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Die Drei-Punkte-Regel als Garant für Offensivfußball? Eine spieltheoretische Analyse

©2014 Bachelorarbeit 38 Seiten

Zusammenfassung

Fußball bedeutet Gefühle zusammen zu erleben, Identifikation, Konkurrenz, Motivation, Integration, die Unberechenbarkeit des Augenblicks und Spannung bis zur letzten Minute. Er ist eine Macht, die ein ganzes Leben bestimmen kann, die keinen Halt macht vor Menschen mit unterschiedlicher Hautfarbe, Konfession oder verschiedener Generationen. Doch was genau zeichnet diese einzigartige „Faszination Fußball“ aus? Woher kommt die universelle Anziehungskraft dieser Sportart, die man auf der ganzen Welt spüren kann und bei der es egal ist, ob man Profispieler, Freizeitkicker oder einfach nur Zuschauer ist? Sind es nur die zu Beginn aufgezählten Eigenschaften dieses Spiels? Wohl kaum, denn in erster Linie ist es viel mehr die Einfachheit des Spiels, die den Fußball so besonders macht. Um Fußball zu spielen, braucht man nicht viel: einen Ball, zwei Tore, die auch schon mal aus Bäumen bestehen können, und ein paar Mitspieler. Auch die eigentlichen Regeln sind nicht sehr komplex: Es gibt zehn Feldspieler und einen Torwart, der den Ball als einziger in die Hand nehmen darf, das Spiel dauert 90 Minuten und gewonnen hat die Mannschaft, welche die meisten Tore erzielt. Das ist Fußball und doch immer mehr als ein Spiel! Anfang der achtziger Jahre jedoch stellte sich die Frage nach einer möglichen Bedrohung für genau diese Faszination. Es gab zunehmend Kritik an der Art und Weise, wie die einzelnen Mannschaften ein Spiel bestritten. Die Kritiker bemängelten eine zu defensive Spielweise, die mit zu wenigen Toren und zu vielen Unentschieden verbunden war. Durch zu seltenen Offensivfußball und dem damit verbundenen Spannungsverlust, sah man die Attraktivität des Fußballs gefährdet. So kam es schließlich dazu, dass in der Saison 1995/1996 die Drei-Punkte-Regel weltweit eingeführt wurde.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


1 Einleitung

Im Rahmen dieser Bachelorarbeit soll die Frage untersucht werden, ob die durch die FIFA eingeführte Drei-Punkte-Regel in der Saison 1995/1996 zu einer offensiveren Spielweise geführt hat oder der gewünschte Effekt ausgeblieben ist? Durch eine spieltheoretische Modellierung der Situation vor und nach der Einführung dieser Regel, soll versucht werden, eine Antwort auf eben diese Frage zu finden.

Zu Beginn soll zunächst einmal die Entstehung des Fußballs allgemein und seine Entwicklung in den letzten Jahrzehnten thematisiert werden, um im Folgenden den Hintergrund bezüglich der Einführung Drei-Punkte-Regel zu beleuchten. Dabei soll den Fragen: Warum der FIFA diese Regeländerung für notwendig erschien und wie sich die Änderung auswirken sollte, nachgegangen werden. Im nächsten Abschnitt wird versucht mit Hilfe von wichtigen grundlegenden Begriffen der Spieltheorie eine Verbindung zum Thema Fußball herzustellen, um dadurch passende Voraussetzungen für die nachfolgende Analyse zu schaffen.

Nach diesen beiden Abschnitten, die als Einleitung in die Thematik dienen sollen, folgt der Hauptteil dieser Bachelorarbeit. Dieser beschäftigt sich mit der spieltheoretischen Analyse der durch die Einführung der Drei-Punkte-Regel entstanden Situation. Dabei soll zunächst ein Modell entwickelt werden, das versucht, durch die Ermittlung von Nash-Gleichgewichten eine Aussage über den Einfluss der Drei-Punkte-Regel auf die Strategiewahl einer Fußballmannschaft zu formulieren. Anschließend werden zwei spieltheoretische Analysen von Borcas/Carillo und Guedes/Machado vorgestellt, um im letzten Teil zu einer spieltheoretischen und empirischen Beurteilung der Regeländerung hin zu drei Punkten für einen Sieg zu kommen.

Eine kritische Auseinandersetzung bildet den Abschluss dieser Bachelorarbeit. Hierbei soll es darum gehen, erstens die Schwachpunkte der Einführung der Drei- Punkte- Regel und zweitens die Grenzen einer spieltheoretischen Analyse aufzuzeigen, um im letzten Abschnitt zu einem Fazit inklusive eines Ausblicks, wie Offensivfußball gefördert werden kann, zu kommen.

2 Der Weg von der Zwei-Punkte-Regel hin zur Drei-Punkte-Regel

Mit über 240 Millionen registrierten Spielern, die in insgesamt 1,4 Millionen Mannschaften spielen und 300.000 eingetragenen Vereinen ist Fußball die beliebteste Sportart der Welt.[1] Die Entwicklung bis zu diesem Status quo hat nur etwas mehr als ein Jahrhundert gedauert und scheint noch lange nicht an ihrem Ende angekommen zu sein.

2.1 Die Geschichte des Fußballs

Schon im zweiten Jahrhundert vor Christus finden sich erste Spielformen, die dem Fußball ähnlich sind zum Beispiel in chinesischen Militärhandbüchern. Das Spiel mit dem Ball wurde dabei genutzt, um die Ausdauer und die Kraft von Soldaten zu trainieren. Die Wurzeln des modernen Fußballs sind jedoch in England zu finden und zwar unter dem Begriff des „Folk Football“. Diese Spielform beinhaltete noch keine konkreten Regeln, die z.B. die Größe des Spielfeldes oder die Anzahl der Spieler beschränkten. Das Spiel wurde hauptsächlich durch Gewalt und Kraft entschieden und nicht durch eine Taktik oder besondere technische Fähigkeiten. Eine Weiterentwicklung des Spiels verbreitete sich zunächst an englischen Eliteschulen. Jedoch erst Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das Fußballspiel weniger gewaltbetont. Von diesem Zeitpunkt an stellte das Spiel vielmehr eine Mischung aus Rugby und Fußball dar, die den Schülern der Eliteschulen Werte wie Zusammenhalt, Disziplin und Fairness vermitteln sollte. Im Jahre 1848 schließlich formulierten Studenten der Universität Cambridge erste Fußballregeln deren Gültigkeit gleichwohl immer noch regional begrenzt war. Deshalb trafen sich im Jahr 1863 Vertreter der bis dahin bestehenden elf Fußballvereine in der Londoner Freimaurer-Taverne, um allgemeingültige Regeln festzulegen und gründeten gleichzeitig den weltweit ersten nationalen Fußballverband die sogenannte Football Association (FA). Im Laufe der nächsten Jahrzehnte und in erster Linie bedingt durch die Industrialisierung entwickelte sich Fußball immer mehr zum Sport aller Gesellschaftsschichten und verbreitete sich schnell in ganz Europa und Südamerika.[2]

In Deutschland benötigte die Etablierung des Fußballs ein wenig Zeit, da zu dieser Zeit Turnen der Nationalsport war und Fußball hingegen als “undeutsch“ bzw. „englische Krankheit“ angesehen wurde. Erstmals eingeführt wurde das Fußballspiel im Jahr 1874 durch den damaligen Gymnasiallehrer Konrad Koch, der gleichzeitig einen ersten Entwurf eines deutschen Regelwerks formulierte auf den Begriffe wie Abseits, Ecke und Halbzeit zurückzuführen sind. Erst Ende der 1890er Jahre gründeten sich schließlich erste deutsche Fußballvereine und im Jahre 1900 wurde der Deutsche Fußballbund und (DFB) in Leipzig gegründet.

2.2 1. Jahrhundert: Fußball wird zu einem „Produkt“

Heute ist Fußball viel mehr als nur ein Volkssport, Fußball hat sich zu einem „Produkt“ entwickelt, dessen Anbieter Vereine und Verbände sind, die über Input-Faktoren wie Spieler, Trainer und Manager bestimmen. Fußballvereine konkurrieren dabei in erster Linie um den sportlichen Erfolg, der sich jedoch nicht durch eine allgemeingültige Formel erreichen lässt. Denn der gleichzeitige Erfolg aller Vereine ist nicht möglich. Der Grund hierfür ist, dass der Sieg der einen Mannschaft immer die Niederlage der anderen Mannschaft bedeutet. Zu beachten ist außerdem, dass der Wettbewerb in Bezug auf das „Produkt“ Fußball in den letzten Jahren sehr vielschichtig geworden. Fußball bedeutet heute Interaktion auf verschiedensten Märkten mit unterschiedlichen Mechanismen und Strukturen. Im Zentrum stehen dabei vor allem drei wichtige Märkte: Medien, die um die Senderechte einzelner Spiele konkurrieren, außerdem die Wirtschaft, die vor allem am Sponsoring von Spielern und Vereinen interessiert ist und der Markt der Zuschauer in Bezug auf Merchandising, Ticketing und Werbung. Dieses belegt, dass die Wechselwirkung zwischen sportlichen und wirtschaftlichen Erfolg stark zugenommen hat. Denn sportlicher Erfolg steigert das Interesse der Zuschauer und der Medien und damit auch die Attraktivität einer Mannschaft für Sponsoren, wodurch wiederum die Erlöse, die sich durch eine gezielte Vermarktung erzielen lassen, erhöhen. Der Gewinn aus diesem Mechanismus zwischen sportlichen und wirtschaftlichen Erfolg lässt sich dann wieder in die Qualität einer Mannschaft investieren.[3]

Doch welche Faktoren sind es, die den sportlichen Erfolg bestimmen? Die einfachste Antwort auf diese Frage scheinen finanzielle Mittel zu sein, doch es darf bezweifelt werden, dass allein Geld, den sportlichen Erfolg bestimmt. In den letzten Jahren gab es dafür zahlreiche Gegenbeispiele, wie die mit begrenzten finanziellen Mitteln arbeitenden Vereine Mainz, Freiburg und Augsburg. Es scheinen auch Faktoren wie der Teamgeist einer Mannschaft oder die Qualität eines Trainers ein passendes Spielsystem zu finden, eine Rolle zu spielen. Daher kann die Schlussfolgerung gezogen werden, dass jeder Verein genau die Faktoren positiv zu beeinflussen versucht, die den größten Grenzeffekt auf den sportlichen Erfolg haben.[4] In einem Spannungsfeld wie sportlicher Erfolg erreicht werden kann, stehen sich dabei regelmäßig die Attraktivität und die Effektivität eines Spielsystems gegenüber. Eine attraktive Spielweise, oft verbunden mit einem offensiv ausgerichteten Spiel, fördert die Spannung und das Interesse des Zuschauers, während sich eine an Effektivität orientierende Taktik allein auf das Ziel des sportlichen Erfolgs fokussiert und daher oft defensiver wirkt. Da wie zuvor erläutert die Bedeutung der Zuschauer und in Verbindung damit das Interesse der Medien und der Wirtschaft in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen hat, rückt also das Spannungsfeld zwischen Attraktivität und Effektivität immer mehr in den Fokus für die Anbieter des „Produkts“ Fußball und damit auch die Frage: Wie die Attraktivität des Fußballs in der Zukunft weiter gefördert werden kann, ohne einen Verlust im Hinblick auf sportlichen Erfolg hinnehmen zu müssen?

2.3 Die Einführung der Drei-Punkte-Regel

Zu Beginn der achtziger Jahre nahm die Kritik an der Ausrichtung der Spielsysteme im Fußball rapide zu. Der Vorwurf lautet, dass der Fußball zunehmend von zu defensiven Taktiken geprägt sei und das Spiel dadurch an Attraktivität und Spannung verloren habe. Die FIFA sah sich auf Grund dessen gezwungen dieser Entwicklung mittels Regeländerungen entgegenzuwirken. Dieser Prozess begann im Jahr 1990 mit einer Änderung der Abseitsregel, die besagte, dass der Angreifer nicht mehr im Abseits stand, wenn er sich auf einer Linie mit dem vorletzten Gegner befand. Danach folgten weitere Regeländerungen wie zum Beispiel, dass eine Vereitelung einer klaren Torchance durch ein Foul („Notbremse“) mit einem Platzverweis bestraft werden sollte. Diesen kleineren Korrekturen des Regelwerks folgte schließlich in der Saison 1995/96 die weltweite Einführung der Drei-Punkte-Regel durch die FIFA. Zuvor hatten nur einige wenige Länder, unter diesen auch England, die Regel, dass es für einen Sieg drei Punkte anstatt zwei Punkte geben sollte, bereits seit Anfang der achtziger Jahre genutzt. Die Intention, welche die FIFA bei dieser bis dahin größten Regeländerung im internationalen Fußball seit ihrer Gründung im Jahr 1904, verfolgte, war die Förderung einer offensiveren Spielweise mit mehr Toren und damit einem höheren Maß an Spannung. Durch die Drei-Punkte-Regel sollte es zu torreichen Siegen, anstatt der Verteidigung eines Remis kommen. Die höhere Punktzahl für einen Sieg, sollte den Anreiz für Unentschieden verkleinern und das Unentschieden an sich gegenüber dem Sieg abwerten. Dieses verdeutlicht auch die Tatsache, dass beide Mannschaften eines Spiels nach der Einführung der Drei-Punkte-Regel nur noch ein Drittel der möglichen Punkte für einen Sieg, anstatt die Hälfte der Punkte bekommen. Guedes und Machado beschrieben diesen Mechanismus wie folgt: „Die Belohnung für einen Sieg wird relativ zu der Belohnung für ein Unentschieden erhöht“.[5] Durch die Veränderung des Anreizsystems sollte es zu einer Verschiebung der Vorteilhaftigkeit der Handlungsalternativen in Bezug auf die Taktik einer Mannschaft kommen. Ob diese Änderung des Rechtsrahmen das Verhalten der Entscheidungsträger allerdings in der Realität so beeinflusst, dass es zu einem Strategiewechsel hin zu einer offensiveren Spielweise kommt, muss im Folgenden untersucht werden.

3 Eine Verbindung zwischen Fußball und Spieltheorie

„Die Wissenschaft vom strategischen Denken heißt Spieltheorie.“[6] (Avinash K. Dixit & Barry J. Nalebuff)

Die Spieltheorie versucht durch die Modellierung bestimmter Entscheidungssituationen, in denen sich die beteiligten Akteure gegenseitig beeinflussen, Antworten auf Fragen in Bezug auf das mögliche Verhalten der Akteure und auf eventuelle Einflussfaktoren zu finden.

3.1 Fußball-eine kontinuierliche Strategie

Eine Strategie versucht die Faktoren, die das eigene Handeln beeinflussen könnten, für jede Situation mit einzukalkulieren und stellt somit einen vollständigen Verhaltensplan für jeden mögliche Entscheidungssituation dar. Dabei beschreibt die Strategiemenge die Gesamtheit aller möglichen Strategien eines Spiels. In der Spieltheorie wird allgemein zwischen drei Formen von Strategien, den reinen, den gemischten und den kontinuierlichen Strategien unterschieden. Eine reine Strategie beschreibt eine Situation, bei der sich jeder Spieler stets eindeutig für eine bestimmte Aktion entscheidet. Die Problematik hierbei liegt darin, dass der jeweils andere Spieler die Festlegung auf diese eine Strategie antizipiert und selbst die beste Antwort darauf wählt. Das Problem lässt sich jedoch durch eine Erweiterung um die Form der gemischte Strategien lösen. Gemischte Strategien stellen eine Mischung mehrerer reiner Strategien gemäß einer Wahrscheinlichkeitsverteilung dar. Der Spieler entscheidet dabei nicht selbst über die Strategie, die er spielt, sondern überlässt die Wahl seiner tatsächlichen Strategie einem Zufallsmechanismus. In den bisherigen Überlegungen wurde angenommen, dass die Menge der vorhandenen Strategien genau bestimmt werden kann, dies ist in der Realität jedoch nicht oft der Fall. Bei einer näheren Betrachtung gemischter Strategie stellt man daher fest, dass die Wahrscheinlichkeit für die Wahl einer einzelnen Strategie kontinuierlich variiert werden kann. In diesem Fall wird von kontinuierlichen Strategien gesprochen, da eine unendlich Menge an gemischten Strategien zu Verfügung steht.

Ein Trainer, der hauptsächlich für die Strategie einer Fußballmannschaft verantwortlich ist, legt zwar vor dem Anpfiff eines Spiels eine Strategie für seine Mannschaft fest, es kann jedoch während eines Spiels immer wieder Faktoren geben zum Beispiel die Verletzung eines Spielers oder die Führung des Gegners, die es erfordern diese Strategie zu verändern. Da die Strategiemenge demnach nicht abzählbar ist sondern unendlich, handelt es sich bei einem Fußballspiel um kontinuierliche Strategien.

3.2 Das Spiel-eine Aneinanderreihung mehrerer Spiele

Die Frage, die sich jeder Fußballtrainer vor einem Spiel stellt ist, welche Strategie muss ich für meine Mannschaft wählen, damit wir das Spiel gewinnen. Die Suche nach der optimalen Strategie bestimmt demnach das Handeln eines Trainers. Dabei legen sich die Trainer einer Mannschaft vor dem Beginn des Spiels auf eine Strategie fest, sie entscheiden sich also simultan für eine Handlungsalternative. Betrachtet man ein Fußballspiel allein aus diesem Winkel, dann ergibt sich daraus, dass es sich um ein in der Spieltheorie sogenanntes simultanes Spiel handelt. Bei einem simultanen Spiel legen sich die Akteure gleichzeitig auf eine Strategie fest, ohne Informationen darüber welche Strategie der andere Spieler wählen wird. Wenn man den Betrachtungswinkel eines Fußballspiels jedoch vergrößert und den Verlauf eines ganzen Spiels betrachtet, stellt man fest, dass die Trainer einer Fußballmannschaft während eines Spiels immer wieder mit Situationen konfrontiert werden, die sie dazu zwingen, erneut eine Wahl zwischen verschieden Handlungsmöglichkeiten zu treffen. In diesen Fällen treffen die Akteure ihre Entscheidungen oftmals nacheinander und nicht mehr gleichzeitig. Das Spiel verliert demnach seinen simultanen Charakter und wandelt sich in sequentielles Spiel um. Der Spieler, der als zweites an der Reihe ist, verfügt demzufolge über Informationen bezüglich der Wahl des anderen Spielers, die er in Bezug auf seine eigene Entscheidung miteinbeziehen kann.

Letztendlich muss deshalb die Frage aufgeworfen werden, um welche Spielform es sich bei einem Fußballspiel handelt? In Bezug auf eine Entscheidung zwischen simultanen oder sequentiellen Spielen, ist die Frage so zu beantworten, dass es darauf keine klare Antwort gibt. Fußball stellt sich spezifisch nicht als eine der beiden Spielformen dar, sondern präsentiert sich viel mehr als eine Aneinanderreihung mehrerer simultaner oder auch sequentieller Spiele im Spielverlauf.

3.3 Vom Nullsummenspiel zum Nicht-Nullsummenspiel

Wenn der Vorteil des einen Spielers den Nachteil des anderen Spielers bedeutet, dann spricht man von einem Nullsummenspiel. Überträgt man diese Definition auf die Spielsituation im Fußball, in der die Niederlage einer Mannschaft den Sieg einer anderen Mannschaft bedeutet, so wird deutlich, dass Fußball ein Nullsummenspiel ist. Die Ausgangsmöglichkeiten bei einem Spiel zwischen zwei Fußballmannschaften bieten neben Sieg oder Niederlage außerdem noch eine dritte Möglichkeit nämlich das Unentschieden. Bei einem Unentschieden hat keine Mannschaft einen Vor- oder Nachteil, sie sind was das Ergebnis betrifft gleichgestellt. Die folgende Auszahlungsmatrix zeigt wie ein Fußballspiel spieltheoretisch vor der Drei-Punkte-Regel auf eine einfache Weise modelliert werden kann. In diesem Modell entscheiden beide Mannschaften simultan zwischen einer offensiven Strategie (Attackieren) und einer defensiven Strategie (Verteidigen). Außerdem gelten die Annahmen, dass Attackieren immer besser ist als Verteidigen und dass in dem Fall, dass beide Mannschaften die gleiche Strategie wählen, es immer zu einem Unentschieden kommt. Die Payoffs lassen sich durch die Opportunitätskosten der Punkte für Sieg, Unentschieden oder Niederlage bestimmen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Fußballspiel während der Zwei-Punkte- Regel (Nullsummenspiel)

Die Auszahlungsmatrix zeigt die Modellierung eines Fußballspiels als ein Nullsummenspiel, da die Auszahlungssumme für jede mögliche Strategiekombination Null ergibt. Das bedeutet, wenn Mannschaft 1 die Strategie „Attackieren“ und Mannschaft 2 „Verteidigen“ wählt, dann erhält Mannschaft 1 einen Payoff von zwei und Mannschaft 2 eine Auszahlung in Höhe von minus zwei. Genau umgekehrt ist das Ergebnis, wenn Mannschaft 2 „Attackieren“ wählt und Mannschaft 1 „Verteidigen“, nur für den Fall, dass beide auf die gleiche Strategie setzten, erhalten sie identische Payoffs in Höhe von null. Die Strategiekombination „Attackieren“/„Attackieren“ ist für beide Mannschaften optimal und stellt somit ein Gleichgewicht dar.

Bis zu der Saison 1995/1996 stellte Fußball spieltheoretisch ein Nullsummenspiel dar, dies änderte sich jedoch nach der Einführung der Drei-Punkte-Regel. Von diesem Zeitpunkt an bekam der Sieger eines Spiels nicht mehr zwei sondern drei Punkte, dies bedeutete gleichzeitig, dass im Falle eines Unentschiedens beide Mannschaften nur noch ein drittel der Punktzahl eines Siegers erhielten. Abbildung 2 zeigt, wie ein Fußballspiel unter der Drei-Punkte-Regel spieltheoretisch abgebildet werden kann, dabei gelten die gleichen Annahmen, die bereits in Bezug auf die erste Abbildung eingeführt wurden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Fußballspiel während der Drei-Punkte (Nicht- Nullsummenspiel)

Die zweite Abbildung zeigt ebenfalls, dass die Strategiekombination „Attackieren“/„Attackieren“ ein Gleichgewicht darstellt, jedoch muss im Unterschied zu Abbildung 1 festgehalten werden, dass ein Fußballspiel nach der Einführung der Drei-Punkte-Regel kein Nullsummenspiel mehr darstellt. Der Grund für diese Veränderung in der spieltheoretischen Interpretation eines Fußballspiels liegt darin, dass die Auszahlungssumme der Strategiekombinationen „Attackieren“/„Attackieren“ und „Verteidigen“/„Verteidigen“ in beiden Fällen einen Wert von minus zwei anstatt null ergibt.

Die Regeländerung hin zu drei Punkten für einen Sieg hat außerdem zu einer Art Ineffizienz des Unentschiedens geführt, denn es wäre dem Sieger eines Spiels möglich einen Punkt an das Verliererteam abzugeben und immer noch mehr Punkte zu haben.[7] In einer Liga könnte außerdem ein Kollusionsanreiz entstehen, da eine Mannschaft für einen Sieg mehr Punkte erhält als für zwei Unentschieden.[8] Wenn also zwei Teams jeweils einmal in der Hinrunde und einmal in der Rückrunde aufeinander treffen, wäre für jede Mannschaft jeweils ein Sieg effektiver als zwei Remis. Ein solche Gleichgewichtslösung ist jedoch nicht stabil, da der Sieger der Hinrunde den Anreiz hat in der Rückrunde mindestens ein Unentschieden, wenn nicht sogar einen Sieg zu erzielen.[9] Es kann dieser Argumentationskette zu Folge festgehalten werden, dass sich Fußball unter der Drei-Punkte-Regel zu einem Nicht-Nullsummenspiel entwickelt hat. Dabei ist eine Situation entstanden, die in einer Konkurrenzsituation die Möglichkeit zur Kooperation ermöglicht. Dieser Zustand wird in der Spieltheorie als Coopetition beschrieben, er setzt sich zusammen aus den Begriffen cooperation und competition und ist auf Ray Noorda zurückzuführen. Ob die Möglichkeit zur Kooperation im Sport und im speziellen zwischen zwei Mannschaften im Fußball ausgenutzt wird, ist allerdings stark anzuzweifeln, da ein Sieg schlussendlich das von jeglichen Faktoren unabhängige Ziel einer Fußballmannschaft ist und es durch Kooperation nicht zu einem Sieg kommen kann. Daher ist beim Fußball weiterhin von einem nicht kooperativen Spiel auszugehen, das jedoch kein Nullsummenspiel mehr darstellt. Zum Abschluss dieses Abschnitts muss daher die Frage aufgeworfen werden, wie ein Modell aussehen könnte, dass den Einfluss der Drei-Punkte-Regel auf die Strategiewahl einer Fußballmannschaft, trotz des verlorenen Nullsummenspielcharakters, untersucht?

[...]


[1] FIFA, 2014 „Sponsoring- Sponsoren Anziehungskraft“ http://de.fifa.com/aboutfifa/organisation/marketing/sponsorship/appeal.html (Zugriff am 05.06.2014)

[2] Eisenberg, C. & P. Lanfranchi, 2006 „Football History: International Perspectives; Special Issue“, Historical Social Research Vol. 31, p. 312 f.

[3] Vöpel, H., 2011 „Fußball-Management: Mikroökonomische und spieltheoretische Modellierung von Managemententscheidungen im Profifußball“, HWWI Policy Report Vol. 17, pp.6-8

[4] Vöpel, 2011, p.6

[5] Guedes, J. C. & F.S. Machado, 2002 „Changing rewards in contests: Has the three-point- rule brought more offense to soccer?“Empirical Economics 27, p.608

[6] Dixit, A., Nalebuff, B., 1997, Spieltheorie für Einsteiger, Stuttgart: Schäffer-Poeschel Verlag, p.1

[7] Hundsdoerfer, J., 2004, „Fördert die Drei- Punkte-Regel den offensiven Fußball?“ In Ökonomie des Fußballs: Grundlegungen aus volks- und betriebswirtschaftlicher Perspektive, Hrsg. P. Hammann L. Schmidt & M. Welling , pp. 105-129. Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag.

[8] Dilger, A. & H. Geyer, 2009 „Are three points for a win really better than two? A comparison of German soccer league and cup games. Journal of Sports Economics, Vol. 10, pp. 305-318

[9] Shepotylo, O., 2006 „Three-Point-for-Win in Soccer Rule: Are There Incentives for Match Fixing?” In: Three Essays on Institutions and Economic Development. Dissertation, pp. 1-32, University of Maryland, Department of Economics.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2014
ISBN (PDF)
9783958207912
ISBN (Paperback)
9783958202917
Dateigröße
749 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Ruhr-Universität Bochum
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,3
Schlagworte
Spielweise Taktik Fußball Nullsummenspiel reine Strategie gemischte Strategie

Autor

Vanessa Fritz wurde am 1989 in Gelsenkirchen geboren. Seit 2010 studierte sie zunächst an der Ruhr-Universität-Bochum Management and Economics, nach ihrem Bachelorabschluss jedoch spezialisierte sie sich auf den Bereich Economics. In diesem Zusammenhang gilt ihr besonderes Interesse den Teilbereichen der Sportökonomie und der Spieltheorie.
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