im Jugendbereich erhalten. Seit dem dritten Quartal 1996 wurde zusätzlich auch die außer-gericht­liche Konfliktlösung im Erwachsenenbereich aufgenommen.

Träger der Waage ist der „Verein zur Förderung des Täter-Opfer-Aus­gleichs e.V.“.

Die im Theorieteil benannten Voraussetzungen für die Durchführung eines TOAs sind auch für die Waage grundlegend.

2.1.1 Finanzierung

Die Waage Köln finanzierte sich im Jahr 2000 mit Mitteln des Landes Nordrhein-Westfalen, der Stadt Köln und des Vereins zur Förderung des Täter-Opfer-Ausgleichs e.V.

Dabei steuerte das Land NRW 60%, die Stadt Köln 30% und der Verein zur Förderung 10% bei. Damit wird deutlich, dass dieses Projekt zwar Zuschüsse durch Land und Stadt bekommt, jedoch auch eigene Mittel aufbringen muss. Dieses gelingt durch Bußgelder und vor allem durch Spenden.

2.1.2 Mitarbeiter

Die Waage in Köln arbeitet nur mit spezialisierten Kräften, d.h. dabei handelt es sich um Fachkräfte, die ausschließlich im Arbeitsbereich des TOAs als Vermittler arbeiten. 1998 hatte diese TOA-Einrichtung 5 und 1999 und 2000 6 Angestellte. 2001 arbeiteten dort weiterhin 6 Mitar-beiter, von denen sich 3 mit den jugendlichen Straftätern befassen, während die anderen 3 für die Erwachsenen zuständig sind. Diese Stellen sind auf jeweils 2 Vollzeitstellen pro Bereich aufgeteilt.

2.1.3 Ziele der Waage

Oberstes Ziel des TOAs der Waage ist die Wiederherstellung des so­zialen Friedens zwischen Täter und Opfer. Dabei wird sowohl im Jugend- als auch im Erwachsenenbereich eine Konfliktlösung sowie eine Ver­söhnung erzielt.

Dabei wird der Konflikt bearbeitet, welcher der Tat zugrunde lag. Die Wiedergutmachung bezieht hierbei nicht nur den finanziellen Aspekt, sondern auch eine Entschuldigung mit ein, es wird also nach einer Lö-sung gesucht, die für beide Seiten akzeptabel ist.

Auch wird beim TOA die unterschiedliche Empfindung des Opfers be-achtet, da jedes Opfer die Tat anderes erlebt (Viktimisierung).

Dem Täter wird durch die persönliche Begegnung mit dem Geschä-digten ermöglicht, die Tat zu verarbeiten, sich also mit ihr auseinander-zusetzen, anstatt sie zu verdrängen. Er soll sich also der Tat bewusst werden und einsehen, dass er jemanden geschädigt hat.

Durch den TOA erhält das Opfer eine aktivere Rolle als im Gerichts-verfahren, Nebeneffekt ist, dass ein Zivilprozess möglicherweise ver-hindert wird.

Die Waage tritt für die weitere Einführung des Täter-Opfer-Ausgleichs sowohl im Jugendlichen- als auch im Erwachsenenbereich als justi-zielles Instrumentarium ein.[8]

2.1.4 Ablauf des TOA bei der Waage

Der Ablauf des TOA ist vergleichbar mit dem im Theorieteil benannten Ablauf eines Täter-Opfer-Ausgleichs:

- Der Ausgleichsfall wird durch die Staatsanwaltschaft oder das Gericht an die Waage weitergeleitet.
- Die Waage nimmt zum mutmaßlichen Täter Kontakt auf und führt ein erstes Gespräch mit ihm.
- Die Waage nimmt zum Opfer (dem Geschädigten) Kontakt auf und führt ein erstes Gespräch mit ihm.
- Der Beschuldigte und der Geschädigte erarbeiten bei einem ge-meinsamen Gespräch im Beisein des Vermittlers eine Konflikt-schlichtungs- und Schadenswiedergutmachungsregelung.
- Der Vermittler kontrolliert und unterstützt beide Parteien in Bezug auf die Einhaltung der getroffenen Regelung.
- Wurde die Vereinbarung eingehalten, so wird ein Abschlussbericht an die Staatsanwaltschaft oder das Gericht weitergeleitet.
- Wurde der TOA erfolgreich durchgeführt, kann es zu einer Straf-milderung oder zur Einstellung des Verfahrens kommen.

Zu Beginn des TOAs werden die Beteiligten von einem Waagemit­arbeiter schriftlich zu einem Vorgespräch eingeladen, dabei wird die Freiwilligkeit der Teilnahme betont sowie nachgewiesen, dass die Waage mit diesem Fall von der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht beauftragt wurde. Auch die Verfahrensweise der Waage wird bereits in diesem Schreiben erläutert.

Das erste Vorgespräch wird bei der Waage grundsätzlich mit dem Täter geführt, da ein Schlichtungsgespräch nur dann Sinn hat, wenn der Täter während des Gesprächs ausdrücklich die Bereitschaft zum Ausgleich zeigt. Sind mehrere Beschuldigte beteiligt, so werden Ge-spräche mit jedem einzelnen geführt. Somit kann sich jedes Gruppen-mitglied eigenständig mit der Tat auseinandersetzen.

Bei Bereitschaft des/der Täter(s) wird ein Gespräch mit der ge-schädigten Person geführt und deren Bereitschaft geklärt. Dabei kann das Opfer bereits eine Erklärung abgeben, welche Vorstellungen es über die Wiedergutmachung des Täters hat.

Beide Gespräche dienen der subjektiven Darstellung beider Seiten, Ängste und Unsicherheiten können bereits hier geäußert und unter-sucht werden. Der weitere Verlauf des TOA wird bereits in den Vor-gesprächen festgelegt.

Sind alle Beteiligten zu einem Ausgleichsgespräch bereit, so findet im Beisein eines Vermittlers ein Schlichtungsversuch statt, unter bestimm-ten Bedingungen können weitere Beteiligte wie Eltern, Rechtsanwälte oder Freunde/Bekannte am Gespräch teilnehmen.

Dabei darf der Vermittler auch versuchen, einem Gesprächspartner die Sichtweisen des anderen zu erklären, jedoch keine Partei ergreifen.

Zu Beginn des Gesprächs wird die Tat von allen Beteiligten geschildert und Ursachen und Folgen werden erörtert. Der Vermittler interveniert und sorgt dafür, dass die vorher für das Gespräch vereinbarten Regeln eingehalten werden.

Als Gesprächsabschluss wird die Art der Schadenswiedergutmachung beschlossen und in einem Vertrag festgehalten. Ebenfalls wird der Modus der Zahlungen oder anderweitige Vereinbarungen in diesem Vertrag festgehalten.

Der Vermittler überwacht im Anschluss an das Ausgleichsgespräch die Einhaltung der vereinbarten Wiedergutmachung.

2.2 Statistiken

Im Folgenden wird auf Fallzahlen und Deliktstrukturen eingegangen.

2.2.1 Fallzahlen

In diesem Teil sollen die Zuweisungswege, die Fallzahlen in den letzten Jahren, die Komplexität der Fälle und weitere den TOA bei der Waage bestimmende Faktoren untersucht werden.

Dabei werden, wenn nicht anderes angegeben, nur die Fallzahlen für die Jugendlichen und Heranwachsenden beachtet, diese sind ent-nommen aus dem „Sach-/Tätigkeitsbericht für das Jahr 2000 zur Vor­lage beim Land NRW“.

Wie viele Täter und Geschädigte an den bearbeiteten Fällen beteiligt waren, zeigt die folgende Abbildung:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Fallaufkommen der Waage Köln von 1997 bis 2000

Von 1997 bis 1999 sind die Fallzahlen kontinuierlich gestiegen, 2000 erlebten sie einen leichten Rückgang. Es wurden 17 Fälle (10,5 %) weniger bearbeitet.

Auch die Gesamtzahl der am TOA beteiligten Personen ist im Jahr 2000 um 32 gesunken, am Rückgang überwiegt mit 26 Geschädigten die Gruppe der Teilnehmenden. Wodurch dieser Rückgang der Fall-zahlen verursacht wurde, lässt sich hier nur vermuten. Entweder gab es tatsächlich weniger Fälle von Jugendkriminalität, so dass der Prozent-satz insgesamt geringer ausfällt, oder es wurden weniger Fälle an die Waage verwiesen. Mögliche Ursache dafür könnte ebenfalls sein, dass seltener die TOA-typischen Delikte begangen wurden, somit also diese Vergehen für den TOA nicht geeignet waren.

Die obige Abbildung zeigt auch, dass das Verhältnis von Tätern und Opfern, die an einem TOA teilnehmen, nicht immer gleich ist. So kann sowohl ein Täter mehreren Opfern gegenüberstehen, als auch mehrere Täter einem Geschädigten. Dieses soll Tabelle 1 verdeutlichen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 1: Komplexität der Fälle

Diese Tabelle zeigt, dass die häufigste Art des TOAs bei der Waage das Schlichtungsgespräch zwischen je einem Täter und je einem Opfer ist (59,3 %). Da der Anteil der Gruppendelikte wesentlich geringer ist (31 %), lässt sich hieraus schließen, dass der TOA für Einzeltäter besser geeignet ist als für Straftaten, die zu mehreren Personen began-gen wurden. Interessant wäre eine Aufstellung darüber, ob der TOA bei Einzeltätern oder Gruppen häufiger erfolgreich ist, leider liegen dazu keine Daten vor. Dieses liegt eventuell daran, dass es bei mehreren Tätern zu Teilerfolgen kommen kann. Angenommen es sind drei Täter beteiligt und nur zwei nehmen am TOA teil, so ist es schwierig, das Gelingen des TOA statistisch zu erfassen.

Wie in Kapitel I bereits geschildert, wird der TOA überwiegend im Verlauf der Gerichtsverfahrens an die Institutionen weitergeleitet. Anzu-merken ist, dass der TOA auch als Anweisung durch den Richter er-folgen kann, also auch am Ende eines Verfahrens stattfinden kann. Hierbei wird jedoch der volle Weg eines Strafverfahrens beschritten, die Kostenersparnis für Gerichte und andere beteiligte Institutionen ergibt sich hierbei also nicht.

Die nun folgende Abbildung zeigt, in welchem Stadium des Strafver­fahrens die Zuweisung erfolgte:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Zuweisung des TOAs in den verschiedenen Stadien des Strafverfahrens

Vorverfahren meint hier sämtliche Vorgehensweisen der Polizei und der Staatsanwaltschaft, bevor es zur Anklageerhebung kommt, das Zwischenverfahren dauert von diesem Zeitpunkt an bis zur Hauptver­handlung.

Bedingt sind diese unterschiedlichen Zuweisungszeitpunkte durch das Kriterium, von wem der TOA vorgeschlagen bzw. zugewiesen wurde.

Der höchste Anteil zeigt sich während des Vorverfahrens, was ver­deutlicht, dass der TOA in Köln überwiegend als Alternative zum Straf­verfahren angesehen wird und nicht als Ergänzung

Im Gegensatz dazu steht jedoch der relativ große Anteil an Zuwei-sungen während des Hauptverfahrens, wodurch die Vermutung nahe-liegt, dass keine hundertprozentige Akzeptanz des TOAs besteht oder die Möglichkeit eines TOAs für den entsprechenden Fall erst spät sicht-bar wurde.

Der hohe Anteil der Zuweisungen im Vorverfahren lässt eine hohe Beteiligung der Polizei und Staatsanwaltschaft vermuten, teilweise bestätigt wird dieses durch die Daten über die Zuweisungswege:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.3: Zuweisungswege

Durch diese Abbildung wird deutlich, dass die Staatsanwalt den höchsten Anteil an den Zuweisungen hat, deutlich wird jedoch auch hier die hohe Beteiligung des Gerichts, das im üblichen Verlauf erst im Hauptverfahren beteiligt ist.

Verfahrenstechnische Hindernisse können sich für den TOA vor allem daraus ergeben, dass der Fall durch die Art der Tat und die fehlende Bereitschaft der Täter zur Mitarbeit nicht in Frage kommt. Im Jahr 2000 waren jedoch 97 % der Fälle geeignet, lediglich 1 % erfüllte die Falleig-nungskriterien nicht, der restliche Anteil an Schlichtungen wurde durch sonstige Ereignisse verhindert.

Vergleicht man nun die Daten der Waage für das Jahr 2000 bezüglich der Bereitschaft der Täter und Geschädigten, so wird verdeutlicht, dass die Bereitschaft der Beteiligten zur Teilnahme am TOA sehr hoch ist, wenn auch auf der Geschädigtenseite niedriger. Dabei ist zu beachten, dass ein geringer Teil der Beteiligten nicht erreicht wurden. Diesen Sachverhalt verdeutlicht die folgende Abbildung:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Ausgleichsbereitschaft der Täter und Opfer (bei den Tätern 140 geeignete Fälle, bei den Opfern 123)

Obwohl die Zahlen der geeigneten Fälle unterschiedlich sind, zeigt sich hier weitestgehend eine Übereinstimmung bei den Tätern und Opfern. Der größte Teil der Beteiligten gab im Jahr 2000 seine Zustimmung zum TOA.

Die große Bereitschaft zum TOA verdeutlicht gleichzeitig den Wunsch nach außergerichtlichen Ahndungsmöglichkeiten von Straftaten bei den beteiligten Parteien.

Die obige Grafik verdeutlicht jedoch auch, dass die Ablehnung bei den Opfern eher erfolgt als bei den Tätern. Dafür gibt es zwei mögliche Ursachen: Die geschädigte Person hat die Tat noch nicht verarbeitet und ist deshalb nicht zum TOA bereit oder sie will grundsätzlich den TOA nicht als Konfliktlösung.

Zusätzlich muss beachtet werden, dass die Opfer bezüglich ihrer Bereitschaft nicht befragt wurden, wenn der Täter seine Zustimmung verweigerte. Auch bedeutet eine Zustimmung zum TOA nicht gleich-zeitig, dass der TOA auch durchgeführt wurde.

Bei 35,6 % der Fälle wurde der Ausgleich im Jahr 2000 auch ohne persönliches Gespräch zwischen den Beteiligten durchgeführt, hierbei waren die Waagemitarbeiter nur „Boten“ zwischen den Konfliktparteien.

Teilweise fand der Ausgleich auch ohne Beteiligung eines Vermittlers statt, diese Form nahm jedoch 2000 den geringsten Anteil ein:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5: Ausgleichsmodus (n = 87 Fälle; gerundete Werte)[9]

Wie die Grafik zeigt, fand im Jahr 2000 bei 46 % der bearbeiteten Fälle ein Ausgleichsgespräch statt, bei dem Waagemitarbeiter dem Gespräch beiwohnten, bei 36 % der Fälle dienten sie nur als Vermittler und bei 18 % der Fälle wurde ihre Hilfe nicht benötigt.

Es wird also deutlich, dass in vielen Fällen allein die Möglichkeit der Durchführung eines TOA zu persönlichen Gesprächen zwischen den Beteiligten führte, wobei ein Vermittler nicht zwingend notwendig war.

Da jedoch viele Gespräche mit Vermittler stattfanden, wird deutlich, dass dritte Personen zur Schlichtung der Konflikte oftmals notwendig sind, begründet durch das Unvermögen der Beteiligten, objektiv das Geschehen zu bewerten. Der Schlichter oder Vermittler kann hier die objektiven Aspekte einbringen und somit den Beteiligten vor Augen führen. Dadurch wird ebenfalls sichergestellt, dass der Täter seine Tat wirklich einsieht und nicht lediglich am TOA teilnimmt, um einer Be-strafung durch die Justiz zu entgehen. Mit dieser Begründung lässt sich dann allerdings auch anzweifeln, ob die Gespräche ohne Vermittler wirklich so erfolgreich sein können wie diejenigen mit einem Schlichter. Die Beurteilung fällt schwerer, die Rückfallquote der Täter könnte in diesen Fällen höher sein.

Die folgende Grafik zeigt die Wiedergutmachungsformen, die bei der Waage gewählt wurden, es konnten mehrere Wiedergutmachungsarten gleichzeitig beschlossen werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 6: Wiedergutmachungsarten der abgeschlossenen Fälle (n = 82)[10]

Diese Abbildung verdeutlicht, wie wichtig die persönliche Entschuldi-gung bei einem TOA ist. Bei 61 von 82 Fällen war sie Voraussetzung für den erfolgreichen Abschluss. Schadenersatz steht an zweiter Stelle, stellt also ein Indiz dafür dar, dass eine der häufigsten Straftaten des TOA der Diebstahl oder die Beschädigung von Sachen ist. Dass jedoch auch in 19 Fällen ein Schmerzensgeld beschlossen wurde, zeigt, wie häufig auch physische oder psychische Schmerzen zugefügt werden.

Sehr selten gewählt wurde die gemeinsame Aktivität als Wiedergut-machungsform. Hier wird die soziale Kompetenz des Täters/der Täter durch eine Unternehmung mit dem Opfer/den Opfern über das Aus­gleichsgespräch hinweg gefördert.

Insgesamt fällt auf, dass alle Wiedergutmachungsformen dem Opfer/ den Opfern zugute kamen, der für das Opfer/die Opfer anstrengende Weg des Zivilprozesses wurde also vermeidbar.

Wie man an den bisherigen Abbildungen erkennen konnte, verfolgte das Ausgleichsgespräch unterschiedliche Ziele. Zum Teil beschäftigte es sich ausschließlich mit der Konfliktschlichtung, zum Teil nur über-wiegend, bei manchen Gesprächen standen sowohl der Konflikt als auch die Schadenswiedergutmachung (SWG) im Vordergrund.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 7: Schwerpunkt des TOAs (n = 96)

Die Zahlen in Abb. 7 beziehen sich auf 96 Fälle, unabhängig davon, ob sie erfolgreich waren, um eine repräsentative Erhebung über die zentrale Aufgabenstellung der Ausgleichsgespräche durchzuführen.

Der hohe Anteil an Gesprächen, die nur die Konfliktschlichtung, sowie die Fälle, die Konfliktschlichtung und Schadenswiedergut-machung zum Ziel hatten, verdeutlichen, dass die Lösung des Konflikts immer mehr in den Vordergrund rückt, die Schadenswiedergutmachung also einen geringeren Anteil einnimmt.

Diese Entwicklung zeigt, dass sich der TOA deutlich von der Strafjustiz abhebt. Während in der Justiz die Konfliktlösung gar nicht ange-sprochen wird, rückt sie beim TOA in den Vordergrund. Somit zeigt sich eine alternative Möglichkeit, den Täter sowohl für seine Taten zu sensibilisieren, als auch eine angemessene Wiedergutmachungsart zu finden. Dieses zeigt auch der hohe Anteil an Ausgleichsgesprächen, die Konfliktlösung und Schadenswiedergutmachung zum Ziel hatten. Diese kann ebenso als eine Art Strafe für den Täter angesehen werden, wobei die Wiedergutmachung sowohl für Täter als auch Geschädigten persönlich sinnvoller als eine Geldstrafe an den Staat oder Sozial-stunden in Einrichtungen erscheinen kann. Hier wird also beides, Strafe und soziale Kompetenz für den Täter, beachtet, der Täter erhält die Möglichkeit, seine Tat und den Sinn der Wiedergutmachung zu erfassen.

Um die Lernfähigkeit des Täters zu erhöhen, sollte in der Strafjustiz dessen Bestrafung sehr schnell erfolgen, zumeist sieht dieses in der Praxis jedoch anders aus. Aus diesem Grund wird beim Täter-Opfer-Ausgleich versucht, diese Zeitspanne möglichst gering zu halten, damit der Täter aus seiner Tat und der darauffolgenden Strafe bzw. Wieder-gutmachungsart lernen kann. Dieser Zeitraum beginnt bei der Waage mit der Zuweisung des Falls und endet an dem Tag, an dem der Abschlussbericht weitergeleitet wird. Die folgende Grafik berück-sichtigt alle Fälle, die zum Zeitpunkt der Erstellung des Sach-/ Tätigkeits-berichts abgeschlossen waren.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 8: Dauer des Täter-Opfer-Ausgleichs (n = 124)

Diese Abbildung verdeutlicht, dass im Jahr 2000 die meisten TOA-Verfahren 5-8 Wochen dauerten, also ein rascher Abschluss erzielt wurde. Dennoch gibt es viele Fälle, die wesentlich länger bearbeitet wurden, das Ziel der schnellen Bearbeitung wurde also nicht immer erreicht. Diese Statistik wird jedoch zu sehr großen Teilen dadurch verfälscht, dass die Fälle, in denen eine Ratenzahlung vereinbart wurde, sich oftmals über einen langen Zeitraum hinweg erstrecken, dieses jedoch voll in die Bearbeitungsdauer eingeht.

[...]


[1] Vgl. http://www.jm.nrw.de/stat_jm/service/broschur/j.../jugend04.html

[2] Vgl. Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen [Hrsg.], 1999, S.30/31

[3] Lamnek, Siegfried ,1997, S. 314

[4] Lamnek, Siegfried ,1997, S. 315

[5] Bundesministerium der Justiz [Hrsg.], 1999, S. 130

[6] Vgl. Bundesministerium der Justiz [Hrsg.], 1999, S. 132/133

[7] Vgl. Böhner, Uta u.a., 2001, S. 16-18

[8] Vgl. Die Waage Köln [Hrsg.], o. J., S. 5

[9] TOA-Gespräch = Täter-Opfer-Ausgleichs-Gespräch; TO-Gespräch = Täter-Opfer-Gespräch (also ohne Vermittler)

[10] symb. WGM = symbolische Wiedergutmachung

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2001
ISBN (PDF)
9783958207240
ISBN (Paperback)
9783958202245
Dateigröße
5.2 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität zu Köln
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1
Schlagworte
Jugendstrafrecht Außergerichtliche Konfliktbeilegung Mediation Jugendkriminalität jugendlicher Täter

Autor

Jasmin Jodlauk (geb. Brück) wurde 1977 in Köln geboren. Ihr Studium des Lehramts der Sekundarstufe I mit den Fächern Geographie und Sozialwissenschaften schloss sie im Jahr 2001 mit der Ersten Staatsprüfung ab. Bereits während des Studiums widmete sie sich im Fachbereich Soziologie der Thematik der Jugendkriminalität. Für das vorliegende Buch beschäftigte sie sich in ihrer Abschlussarbeit mit dem Täter-Opfer-Ausgleich als Alternative zum Jugendgerichtsverfahren.
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Titel: Täter-Opfer-Ausgleich oder Jugendstrafe? Alternativen im Jugendgerichtsverfahren
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