Erforschung des Burnout-Syndroms unter Berücksichtigung von Stressphänomenen am Arbeitsplatz
Zusammenfassung
Im vorliegenden Buch werden sowohl die Ursachen als auch die Auswirkungen von Stress und Burnout im Arbeitsleben thematisiert. Im Anschluss an die theoretischen Überlegungen erfolgt ein Interview mit einem Experten aus dem öffentlichen Dienst bezüglich der Thematik. Zum Schluss setzt sich die Autorin mit den verhältnispräventiven als auch mit den individuellen persönlichen Präventionsstrategien auseinander.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
2.4 Stressreaktionen
Nach der Theorie von Lazarus nimmt eine Person eine sofortige primäre Einschätzung vor, sobald Stressoren ihr Wohlbefinden tangieren. Eine Situation kann sowohl belastend, irrelevant oder positiv sein. Eine stressige Situation wird immer als Belastung erlebt, und zwar kann es sich dabei sowohl um eine Herausforderung, eine Bedrohung oder eine Schädigung handeln. Simultan nimmt die Person eine sekundäre Einschätzung der Situation vor, also eine „handlungsbezogene Bewertung der Anforderung“[1]. Die bisher gemachten Erfahrungen und Einschätzungen helfen der Person dabei, den Stress zu beseitigen.[2]
Weiterhin ist festzustellen, dass es nach der subjektiven Verarbeitung und Einschätzung der Situation beim Betroffenen zur Auslösung von Stressreaktionen kommt.[3] Diese laufen bei allen Betroffenen auf ähnliche Weise ab, und zwar nach einem solchen Ablaufschema:
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Abb.2: Stressreaktionen anhand eines Phasenmodells[4]
Nach Hans Selye lassen sich nach Auftreten von Stressoren folgende Stressreaktionsphasen unterscheiden:
Orientierungsphase: Die Stresssituation wird wahrgenommen und eine subjektive Bewertung vorgenommen, ob eine Bedrohung erwartet wird.[5]
Alarmphase: Die Bedrohung ist eingetreten. Es gibt folgende zwei Reaktionsmuster des Körpers: Kampf oder Flucht. Der Körper passt sich der belastenden Situation an und weist automatisch charakteristische Veränderungen auf, er pumpt Blut in die Muskeln und schüttet Hormone aus. Hierdurch wird die Aufmerksamkeit gesteigert, die Abwehrbereitschaft nimmt zu und schnelle Reaktionen sind möglich.[6] Die Alarmphase spiegelt die Kurzzeitreaktion auf einzeln auftretende Reize wider.[7]
Widerstandsphase: In diese Phase fallen Reaktionen auf Langzeitbelastungen und fortwirkenden Stress. Einzelne Alarmreaktionen fallen länger oder stärker aus. Der Betroffene befindet sich in einer Situation der allgemeinen Erregungsbereitschaft, die enorm viel Energie beansprucht. Die Folge davon ist sogar eine vermehrte Hormonausschüttung.[8]
Erholungsphase: Bei Stressbewältigung kehrt der Körper in die Ruhestellung zurück. Es folgt die Erholung von dem Energieeinsatz und die Regeneration der verbrauchten Kräfte.[9]
Erschöpfungsphase: Ist die Stressbelastung von längerer Dauer oder die Stressdosis sehr hoch, kehren die Alarmreaktionen zurück und verbrauchen Energie. Dies kann zur totalen Erschöpfung und zu Dauerschäden führen, u. a. zu Krankheiten oder sogar zum Tod.[10]
Nach Wagner-Link lassen sich bei Stressreaktionen drei verschiedene Reaktionsebenen erkennen, und zwar auf emotionaler, physiologischer und psychischer Ebene (entnommen aus: Althoff / Thielepape).[11] Viele Betroffene reagieren auf der Verhaltensebene und bringen ihre Wut, Verärgerung, Aggressionsbereitschaft oder Depression zum Ausdruck. Sie leiden häufig an erhöhter Reizbarkeit, Übererregung und Angstzuständen. Wenn der Zustand des Stresses zum Dauerzustand wird, werden diese negativen Eigenschaften noch gefördert. Ein solches Stressempfinden kann langfristig zu Körperreaktionen führen und gesundheitliche Folgen haben.[12] Bei den Körperreaktionen lässt sich eine erhöhte Funktion des Kreislaufs, des vegetativen Nervensystems und den davon gesteuerten Organen erkennen. Auch der Abbau von Zucker- und Fettvorräten wird sichtbar. Außerdem erfolgt eine Ausschüttung von Stresshormonen, Adrenalin und Cortisol. Die Folgen davon sind Verspannungen, Verkrampfungen, muskuläre Anspannung bis hin zur Herz- und Atemfrequenzbeschleunigung und zur Blutgefäßverengung. Häufig leiden gestresste Personen unter Magenschmerzen, Migräne und Bluthochdruck. Weiterhin gibt es die kognitiven Reaktionen, die die Denk- und Wahrnehmungsprozesse umfassen. Betroffene versuchen, die Anforderungen gedanklich zu bewältigen. Dabei kommt es zur Einengung der Wahrnehmung auf Reize, die für die Stresssituation von Bedeutung sind. Betroffene haben häufig Katastrophengedanken oder Konzentrationsstörungen. Typische Symptome sind Ermüdung und Erschöpfung.[13]
Burnout gilt schon jetzt als Folgeerkrankung von berufsbedingten Dauerstresszuständen. Nun ist zu erforschen, ob das Burnout-Syndrom tatsächlich durch die klassischen beruflichen Stressoren hervorgerufen wird und ob sich die Burnout-Symptome letztlich mit den Stresssymptomen decken.
3. Burnout
3.1 Entstehung und Begriffsbestimmung
Das Burnout-Syndrom wurde in den 60-iger bis 70-iger Jahren bei Personen in Beratungs-, Pflege-, Helfer- und Betreuungsberufen festgestellt, bei denen die hauptsächliche Tätigkeit im intensiven Umgang mit Kunden oder Patienten besteht. Betroffene waren vor allem Menschen, die im Beruf viel Kontakt mit Menschen hatten, welche sich in emotional belastenden Situationen befinden. In den 70-iger bis 80-iger Jahren trat das Burnout-Syndrom gehäuft bei Managern auf. Heutzutage wird Burnout auch bei vielen anderen Berufen beobachtet, in denen der Umgang mit Menschen von herausragender Bedeutung ist, z. B. bei leitenden Angestellten, höheren Beamten und Arbeitskräften mit starkem Publikumsverkehr.[14]
Der Begriff „Burnout“ heißt wörtlich übersetzt „ausgebrannt“.[15] Es existiert keine einheitliche Definition von Burnout, doch der Zustand des Ausgebranntseins lässt sich als ein individueller Zustand körperlicher, emotionaler und geistiger Erschöpfung mit reduzierter Leistungsfähigkeit beschreiben. Dieser Zustand kann bei anhaltender, wiederholter Belastung oder bei intensivem Einsatz für andere Menschen auftreten. Betroffene spüren Hilflosigkeit und innere Leere bezüglich ihrer persönlichen Lebenssituation und in ihrem beruflichen Status.[16] Die emotionale Erschöpfung äußert sich in emotionaler Überforderung und Perspektivlosigkeit. Betroffene fühlen sich ausgelaugt und haben gar das Gefühl, nichts mehr geben zu können. Die Niedergeschlagenheit zeigt sich sowohl im Berufs- und im Privatleben. Die gefühlsmäßige Erschöpfung zieht einher mit beruflicher Demotivation und dem Gefühl, durch den Beruf frustriert und ausgebrannt zu sein. Die körperliche Erschöpfung zeigt sich durch chronische Müdigkeit und psychosomatischen Beschwerden. Betroffene fühlen sich bereits morgens schon müde, wenn sie daran denken, einen neuen Arbeitstag anzutreten.[17] Einige Menschen gehen zu sehr in ihrer Arbeit auf, behaupten selbst, sie arbeiten „‘sieben Stunden, oder auch einen ganzen Tag, ohne zu essen, oder Pause zu machen.‘“[18] Zudem leiden Burnout-Betroffene an sozialer Erschöpfung, sie nehmen Mitmenschen als zusätzliche Belastung dar, verlieren die Empathie und ziehen sich zurück.[19]
Das ICD-10 (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems[20] ) hat das Ausgebranntsein als Zustand der totalen Erschöpfung betrachtet. „Es wird im Abschnitt XII (Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme des Gesundheitswesens führen) unter der Rubrik Z (Personen, die das Gesundheitswesen unter sonstigen Gründen in Anspruch nehmen) als Z73 ‘Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung‘ aufgeführt.“[21] Das Burnout-Syndrom ist laut ICD-10 folglich nicht als Krankheit eingestuft. Einige Menschen verleugnen das Burnout-Syndrom und behaupten sogar, Burnout gäbe es gar nicht. Es wird reichlich debattiert, ob das Burnout-Syndrom als Krankheit einzustufen ist oder nicht. Die Einstufung als Krankheit hätte weitere Auswirkungen auf das Gesundheitssystem. Betroffene könnten von den finanziellen Regelungen profitieren. Andererseits könnten sie sich aber auch gedemütigt fühlen, da psychische Erkrankungen heutzutage eher mit negativen Merkmalen behaftet sind.[22] Es bleibt fraglich, ob „diese Art der Klassifizierung unserem Zeitgeschehen angemessen“[23] erscheint.
3.2 Gefährdete Berufsgruppen
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Abb. 3: Berufsklassen der Burnout-Patienten[24]
Vor allem Arbeitnehmer in kaufmännischen Berufen und Verwaltungsberufen in Unternehmen, Betrieben und im öffentlichen Dienst sind mit 25,3 % am häufigsten vom Burnout-Syndrom betroffen. An zweiter Stelle der von Burnout betroffenen Berufsgruppen stehen mit 22 % Arbeitnehmer, die in technischen Berufen arbeiten. Dahinter liegen mit 17,6 % Beschäftigte, die in medizinischen und Pflegeberufen tätig sind.[25] Die Statistik zeigt, dass gerade im öffentlichen Dienst das Thema Burnout enorm an Bedeutung gewinnt.
Es gibt Merkmale, die für alle Burnout-Betroffenen zutreffen, und zwar dass sie einst zu Hochleistungen motiviert waren und etwas bewirken wollten. Arbeitskräfte in Berufen, die menschlichen Kontakt und Publikumsverkehr haben, sind daher anfälliger für Burnout, da sie sich intensiv mit hilflosen Menschen beschäftigen, sich für sie einsetzen und ihnen in ihrer Notlage helfen. Gerade Angestellte und Beamte, die in publikumsträchtigen Ämtern (Jobcenter, Sozialamt und Ausländeramt) arbeiten, sind deshalb stark Burnout gefährdet. Doch auch Verwaltungsfachangestellte, die einfache Büroarbeit erledigen sind zunehmend Burnout gefährdet, denn die eintönige Büroarbeit, die zu abarbeitenden „Aktenberge“ und die tägliche Arbeitsroutine erhöhen die Gefahr des Ausbrennens.[26]
3.3 Phasen und Symptomatik
In der Regel entwickelt sich das Burnout-Syndrom über einen längeren Zeitraum von drei Jahren und mehr.[27] Burnout ist folglich immer als Prozess zu verstehen und daher in verschiedene Phasen unterteilbar. Es gibt allerdings keinen typischen Verlauf, jeder Prozess ist individuell. In der Literatur werden viele verschiedene Phasenmodelle von Burnout-Entwicklungen dargestellt. Die wichtigsten Aspekte der Phasenlehren von Freudenberger, Edelwich und Cherniss lassen sich wie folgt zusammenfassen.[28]
In der Anfangsphase werden von Burnout-Gefährdeten erste Andeutungen und Signale häufig verdrängt, da sie störend sind. Ein möglicher erster Hinweis ist Überengagement. Erkennbar ist dieses Verhalten dadurch, dass die Betroffenen im Arbeitsalltag pausenlos durcharbeiten und ihrer Meinung nach keine Erholungsphasen benötigen. Über negative Gefühle sehen sie hinweg und übergehen ihre eigenen Bedürfnisse.[29] Doch gerade die Erholungspausen sind wichtig, um neue Energie zu schöpfen. Erholen sich Menschen nicht ausreichend, geraten sie in Disstress.[30] Nach Cherniss gilt der berufliche Stress als wichtigstes Merkmal dieser Phase.[31] Insgesamt ist die Anfangsphase gekennzeichnet von übermäßigem Engagement, Überaktivität und gleichzeitigem Verzicht auf Entspannungsphasen. Freizeitaktivitäten werden ganz außer Acht gelassen, es folgt die volle Konzentration auf den Arbeitsalltag. Viele fühlen sich im Beruf unentbehrlich und machen sich durch ihren Eifer und ihr berufliches Engagement zunehmend bei Arbeitskollegen unbeliebt. Bei den Vorgesetzten hingegen sind sie äußerst beliebt, gerade wegen ihrer Tüchtigkeit.[32]
In der Einbruchsphase merken die Betroffenen, dass sie ihren Leistungsstandard nicht aufrechterhalten können. Sie sind an ihrem Arbeitsplatz zunehmend mit den Tätigkeiten überfordert. Erfolgserlebnisse haben die Betroffenen weitaus weniger, und sie merken, dass sie ihre eigenen Ansprüche bzw. berufliche Idealvorstellungen nicht mehr mit ihren eigenen Ressourcen erfüllen können. Können sie die Ansprüche der Vorgesetzten nicht mehr erfüllen, gibt es unterschiedliche Wege, mit den Arbeitsbelastungen umzugehen. Manche Betroffene reagieren aggressiv gegen Arbeitskollegen und Kunden. Sie suchen sich einen sogenannten Sündenbock unter den Kollegen, der ihrer Meinung nach die Tätigkeiten noch schlechter erledigt, um ihr eigenes Selbstwertgefühl zu wahren und aufzubessern. Jedoch werden keine handfesten Maßnahmen unternommen, die Missstände zu beseitigen. Ein Gespräch mit dem Vorgesetzten wird als hoffnungslos betrachtet und so die eigene Opferrolle bewahrt. Andere wiederum haben Schuldgefühle und sind sehr betrübt und depressiv. Sie überkommt die Vorstellung, ihren bisher ausgeübten Beruf aufgrund ihrer Unfähigkeit und Inkompetenz nicht mehr ausführen zu können. Viele fühlen sich unbrauchbar und wertlos. Aus der Erkenntnis resultiert Unsicherheit und der Wunsch nach Veränderung. Einige wechseln den Arbeitsplatz oder bilden sich in ihrem Beruf weiter oder machen gar eine Umschulung. Erste Signale dieser Phase sind beispielsweise das widerwillige Arbeiten und Distanz zu Tätigkeiten, Arbeitskollegen und Kunden. Weitere Symptome sind chronische Müdigkeit, Motivationsprobleme und eine teilweise zynische Ausdrucksweise, die vorher nicht praktiziert wurde. Ihr Leben ist gekennzeichnet durch ein dürftiges Privatleben und unbefriedigenden Freizeitaktivitäten. Insgesamt fühlen sich die Betroffenen ausgenutzt und schlecht bezahlt, gleichzeitig nehmen sie ihre Beschäftigung als sehr anstrengend und belastend wahr. Insgeheim glauben sie, dass ein Missverhältnis von Arbeitsaufwand und Bezahlung besteht. Daraus ziehen sie den Schluss, ihnen wäre das rechtswidrige Mittel des „Krankmachens“ erlaubt. Aus diesem Grund kommt es hier bereits zu Fehlzeiten am Arbeitsplatz.[33]
Die Abbauphase ist der nächste Abschnitt der Burnout-Entwicklung. Betroffene befinden sich in einer Phase des Stillstands, die geprägt ist von Angst, Erschöpfung und der Niedergeschlagenheit. Im Arbeitsalltag zeigt sich das durch unkonzentriertes Arbeiten und Gleichgültigkeit. Ihre erledigten Tätigkeiten sind gekennzeichnet durch zahlreiche Mängel und viele Flüchtigkeitsfehler. Das zuvor extrem hohe berufliche Engagement wird schwindend gering bzw. existiert gar nicht mehr. Werden Betroffene auf ihre mangelnde Arbeitsleistung angesprochen und kritisiert, sind sie nicht in der Lage, die Kritik zu verarbeiten. Hinzukommen hohe Fehlzeiten. Zu den psychischen Leiden kommen auch körperliche Beschwerden, u. a. Schlaflosigkeit, Rücken- oder Gelenkschmerzen bis hin zu Herz-Kreislauf-Problemen. Die Personen werden dadurch in ihrer Leistungsfähigkeit noch weiter eingeschränkt. Hinzukommt in dieser Phase erstmals die Beeinträchtigung des Privatlebens und nichtberuflicher Beziehungen. Da die Betroffenen ihr „berufliche[s] Selbstbewusstsein“[34] verloren haben, wenden sie sich von Freunden ab, ziehen sich in ihrer Freizeit zurück und vereinsamen.[35] Nach Cherniss ist die Frustration ein wichtiges Merkmal dieser Phase. Der Betroffene versucht durch defensive Stressbewältigung, z. B. durch Rückzug, sich dem Stress zu entziehen.[36] Doch durch den Wegfall der Regenerationsmöglichkeiten, gerät der Betroffenen immer weiter in die Notlage des Burnouts.[37]
Der Weg bis zur totalen Erschöpfung umfasst meist einen Krankheitsverlauf von sieben bis zwölf Jahren. Erst wenn emotionale und auch körperliche Krankheitszeichen hinzukommen und nichts mehr zu funktionieren scheint, können die Betroffenen sich zu einem Arztbesuch bewegen. Der Arztbesuch und die anschließende Überweisung an einen Therapeuten gelten als letzte Phase der Erkrankung. In Extremfällen führt das Burnout-Syndrom zur Depressionen, Suizidgedanken oder sogar zum Drogen- oder Alkoholmissbrauch. Durch den Missbrauch entsteht die Gefahr, die eigentliche Problematik zu leugnen und zu verheimlichen.[38] Es ist allerdings selten, dass die Betroffenen eine sogenannte Schlussphase des Burnouts erreichen. Meistens findet ein Fall des kompensierten Burnouts statt. Viele Erwerbstätige verbergen den „inneren Ausstieg aus dem Beruf“[39]. Sie entziehen sich der Probleme und der Stellungnahme, indem sie ihren Dienst vorschriftsmäßig leisten oder Ausreden erfinden, die ihre hohen Fehlzeiten begründen, u. a. werden familiäre Probleme und Belastungen oder eigene Erkrankungen gerne als Rechtfertigungsgrund genommen. In Behörden ist das Burnout-Syndrom besonders schwer zu bewältigen. Insbesondere in den sozialen Ämtern sind Kunden bzw. Bürger zufriedenzustellen. Alle Mitarbeiter sind aufeinander angewiesen und müssen im Krankheitsfall die Arbeit des Erkrankten übernehmen. Durch die defensive Einstellung zum Beruf können auch die Teamkollegen, die sich nicht im Zustand des Burnouts befinden, ihr berufliches Engagement verlieren und dieses sogar an neue Teammitglieder übertragen, beispielsweise an Berufsanfänger, die neu ins Team eingearbeitet werden sollen. Häufig werden sie gedemütigt, insbesondere wenn sie sich nicht der resignierten Arbeitsweise anpassen. Sobald die Arbeit den Teamkollegen keinen Spaß mehr bereitet und sich jeder darauf beharrt, möglichst schnell nach Hause zu kommen, ist das Team als ausgebrannt zu bezeichnen.[40]
In den verschiedenen Phasenmodellen lassen sich zahlreiche Symptome von Burnout erkennen. Doch geht man auf die wissenschaftlichen Ansätze der Burnout-Autorin Maslach ein, kristallisieren sich drei Hauptsymptome heraus. Diese wurden mit Hilfe des Maslach Burnout Inventory (MBI)[41], dem zurzeit gängigsten Messinstrument zur Untersuchung des Burnout-Syndroms, festgestellt.[42] Andere Messinstrumente sind im Rahmen der Feststellung des Burnout-Syndroms von äußerst geringer Bedeutung.
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Abb. 4: Die Bedeutung verschiedener Fragebögen für die Burnout-Forschung.[43]
Aus einem Testverfahren und mit Hilfe eines Diagnosebogens des MBI wurden folgende drei Hauptsymptome von Burnout abgeleitet, und zwar die emotionale Erschöpfung, die Depersonalisierung und die persönliche Leistungsfähigkeit. Diese drei Skalen des MBI bestehen aus 22 Items, es entfallen 9 auf die Skala der emotionalen Erschöpfung, 5 auf das Spektrum der Depersonalisierung und 8 Items auf die persönliche Leistungsfähigkeit. Erreicht eine Person hohe Werte bei der emotionalen Erschöpfung und der Depersonalisierung und niedrigere Werte bei der persönlichen Leistungsfähigkeit, so gilt sie als stark ausgebrannt.[44]
Der Zustand der emotionalen Erschöpfung ist geprägt von Anspannung. Der Betroffene reagiert oft sehr gereizt und ist gleichzeitig antriebsschwach und chronisch müde. Das Mitgefühl nimmt ab, die emotionalen Reaktionen wirken gedämpft. Der Betroffene fühlt sich ausgelaugt, frustriert und hat selbst bei dem Gedanken an die Arbeit schon Müdigkeitserscheinungen.[45] Worte wie: „Ich fühle mich von meiner Arbeit völlig ausgelaugt, sie macht einfach keinen Spaß mehr.“ sind charakteristisch.
Betroffene befinden sich in einem Zustand der Depersonalisierung, d. h. sie spüren einen Interessensverlust anderen Personen gegenüber und allgemein eine gewisse Gleichgültigkeit.[46] Der Wunsch, seine eigene Person einzubringen, schwindet. Oft herrschen ein gewisser Zynismus, eine negative Einstellung und eine große persönliche Distanz zum Klienten am Arbeitsplatz. Diese Distanz erscheint Außenstehenden häufig als professionelles Auftreten.[47] Worte wie: „Es fällt mir zunehmend schwer, mich intensiv auf jeden einzelnen Klienten individuell einzustellen!“ sind typisch.
Häufig mangelt es den Betroffenen an Erfolgserlebnissen, sie sind nur eingeschränkt leistungsfähig, neigen zur Resignation und haben ein reduziertes Wirksamkeitserleben. Die eigene Leistung scheint nachrangig. Es gibt eine Diskrepanz zwischen Anforderung und Leistung. Betroffene spüren eine gewisse Sinnentleerung, gleichzeitig aber auch Hyperaktivität.[48] Worte wie: „Ich habe immer seltener das Gefühl, dass ich anderen wirklich helfe oder etwas wesentliches bewirke.“ sind typisch.
Mit Hilfe des MBI kann das Ausmaß der Hauptsymptome erfasst werden.[49] Bereits hier ist zu erkennen, dass die Burnout-Symptome mit den Stresssymptomen auf emotionaler Ebene übereinstimmen. Insbesondere der Zustand der emotionalen Erschöpfung gilt als typisches Symptom bei Dauerstresszuständen.
3.4 Auswirkungen auf die Gesundheit
Bei jedem Menschen hat das Burnout-Syndrom unterschiedliche Auswirkungen auf die Gesundheit. Viele Betroffene leiden an physischen Beschwerden. Durch das Stresshormon Cortisol, welches die Gehirnzellen schädigt, leiden viele an Kopfschmerzen und Konzentrationsstörungen. Außerdem kann Bluthochdruck eine Folge sein, woraus letztlich Herzrhythmusstörungen oder sogar ein Herzinfarkt resultieren kann. Insgesamt kommt es durch die dauerhafte Aktivität der Leber und Nebennieren zu einer Reduktion der Organleistung. Außerdem schädigt Cortisol das Immunsystem, was wiederum zu einer reduzierten Infektionsabwehr führt. Auch kann es zu Beschwerden im Verdauungssystem führen. Die Drosselung der Gefäße kann zu Beschwerden im Magen- und Darmbereich führen, Übelkeit und Durchfall können Folgen sein. Letztlich sind Verspannungen aufgrund der dauerhaften Anspannung nicht selten, vor allem im Rücken- und Nackenbereich.[50]
Die gesundheitlichen Folgen des Burnout-Syndroms decken sich fast vollkommen mit den Stresssymptomen auf physiologischer Ebene. Gerade die erhöhte Ausschüttung von dem Stresshormon Cortisol, welches häufig Kopfschmerzen hervorruft, ist charakteristisch für Menschen mit Stressbelastungen und Burnout. Auch die gesundheitlichen Folgen wie Bluthochdruck bis hin zur Herz- und Atemfrequenzbeschleunigung, welche letztlich in einem Herzinfarkt enden kann, gilt als typisches physiologisches Symptom von dauerhaftem Stress und Burnout. Häufig leiden gestresste Personen auch unter Magenschmerzen, Migräne und Bluthochdruck. Doch häufig „werden lediglich die Symptome angegangen, nicht jedoch die Ursache im Lebenskonzept“[51].
3.5 Wissenschaftliche Ursachenmodelle
Menschen mit Burnout-Syndrom leiden an Erschöpfungszuständen. Doch worin liegt die Ursache für diese Empfindung? Kritisch anzumerken ist, dass häufig keine Ursachenforschung für die Erschöpfungsreaktionen stattfindet. Ist es die Ursache oder lediglich ein Symptom?[52] In der Literatur gibt es derzeit drei unterschiedliche Erklärungsansätze, welche sich als ursächliche Beschreibungen eines Burnouts eröffnet haben, und zwar den persönlichkeitszentrierten, den sozial-, arbeits- und organisationspsychologischen und den soziologisch geprägten Ansatz.[53]
3.5.1 Persönlichkeitszentrierter Erklärungsansatz
Es existiert der persönlichkeitszentrierte Ansatz mit seinen Vertretern Schmidbauer (1974), Lauderdale (1982), Meier (1983), Fischer (1983), Freudenberger & Richelson (1983), Edelwich & Brodsky (1984) und Burisch (1989). Die Persönlichkeit des Betroffenen steht bei diesen Erklärungsansätzen im Vordergrund. Als Ursache wird die Diskrepanz zwischen Idealvorstellungen und Wirklichkeit angenommen.[54] Insbesondere bei Menschen, die an dem sogenannten Helfersyndrom leiden und an Burnout erkranken, ist das Burnout-Syndrom auf den persönlichkeitszentrierten Ansatz zu stützen. Freudenberger hat den Begriff „Burnout“ im Kontext des Helfersyndroms geprägt und sah unrealistische Zielsetzungen und eine hohe Erwartungshaltung als ursächlichen Kern des Burnout-Syndroms.[55] Dabei thematisierte er den Verlust der Mitarbeitermotivation in verschiedenen sozialen Berufen als Risikofaktor.[56]
Es gibt persönliche Stressoren, die das Auftreten des Burnout-Syndroms begünstigen, dazu zählen das Perfektionsstreben, eine hohe Leistungserwartung an sich selbst, ein hohes Verantwortungs- und Pflichtbewusstsein, das Helfersyndrom, emotionale Labilität und die Bereitschaft, bei erhöhten Anforderungen mehr zu leisten statt aufzugeben. Insgesamt zeigen die betroffenen Personen eine hohe Involviertheit in die Arbeit und identifizieren sich stark damit. Es handelt sich um hoch motivierte Menschen, die ihre begrenzten Handlungsmöglichkeiten als sehr belastend erleben. Sie machen im Arbeitsalltag oft die schmerzliche Erfahrung, sich völlig verausgabt zu haben und anderen nicht mehr geben zu können. Auch ist ein Ungleichgewicht zwischen den Anforderungen und den Ressourcen erkennbar. Kann der Betroffene die hohen Anforderungen in emotional und körperlich belastenden Arbeitssituationen nicht mehr kompensieren, ist er zunehmend Burnout gefährdet.[57]
Laut Burisch (1994) sind Menschen mit niedrigem oder gar fehlendem Selbstvertrauen und Personen ohne klar definierte Zielvorstellungen und ohne die erforderliche Entschlossenheit, Ziele zu erreichen stark Burnout-gefährdet. Solche wenig ehrgeizigen Menschen sind häufig blockiert bei der Verfolgung eines unerreichbaren Ziels, das sie gleichwohl nicht fallen lassen. Es handelt sich um einen Anziehungs-Meidungs-Konflikt.[58] Wiederum andere Menschen verharren in einer „schwer erträglichen Situation, bei deren Veränderung sie gescheitert sind“[59]. Dieses Phänomen nennt Burisch Meidungs-Meidungs-Konflikt. Insgesamt fehlt allen von ihnen die subjektive Wahrnehmung der Möglichkeiten, die Situation zu verändern.[60]
3.5.2 Sozial-, arbeits- und organisationspsychologischer Erklärungsansatz
Neben dem persönlichkeitszentrierten Ansatz existiert der sozial-, arbeits- und organisationspsychologische Ansatz mit den Vertretern Berkley Association Planning Group (1977), Brahall & Ezel (1981), Harrison (1983), Aronson, Pines & Kafry (1983), Maslach & Jackson (1984), Enzmann & Kleiber (1989), Büssing & Perrar (1989) und Barth (1992). Die situationalen Bedingungen stehen bei diesen Ansätzen im Vordergrund.[61] Insgesamt haben sich die Arbeitsbedingungen in den letzten Jahren stark verändert, psychosoziale Belastungen wie Zeit-, Wettbewerbs- und Konkurrenzdruck, Mobilität, Unvereinbarkeit von Familie und Beruf und Arbeitsplatzunsicherheit haben zugenommen. Die von den Arbeitgebern zunehmend geforderte Flexibilisierung im Berufsleben ist eine Ursache des psychischen Ausbrennens. Gerade in sozialen und helfenden Berufen „wird der emotional beanspruchende und erschöpfende Umgang mit Menschen [als ursächlich] angenommen.“[62]
Weitere arbeitsbedingten Ursachen sind Arbeitsbelastungen, Über- oder Unterforderung, dauernde Anspannung, zu lange Arbeitszeiten, geringe Selbstständigkeit bzw. geringe Handlungs- und Entscheidungsspielräume. Auch mangelhafte Rückmeldungen und unklare Zielvorgaben der Vorgesetzten wirken sich negativ aus. Kommen soziale Stressoren wie fehlende Anerkennung durch Arbeitskollegen und Vorgesetzte, schlechtes Arbeitsklima, Konkurrenzdruck, Diskriminierung, mangelnde Informationen und Beteiligung am Betriebsgeschehen hinzu, wirken sich all diese Faktoren auf die Entstehung von Burnout aus. Auch wechselnde Arbeitszeiten (Schichtarbeit), falsche Beleuchtung, starke und gesundheitsschädliche Beschallung am Arbeitsplatz könnten weitere Determinanten von Burnout sein.[63] Oft äußern Betroffene Sätze wie: „Ich fühle mich überlastet. Ich werde für Leistungen nicht belohnt und wertgeschätzt. Ich habe es mit widersprüchlichen Arbeitsanweisungen zu tun.“
3.5.3 Soziologisch geprägter Erklärungsansatz
Es gibt einen weiteren Erklärungsansatz, und zwar den soziologisch geprägten Ansatz nach Cherniss (1980), der die individuellen persönlichkeitszentrierten und gesellschaftlichen Faktoren mit arbeits- und organisationbezogenen Faktoren kombiniert.[64] Nach Cherniss ist Burnout das „Resultat eines transaktionalen Prozesses, der sich aus Arbeitsbelastungen, Stress und psychologischer Anpassung zusammensetzt“[65]. Cherniss liefert wohl als Erster in der Diskussion um Burnout einen stresstheoretischen Ansatz. Demnach ist der Ausgangspunkt des Burnout-Syndroms sowohl die Person selbst als auch das Arbeitsumfeld und daraus resultierender Stress.[66] Durch unrealistische Vorstellungen bezüglich des Arbeitsplatzes bringt sich die Person selbst durch ihr Verhalten in Stresssituationen. Sie beansprucht sich selbst über ihre eigenen Ressourcen hinaus und erfährt nur wenig Unterstützung von ihrem Umfeld. Häufig wird der Betroffene am Arbeitsplatz abgelehnt oder wird unzureichend angelernt und in Tätigkeiten eingeführt. Weiterhin kann es sein, dass die Person durch die Menge der Arbeit oder die Qualität der Arbeit zu sehr beansprucht und damit überfordert wird. Hinzu kommt meist, dass Vorgesetzte dem Mitarbeiter zu wenig Aufmerksamkeit und Anerkennung schenken oder Arbeitsziele unklar definieren. Entsteht ein negatives Klima am Arbeitsplatz führt die Interaktion zwischen dem Mitarbeiter und dem Unternehmen oder der öffentlichen Verwaltung zu Disstressverhalten.[67]
4. Umgang mit Betroffenen in der öffentlichen Verwaltung
Da Menschen, die am Burnout-Syndrom leiden, vor allem in Verwaltungsberufen arbeiten, halte ich es gerade im Hinblick auf die Ursachenforschung für sinnvoll, den Umgang mit Betroffenen in der öffentlichen Verwaltung zu untersuchen. Ich habe mich für ein Interview mit dem Sozialen Ansprechpartner der Stadt *** entschieden, da er erfahrungsgemäß mit Burnout-Betroffenen und Burnout-Gefährdeten im Arbeitsalltag zu tun hat. Außerdem möchte ich herausfinden, ob die bisher angestellten theoretischen Überlegungen von dem Sozialen Ansprechpartner der Stadt *** im Berufsalltag bestätigt werden können.
4.1 Interview mit dem Sozialen Ansprechpartner der Stadt ***
Interview mit Herrn S***, Personalrat und Sozialer Ansprechpartner der Stadt *** am 05.05.2014.
Sind bereits Mitarbeiter auf Sie zugekommen, weil sie Stresssituationen am Arbeitsplatz haben?
Ja, es sind bereits Kollegen auf mich zugekommen. In letzter Zeit habe ich sogar das Gefühl, es kommen immer mehr Mitarbeiter zu mir.
Falls ja, wie gehen Sie mit solchen Situationen um?
Ich als Sozialer Ansprechpartner kann nur Gespräche anbieten. Dabei versuche ich Ratschläge zu vermeiden und auf Wünsche einzugehen.
Was schildern die Betroffenen konkret für Situationen?
Es werden unterschiedliche Fälle geschildert. Meist sprechen die Mitarbeiter interne Probleme an. Häufig auch konkrete Probleme mit Bürgern. Nicht selten kommen auch private Probleme hinzu, die da mit reinspielen.
Welche körperlichen Reaktionen zeigen die Betroffenen?
Körperliche Reaktionen sind eher selten zu verzeichnen. Man sieht den Betroffenen allerdings Erschöpfung und Müdigkeit an.
Was sind mögliche Ursachen für solche Stresssituationen? Haben der gestiegene Arbeitsdruck oder die höheren Anforderungen damit etwas zu tun?
Ein gestiegener Arbeitsdruck ist tatsächlich zu verzeichnen. Bei der Stadt *** wurden in den letzten Jahren 12 % des Personals abgebaut. Die Pflichtaufgaben der Stadt werden nicht weniger und die freiwilligen Aufgaben werden nicht abgegeben. Es bleibt an jedem Mitarbeiter mehr Arbeit hängen. Häufig werden Stellen nicht direkt neu besetzt. Das bedeutet für jeden Mitarbeiter, dass er mehr Aufgabenfelder gleichzeitig zu bearbeiten hat. Auch hat es in *** eine weitere Neuerung gegeben, und zwar wurden stellvertretende Teamleitungen ernannt. Für diese Position wurden allerdings keine zusätzlichen Stunden angesetzt. Insgesamt gibt es viele neue Aufgabenfelder, aber es werden keine zusätzlichen Stunden dafür gutgeschrieben. Das bedeutet für die Mitarbeiter zusätzliche Arbeit.
Welche Mitarbeiterpositionen innerhalb der Stadtverwaltung sind hauptsächlich von Stress am Arbeitsplatz betroffen? Welche Ämter sind besonders gefährdet?
Eher Mitarbeiter in publikumsträchtigen Ämtern sind von Stress betroffen, denn sie haben einen hohen Zulauf von vielen Bürgern. Mehr Bürger bedeuten mehr Stress.
Gibt es Fälle, in denen sich der Stress am Arbeitsplatz zum Burnout-Syndrom entwickelt hat?
Mir ist nicht konkret bekannt, dass sich das Burnout-Syndrom allein aus dienstlichen Aspekten entwickelt hat. Häufig spielt dienstliches und privates zusammen. Jede Situation ist individuell.
Gibt es bei der Stadt *** eine hohe Ausfallquote aufgrund psychischer Erkrankungen oder gar Fälle von Burnout?
Die Stadt *** ist ja eher eine kleine Stadt und hat rund 500 Mitarbeiter. Daher ist die Quote von Burnout-Erkrankungen auch relativ gering. In den letzten zwei Jahren verzeichneten wir vier Fälle von Burnout. Bei einigen langzeiterkrankten Mitarbeitern weiß man es allerdings aber auch nicht, woran sie leiden. Auch Fälle eines Bandscheibenvorfalls können denke ich Auswirkungen einer Burnout-Erkrankung sein.
Was sind Ihrer Meinung nach erste erkennbare Symptome des Burnout-Syndroms?
Betroffene sind häufig nervös, leiden unter Kopfschmerzen und Schlafstörungen, Kreislaufproblemen und Konzentrationsschwierigkeiten.
In welchem Lebensalter tritt Burnout typischerweise auf?
Hier in ***l wurde ein altersunabhängiges Auftreten verzeichnet. Es kann sowohl Auszubildende treffen als auch Mitarbeiter mittleren und älteren Alters. Bei den vier Fällen hier bei der Stadt *** handelte es sich um einen Auszubildenden, um zwei 50 bis 60-jährige und einen mittleren Alters. Dieser hat uns schriftlich mitgeteilt, dass er an seinem Arbeitsplatz, in einem publikumsträchtigen Amt, nicht mehr arbeiten könne. Er kam mit den Teamkollegen nicht mehr zurecht und äußerte den Wunsch, eine andere Stelle besetzen zu wollen. Die Stadt *** hat so schnell wie möglich versucht, den Mitarbeiter umzusetzen. Innerhalb von 14 Tagen hat der Mitarbeiter eine neue Stelle bekommen, dies war ein Glücksfall, da gerade in der gleichen Besoldungsstufe eine freie Stelle zur Verfügung stand.
Was raten Sie der von Burnout betroffenen Person? Wie helfen sie demjenigen weiter?
Ich als Personalrat und Sozialer Ansprechpartner biete Gespräche an. Wichtig ist über die Probleme und über Stresssituationen zu reden, um Problemlösungen zu finden. Falls ich selbst nicht weiterhelfen kann, verweise ich auf professionelle Hilfe. Das Wort Psychiater nehme ich allerdings nicht in den Mund. Es fällt enorm schwer dies auszusprechen, aber wenn der Hausarzt auch nicht mehr weiterhelfen kann, sind spezielle Hilfegruppen oder Burnout-Präventionsseminare sehr hilfreich. Ich verweise dann auch auf das Fortbildungsprogramm der Stadt ***.
Vielen Mitarbeitern fällt es sicherlich schwer, sich selbst diese Krankheit einzugestehen. Haben Sie diese Erfahrungen auch gemacht?
Kein Mitarbeiter kommt mit dem konkreten Hinweis zu mir. Merke ich den Mitarbeitern etwas an, biete ich Ihnen ein Gespräch mit mir an.
Wie offen haben die Betroffenen über ihre Erkrankung gesprochen? Oder haben sie gar versucht, diese insbesondere vor den Arbeitskollegen zu verheimlichen?
Erst einmal sprechen Betroffene gar nicht darüber. Viele wollen nicht direkt mit Arbeitskollegen darüber sprechen, da sie häufig kein inniges Verhältnis zueinander haben. Falls man einen guten Draht zu den Arbeitskollegen hat, kommt es schon einmal vor, dies ist aber eher selten. Im Team wird nur in Ausnahmefällen darüber gesprochen. Nur eine Minderzahl sucht das Gespräch mit mir.
Ein Burnout tritt in der Regel nicht von heute auf morgen auf. Sind verschiedene Entwicklungsphasen erkennbar?
Es sind mit Sicherheit verschiedene Entwicklungsphasen erkennbar. Hier wird einem meist erst das Endstadium der Erkrankung bewusst, da sich die Mitarbeiter das Burnout-Syndrom ja zu Anfang selbst nicht eingestehen und darüber reden. Die Betroffenen sind dann teilweise schon lange krankgeschrieben.
Mit welchen Maßnahmen können die Betroffenen der Krankheit selbst vorbeugen? Gibt es spezielle Möglichkeiten zur Kompensation von beruflichen Stresssituationen?
Wichtig ist es, darüber zu reden. Mitarbeitergespräche mit der Teamleitung sind wichtig. Die Hauptsache ist, man redet drüber. Doch jeder Mitarbeiter reagiert unterschiedlich. Viele nehmen Probleme, die auf der Arbeit entstanden sind, mit nach Hause. Wiederum andere sehen darüber hinweg.
Es gibt verschiedene Präventivmaßnahmen, die angeboten werden, u. a. auch von der Stadt ***. (siehe Fortbildungsprogramm der Stadt ***: u. a. Gesundheitsprävention durch Aqua-Fitness und Qi Gong, Rechte und Pflichten bei der Personalführung, den Arbeitsalltag mit psychischer Stärke meistern) Das Fortbildungsprogramm entwickle ich zusammen mit der Gleichstellungsbeauftragten. Für nächstes Jahr empfehle ich ein Seminar zur Mitarbeitermotivation. Dabei werden die Mitarbeiter speziell geschult, wie sie sich motivieren können. Es soll auch ein Seminar zur Mitarbeitermotivation speziell für Führungskräfte geben, sodass die Teamleitungen wissen, wie sie ihre Mitarbeiter motivieren.
Außerdem finde ich es wichtig, Infoveranstaltungen zu allgemeinen Themen zu geben (Dienstunfähigkeitsversicherung, Rechtsschutz, Diensthaftpflicht) Solche Infoveranstaltungen sich wichtig, um die Ängste der Mitarbeiter zu mindern und der Belegschaft ein ruhigeres Gefühl zu geben. Letztes Jahr gab es ein verpflichtendes Seminar für Führungskräfte bezüglich ihrer Rechte und Pflichten. Nur so können sie erkrankten Mitarbeitern helfen und mit Hilfe von Mitarbeitergesprächen Konflikte oder Stresssituationen lösen.
Oft sind es ja äußere Umstände, die auch berufliche Stressreaktionen fördern. Sind bestimmte Umstände ersichtlich?
Das Privatleben spielt auf jeden Fall eine große Rolle. Im Privatleben habe ich erlebt, dass Betroffene in Scheidungsfällen anfälliger für psychische Erkrankungen sind. Bei der Stadt *** sind keine besonderen Umstände ersichtlich, da mir bisher nur vier Fälle bekannt sind.
Welche Verhaltensmuster oder Eigenschaften lassen sich bei den Betroffenen erkennen?
Dies kann ich schlecht beurteilen. Ich denke, Nervosität und Dünnhäutigkeit sind relevante Eigenschaften. Meiner Meinung nach reagieren Betroffene sehr empfindlich auf Kleinigkeiten.
Bemerken die Arbeitskollegen, dass die Person unter beruflichem Stress leidet? Wie können die Arbeitskollegen mit der Situation umgehen? Wie sollten sie sich vorzugsweise verhalten?
Wenn jemand am Limit arbeitet, müssen die Kollegen die liegen gebliebene Arbeit auffangen. Teilweise kommt es auch vor, dass liegengebliebene Arbeit versteckt wird. Dies rollt dann aber als „Lawine“ wieder auf einen zu. Sobald man unter Stress leidet, ist es wichtig, die Teamleitung zu fragen, ob es möglich ist, die Arbeit anders auf die Mitarbeiter aufzuteilen, z. B. könnte man den Buchstabenkreis verringern. Eine andere Möglichkeit wäre, zbV-Kräfte [68] im Team einzusetzen. Gerade Auszubildende oder Frauen, die aus dem Mutterschaftsurlaub zurückkommen können als Verstärkung in solchen Teams eingesetzt werden. So werden überlastete Kollegen entlastet.
Welche beruflichen Folgen treten für die betroffene Person ein? Ist sie auf der Arbeit eher isoliert oder wird sie von den Arbeitskollegen unterstützt? Wird ihre möglicherweise liegengebliebene Arbeit aufgefangen?
In der Regel werden die Kollegen aufgefangen und unterstützt. Die Stadt *** hat eine sehr soziale Personalverwaltung. Personalrat und Verwaltung arbeiten gut zusammen. Ein guter Personalrat entlastet die Personalverwaltung. Der Personalrat stellt sich auf den Standpunkt, man muss den Einzelnen unterstützen. Keiner wird zur Teamleitung selbst gehen, sondern eher zum Personalrat bzw. zum Sozialen Ansprechpartner. Da herrscht eine ganz andere Vertrauensbasis.
Wenn jemand zu den Arbeitskollegen unfreundlich wird, sich negativ entwickelt und sich an nichts mehr beteiligt, kann es zur Isolation kommen. Dies resultiert meist daraus, dass man sich den Kollegen gegenüber verschließt und keine Gespräche mehr mit ihnen führt.
Welche Maßnahmen oder Projekte ergreift die Stadt *** dagegen? Wird ein betriebliches Gesundheitsmanagement eingeführt oder besteht eine betriebliche Gesundheitsförderung?
Die Stadt *** hat ein eigenes fachbereichsübergreifendes Fortbildungsprogramm, welches sich jährlich ändert. Außerdem wird einmal im Jahr der Gesundheitstag von der Gleichstellungsbeauftragten durchgeführt. Dort wird u. a. ein CardioScan (Messung von Stress und allgemeinem Fitnesslevel) angeboten.
Auch die Teams haben ein eigenes Budget für Fortbildungsmaßnahmen. Daraus könnte man auch Burnout-Präventivmaßnahmen finanzieren. Außerdem besteht die Betriebssportgemeinschaft. Dort wird für die Mitarbeiter u. a. Zumba oder Volleyball angeboten. Die Stadt *** hat sich mit der Feuerwehr zusammengetan. Neuerdings können dort auch die Fitnessgeräte zu bestimmten Zeiten von Mitarbeitern genutzt werden.
Wichtig sind auch einmalige Veranstaltungen wie der alljährliche Ausflug der Betriebssportgemeinschaft, das Betriebsfest und die Altweiber-Fete, um das zwischenmenschliche zu fördern und um die Arbeitskollegen mal auf einer anderen Ebene fachbereichsübergreifend kennenzulernen.
Ein betriebliches Gesundheitsmanagement hat die Stadt *** noch nicht. Es steht zurzeit in Frage, ob es eingeführt wird. Unterschwellig wird die Funktion des betrieblichen Gesundheitsmanagements vom sozialen Ansprechpartner bzw. vom Personalrat durchgeführt. Da die Stadt *** nicht so viele Mitarbeiter beschäftigt, war es bisher noch nicht notwendig. Mitarbeitergespräche reichen bisher aus. Ein Argument gegen das betriebliche Gesundheitsmanagement war auch, dass es sehr viel Zeit, insbesondere von den Teamleitungen abverlangt. Wenn es professionell durchgeführt wird, kann von den Führungskräften das Tagesgeschäft nicht mehr bewältigt werden.
Zurzeit läuft es wie folgt. Ich bekomme mitgeteilt, welche Mitarbeiter über sechs Wochen erkrankt sind. Diese Kollegen bekommen dann eine Karte, ein Grußschreiben von mir. Ich biete ihnen ein Gespräch an, auch gern telefonisch. Rund 50 % der erkrankten Mitarbeiter nehmen das Angebot an und rufen tatsächlich an oder melden sich anderweitig. Die Betroffenen freuen sich, dass sie eine Mitteilung. Langzeiterkrankte bekommen auch zwei oder drei Karten. Da steht auch drin dass sie es uns wissen lassen sollen, falls ihre Erkrankung am Arbeitsplatz liegt. Dann versucht die Stadt *** es konkret möglich zu machen, eine andere Stelle zu finden. Auch Mitarbeiter von der Feuerwehr werden bei zu hohen Stressbelastungen oder Burnout-Erkrankungen von der Stadtverwaltung aufgenommen. So soll eine Frühpensionierung verhindert werden. Obwohl es sich bei der Feuerwehr um Arbeitsplätze im technischen Dienst handelt, wird ihnen nach Möglichkeit eine passende Stelle im Rathaus angeboten, z. B. eine Stelle in der Druckerei oder im Bereich der Überprüfung der städtischen Fahrzeuge.
Außerdem bietet die Stadt *** viele Arbeitszeitmodelle an. So kann fast jeder Mitarbeiter über seine Stundenanzahl frei entscheiden. Hier werden viele Wünsche erfüllt, sodass keiner mit seinem Arbeitsmodell unzufrieden ist. Die Stadt *** ist relativ flexibel, wenn es um die Entlastung von Mitarbeitern geht. Es gibt sogar Mitarbeiter, die mit einer A10 Besoldung eine A8er Stelle innehaben, weil sie zu mehr nicht in der Lage sind. Auch das toleriert die Stadt ***, um die Mitarbeiter nicht zu stark zu belasten.
Was ist aus Ihrer Sicht noch wichtig zu dem Thema?
Das Thema Stress ist ein sehr wichtiges und aktuelles Thema. Man sollte viel darüber sprechen. Am besten eignet sich eine Teambesprechung einmal die Woche, um auch über solche Probleme zu sprechen. Wichtig ist die Regelmäßigkeit. Die Bürgermeisterin hat jeden Morgen eine Teamrunde. Da kann man auch Probleme äußern. Wichtig ist, dass man diese nicht in sich hineinfrisst und diese nicht anstaut. Man sollte offensiv auf die Arbeitskollegen zugehen und über konkrete Situationen sprechen. Dann ist alles einfacher zu klären. Der Stadt *** ist die Stressbewältigung sehr wichtig. Auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird gefördert, da häufig privater und beruflicher Stress zusammenwirkt. Auch Telearbeit ist zulässig, es müssen aber bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Allerdings ist die Nachfrage nach Telearbeit eher gering.
[...]
[1] Eppel, 2007, S. 2.
[2] Vgl. ebd.
[3] Vgl. Prieß, 2013, S. 130.
[4] Althoff / Thielepape, 2000, S. 126.
[5] Vgl. Althoff / Thielepape, 2000, S. 126- 127.
[6] Vgl. ebd.
[7] Vgl. Huber, 1983, S. 50.
[8] Vgl. ebd., S. 50 - 51.
[9] Vgl. Althoff / Thielepape, 2000, S. 126- 127.
[10] Vgl. ebd.
[11] Vgl. ebd., S. 127.
[12] Vgl. Oesterreich, 1999, S. 192.
[13] Vgl. Althoff / Thielepape, 2000, S. 127.
[14] Vgl. Müller-Timmermann, 2012, S. 35 – 36.
[15] Vgl. Wenchel, 2001, S. 61.
[16] Vgl. Schneider, 2013, S. 12.
[17] Vgl. Fiedler / Goldschmid, 2010, S. 43.
[18] Schneider, 2013, S. 11.
[19] Vgl. Fiedler / Goldschmid, 2010, S. 43.
[20] Internationale Klassifizierung der Krankheiten.
[21] Schneider, 2013, S. 209 .
[22] Vgl. ebd., S. 210.
[23] Prieß, 2013, S. 9
[24] Weimer / Pöll, 2012, S. 32.
[25] Vgl. ebd.
[26] Vgl. Müller-Timmermann, 2012, S. 37 – 38.
[27] Vgl. Schneider, 2013, S. 12.
[28] Vgl. Schmidbauer, 2007, S. 322 - 323.
[29] Vgl. ebd., S. 323 - 325.
[30] Vgl. Schneider, 2013, S. 12.
[31] Vgl. Hillert / Marwitz, 2006, S. 75
[32] Vgl. Schmidbauer, 2007, S. 323 - 325.
[33] Vgl. Schmidbauer, 2007, S. 324 - 326.
[34] Schmidbauer, 2007, S. 327.
[35] Vgl. ebd.
[36] Vgl. Hillert / Marwitz, 2006, S. 75
[37] Vgl. Schmidbauer, 2007, S. 327.
[38] Vgl. Schneider, 2013, S. 12.
[39] Schmidbauer, 2007, S. 328.
[40] Vgl. Schmidbauer, 2007, S. 328.
[41] Siehe Anlagenverzeichnis, Anlage 1 (S. 54 – 55).
[42] Vgl. Wenchel, 2001, S. 65.
[43] Hillert / Marwitz, 2006, S. 85.
[44] Vgl. ebd., S. 101 – 102.
[45] Vgl. Müller-Timmermann, 2012, S. 16 – 17.
[46] Vgl. Wenchel, 2001, S. 163.
[47] Vgl. Müller-Timmermann, 2012, S. 16 – 17.
[48] Vgl. ebd.
[49] Vgl. Wenchel, 2001, S. 65.
[50] Vgl. Fiedler / Goldschmid, 2010, S. 56 - 57.
[51] Ebd., S. 56.
[52] Vgl. Prieß, 2013, S. 15.
[53] Vgl. Gusy / Kleiber, 1998, S. 318.
[54] Vgl. Weimer / Pöll, 2012, S. 18 - 19.
[55] Vgl. Gusy / Kleiber, 1998, S. 318.
[56] Vgl. Schmidbauer, 2007, S. 322 - 323.
[57] Vgl. Weimer / Pöll, 2012, S. 23.
[58] Vgl. Eppel, 2007, S. 76.
[59] Ebd.
[60] Vgl. ebd.
[61] Vgl. Weimer / Pöll, 2012, S. 18 - 19.
[62] Ebd., S. 19.
[63] Vgl. Gusy / Kleiber, 1998, S. 318 - 319.
[64] Vgl. Weimer / Pöll, 2012, S. 19.
[65] Schweifer-Winkler, 2013, S. 11.
[66] Vgl. Hillert / Marwitz, 2006, S. 67.
[67] Vgl. Schneider, 2013, S. 211- 212.
[68] Arbeitskräfte zur besonderen Verfügung.
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Erstausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2014
- ISBN (PDF)
- 9783958207929
- ISBN (Paperback)
- 9783958202924
- Dateigröße
- 2.1 MB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Fachhochschule für öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen; Duisburg
- Erscheinungsdatum
- 2015 (Februar)
- Note
- 1,3
- Schlagworte
- Burnout Stressbewältigung öffentlicher Dienst Betriebliches Gesundheitsmanagement Präventionsansatz
- Produktsicherheit
- BACHELOR + MASTER Publishing