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Virtuelle Welten im Lebensalltag von Jugendlichen

©2014 Bachelorarbeit 49 Seiten

Zusammenfassung

In unserem täglichen Tun vermischen sich zunehmend physische und digitale Systeme und damit reale und virtuelle Welten. Das Internet, die größte Plattform für Unterhaltung, Zusammentreffen und Kommunikation, scheint einen immer höheren Stellenwert in der Freizeitgestaltung Jugendlicher zu erhalten. Welche Funktionen nehmen dabei „virtuelle“ Räume im sozialen Leben von Jugendlichen ein? In diesem Buch wird dieser Frage nachgegangen. Studien und Befragungen nehmen einige wichtige Nutzungsmotive in den Fokus. Dabei werden die Motivationsströme nicht nur aus Sicht der Jugendlichen betrachtet, sondern auch wissenschaftlich fundiert analysiert. Eine Auseinandersetzung mit den Gefahren und Chancen die virtuelle Räume sein können, werden im Kontext zu den Aufgaben der Sozialarbeit vorgestellt. Dabei wird auf Konzepte und Methoden zu möglichen professionellem Handeln im Detail eingegangen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


2.2.1 Entwicklungsaufgaben des Jugendalters

Die Jugend ist heute insbesondere eine durch Freiheiten gekennzeichnete Lebensphase, dennoch steht in dieser Phase die Bewältigung spezifischer Aufgaben der Persönlichkeitsentwicklung an. T.Hülshoff bezieht sich in seiner Darstellung der wesentlichen Aufgaben des Jugendalters auf Remschmidt. Sie umfassen das Erreichen von neuen Beziehungen zu Gleichaltrigen, die Entwicklung einer männlichen bzw. weiblichen Rolle, das Akzeptieren des eigenen Körpers, die Verwirklichung der gefühlsmäßigen Unabhängigkeit von Eltern und anderen Erwachsenen, die Vorbereitung auf Partnerschaft, Familie und Beruf, weiterhin die Anschaffung einer Reihe von Werten und Überzeugungen als Faden für das eigene Verhalten. Er unterscheidet drei typische Reaktionsmuster der Jugendlichen: (1) emotionale Instabilität und mit dem Blick auf sich die Schwierigkeit, sich selbst zu akzeptieren, wie man ist, (2) Angriffs- oder (3) Rückzugtendenzen. (Hülshoff u.a. 2004, 247 ff)

In demografischem Aspekt sind die Jugendlichen in der moderne Gesellschaft zu einer Minderheit geworden. Dabei sind sie viel mehr als früher mit sozialen Problemen wie Bildungskonkurrenz, berufliche Zukunftsunsicherheit und Sorge um die Eltern konfrontiert. (Böhnisch 2009, 27) Auch die Eltern und Peergroups stellen unterschiedliche Erwartungen an die Jugendliche. Neben der Integration in die Peergroups und der Ablösung vom Elternhaus müssen die Jugendlichen nicht nur ihre eigene Identität entwickeln, sondern auch versuchen, diesen Erwartungen gerecht zu werden. Dabei passiert es nicht selten, dass der Jugendliche sein Selbstgefühl schwankend erlebt. (Thiemann 2009, 111) Anschließend scheint die Entwicklung des jungen Menschen zum Erwachsenen im Gegensatz zu früheren Generationen immer langsamer zu verlaufen. Bedingt durch längere Ausbildungszeiten verlängert sich die Phase der Abhängigkeit von den Eltern. (Raschke 2010, 48)

2.2.2 Psychologische Aspekte und Krisen des Jugendalters

Im Lebensabschnitt des Jugendalters entwickelt sich die Persönlichkeit des Jugendlichen und gleichzeitig wird oft sein Selbstwertgefühl heftig erschüttert. Die Adoleszenten registrieren die Reaktionen auf ihre körperliche Veränderung von Seiten der Anderen und integrieren diese in ihr Selbstbild. Dieser Akt ist nicht für wenige Jugendliche eine Quelle der Beunruhigung. Die körperliche Entwicklung verläuft bei allen unterschiedlich und bewegt sich in der Regel in Normbereich. Die Jugendlichen neigen aber oft dazu, die körperliche Entwicklung von anderen mit ihren zu vergleichen. Diese ängstlichen Vergleiche und Beobachtungen können von akuten Konfliktsituationen, aggressivem oder depressivem Verhalten bis hin zu neurotischen Fehlentwicklungen führen. Schließlich kann sich die intensive Selbstbeobachtung zu narzisstischen Krisen entwickeln. (Remschmidt 1992, 18 ff.)

In diesem Reifenprozess können Entwicklungs- und Beziehungskrisen (innere Vereinsamung), Drogen-Probleme, familiäre Probleme, Ausbildungs-Probleme und ähnliches bei jungen Leuten entstehen. „Die Veränderung der familiären Strukturen, der verminderte Einfluss der Religion oder die Veränderungen der Erziehungspraktiken erleichtern zwar die Emanzipation von moralischen und kulturellen Zwängen sowie die Ablösung vom Elternhaus, aber die Entwertung und Flexibilisierung der Erwerbsarbeit, fehlende Ausbildungsplätze, Umweltprobleme und die ungewisse Zukunft der Sozialsysteme verunsichern die Jugendlichen und führen zu Desorientierung sowie Unschlüssigkeit“ (Dr. Vogel 2008, 21)

3 Internetnutzung durch Jugendliche im Überblick

Die Internetnutzung von Jugendlichen ist heutzutage ein fester Bestandteil des Alltags geworden. Kohm weist darauf hin, dass Zugang und Nutzung des Internets eine Entwicklung wiederholt, die schon beim Fernsehen zu beobachten war. Es ist so zusagen ein Effekt der “wachsende(n) Wissenskluft“. Dabei meint er, dass „formal höher gebildete Personen das Internet mehr und effektiver nutzen als formal nieder Gebildete“. Letztere nutzen des Internet verstärkt zur Unterhaltung. (Kohm 2005, 203)

3.1 Zahlen und Fakten

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Gerätebesitz Jugendlicher 2012Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest 2012, 7)

Der JIM-Studie – Jugend, Information, (Multi-) Media vom Forschungsverbund Südwest ist eine Basisstudie zum Medienumgang in der Bundesrepublik Deutschland, die ca. sieben Millionen befragte Jugendliche im Alter von zwölf bis19 Jahren umfasst. Laut JIM Studie (2012) haben vier Fünftel der Jugendlichen eigenen Laptops. Fast neun von zehn können aus ihrem Zimmer durch den PC auf das Internet zugreifen. Die Mädchen besitzen im Vergleich zu den Jungen mehr Handys. Wobei es beim Computerbesitz bei Jungs präsenter als bei Mädchen zu sein scheint. Die Möglichkeit des Internetzugangs ist bei den Jungen nur wenig höher als bei Mädchen. Mit dem Blick auf verschiede Bildungsgruppen ist das Eigentum von Handy, Computer und Internetzugang auf gleich hohem Niveau. Die Vollversorgung mit Computer/Laptop in Haushalten, in denen Jugendliche aufwachsen, geht mit einer generellen Verfügbarkeit des Internets einher. (Abb.1)

Die Nutzung des Internets zeigt eine große Relevanz im Alltag von jungen Menschen: mindestens 91 Prozent der 12- bis 19-Jährigen sind mehrmals pro Woche im Internet unterwegs und 68 Prozent täglich. Ihre gesamte durchschnittliche Nutzungsdauer für die Tage von Montag bis Freitag beträgt 131 Minuten am Tag. Dabei weist der Bildungsgrad von Jugendlichen in der Nutzung Unterschiede auf. So zeigt der Jugendliche mit Hauptschulhintergrund eine höhere Nutzungsdauer (157 Min.) im Vergleich mit Realschülern (134 Min.) und Gymnasiasten (124 Min.) (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest 2012, 31 ff.) Der Anteil von Kindern und Jugendlichen in Deutschland im Alter von neun bis 16 Jahren, die das Internet jeden Tag oder fast jeden Tag nutzen, stand 2010 bei 53 Prozent. Im europäischen Vergleich ist es gar nicht so viel, wenn es in Bulgarien und Schweden, die den größten Anteil haben, es 83 beträgt. Aus 23 europäischen Ländern nimmt Deutschland also den zwanzigsten Platz ein. (http://de.statista.com 26.04.2014)

Abbildung 2: Inhaltliche Verteilung der Internetnutzung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest 2012, 33)

Bei der Internetnutzung gewinnt die Kommunikation den ersten Platz. Dabei nutzen die Mädchen das Internet für die Kommunikation intensiver als Jungen. Besonders interessant ist die zweite Kategorie bei der Internetnutzung, nämlich Spiele. Bei dieser Kategorie fällt ein deutlicher geschlechtsspezifischer Nutzungsunterschied auf. Die Jungs spielen mit größerem Abstand deutlich öfter als die Mädchen. Wobei die Nutzung des Internet für Spielen im Altersverlauf insgesamt sinkt. Während es bei 12- und 13-Jährigen es 20 Prozent ergibt, beträgt es bei 18- und 19-Jährigen schon nur 14 Prozent. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das Internet von Jugendlichen überwiegend für Kommunikation und Unterhaltung benutzt wird (Abb. 2) Die Ergebnisse der JIM-Studie (2012) zeigen auch die ansteigende Nutzung vom mobilen Internet. Auch die Statistik von 2012 belegt, dass insgesamt 47 Prozent der befragten 13- bis 17-Jährigen angegeben haben, dass sie das Internet mobil nutzen. (http://de.statista.com 24.04.2014) Zudem kommt die Studie BITKOM (Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V.) (2014) zu dem Ergebnis, dass schon unter den 12-Jährigen 85 Prozent ein Smartphone nutzen und dieser der wichtigste Zugang zum Internet ist. Bei 16- und 18-jährigen gewinnt das Smartphone einen Spitzenplatz. „Das Ergebnis für die 16- bis 18-Jährigen zeigt sehr eindrucksvoll, wohin der Trend geht: zur mobilen Nutzung des Internet.“ (Prof. Kempf 2014, 2)

3.2 Muster und Typen der Internet-Nutzung

Mehrere Studien kommen in ihren Ergebnissen zu einer Typologie der InternetnutzerInnen. Diese Muster stützen sich auf unterschiedliche Aspekte. Dabei wird keine kategorisiert, sondern die Kategorien der NutzerIn sollen als Orientierungspunkte betrachten werden. Die LfM-Studie (der Studie der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen) (2008) zum Thema „Heranwachsen mit dem Social Web“ kommt zu dem Ergebnis, dass zwischen vier Gruppen unterscheiden werden soll:

1. Wenignutzer. In dieser Gruppe handelt sich um Nutzer, die das Internet wenig und eingeschränkt nutzen.
2. Community-Orientierte. Diese Gruppe zeichnet sich durch häufige Suche nach der Information und Nutzung von Online-Communities aus, dabei spielen E-Mails eine relativ große Rolle. Diese Gruppe nutzt täglich das Internet, allerdings nicht lange und mit einem großen Spektrum an Anwendungen.
3. Aktive Informationsmanager. Die NutzerInnen dieser Gruppe haben einen besonders vielseitigen Umgang mit dem Internet. Wie die in der vorherigen Gruppe nutzen sie auch das Internet täglich, dabei weisen sie die weitaus höchste Nutzungsdauer auf.
4. Spielorientierte Nutzer. Diese Gruppe nutzt auch täglich das Internet und ergibt sich dem starken Interesse am Online-Spielen. (Hasebrink u.a. 2011, 94 ff.)

Die Shell-Jugendstudie (2010) kommt zu ähnlichen Ergebnissen, wobei hier mehr der Fokus auf Geschlecht und Schichtzugehörigkeit gerichtet wird. Es lassen sich auch vier Gruppen differenzieren.

1. Zu der Gruppe Gamer (24%) gehören hauptsächlich männliche Jugendliche aus sozial benachteiligten Familien.
2. Die Gruppe digitale Netzwerker (25%) bildet sich besonders durch jüngere weibliche Jugendliche, die vor allem die sozialen Netzwerke nutzen.
3. Für die ältere weibliche Jugendliche ist das Internet Mittel zum Zweck. Sie bilden die Gruppe der Funktions-User (17%), die das Internet zur Informationssuche und für E-Mails gebrauchen.
4. Die Multi-User (34%) nutzen das Netz in all seinen Funktionalitäten. Diese Gruppe ist durch eher ältere männliche Jugendliche aus den oberen Schichten geprägt. (www.shell.de 15.04.2014)

Die „Studie über das Internetsuchtverhalten von europäischen Jugendlichen“, die 2011 und 2012 in sieben Ländern (Deutschland, Island, Niederlande, Polen, Rumänien, Spanien und Griechenland) zwischen Jugendlichen im Alter von14 bis 17 Jahren durchgeführt wurde, kommt in Ergebnis auch zu vier Kategorien, in denen sie eher auf die Erscheinungsformen eingeht. Der Fokus in dieser Studie liegt zwar im Internetsuchtverhalten, ist aber trotzdem für unser Thema relevant, da das Internetverhalten mit Chancen sowie mit Risiken verbunden ist.

A. Die erste Kategorie wird als „im Netz gefangen“ genannt. Dieser Typ zeichnet sich durch Vernachlässigung von Hauptbereichen der täglichen Routine wie Schule, Freunde und Pflichten, weiterhin durch Schwierigkeiten, selbst wenn negative Konsequenzen wahrgenommen werden, die Internetnutzung zu reduzieren. Nutzer diese Kategorie verspüren einen Trieb nach Offlineerfahrungen.
B. Benutzer zweiten Typus „bekommen alles auf die Reihe“. Sie haben einen Wunsch nach Offlineerfahrungen und verfügen über gute soziale Kompetenzen, dabei sind die täglichen Aktivitäten und Internetnutzung ausgeglichen.
C. Dieser Typ kann sein intensives Onlineverhaltensmuster „selbst regulieren“. Die Selbstregulation kann durch Motivation, Sättigung und Rückmeldung negativer Konsequenzen bedingt sein. Dieser Typus erfährt den entwicklungsbedingten „Kreis“, sozusagen immer mehr und intensiverer grenzenloser Internetnutzung, dabei kann er durch Selbstregulation durchbrochen werden.
D. Die Nutzer dieser Gruppen nutzen das Internet zum „Zeittotschlagen“. Sie haben fehlende alternative Interessen und die Internetnutzung ist eine automatisierte Reaktion auf Langeweile. (Dreier u.a. 2012, 10 ff.)

In dieser Studie kommen auch Prognosen für den jeweiligen Typus, wobei die Typen A und D im Kontext Soziale Arbeit besonders interessant sind. Laut dieser Studie haben diese Typen eine schlechtere Prognose. Sie werden sich wahrscheinlich nicht selbst regulieren und könnten auf professionelle Hilfe angewiesen sein. Auch Typ C kann eine Unterstützung benötigen, da er innerhalb des „Kreises“ eine Menge Zeit verlieren kann. (Dreier u.a. 2012, 11)

3.3 Nutzungsverhalten bzw. Internet-Milieus

Auch wie in der Realität gibt es in der Virtualität verschiedene Lebenswelten. Wie sehen die digitalen Lebenswelten der Jugendlichen aus? In der DIVSI -Milieu Studie (Deutsches Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet) (2013) wurde erstmalig ein Instrument zur Erfassung von digitalen Lebenswelten entwickelt und schlussfolgernd sieben verschiedene Internet-Milieus identifiziert. Mit ihren Ergebnissen belegt die Studie, dass Online zu sein nicht für jeden das Gleiche bedeutet. In dieser Studie wird festgestellt, dass „Online sein zu können bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen als zentrales Element gesellschaftlicher Teilhabe (gilt)“. (DIVSI 2014, 94)

1. Souveräne (26%). Unter Jugendlichen sind sie besonders aktive Onliner. Fast zwei Drittel sind sogar fast den ganzen Tag oder immer online. Sie erweitern ständig die Zahl ihrer Kontakte und sind immer auf der Suche nach neuen Erfahrungen. Das Netz bietet dabei diese Möglichkeit. Sie wollen viel und lieber gleich alles vom Leben haben. Diese digitalen Netzwerker orientieren sich nicht an Moden, sondern erfinden neue und zeigen den anderen, was Trend wird. Dabei zählen sie sich zur kulturellen junge Elite. Sie treten in vielen Lebensbereichen als Kenner und Experten auf. Souveräne können sich kaum ein Leben ohne Internet vorstellen. Das Netz bedeutet für sie eher ein unbegrenzter Lern-, Lebens- und Erfahrungsraum. (DIVSI 2014, 29 ff.)

Abbildung 3: 14- bis 24-Jährige

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(DIVSI 2014, 30)

2. Pragmatische (28%). Die Pragmatischen gehören zu den Zufriedensten und bilden das größte Internet-Milieu der Jugendlichen. Sie zählen nicht zu den Intensiv-Nutzern und Ihr Online-Verhalten ist vielseitig. Diese Jugendlichen wollen im Leben viel erreichen, deswegen werden klare Ziele wie ein erfüllender Job, ein sicheres Einkommen und eine glückliche Familie früh angesetzt. Sie fühlen sich über Gefahren in Internet gut informiert. Vernetzung und Austausch über Online-Communitys, vor allem über Facebook, ist für diese NutzerInnen selbstverständlich. Eine Zukunft ohne Internet können sich in diesem Internet-Milieu die Wenigsten vorstellen. (DIVSI 2014, 33 ff.)

3. Unbekümmerte (18%). Sie nutzen das Internet regelmäßig und intensiv, dabei kaum mit Sicherheitsgedanken und Gefahrenbewusstsein. Die zentralen Werte der Unbekümmerten sind Gemeinschaft, Anerkennung und Zusammenhalt. Die Vernetzung spielt eine bedeutsame Rolle. Die Kommunikations- und Unterhaltungsangebote werden im Internet vorrangig genutzt. Die Unbekümmerten machen gern auf sich aufmerksam und Online-Netzwerke bieten die freie Bühne hierfür. Diese Jugendlichen sind mit den Beziehungen mit Freunden und den Eltern ehe unzufrieden und damit scheint das Internet eine Gegenwelt zu sein, in dem die Kommunikation und Unterhaltung leichter fällt. Viele Jugendliche aus diesen Milieus sind überzeugt, dass das Internet in ihren weiteren Lebensabschnitten wenig relevant wird. Das Internet wird als „Jugend-Ding“ erlebt. (DIVSI 2014, 37 ff.)

4. Skeptiker (10%). Sie präsentieren gern ihre Meinung, die durch solche Werte wie Demokratie, Toleranz, Gerechtigkeit und Gleichheit geprägt ist. In ihrer Freizeit sind sie oft in klassischen Angeboten wie Sportverein, Musikunterricht und ähnliches eingebunden. Ein Leben ohne Facebook ist für diese Jugendliche leicht vorstellbar, da es nur ein Organisationsinstrument und keine Bühne für sie ist. Trotz aller Bedenken können sich die Skeptiker ein Leben ohne Internet nicht vorstellen, weil sie die virtuellen Räume als gesellschaftliche Sphären begreifen, die kritisch wahrgenommen müssen. (DIVSI 2014, 42 ff.)

5. Verantwortungsbedachte (8%). Verantwortungsbedachte (8%). Obwohl bei diesen Jugendlichen der Alltag durch tägliches Online-Sein geprägt ist (62%), bleibt ihr Surfverhalten eher selektiv. Verantwortungsbedachte grenzen sich von den Eltern wenig ab und betrachten sie als Partner und Vorbild. Sie konzentrieren sich auf enge Freundeskreise und sind häufig keine Facebook-NutzerInnen. Ihr Netzwerkverhalten ist insgesamt eher durch Zurückhaltung geprägt. (DIVSI 2014, 47 ff.)

6. Vorsichtige (7%). Ihre Sensibilität gegenüber möglichen Risiken im Internet ist ausgeprägt. Diese Jugendlichen sind eher Beobachter als Gestalter. Ihre Zukunftsblicke orientieren sich an den biografischen Vorgaben der Eltern. Unter diesen Jugendlichen gibt es einen großen Anteil, der seine eigenen Internet-Kompetenzen als ungenügend und unzureichend bewertet. Dabei ist es für Vorsichtige wenig selbstverständlich, dass sie das Internet besser als Ihre Eltern kennen können. Diese Jugendlichen können sich das Leben ohne Internet am ehesten vorstellen. (DIVSI 2014, 52 ff.)

7. Verunsicherte (3%). Der lebensweltliche Schwerpunkt bei diesem Internet-Milieu liegt im prekären Lebenswelt-Sektor. Häufig erleben diese jungen Menschen eine insgesamt geringe gesellschaftliche Teilhabe, die sich in materielle, kulturelle und soziale Aspekte abspaltet. Tägliche Internetnutzung ist für Verunsicherte aufgrund banaler Ursachen wie kein Internetzugang zu Hause oder geringe Budgets, nicht selbstverständlich. Der Anteil der Nichtnutzer liegt deutlich höher als in anderen Milieus. Bei diesen Jugendlichen ist ein intuitives und soziales Vertrauen kaum erkennbar. Der Zukunft völlig ohne Internet ist für diese Gruppe leicht vorstellbar. (DIVSI 2014, 56 ff.)

4 Nutzungsmotive

Ausdruck von Autonomie, Beweis von Leistungsfähigkeit, Zeitvertreib und Unterhaltung, Ausgleich von emotionalen und psychosozialen Defiziten (z.B. Anerkennung), Kampf gegen Langeweile und Erleben von Gefühlen sind nur einige Nutzungsmotive, die Rogge 1996 aus Gesprächen mit Heranwachsenden kristallisierte und nannte. (Kohm 2005, 171) Bevor diese und andere Motivationen in Details angeschaut werden, kann ein Blick auf die Sozialisation der Jugendlichen nützlich sein, um zu verstehen, unter welchen Bedingungen die heutige Generation auf wächst, was ihre Lebenswelt kennzeichnet sowie was die Mitglieder von Internetgemeinschaften verbindet.

4.1 Mediensozialisation

Die Sozialisation von heutigen Jugendlichen wird in mehreren wissenschaftlichen Literaturen als „Mediensozialisation“ bezeichnet. Dabei betont dieser Begriff die Bedeutung der Medien in der Sozialisation. Sie vermitteln Normen, Werte, Wissen und Verhaltensweisen. (Geisler 2008, 27 ff.) Es bedeutet, dass eine Sozialisation, die in hohem Maß durch Medien erfolgt, möglichst bewusst geschehen sollte.

Es wird für MediennutzerInnen, die erst im Erwachsenalter die Anpassungsleistung zustande bringen, von Digital Immigrants gesprochen. Im Unterschied zur diesem spricht Prensky über die Generation, die bereits unter den Bedingungen der digitalen Medienumwelt aufwächst, von Digital Natives. (Frölich u.a. 2012, 21) DIVSI Milieu-Studie (2012) zeigte, dass rund 44 Prozent der Deutschen zählen zu dieser Gruppe. Sie haben das Internet in vollem Umfang in den Alltag integriert und bewegen sich mit großer Souveränität in den virtuellen Raum. (DIVSI 2014, 19)

Heutzutage ist es üblich, dass die Schule nicht mehr im Wohnort besucht wird. Den Weg hin und zurück kann die frei verfügbare Zeit verkürzen. Daher haben die Jugendlichen immer weniger Möglichkeiten sich in realen Räumen zu entfalten. Auch mit häufigen Ortswechseln stehen die jungen Menschen vor neuen Aufgaben. Sie müssen öfter und schneller neue soziale Kontakte knüpfen. (Raschke 2010, 48 ff.)

4.1.1 Familie

Familie gilt als erstes soziales Netzwerk. Jugendliche distanzieren sich zwar einerseits von der Familie emotional (emotionale Distanzierungshypothese), suchen aber bei Stress und Angst wieder die Nähe auf (Dämpfungshypothese). Eltern sind sogar im Jugendalter die wichtigsten Ansprechpartner bei Problemen, wobei die Mutter bei emotionalen Problemen gewählt wird, der Vater bei schulischen und zukunftsbedingten Problemen. (Oerter u.a. 2002, 305 ff.) In dem Prozess der Ablösung vom Elternhaus können „virtuelle“ Welten eine wichtige Rolle spielen, denn sie bieten Räume, in die Eltern nur zum Teil Einblick erhalten bzw. erhalten können. Damit bilden die Jugendlichen einige der wenigen, aber wichtigen Abgrenzungsbereiche. (DIVSI 2014, 15)

Es gibt schon die Feststellung, dass solche Sozialisationsinstanz wie Familie einen Deutungsgewinn parallel zu Medien verloren hat. Das Elternhaus kann heutzutage in diese vielfältige Gesellschaft keine klare Orientierung mehr vermitteln, weil sie selbst nicht mehr sicher ist, welche Werte genau sie vermitteln kann und soll. Diese Unsicherheit kann sich auf den völligen Verzicht auf Werte und Normen ausweiten. (Schorb 2008, 83)

4.1.2 Peergroups

Gleichaltrige sind ebenso wichtig wie die Eltern, damit die Jugendlichen lernen können, sich an die Anforderungen der Umwelt anzupassen. Die Peergroups bekommen in der Jugendphase einen besonderen Stellenwert. Sie bieten dem Jugendlichen eine familienähnliche Atmosphäre des Vertrauens und die Möglichkeit zur eigenen Entfaltung, die in der Auseinandersetzung mit Gleichaltrigen besteht. (Frölich u.a. 2012, 21) Weiterhin bieten die Peergroups den sozialen Freiraum zum Experiment neuer Verhaltensweisen im Sozialverhalten, helfen bei der Identitätsfindung, geben emotionale Geborgenheit, helfen bei der Ablösung von den Eltern und tragen zur Orientierung und Stabilisierung bei. Durch Peergroups können allerdings durchaus auch negative Auswirkungen auf die Entwicklung verzeichnet werden. Es besteht ein Gruppendruck, auch die Normen der Gruppe müssen befolgt werden. (Oerter u.a. 2002, 310 ff.) Dabei spielen die sozialen Erfahrungen, die die Gruppenmitglieder schon gesammelt haben, eine wichtige Rolle. (Geisler 2009, 63)

Die Peergroups übernehmen oftmals eine wichtige Sozialisationsfunktion und haben für ihre Mitglieder eine große Bedeutung. (Geisler 2009, 61) Die Meinung der Gruppe zählt mehr als die der Eltern. Mit den Netzwerken können die Jugendlichen auf die Peergroup zurückgreifen, selbst wenn sie nicht in der Nähe sind. Der Vorteil ist, dass mehrere Freunde gleichzeitig involviert werden können. (Dernbach 2012, 24)

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Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2014
ISBN (PDF)
9783958208063
ISBN (Paperback)
9783958203068
Dateigröße
958 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Fachhochschule Erfurt
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,7
Schlagworte
Soziale Arbeit Sozialpädagogik Jugendlicher Virtualität Social Media

Autor

Kuprin J., staatlich anerkannte Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin, wurde in Pawlodar (Kasachstan) geboren. Seit 2000 lebt sie in Deutschland. Bereits in Kasachstan studierte sie vier Semester Psychologie. In Deutschland studierte sie Soziale Arbeit an der Fakultät für Sozialwissenschaften der Fachhochschule Erfurt. Nach dem Bachelorabschluss begann sie ein Masterstudium im Fach Sonder- und Integrationspädagogik an der Universität Erfurt.
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Titel: Virtuelle Welten im Lebensalltag von Jugendlichen
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