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Aggressive Übergriffe auf Rettungskräfte an Einsatzstellen: Analyse von und Umgang mit Gewalt gegen Rettungskräfte in Hamburg

©2014 Bachelorarbeit 58 Seiten

Zusammenfassung

Seit einigen Jahren wird subjektiv ein Anstieg von aggressiven Übergriffen deutschlandweit auf Rettungskräfte an Einsatzstellen und damit auch auf Mitarbeiter der Feuerwehr Hamburg vermutet. Die Berichterstattung vieler Medien zum Thema Gewalt gegen Rettungskräfte rückten das Phänomen der Gewalt gegen Rettungskräfte in den Fokus der Öffentlichkeit, was einen Anstieg dieser Problematik vermuten lässt. Dieses Buch beschäftigt sich mit dieser Thematik, um das tatsächliche Ausmaß von aggressiven Übergriffen auf Rettungskräfte an Einsatzstellen der Feuerwehr Hamburg zu ermitteln. Dabei wird der bisherige Forschungsstand zu dem Thema „Gewalt und aggressive Übergriffe gegen Rettungskräfte an Einsatzstellen“ ermittelt. Im Fokus steht dabei die Auswertung von den bisher dokumentierten Übergriffen auf die Rettungskräfte der Feuerwehr Hamburg der letzten Jahre. Bewertet wurden die daraus gewonnenen Erkenntnisse aus den Tätermerkmalen, der Tatzeit und den Kategorien der Übergriffe. Dabei wird insbesondere der Vergleich zu anderen Studien in diesem Themenfeld hergestellt und überprüft, ob diese auf ähnliche Mechanismen schließen lassen. Die Ergebnisse wurden auf mögliche zukünftige Präventionsmaßnahmen durch die Bewertung von Konflikteinsätzen innerhalb der Feuerwehr Hamburg aufgezeigt und diskutiert.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


1 Einleitung

Seit einigen Jahren wird subjektiv ein Anstieg von aggressiven Übergriffen deutschlandweit auf Rettungskräfte an Einsatzstellen und damit auch auf Mitarbeiter der Feuerwehr Hamburg vermutet. Nach Aussage des Sicherheits-managements der Feuerwehr Hamburg haben sich die gemeldeten Übergriffe innerhalb eines Jahres von 15 Übergriffen auf 39 Übergriffe mehr als verdoppelt (vgl. Feuerwehr Hamburg-FL/S 41, 2009 u. 2010).

Die Berichterstattung vieler Medien zum Thema Gewalt gegen Rettungskräfte rückten das Phänomen der Gewalt gegen Rettungskräfte in den Fokus der Öffentlichkeit, was einen Anstieg dieser Problematik vermuten lässt (Anhang C). Die nachfolgende Bachelorarbeit beschäftigt sich mit dieser Thematik, um das tatsächliche Ausmaß von aggressiven Übergriffen auf Rettungskräfte an Einsatzstellen der Feuerwehr Hamburg, zu ermitteln. Gegliedert ist die Ausarbeitung in neun Abschnitte. Zuerst wird die Organisation der Feuerwehr Hamburg, insbesondere die Aufgabe und Aufstellung des Rettungsdienstes, beschrieben. Nachfolgend wird der bisherige Forschungsstand zu dem Thema „ Gewalt und aggressive Übergriffe gegen Rettungskräfte an Einsatzstellen “ ermittelt. Im Fokus dieser Arbeit steht dabei die Dokumentenanalyse und die Auswertung der Dienstanweisung (DA) 04-7 Anhang 3: Meldebögen Übergriffe/ Gewalt gegen Mitarbeiter während des Dienstes (Anhang D) von den bisher dokumentierten Übergriffen auf die Rettungskräfte der Feuerwehr Hamburg der letzten drei Jahre (2011-2013). Bewertet wurden die daraus gewonnenen Erkenntnisse aus den Tätermerkmalen, der Tatzeit und den Kategorien der Übergriffe, diese stellen eine wichtige Grundlage dieser Arbeit dar. Anschließend werden die Folgen für die Rettungskräfte näher erörtert. Dabei wird insbesondere der Vergleich zu anderen Studien in diesem Themenfeld hergestellt und überprüft, ob diese auf ähnliche Mechanismen schließen lassen. Im siebten Kapitel der Bachelorarbeit wird dann der Umgang mit aggressiven Übergriffen gegen Hamburger Rettungskräfte unter Berücksichtigung der Ergebnisse in Bezug auf die Fragestellungen beschrieben. Die Ergebnisse wurden auf mögliche zukünftige Präventionsmaßnahmen durch die Bewertung von Konflikteinsätzen innerhalb der Feuerwehr Hamburg aufgezeigt und diskutiert. Abschließend wird ein Fazit in Bezug auf die Fragestellung gezogen.

1.1 Motivation

Die Motivationsgrundlage der vorliegenden Arbeit bildet insbesondere die berufliche Tätigkeit des Autors als Feuerwehrbeamter und Praxisanleiter im Rettungsdienst auf einer der „ Brennpunktwachen “ der Berufsfeuerwehr Hamburg und der damit verbundenen Arbeit im Einsatzdienst, sowie die Gastdozenten-tätigkeit an der Feuerwehrakademie Hamburg. Ebenso persönliche Erfahrungen aus Konflikteinsätzen, in denen es sowohl zu Beleidigungen als auch zu Bedrohungen mit Stich- und Schusswaffen, bis hin zur körperlichen Gewalt von Personen kam. Diese Vorkommnisse haben letztendlich die Frage nach möglichen präventiven Handlungsabläufen bei aggressiven Übergriffen an Einsatzstellen innerhalb der Feuerwehr Hamburg aufgeworfen. Im Rahmen dieser Bachelorarbeit des Studienganges Emergency Practitioner (Nationaler und internationaler Bevölkerungsschutz) sollen diese näher untersucht und beschrieben werden.

1.2 Fragestellung

Im Sommer letzten Jahres wurde eine Projektarbeit des Autors zu der Thematik

Gewalt gegen Rettungskräfte“ gefertigt, in der zwei Studien Schmidt (2012) und Auer (2009) miteinander verglichen und diese Anhand der Einwohnerzahlen auf die Stadt Hamburg übertragen wurden. In der Bachelorarbeit sollen nun folgende weiterführende Fragestellungen dazu bearbeitet werden:

- Belegen die Übergriffe gegen Hamburger Rettungskräfte identische Ergebnisse zu anderen Studien in diesem Themenfeld, die auf ähnliche Mechanismen schließen lassen?
- Falls ja: Wie könnte der Umgang mit Gewalt gegen Hamburger Rettungskräfte unter Berücksichtigung der Ergebnisse in Zukunft erfolgen?

Ziel der Bachelorarbeit ist es, eine Analyse zur Gewalt gegen Rettungskräfte der Feuerwehr Hamburg durchzuführen und den zukünftigen, möglichen Umgang mit aggressiven Übergriffen an Einsatzstellen einhergehend mit den gesicherten Ergebnissen in Bezug auf die Studien von Schmidt (2012) und Auer (2009) darzustellen.

1.3 Methodisches Vorgehen

Die nachfolgende Bachelorarbeit ist in vier Hauptteile gegliedert. Im ersten Teil der Bachelorarbeit wurde dabei zumeist die Recherche aus schon vorhandener Literatur genutzt. Ermittelt wurde zunächst der aktuelle Forschungsstand zum Thema „ Gewalt und aggressive Übergriffe gegen Rettungskräfte “. Hierbei erwiesen sich die Studien von Schmidt (2012) als Abschlussbericht „Gewalt gegen Rettungskräfte“ der Ruhr-Universität Bochum und die Studie von Auer (2009) „ Aggressive Übergriffe auf Rettungsdienstmitarbeiter “ als sinnvolle und geeignete Quellen. Im zweiten Teil der Bachelorarbeit wurde eine Dokumenten-analyse der Meldebögen der dokumentierten Übergriffe auf Rettungskräfte (Anhang D) innerhalb der Feuerwehr Hamburg analysiert und mit den anderen Studien verglichen. Der dritte Teil der Bachelorarbeit stellt mögliche zukünftige präventive Maßnahmen aus Konflikteinsätzen der Feuerwehr Hamburg dar und bewertet sie abschließend. Dabei spielten die beiden Quellen „ Eigensicherung im Rettungsdienst“ von Friedrich et al. (2006) und „Gewalt im Rettungsdienst“ von Blättler (2013) eine wichtige Grundlage. Im vierten und letzten Teil dieser Arbeit wurden die Ergebnisse mit Vorschlägen zur Erweiterung, unter anderem für die Betriebsanweisung Gewalt gegen Angehörige der Feuerwehr (Anhang E), diskutiert. Zur weiteren Beantwortung der Fragestellungen wurden verschiedene Artikel aus Fachzeitschriften und dem Internet genutzt.

2 Organisation der Feuerwehr Hamburg

Der Träger der Feuerwehr ist die Stadt Hamburg. Die Feuerwehr Hamburg ist ein Teil der Behörde für Inneres und Sport (BIS). Nach dem Grundsatz ist die Feuerwehr für den Brandschutz, die technische Hilfeleistung, den Umweltschutz und für den Rettungsdienst in der FHH verantwortlich. Außerdem wirkt die Feuerwehr Hamburg im Katastrophenschutz mit, zum Beispiel im Bereich der Deichverteidigung. Des Weiteren erfüllt sie besondere Aufgaben wie die Kampfmittelbeseitigung und Luftbildauswertungen von Bombenabwürfen aus dem Weltkrieg (Feuerwehr Hamburg, 2014).

Hamburg verfügt derzeit über 17 Feuer- und Rettungswachen und einer Technik- und Umweltwache. Zudem über 32 reine Rettungswachen die im Stadtgebiet so verteilt sind, dass die erforderliche Fahrzeit von fünf Minuten (sog. 5 Minuten Regel) nach der Alarmierung durch die RLS bis zum Eintreffen an der Einsatzstelle für den Rettungsdienst (vgl. Feuerwehrakademie Hamburg, PPT; S. 14) machbar ist.

Im Brandschutz wird seit Februar 2014 die Empfehlung des Schutzziels „ standarisiertes Schadensereignis Kritischer Wohnungsbrand“ gemäß AGBF Bund umgesetzt (vgl. Strategiepapier, 2012; S. 731).

Diese fordert ein Eintreffen einer Erstangriffseinheit mit zehn Funktionen (qualifizierte Einsatzkräfte der Feuerwehr) innerhalb von acht Minuten nach der Alarmierung durch die RLS (1. Hilfsfrist). Eine Unterstützungseinheit soll innerhalb der von 14,5 Minuten (2. Hilfsfrist) mit weiteren sechs Funktionen an der Einsatzstelle eintreffen, um diese bei der Menschenrettung, zur Brandbekämpfung, zur Entrauchung sowie zur Eigensicherung der Einsatzkräfte, zu unterstützen (vgl. Forplan 2014).

Weitere 87 Standorte gehören zu den Freiwilligen Feuerwehren in Hamburg. Diese sind in Teilbereichen nicht nur für den Brandschutz, den Umweltschutz und für die Technische Hilfeleistung verantwortlich, sondern werden zusätzlich in einigen Gebieten, besonders dort wo die erforderliche Hilfsfrist durch den Rettungsdienst nicht erreicht werden kann, auch als Frist Responder-Einheit (FF-Erstversorgung) mitalarmiert um eine Überbrückung bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes zu gewährleisten (Abbildung 1).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Graphische Übersichtsdarstellung der Feuer- und Rettungswachen, Standorte mit weiteren Rettungsmitteln und Qualität der RD-Abdeckung des Stadtgebietes in Hamburg (Feuerwehrakademie Hamburg, 2011; S. 16)

2.1 Personal der Feuerwehr Hamburg

Nach dem Jahresbericht der Feuerwehr Hamburg aus 2013 sind insgesamt 2.142 Mitarbeiter/ -innen im Einsatzdienst der Feuerwehr tätig. Die Mitarbeiter/ -innen arbeiten in verschiedenen Laufbahnen und Ämtern der Feuerwehr Hamburg, wozu auch die Rettungsleitstelle (RLS) zählt. Etwa 1.727 Feuerwehrbeamte/ -innen sind im mittleren feuerwehrtechnischen Einsatzdienst tätig und nehmen damit regelhaft am Rettungsdienst der Stadt Hamburg teil. Die Freiwillige Feuerwehr verfügt über eine Gesamtstärke von 2.488 Frauen und Männern, die sich ebenfalls in Einsatzkräfte und Führungskräften unterteilen (vgl. Feuerwehr Hamburg, 2013; S. 6 ff.).

2.2 Rettungsdienst der Feuerwehr Hamburg

Der Träger des Rettungsdienstes ist die Stadt Hamburg. Beauftragt mit der Ausführung ist die Behörde für Inneres und Sport (BIS), die für den gesamten öffentlichen Rettungsdienst der Stadt Hamburg verantwortlich ist. Krankenbeförderungen (KBF) wurden durch die Feuerwehr an die Hilfs-organisationen und private Anbieter vergeben. Somit liegt die Aufgabe der Feuerwehr Hamburg in der Notfallrettung. Die Notfallrettung wird durch die Feuerwehr Hamburg an allen Tagen im Jahr sichergestellt (Hamburgisches Rettungsdienstgesetz, 1992).

Derzeit hält die Feuerwehr Hamburg täglich 45 Rettungswagen in 24 Stunden vor, zudem eine Tagesverstärkung von 14 Rettungswagen, die im Tagesdienst von 07:00 Uhr bis 19:00 Uhr besetzt werden. Durch die Feuerwehr Hamburg werden zudem im gesamten Stadtgebiet acht Notarzteinsatzfahrzeuge (NEF) besetzt. Weitere fünf Notärzte stehen durch drei Notarztwagen (NAW) und zwei Rettungshubschrauber (RTW) für die Notfallrettung der Stadt Hamburg durch sonstige Träger zur Verfügung (vgl. Feuerwehr Hamburg, 2013; S. 6).

2013 wurden 249.072 Rettungsdiensteinsätze durch die Feuerwehr disponiert. Davon wurden im letzten Jahr 220.377 Notfalleinsätze durch den Rettungsdienst der Feuerwehr abgearbeitet. Dies macht etwa 80 Prozent der gesamten Einsätze innerhalb der Feuerwehr Hamburg aus. Die Rettungsmittel der Feuerwehr Hamburg (RTW, NEF, B-RTW und G-RTW) sind mindestens nach DIN EN 1789 Typ B ausgestattet (vgl. Feuerwehr Hamburg, 2013; S. 12).

Nach dem Hamburgischen Rettungsdienstgesetz von 1992 müssen die Rettungswagen mit mindestens einem Rettungssanitäter als Fahrer und einem Rettungsassistenten als Transportführer besetzt sein. Derzeit findet eine Novellierung des HmbRDG statt. Grundlage ist unter anderem die Einführung des Notfallsanitätergesetzes (NotsanG) im Januar 2014 und die Einführung einer gesetzlich geregelten Hilfsfrist.

3 Bisheriger Forschungsstand zur Gewalt gegen Rettungskräfte

Subjektiv haben die gewalttätigen Übergriffe auf Rettungskräfte in den letzten Jahren zugenommen. Dies lässt sich aus der immer stärker werden Medienpräsenz des Themas ableiten (Anhang C).

Allerdings ist der bisherige Forschungsstand zur Thematik und dem Umgang mit Gewalt gegen Rettungskräfte in der Bundesrepublik bisher noch weitestgehend unerforscht und die verlässliche Datenlage zurzeit noch sehr gering. Im November 2013 schrieb der Arbeitskreis Rettungsdienst der AGBF Bund zur Gewalt gegen Rettungskräfte, „dass die Studienlage zur Qualität und Häufigkeit zur Gewalt gegen die Rettungskräfte noch sehr dünn ist,“ so liegt die Häufigkeit in Wien unter 0,08 Prozent, deutsche Erhebungen dagegen liefern hauptsächlich Erkenntnisse zur Qualität von Gewalt (vgl. AGBF Bund, 2013; S. 1).

Nachfolgend werden die Studien von Schmidt (2012) und Auer (2009), die sich mit der Thematik der Gewalt gegen Rettungskräfte beschäftigten, für verlässlich und geeignet erklärt. Schmidt untersuchte gewalttätige Übergriffe auf Rettungskräfte in Nordrhein-Westfalen innerhalb eines Zeitraumes von zwölf Monaten. Die Evaluierung zeigte, dass 98 Prozent der Rettungskräfte in NRW bereits Gewalt im Einsatz widerfahren ist. Schmidt (2012, S. 14) beschreibt den oder die Täter, die Gewalt gegen die Rettungskräfte ausüben, als zumeist männlich in einer Altersspanne zwischen 20 und 40 Jahren (Schmidt, 2012; S. 14).

In 40 Prozent der Taten standen der oder die Täter unter Alkohol- oder Drogeneinfluss. In 52 Prozent der Fälle kam es während der Therapie/ Diagnose zu einem Übergriff. Somit vermutet Schmidt (2012; S. 1), dass es sich um ein aggressives Abwehrverhalten handelt und nicht um einen gezielten Angriff. Das Ergebnis der Studie von Schmidt (2012) deckt sich mit den Ergebnissen von Auer (2009), der seine Untersuchungen bei der Wiener Berufsrettung in dem Zeitraum von Januar 2006 bis Dezember 2007 durchgeführt hat. In diesem Zeitraum haben 80,3 Prozent der Wiener Rettungskräfte Erfahrungen mit aggressiven Übergriffen gemacht. Der „typische“ Täter, der Gewalt gegen die Rettungskräfte ausübt, so Auer (2009; S. 96), ist als männlich in einem Alter zwischen 21 und 40 Jahren einzustufen und steht während der Ausübung eines aggressiven Übergriffes unter Alkoholeinfluss oder hat, bei den 31 bis 40 jährigen, eine psychische Vorerkrankung. Auer (2009) führt zudem an, dass es in seiner Studie eine hohe Dunkelziffer von nicht gemeldeten Übergriffen der Rettungskräfte gibt und geht von einer niedrigen Inzidenzrate aus, die im Verlauf dieser Arbeit noch näher beschrieben wird.

3.1 Juristische Definition von Gewalt

Im juristischen Sinn wird bei der Definition von Gewalt zwischen der verbalen und der körperlichen Gewalt unterschieden. Dabei wird die verbale Gewalt als angedrohte Gewalt anhand von einer Beleidigung oder Beschimpfung nach dem Strafgesetz verstanden. Hierzu zählt auch das Anspucken der Rettungskräfte, „da hier nur ein kurzeitiger Ekel empfunden und das körperliche Wohlbefinden nicht beeinträchtigt wird“ (Strafgesetzbuch, 2013; § 185).

In aller Regel werden die eingeleiteten Verfahren gegen die Täter als Bagatelle eingestuft und als Beleidigung nach dem Paragraphen 185 verhandelt (vgl. Schmidt, 2012; S. 8).

Die körperliche Gewalt (auch gegen Rettungskräfte) ist im Paragraphen 223 des StGB beschrieben. Hier heißt es, „wer eine andere Person körperlich misshandelt oder an der Gesundheit schädigt […]“, begeht eine Körperverletzung (Strafgesetzbuch, 2013; § 223).

3.2 Rechtliche Ausweitung durch Zunahme von Übergriffen gegen Rettungskräfte

Durch die Zunahme von Übergriffen auf Rettungskräfte reagierte auch der Gesetzgeber und weitete im November 2011 den Paragraphen 114 im Strafgesetz aus. Bisher wurden nur Beamte und im Auftrag des Staates tätige Personen im Paragraphen 113 StGB „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ erfasst. Bei Übergriffen gegen Rettungskräfte kam nur das „Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit“ in Artikel 2 Abs. 2 des Grundgesetzes in Betracht. In der überarbeiteten Fassung des Paragraphen 114 „ Widerstand gegen Personen, die Vollstreckungsbeamten gleich stehen “ des Strafgesetzbuches Absatz 3 heißt es, bestraft wird auch „wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfeleistende der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes oder eines Rettungs-dienstes durch Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt behindert oder sie dabei tätlich angreift“ (Strafgesetzbuch, 2013; § 113 u. § 114).

So werden auch Rettungsdienstmitarbeiter, Feuerwehrleute und im Katastrophenschutz tätige Personen, die Vollstreckungsbeamten gleichstehen, über das bisherige Maß hinaus geschützt. Schmidt (2012; S. 46) hingegen zweifelt diese rechtliche Ausweitung und Verschärfung des Paragraphen 113 im Strafgesetzbuch stark an, da „die Behauptung Menschen würden durch eine höhere Strafandrohung von solchen Taten abgehalten“ unsinnig sei.

4 Erstellung des Untersuchungsdesign

Nach dem Erhalt der Meldebögen und den dazugehörigen Übergriffsanalysen durch das Sicherheitsmanagement der Feuerwehr Hamburg (FL/S 41) wurden die resultierenden Daten in eine Excel-Tabelle übertragen und anschließend statistisch ausgewertet. Fehlende Daten wurden durch Sichtung der einzelnen Meldebögen, sofern diese vorhanden waren, ergänzt und Fehleinträge wurden bereinigt.

4.1 Pre-Test

Bei den Pre-Tests die im Mai 2014 erfolgten, wurde eine Vorabsichtung der bestehenden Übergriffsanalysen der letzten Jahre durchgeführt. Die Sichtung ergab, dass die Meldebögen, welche in der Dienstanweisung 04-7 im Anhang 3: Übergriffe/ Gewalt gegen Mitarbeiter während des Dienstes zu finden sind, seit Anfang 2009 durch das Sicherheitsmanagement der Feuerwehr Hamburg geführt wurden. Auffallend war, dass die Übergriffsanalysen in den ersten Jahren nur lückenhaft und nicht kontinuierlich geführt wurden, so dass in vielen Fällen das Alter der Täter oder auch die Uhrzeit des Übergriffes nicht benannt waren.

4.2 Qualität und Anzahl der gewonnen Ergebnisse

Um eine möglichst hohe und repräsentative Aussage zu gewährleisten, wurden nachfolgend 117 gemeldete Übergriffe der Meldebögen in der Dienstanweisung 04-7 Anhang 3: Meldebögen Übergriffe/ Gewalt gegen Mitarbeiter während des Dienstes aus den letzten drei Jahren (2011-2013) analysiert und zusammen-gefasst. Die Auswertung der Meldebögen bezieht sich bei der nachfolgenden Auswertung ausschließlich auf die Einsätze der Feuerwehr Hamburg. In der Auswertung werden keine Übergriffe gegenüber anderen im Rettungsdienst tätigen Personen von Organisationen wie zum Bespiel der Bundeswehr, den Hilfsorganisationen (ASB, DRK, JUH, MHD) oder von privaten Rettungsdienst-anbietern die in Hamburg in die Notfallrettung mit eingebunden sind, benannt. Durch die lückenhafte Dokumentation wurden die dokumentierten Erhebungen aus den Meldebögen der DA 04-7 in den Jahren 2009 und 2010 nicht ausgewertet, da hierdurch möglicherweise das Ergebnis verfälscht werden würde.

4.3 Darstellung des Meldebogens

Der Meldebogen in der Dienstanweisung (DA) 04-7 Anhang 3: Meldebögen Übergriffe/ Gewalt gegen Mitarbeiter während des Dienstes (Anhang D) ist in mehrere Abschnitte unterteilt und wird in diesem Abschnitt ausgewertet und analysiert. Dabei wird der Mitarbeiter im ersten Abschnitt nach dem Ort des Geschehens, dem Datum und der Uhrzeit des Übergriffes gefragt. Zudem macht er persönliche Angaben zum eigenen Namen, seiner Dienststelle und nennt sein Geburtsdatum. Nachfolgend erfolgt die Kategorisierung des Übergriffes (nur die höchste Nennung). Diese ist in angedrohte Gewalt wie Beleidigung oder Bedrohung mittels Worten oder Gegenständen und in körperliche Gewalt gegen Personen mit Waffen oder Gegenständen unterteilt. Im Anschluss an die Übergriffskategorisierung wird dem Mitarbeiter noch kurz die Gelegenheit gegeben den Übergriff in kurzen Stichworten zu schildern. Im letzten Teil des Meldebogens wird gefragt ob diese Art von Übergriffen schon öfters passierte und ob es bestimmte Umstände gab die zu diesem Vorfall führten. Abschließend ist in dem Meldebogen die Frage nach einer Beratung oder Unterstützung für den betroffenen Mitarbeiter aufgeführt.

5 Datenanalyse und Auswertung der Meldebögen

Die nachfolgende Datenanalyse der Meldebögen orientiert sich an den Aussagen der Studien von Auer (2009) und Schmidt (2012). In deren Studien wurden verschiedene Messparameter für einen „typischen“ Täter der Übergriffe auf Rettungskräfte ausübt festgestellt. Um festzustellen, ob es einen „typischen“ Täter gibt, der den Rettungskräften auch in Hamburg aggressiv entgegnet, wird die nachfolgende Analyse der Daten in drei Teile gegliedert und operationalisiert. Teil A befasst sich mit den Tätermerkmalen. Im Teil B wird der Einsatztag und die Uhrzeit, im Teil C die Kategorie der Übergriffe analysiert und im letzten Teil D werden die Folgen für die Rettungskräfte beschrieben. Als Grundlage für die Berechnungen dieser Arbeit galt die absolute Zahl der gemeldeten Übergriffe (N=117). Diese absoluten Werte entsprechen bei einer prozentualen Verteilung 100%.

5.1 Teil A Tätermerkmale

Bei den Tätermerkmalen wurde nachfolgend in das Alter und das Geschlecht unterteilt, sowie die Unterteilung zwischen Patient/ nicht Patient (Angehörige, Schaulustige oder andere Aggressoren) gewählt. Des Weiteren wurde unterschieden, ob sich der Täter während der Ausübung von Gewalt unter Einfluss von Alkohol oder anderen Substanzen befunden hat oder ob dies während der Ausübung von Gewalt keine Rolle spielte.

5.1.1 Alter der Täter

Wie aus der Abbildung 2 hervorgeht, wurde bei der Analyse des dokumentierten Alters dieses in sieben Bereiche geclustert. Dabei waren in 38,3 Prozent der Übergriffe auf Rettungskräfte der Feuerwehr Hamburg die Täter zwischen 20 und 39 Jahre alt, was sich mit den Ergebnissen von Auer (2009) und Schmidt (2012) deckt. Übergriffe von unter 20 jährigen und über 60 jährigen spielten keine Rolle. Auffällig in den Meldebögen war die Angabe zum Alter „ Unbekannt“.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Alter der Täter in Cluster gefasst

5.1.2 Geschlecht

In den letzten drei Jahren (2011- 2013) war der Täter in 83,1 Prozent (Abbildung 3) der gemeldeten Übergriffe männlich. In etwa 12,3 Prozent konnte bei der Tat eine weibliche Person ausgemacht werden. In 4,6 Prozent der Fälle wurde in diesem Feld keine Angabe gemacht.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Geschlecht der Täter

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Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2014
ISBN (PDF)
9783958208032
ISBN (Paperback)
9783958203037
Dateigröße
1 MB
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,3
Schlagworte
Rettungsdienst Feuerwehr Notfallsanitäter Bestandsaufnahme Einsatzkräfte

Autor

Philipp Baumann, B.A., geboren 1983 in Gütersloh, legte sein Studium zum Emergency Practitioner (Nationaler und internationaler Bevölkerungsschutz) an der Hochschule für Humanwissenschaften in Berlin im Jahr 2014 mit dem akademischen Grad des Bachelor of Arts erfolgreich ab. Durch seine berufliche Tätigkeit als Feuerwehrbeamter auf einer der „Brennpunktwachen“ der Berufsfeuerwehr Hamburg und der damit verbundenen Arbeit als Notfallsanitäter und Praxisanleiter im Rettungsdienst, bei der es sowohl zu Beleidigungen als auch zu Bedrohungen mit Stich- und Schusswaffen, bis hin zur körperlichen Gewalt von Personen kam, motivierten ihn, sich der Thematik des vorliegenden Buches zu widmen. Zudem konnte er durch seine langjährige Lehrtätigkeit als Gastdozent u.a. für die Polizei und der Feuerwehrakademie Hamburg umfassende Erfahrungen im Bereich der Notfallmedizin und der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr sammeln.
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