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Flugzeugbau in den BRIC-Staaten: Analyse der nationalen Kompetenzen und Entwicklungsstrategien

©2014 Bachelorarbeit 49 Seiten

Zusammenfassung

Die Analyse der verschiedenen Flugzeugbauprogramme in den BRIC-Staaten soll zeigen, in welchen Ländern und in welchen Bereichen mittelfristig wohl am meisten Entwicklungspotenzial für den internationalen Wettbewerb besteht. Die Länder unterscheiden sich dabei hinsichtlich ihrer Kompetenzen, Potenziale und Risiken enorm voneinander. Dabei ist zu beobachten, dass es schon einige Spezialisierungen der Unternehmen auf Produkte mit Konkurrenzvorteilen gibt. Auffällig ist, dass einige Länder schon eine wichtige Rolle auf dem internationalen Parkett der Flugzeugbaubranche spielen. Andere Länder hingegen versuchen erst den eigenen Markt in Zukunft decken zu können, bevor sie auch den internationalen Absatz anstreben. Jedoch bedrohen verschiedene Arten von Risiken die Vorhaben der BRIC-Staaten scheitern zu lassen. Diese sind dabei auf wirtschaftliche, kulturelle oder auch politische Entwicklungen zurückzuführen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


1.3 Zukünftige Herausforderungen an die Flugzeugbauindustrie

Bei dem immer größer werdenden Anteil der BRIC-Staaten an der Gesamtproduktion werden natürlich auch deren Wettbewerbsvorteile ausgenutzt und somit muss sich auch die Flugzeugbauindustrie auf einen härteren Wettbewerb vorbereiten. Ein viel niedrigeres Lohnniveau in den Schwellenländern kann die Produktion erheblich kostengünstiger gestalten. Auch diesen aufstrebenden Kostendruck bemerken schon die etablierten Flugzeughersteller der westlichen Industrieländer und verlagern zunehmend einzelne Produktionsschritte in Niedriglohnländer. Auf Details wird an späterer Stelle noch einmal eingegangen. Doch nicht nur Offshoring, Outsourcing und eine Optimierung der Suppy Chain sind Teile derer Strategien. Innovationen sollen den Flugbetrieb für Airlines, denen zunehmend Konkurrenz von Billigfliegerndroht, günstiger machen. Der Treibstoffverbrauch der Flugzeuge soll reduziert werden, indem neues Material, wie Kunststofffaser für den Bau der Flugzeugstruktur verwendet wird. Diese Methode wird bei den neuesten Flugzeugmodellen immer häufiger verwendet. So ist die Gesamtstruktur des derzeit größten Passagierflugzeuges, dem Airbus A380, über 20% aus Kunststofffaser gebaut. Um diesen Anteil noch zu vergrößern, entwickelte Boeing den „Dreamliner“ Boeing 787 und zeitgleich Airbus den A350 aus sogar über 50% Kunststofffaser, was sie zu den ökologischsten Großraumflugzeugen der Welt macht[1].

Um bei dem Thema Umwelt zu bleiben, sollten in Zeiten der Klimaerwärmung auch den Flugzeugemissionen Aufmerksamkeit geschenkt werden. In Form von Kondensstreifen wird beim Flug eine nicht unerhebliche Menge von CO2 ausgestoßen. Um also das Image des klimafreundlichen Flugzeugherstellers bei der Bevölkerung zu bekommen, wären sie nicht schlecht aufgestellt, auch in diesem Bereich zu versuchen, über Innovationen ihre Emissionen zu reduzieren. Emissionen sind jedoch nicht das einzige Problem, das die Umwelt erheblich beeinflusst. Die Geräusche bei Starts und Landungen führen immer häufiger zu Gerichtsprozessen von Anwohnern, die versuchen ein Nachtflugverbot oder die Änderung der Einflugschneise zu erzwingen.

Es gibt allerdings nicht nur Airlines, die versuchen das Billigsegment abzudecken. Einige davon werben auch mit Qualitätsstandards und hohem Komfort während des Fluges. Somit muss auch in diesem Bereich versucht werden, die Präferenzen der Passagiere herauszufinden und beim Flugzeugbau zu beachten. Nichtsdestotrotz ist die wohl wichtigste Eigenschaft eines Flugzeuges die Sicherheit. Unfälle und Abstürze können eine große Airline, wie die Pan America World Airways, kurz Pan Am, Anfang der 90er Jahre in die Insolvenz treiben. Sicherheit wird immer höchste Priorität im Flugzeugbau bleiben. Demnach sollten auch die meisten Forschungs- und Entwicklungskosten der Anbieter in die Verbesserung der Standards investiert werden. Fraglich ist, ob die Flugzeugbauer der BRIC-Staaten überhaupt mit den Sicherheitsstandards der Industrieländer konkurrieren können. Wie ist der aktuelle Stand ihrer Kompetenzen und wo sind noch ungenutzte Potenziale? Was sind die Strategien der einzelnen Unternehmen und der Regierungen, um zukünftig wettbewerbsfähiger zu werden? Im folgenden Kapitel werden einige Flugzeugbauunternehmen der BRIC-Staaten vorgestellt und ihre Stärken dargelegt.

2. Kompetenzen der BRIC-Staaten im Flugzeugbau

2.1 Brasilien

Nachdem nun einige Informationen über die Flugzeugbauindustrie allgemein, die BRIC-Staaten und besondere Herausforderungen, die auf jene Industrie in nächster Zukunft zukommen wird, dargelegt wurden, sollen nun zunächst die nationalen Kompetenzen der einzelnen BRIC-Staaten und ihrer Flugzeughersteller erörtert werden. In den folgenden Kapiteln wird dann sowohl auf weitere Potenziale, als auch auf die Strategien der Unternehmen oder der Regierungen eingegangen. Um die Analyse zu beenden, werden letztlich dann noch mögliche Risiken dieser Entwicklungen beschrieben. Den Anfang macht nun Brasilien: Wie bereits in der Einführung erwähnt, befindet sich Brasiliens Embraer, mit einem Jahresumsatz von 6,24 Mrd. US-$ im Jahre 2013, sogar unter den Top 4 der größten Flugzeugbauunternehmen[2]. Am 19. August 1969 wurde die „Empresa Brasileira de Aeronáutica (Embraer)“ unter Kontrolle der brasilianischen Regierung gegründet. Der Sitz befindet sich seitdem in der Hauptstadt São Paolo. Mit einer Mitarbeiterzahl von über 17.000, gilt Embraer als einer der größten Arbeitgeber in Brasilien. Das Staatsunternehmen wurde schließlich im Jahre 1994 privatisiert[3].

Embraer gilt als hochinnovatives Unternehmen und stellt neben militärischen Flugobjekten und Sicherheitssystemen auch zivile Flugzeuge her[4]. Im Bereich Regionaljets, mit Platz für 90 bis 120 Passagiere, ist das brasilianische Unternehmen mit ihrer E-Serie auf Augenhöhe mit Airbus und Boeing. Dabei ist die E-195 ein Konkurrent zu dem Airbus A319 und der Boeing 737-600. Eine weitere Kernkompetenz liegt eindeutig bei den Businessjets. Sie bieten Platz für 4 bis 8 Passagiere und Embraer steht damit in direkter Konkurrenz zum kanadischen Unternehmen Bombardier, das die gleichen Geschäftssegmente abdeckt. Im Jahre 2011 wurden 105 Regional und 99 Business Jets ausgeliefert. Embraer wird von Airbus-Mitarbeitern zudem als stabiles Unternehmen mit einem enormen Technologie-Know-How angesehen. Sie legen einen hohen Wert auf Forschung und Entwicklung und kommen in Bereichen wie Biotreibstoff gut voran. Bei den innovativen Flugzeugstrukturen aus Kunststofffasern, sind sie auf Augenhöhe mit Airbus und Boeing. Zudem hat Embraer in der Aerospace & Defense-Kategorie den ersten Platz im Dow Jones Sustainability Index, für das finanziell transparenteste Unternehmen in Brasilien verliehen bekommen[5].

2.2 Russland

Nachdem Brasilien nun Einiges an nationalen Kompetenzen vorgelegt hat, wird nun mit Russland fortgefahren. Um die Flugzeugbauindustrie von Russland zu beschreiben, muss zunächst etwas weiter ausgeholt werden, denn sowohl der aktuelle Stand der Kompetenzen, als auch viele Probleme der Föderation sind auf geschichtliche Ereignisse und den Zusammenbruch der früheren Sowjetunion zurückzuführen. Aus der Zeit der Zentralplanung, die noch bis Anfang der 90er Jahre bestand hatte, konnten sich bis heute nur schwer eigenständige Unternehmen entwickeln. Die einstige Supermacht hat zwar vor dem Zusammenbruch über eine große Flotte von militärischen und zivilen Flugzeugen verfügt, jedoch hatte Russland keinen wirklichen Flugzeughersteller. Bei Namen wie Ilyushin, Tupolev und Beriev handelte es sich um Konstruktionsbüros, die zu dieser Zeit, auf staatliche Anordnung, Flugzeuge entwickelt haben. Grundsätzlich hat sich an dieser Methodik bis heute nichts geändert. Doch aus dieser Zeit stammt immer noch eine enorme Menge an technologischem Wissen, das sich vor allem im militärischen Bereich wiederfinden lässt. Dies führt dazu, dass Russland bis heute wohl eine der Nationen ist, mit dem best entwickeltsten Verteidigungssektor[6]. Somit ist nicht zu verleugnen, dass die russische Flugzeugbauindustrie eindeutig ihre Kernkompetenz im militärischen Segment hat. Doch wie sieht die Entwicklung im zivilen Bereich aus und welche Versuche wurden hierbei unternommen, ihn aufzubauen?

Im Jahre 2002 wurde ein Plan verabschiedet der sich „Development of Civil Aviation Technology of Russia“ nennt[7]. Es wurde die Modernisierung des kompletten Sektors angeordnet und 4,17 Mrd. US-$ für Forschung und Entwicklung bereitgestellt. Dies geschah vor dem Hintergrund die aufstrebende Nachfrage der internationalen Luftfahrt und des Frachtverkehrs zu befriedigen. Schließlich wurde 2006 per Verordnung des russischen Präsidenten Wladimir Putin die United Aircraft Corporation (UAC) gegründet. Sie umfasst alle bisherigen russischen Flugzeugkonstruktionsbüros zusammen, um daraus Synergieeffekte zu gewinnen, damit auch im zivilen Sektor international Fuß gefasst werden kann. Schon während dieser Zeit wurde, mit Hilfe von westlichen Partnern wie Boeing, ein eigenes Passagierflugzeug entwickelt, hatte 2008 seinen Erstflug und wurde schließlich 2011 zum ersten Mal ausgeliefert: Der Sukhoi Superjet 100. Mit Stolz wird er als komfortables Flugzeug mit Platz für 70 bis 95 Passagieren präsentiert. Dennoch konnte die Maschine bisher nicht richtig Fuß fassen, da es schon mehrere Zwischenfälle, wie eine Notlandung in Reykjavik und einen Absturz mit Todesfällen bei einem Testflug in Indonesien gab[8].

Bei der Betrachtung eines anderen Geschäftsfeldes fällt auf, dass das Frachtflugzeug Antonow AN-225 eines der größten Frachtflugzeuge der Welt ist, welches sogar Space Shuttles transportieren kann. Und auch im militärischen Bereich sind die Russen mit ihren Militärjets Sukhoi 30 und S-35 ganz weit vorne im weltweiten Vergleich.

Doch trotz eines hohen technologischen Leistungsstandes hat es die russische zivile Flugzeugbauindustrie noch nicht geschafft, sich international zu etablieren. Airbus-Mitarbeiter sehen zwar das große Know-How, aber kritisieren, dass in die russische Flugzeugbauindustrie zu wenig Geld investiert wird. Hochqualifizierte russische Wissenschaftler können von ihrer Arbeit nicht Leben und müssen sich in anderen Branchen noch ein Zubrot verdienen. Somit schätzen sie, dass die russische Industrie, trotz hoher Technologie, ca. 15 bis 20 Jahre hinter dem Westen im Bereich der Fertigungstechnik liegen.

2.3 Indien

Bevor auf die Kompetenzen der indischen Flugzeugbauindustrie eingegangen werden kann, muss zunächst ihr Aufbau erklärt werden. In Indien besteht schon seit dem Jahre 1958 die „Defense, Research and Development Organization (DRDO)“[9]. Sie ist unter Anderem verantwortlich für die Forschung und Entwicklung militärischer Flugkörper. Die DRDO untersteht direkt dem Verteidigungsministerium und somit übernimmt der indische Verteidigungsminister auch die Aufgabe des Managements. Zu der DRDO gehören zahlreiche Foschungsinstitutionen, wie das „Aeronautical Developement Establishment (ADA)“ oder Elektronikproduzenten wie die „Bharat Electronics Limited (BEL)“, der neben der Entwicklung von Flugkontrollsystemen, auch ein großer Zulieferer für den US-amerikanischen Flugzeughersteller Boeing ist. Die Montage der Flugzeuge übernimmt das Staatsunternehmen „Hindustan Aeronautics Limited (HAL)“, welches schon 1940, für die Produktion von Militärflugzeugen für die Royal Indian Air Force in Bangalore, gegründet wurde. Der Umsatz der HAL betrug in ihrem Wirtschaftsjahr 2012-2013 umgerechnet 2,37 Mrd. US-$ und die Mitarbeiterzahl betrug im Jahre 2011 33.000.[10] [11] [12]

Die HAL produziert hauptsächlich im militärischen Sektor, indem die indischen Ingenieure eine hohe Erfahrung genießen. Im indischen Flugzeugbau arbeiten die meisten Wissenschaftler und Ingenieure, im Vergleich mit den restlichen BRIC-Staaten. Die Qualitätsstandards der Produktion gegenüber dem Westen sind auf einem guten Weg und für das Know-How im Bereich der Informationstechnologie sind die indischen Fachkräfte weltweit berühmt. Ein weiterer Vorteil ist die englische Sprache, die durch die britische Kolonialisierung weiterhin als eine der zwei Amtssprachen geführt wird. Dies erleichtert das Auftreten im internationalen Handel und ist gegenüber Russland ein enormer Vorteil. Das Lohnniveau ist in Indien bekanntlich sehr niedrig, wodurch Indien ein beliebter Standort für Outsourcing ist. Auffällig ist, dass die indische Flugzeugbauindustrie sich fast nur auf den militärischen Sektor bezieht. Momentan wird ein eigenes Kampfflugzeug Tejas entwickelt, das ab 2020 an die Air Force ausgeliefert werden soll[13]. Jedoch verfügt der indische Flugzeughersteller schon über die unabhängige Produktion des Kampfhelikopters „Dhruv“, welcher zu verschiedenen Zwecken ziviler oder militärischer Art umgebaut und genutzt werden kann. Außerdem ist die HAL auch bei der Produktion einiger westlicher Flugzeugbauunternehmen beteiligt. So werden in Indien die Türen, sowohl des neuen Airbus A320, als auch für die Boeing 737-300 Cargo und den Embraer Legency 450/500 Businessjet produziert. Zusätzlich verfügt Airbus über ein Forschungs- und Entwicklungszentrum in Bangalore[14]. Airbusmitarbeiter sind jedoch eher mäßig von der Zusammenarbeit mit indischen Fachkräften begeistert. Darauf wird zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal eingegangen.

2.4 China

Bevor nun die Kompetenzen des vierten und letzten Landes der BRIC-Staaten analysiert werden, zunächst ein paar Details zu dem aufstrebenden Land in Fernost. China ist mit 1,36 Mrd. Einwohner das bevölkerungsreichste Land der Welt und mit 15,64% der weltweiten Gesamtproduktion belegt China den zweiten Platz nach den USA[15]. Und auch die Zukunftsaussichten sehen gut aus, da die chinesische Wirtschaft in den letzten 5 Jahren mit einer jährlichen Wachstumsrate von 7,5 – 10% gewachsen ist. Fraglich ist, ob dies für alle Branchen pauschal behauptet werden kann, und somit auch für die Flugzeugbauindustrie.

Um diese Frage zu klären muss zuvor die Struktur dieser Industrie in China erörtert werden. 2008 wurde die gesamte Rüstungs- und Flugzeugbauindustrie, mit einem Gesamtkapital von 78 Mrd. US-$, in einem Konzern unter dem Namen „Aviation Industry Corporation (AVIC)“ zusammengefasst[16]. Teile des Unternehmens bestehen noch aus den Zeiten des Koreakrieges und nach zahlreichen Neustrukturierungen und Umbenennungen wurden nun die gesamten Strukturen unter diesen Mutterkonzern eingegliedert. Der Sitz von AVIC ist in Peking und im Unternehmen sind ca. 400.000 Mitarbeiter beschäftigt, und somit mehr als Airbus und Boeing zusammen. Ebenfalls 2008, wurde AVICs Tochterunternehmen „Commercial Aircraft Corporation of China (COMAC)“ für die Entwicklung und Produktion eigener chinesischer Passagierflugzeuge gegründet. Hier wurden dazu von AVIC ca. 3 Mrd. US-$ Startkapital zur Verfügung gestellt. Das Prestigeprojekt von COMAC lautet, das erste zertifizierte chinesische Passagierflugzeug auf den Markt zu bringen. Dieses Regionalflugzeug trägt den Namen COMAC ARJ21 und soll Platz für 75 bis 90 Passagiere bieten. Die erste Auslieferung war ursprünglich schon vor 5 Jahren geplant, hat sich jedoch wegen Problemen verschoben. Die Auslieferung wird nun dieses Jahr erwartet. Ein zweites Projekt ist ein Mittelstreckenflugzeug mit dem Namen COMAC C919, welches 170 bis 190 Passagiere befördern soll. Größenmäßig soll es eine direkte Konkurrenz zur Boeing 737 und zum Airbus A320 werden. Die C919 soll ab Ende des Jahres 2016 ausgeliefert werden und ihr liegen bereits 235 Bestellung vor. Die Produktion eigener Passagiermaschinen zeigt, dass schon ein hohes Maß an Technologie vorhanden ist[17]. Viel Know-How wird jedoch von westlichen Flugzeugherstellern nach China gekommen sein. So berichtet ein langjähriger Airbus-Mitarbeiter, dass vor einigen Jahren ein Airbus A320 in China nach dessen Auslieferung verschwunden ist. Da in China der chinesische Staat Flugzeuge kauft und anschließend an die chinesischen Airlines „verteilt“, diese Maschine jedoch nie in den Flugbetrieb gegangen ist, wird nun vermutet, dass sie zu Reengineering-Zwecken komplett zerlegt wurde, um von dem Know-How zu profitieren. Er kritisiert zudem, dass Airbus und andere westlichen Flugzeughersteller sich über diese Gefahr bewusst sind, jedoch dies billigend in Kauf nehmen, um kurzfristig den Umsatz des Unternehmens zu erhöhen. Ein Gegenargument bringt aber ein deutscher Diplomingenieur im Flugzeugbau, der anmahnt, dass ein Flugzeug ein so komplexes Gebilde ist, welches man nicht einfach, wie ein LEGO-Haus auseinander- und wieder zusammenbauen kann. Er ist nicht der Ansicht, dass China die Möglichkeit besitzt, in den nächsten Jahren eine eigene, zuverlässige Flugzeugreihe auf den Markt zu bringen.

Doch auch westliche Flugzeughersteller haben den chinesischen Markt schon als zukunftsreich beurteilt und sind somit auch schon dort präsent. So hat Airbus die komplette Endmontage des A320 nach Tianjin in China verlegt. Auch der Legacy Businessjet von Embraer wird in China endmontiert, und zwar in Harbin. Und Bombardier lässt den Rumpf für seine C-Serien und den Q-Helikopter in China produzieren. Doch nicht nur OEMs haben ihre Produktionen nach China verlegt, sondern auch Zulieferer wie der kanadische Triebwerkshersteller Pratt & Whitney hat Werke in Chengdu, Xian und Zhuzhou. Zudem gibt es noch zahlreiche Joint Ventures, wie zum Beispiel seit 2011 mit General Electric GE-Snecma, für die Triebwerksherstellung des COMAC C919 oder mit MTU Aero Engines, die für den chinesischen Konzern das Triebwerk CJ1000 für ein neues Flugzeugmodell entwickeln, welches zwischen 2020 und 2022 zum ersten Mal ausgeliefert werden soll[18]. Auch für Wartung, Reparatur und Instandhaltung sind westliche Unternehmen in China vor Ort. Der sogenannte „Maintenance, Repair and Overhaul (MRO)“-Bedarf wird gedeckt, in dem Verschleißteile und Betriebsstoffe in bestimmten Gebäuden verfügbar ist und eingebaut werden kann. So zum Beispiel Ameco Beijing, eine Kooperation von Air China und Lufthansa, oder Boeing, das sich seit 2011 in Urumqi um die Wartung der 757 kümmert. Außerdem betreibt Boeing noch in Peking ein Service Center.

Nachdem nun die Projekte im zivilen Flugzeugbaubereich beschrieben wurden, soll nun auch Licht ins Dunkel des militärischen Sektors gebracht werden. Dies gestaltet sich jedoch sehr schwer, da dieser Markt geschlossen und abgeschirmt von jeglicher Öffentlichkeit ist. Es wird jedoch vermutet, dass chinesische Kampfflugzeuge zu den Besten weltweit gehören. Somit werden sie wohl auf Augenhöhe mit dem russischen Militär sein.

2.5 Betrachtung der globalen Wertschöpfungskette

Nachdem nun die nationalen Kompetenzen der einzelnen BRIC-Staaten dargestellt wurden, soll nun der Fokus auf der globalen Wertschöpfungskette liegen. In der Einführung wurde schon Bezug auf die Produktionspyramide im Flugzeugbau genommen. Wie aber sieht die globale Wertschöpfungskette hierbei aus? Und inwieweit sind die einzelnen BRIC-Staaten in diese Prozesse integriert?

Als beispielhafte Darstellung wird nun die globale Wertschöpfungskette im Flugzeugbau in 5 Schritten beschrieben. Diese beginnt mit Schritt 1, dem Design, welches das Flugzeugkonzept entwickelt und nach einigen Prüfungsvorgängen sich auch um die Details kümmert[19]. In Schritt 2 beginnt die Produktion der Komponenten der Tier-2-Vorprodukte, wie der Flugzeugstruktur, der Avionik und des Antriebs. Die Teilmontage dieser Komponenten mit weiteren Untersystemen aus Tier-3-Vorprodukten, wird in Schritt 3 erledigt. Der letzte Produktionsschritt ist dann Nummer 4, der Endmontage, wo die Strukturen zusammengefasst werden und mit Avionik und Antrieb integriert werden. Nach der Produktion, befasst sich Schritt 5 noch mit dem After-Sale-Service. Wichtig dafür sind vor allem der Kundenservice, Technisches Training, Wartung, Instanthaltung und Reparaturen. Eine Grafik soll dies besser veranschaulichen:

Abbildung 2: Allgemeine globale Wertschöpfungskette im Flugzeugbau

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Brazilian Manufacturing S. 18

Interessant ist vor allem der Anteil der verschiedenen Flugzeugkomponenten an der Wertschöpfung. So macht die Flugzeugstruktur mit 37% den höchsten Anteil aus[20]. Mit 26% übernehmen die Flugzeugantriebe den zweithöchsten Anteil an der Wertschöpfung im Flugzeugbau. Bei der Avionik sind es 11%, der Innenausstattung 6% und dem Fahrwerk 4%. Die restlichen 14% lassen sich keiner großen Komponente mehr zuordnen und fallen somit in die Kategorie Sonstiges.

Da man es bei der Herstellung eines Flugzeuges, wie gesagt, mit einem hochtechnologischen Konstrukt zu tun hat, ist auch die Lieferkette, mit ihren komplexen Vorprodukten international sehr verflechtet. Trotzdem wird nun der Versuch unternommen, die wichtigsten Zulieferer für die OEMs der BRIC-Staaten zu kategorisieren.

Begonnen wird damit zunächst wieder mit Brasilien. Durch den weltweiten Kostendruck, ist es auch für Brasilien nicht möglich die komplette Produktion im Inland zu halten. Flugzeugstrukturen aus Kunststofffaser und Metallflügel werden beispielsweise in Portugal gefertigt jedoch mit eigenem Know-How[21]. Es gibt aber auch noch andere Gründe, die für ein Outsourcing von Produktionen sprechen. Oft sind es Auflagen einen bestimmten Markt versorgen zu dürfen. So befindet sich die Endmontage der Legacy 600/650 Businessjets in China, um den chinesischen Markt mit ihren Produkten zu erobern. Andere Produktionen, wie die des Phenom 100 befinden sich in Florida, um den nordamerikanischen Markt mit Privatjets zu versorgen und einen besseren Service vor Ort garantieren zu können. Andererseits sind auch Zulieferer in Brasilien präsent, um die dortige Produktion zu beliefern. So gibt es eine Kooperation mit Honeywell und Pratt & Whitney für die Triebwerke der neuen E-Jet-Serie[22]. Für die älteren Modelle war General Electrics (GE) der Hauptlieferant für Triebwerke. Für die Stromversorgung der Flugzeuge, sowie des Fahrwerks und der Bremsen, wird Embraer vom US-amerikanischen Unternehmen UTC Aerospace Systems beliefert. Brasilien entwickelt dennoch auch eigene Fahrwerke. Somit befindet sich in Brasilien nicht nur ein Anteil der Wertschöpfung der Fahrwerke, sondern auch der Flugzeugstrukturen und der Tragflächen.

Bei der Analyse der russischen Wertschöpfung im Flugzeugbau, wird schnell offensichtlich, dass Russland in vielen Bereichen mit westlichen OEMs zusammenarbeitet, um das nötige Know-How für die eigene Produktion zu bekommen. Hierbei arbeiten sie vor allem mit Airbus zusammen in den Bereichen Umrüstung und Softwareentwicklung. Außerdem gibt es eine Kooperation von Airbus und Irkut bei der Entwicklung des vorderen Fahrwerks. Boeing wiederrum unterstützt das russische Programm bei dem Aufbau der Führungs- und Marketingfunktionen. Antriebssysteme, wie Triebwerke werden auch von dem kanadischen Unternehmen Pratt & Whitney geliefert.

In Indien zeigt sich hierbei ein ganz anderes Bild. Die HAL übernimmt für den Airbus A320 beispielsweise die Produktion der Türen. Außerdem fertigt sie auch noch die Türen für den Legacy 450/500 Businessjet von Embraer. Zudem gibt Airbus an, zahlreiche Kooperationen mit Indien zu haben in den Bereichen Innenausstattung, Klimaanlage und Softwareentwicklung. Schon zuvor wurde die einzigartige Kompetenz der Inder in der IT-Branche dargestellt. Sonstige Aufträge, die in Indien eingehen, sind hauptsächlich arbeitsintensiv, da es sich um ein Niedriglohnland handelt.

Das gleiche Argument trifft auch auf China zu. Da es ein Niedriglohnland ist und außerdem viele Rohstoffe besitzt, eignet es sich gut dorthin die Produktion der Flugzeugstrukturen aus Aluminium zu verlegen. Genau dies macht zumindest der kanadische Flugzeughersteller Bombardier mit seiner C-Serie und dem Q-400 Helikopter. Aber auch Endmontagen, wie die des A320 von Airbus und die des Legacy Businessjets von Embraer, befinden sich in China. Als Zulieferer für Antriebssysteme dienen Pratt & Whitney, General Electric und MTU Aero Engines.

Bei einem Vergleich der 4 BRIC-Staaten untereinander fällt schnell auf, dass es zwar ein paar Überschneidungen in ihren Kompetenzen gibt, aber alle auch eine gewisse Nische gefunden haben. Trotzdem ist auffällig, dass alle OEMs, bei hochkomplexen Komponenten wie den Triebwerken und der Avionik, auf westliche Lieferanten wie GE, Pratt &Whitney und die MTU angewiesen sind. Eine Grafik soll die einzelnen Anteile der Wertschöpfung noch einmal zusammenfassen:

Abbildung 3: Spezifische globale Wertschöpfungskette im Flugzeugbau

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: eigene Darstellung

[...]


[1] Vgl. Busse/Middendorf (2013) S.23.

[2] Vgl. Embraer (2014).

[3] Vgl. auch im Weiteren: Pritchard (2012) S. 5ff.

[4] Vgl. auch im Weiteren: Michael (2012) S. 3ff.

[5] Vgl. Air Works (2012)

[6] Vgl. auch im Weiteren: Michael (2012) S. 8ff.

[7] Vgl. auch im Weiteren: Pritchard (2012) S. 8ff.

[8] Vgl. CSMonitor (2013).

[9] Vgl. auch im Weiteren: Michael (2012) S. 10ff.

[10] Vgl. Hindustan Aeronautics Ltd. (2012/13).

[11] Vgl. Umrechnungskurs am 26.06.2014.

[12] Vgl. auch im Weiteren: Pritchard: (2012) S. 10ff.

[13] Vgl. Hindustan Aeronautics Ltd. (2014).

[14] Vgl. Air Works (2012) S. 18f.

[15] Vgl. auch im Weiteren: Statista (2014).

[16] Vgl. auch im Weiteren: Pritchard (2012) S. 13ff.

[17] Vgl. auch im Weiteren: Michael: (2012) S. 13ff.

[18] Vgl. Air Works (2012) S. 20f.

[19] Vgl. auch im Weiteren: Brazilian Manufacturing (2013) S. 18f.

[20] Vgl. auch im Weiteren: Brazilian Manufacturing (2013) S. 20.

[21] Vgl. auch im Weiteren: Pritchard (2012) S. 5ff.

[22] Vgl. Flugrevue (2013).

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2014
ISBN (PDF)
9783958207967
ISBN (Paperback)
9783958202962
Dateigröße
949 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Hohenheim
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
2,3
Schlagworte
Embraer Sukhoi Airbus COMAC Boeing

Autor

Tim Bäuerle, B.Sc., wurde 1990 in Böblingen geboren und wuchs im Nordschwarzwald auf. Sein Studium der Wirtschaftswissenschaften schloss der Autor im Jahre 2014 mit dem akademischen Grad „Bachelor of Science“ erfolgreich ab. Einer neuen Herausforderung stellte er sich nun mit dem Master-Studiengang „Angewandte Betriebswirtschaftslehre“ an der Alpen-Adria Universität in Klagenfurt, Österreich. Interessiert an fremden Kulturen, absolvierte der Autor 2009 - 2010 ein Work & Travel-Jahr in Neuseeland. Zudem verbrachte er die 2 Monate Semesterferien im Sommer 2013 in Kenia und Tansania, wo er 6 Wochen in einem Kinderheim arbeitete und noch 2 Wochen mit dem Rucksack herumreiste. Mit weiteren privaten Reisen nach Indien, Hongkong, USA und Ägypten konnte er weitere kulturelle Erfahrungen sammeln und auch seine Fremdsprachenkenntnisse verbessern.
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