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Möglichkeiten und Grenzen des Einsatzes von Tacit Knowledge im Performance Management

©2012 Bachelorarbeit 66 Seiten

Zusammenfassung

Ins Zentrum einer effektiven Strategieumsetzung im betriebswirtschaftlichen Planungs- und Entscheidungsprozess ist das Performance Management gerückt, welches das Kennzahlensystem des traditionellen Rechnungswesens um niicht-monetäre Einflussfaktoren erweitert. Das Denken in Ursache-Wirkungsbeziehungen ist für ein zielgerichtetes Planen und Entscheiden unerlässlich, da es die Strategien operationalisieren und die qualitativen Messgrößen kausel verknüpfen kann. Allerdings mangelt es in Performance Management Systemen wie der Balanced Scorecard an einem kausalen Bezugsrahmen für die Strategieumsetzung. Dieses Fehlen verursacht konzeptionelle und praktische Defizite bei der Entwicklung und Implementierung sowie in der Anwendung von Performance Management Systemen, da die Schlüsselindikatoren nur inadäquat die betriebliche Performance abbilden. Einen Ausweg bietet die unternehmensspezifische Konstruktion von Kausalmodell-Hypothesen unter Verwendung von Tacit Knowledge, dem impliziten Erfahrungswissen der Mitarbeiter. Ziel der vorliegenden Studie ist die Untersuchung, ob und wie die Externalisierung von Tacit Knowledge betriebliche Ursache-Wirkungsbezihungen identifizieren kann.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Grundlagen und Defizite im Performance Management
2.1 Herleitung eines mehrdimensionalen Performance-Verständnisses
2.2 Performance-Messung im Performance Management
2.3 Einsatz von Kausalhypothesen im Prozess des Performance Managements
2.4 Praktische und konzeptionelle Defizite im Performance Management System

3 Tacit Knowledge als erfolgskritische Ressource
3.1 Begriffsdefinition und -abgrenzung sowie Bedeutung in der Ressourcentheorie
3.2 Tacit Routines als das organisationale implizite Wissen
3.3 Prozessorientiertes Modell zur organisationalen expliziten Wissenserzeugung

4 Methoden zur Konstruktion von Kausalmodell-Hypothesen mittels Tacit Knowledge
4.1 Einordnung der Konstruktionsmethoden in den Prozess der Architektur eines Performance Management Systems
4.2 Methoden zur Konstruktion von individuellen Kausalmodell-Hypothesen
4.2.1 Self-Q Interviewtechnik
4.2.2 Narrative Interviews
4.2.3 Konstruktion von individuellen Kausalmodell-Hypothesen
4.3 Gruppenbezogene Methode zur Konstruktion von Kausalmodell-Hypothesen
4.4 Kombinierte Methode zur Konstruktion von Kausalmodell-Hypothesen
4.5 Beurteilung der methodenbasierten Konstruktionsverfahren

5 Nutzen der Konstruktion von Kausalmodell-Hypothesen mittels Tacit
Knowledge
5.1 Einsatz von Tacit Knowledge zur Überwindung der Defizite im Performance Management System
5.2 Probleme bei dem Einsatz von Tacit Knowledge
5.2.1 Personelle und organisatorisch-strukturelle Barrieren
5.2.2 Maßnahmen zur Überwindung der Barrieren
5.3 Beurteilung des Nutzens von Tacit Knowledge

6 Zusammenfassung und Ausblick

Anhang I

Anhang II

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Der Performance-Tree

Abbildung 2: Abgrenzung Performance Measurement vom Performance Management

Abbildung 3: Zusammenhang zwischen Kausalhypothese, Zweck-Mittel-Beziehung
und kausaler Kennzahlbeziehung

Abbildung 4: Einfacher Phasenzyklus des Performance Managements

Abbildung 5: Grad der „Stille“ von Routinen

Abbildung 6: Vier Formen der Wissensumwandlung

Abbildung 7: Zusammenfassung des Konstruktionsprozesses von Kausalmodell- Hypothesen

Abbildung 8: Triangulation aus drei komplementären Methoden

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Übersicht über die Attribute von Tacit Knowledge

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

In den letzten Jahren basieren betriebswirtschaftliche Planungs- und Entscheidungsprozesse nicht mehr ausschließlich auf finanziellen Kennzahlen des traditionellen Rechnungswesens. Ins Zentrum einer effektiven Strategieumsetzung ist das Performance Management gerückt, welches das Kennzahlensystem um nicht-monetäre Einflussfaktoren erweitert. Auf diese Weise erfolgt eine stärkere Zukunftsorientierung auf die Stakeholder-Interessen. Das Denken in Ursache-Wirkungsbeziehungen ist für ein zielgerichtetes Planen und Entscheiden unerlässlich, da es die Strategien operationalisieren und die qualitativen Messgrößen kausal verknüpfen kann. In vielen ausgestalteten Performance Management Systemen (PMS), wie dem Ansatz der Balanced Scorecard (BSC), deren Ziel die Steigerung der Performance mittels der Performance-Planung, -Messung und -Steuerung ist, mangelt es allerdings an einem fundamentalen kausalen Bezugsrahmen für die Strategieumsetzung. Dieses Fehlen verursacht sowohl konzeptionelle Defizite bei der Entwicklung und Implementierung als auch praktische Defizite in der Anwendung, in der die erfolgskritischen Key Performance Indicators (KPIs) nur inadäquat die betriebliche Performance abbilden. Einen Ausweg bietet die Konstruktion von Kausalmodell-Hypothesen, jedoch erweist sich die Durchführung der konkreten unternehmensspezifischen Ausgestaltung als zu schwierig für das Management. Aus diesem Grund entscheiden sich die Unternehmen häufig gegen die Einführung eines PMS.

Diese Bachelor-Thesis thematisiert die Anwendung von Tacit Knowledge, dem impliziten Erfahrungswissen der Mitarbeiter, im Kontext des Performance Managements. Ziel ist es zu untersuchen, ob und wie die Externalisierung von Tacit Knowledge betriebliche Ursache-Wirkungsbeziehungen identifizieren kann. Die Konversion in explizites organisationales Wissen ist anhand der Self-Q Interviewtechnik, narrativen Interviews sowie Gruppendiskussionen aufzuzeigen. Es ist zu beurteilen, ob die Konstruktion von Kausalmodell-Hypothesen zweckmäßig zur Überwindung der praktischen und konzeptionellen Defizite im PMS ist und letztlich zu einer unternehmensindividuellen Architektur eines PMS betragen kann. Löst das Management die personellen und organisatorisch-strukturellen Probleme im Zusammenhang mit der Externalisierung von Tacit Knowledge, kann dieses personengebundene Wissen einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz repräsentieren, welches die Unternehmensperformance entscheidend verbessert.

Das Kapitel 2 erklärt zunächst die Grundlagen und Defizite im Performance Management unter Berücksichtigung von Kausalzusammenhängen. Im nachfolgenden Kapitel 3 wird das Tacit Knowledge definiert und abgegrenzt sowie die Bedeutung als nachhaltiger Wettbewerbsvorteil herausgestellt. Anschließend erläutert das Kapitel 4 die Anwendung von Tacit Knowledge im Rahmen des Performance Managements. Nach einer Einordnung der Konstruktion von Kausalmodell-Hypothesen in den Prozess der Entwicklung und Implementierung eines PMS wird die konkrete Erstellung von Kausalitätskarten mittels Tacit Knowledge anhand von individuellen Methoden sowie einer gruppenbezogenen und kombinierten Methode betrachtet. In Kapitel 5 ist infolge eines Abwägungsprozesses zwischen dem Einsatz des impliziten Wissens im Konstruktionsprozess, den personellen und organisatorisch-strukturellen Externalisierungsbarrieren und möglichen Lösungsansätzen, eine Beurteilung des Nutzens von Tacit Knowledge im Hinblick auf die Konstruktion von Kausalmodell-Hypothesen zu treffen. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse und einen Ausblick über den weiteren Forschungsbedarf im Zusammenhang mit Tacit Knowledge erfolgt abschließend in Kapitel 6.

2 Grundlagen und Defizite im Performance Management

2.1 Herleitung eines mehrdimensionalen Performance-Verständnisses

In der neueren deutschsprachigen Literatur zur Betriebswirtschaftslehre findet das aus dem angloamerikanischen Sprachraum stammende Fremdwort Performance eine weite Verbreitung, wie z. B. im Performance Measurement[1] und Performance Management[2]. Seine konkrete Bedeutung ist oft nicht präzise definiert und es findet selbst über die wortwörtliche Übersetzung mit dem Begriff der Leistung eine kontroverse Diskussion zwischen einigen Autoren statt.[3] Im Folgenden wird nach einer Erläuterung des Terminus Leistung ein erweitertes Verständnis entwickelt, welches Überschneidungspunkte mit dem komplexen Performance-Begriffs bietet.

Ein heterogenes Leistungsverständnis ist in den einzelnen Wissenschaftsdisziplinen nicht gegeben, da die Fachleute in ihrem jeweiligen Anwendungsgebiet unterschiedliche Interpretationen und Messverfahren für die Leistung zugrunde legen.[4] In der Betriebswirtschaftslehre bildet sich eine dichotome Bedeutungsabgrenzung heraus, die zwischen einer Tätigkeits- bzw. Prozessorientierung und einer Ergebnisorientierung differenziert. In der Produktionswirtschaft wird die Leistung als ein Prozess der Wertschöpfung bzw. der Gütererstellung bezeichnet. Im Vordergrund stehen die Tätigkeiten, die von den Mitarbeitern auf der operativen Unternehmensebene effizient auszuführen sind. Effizienz bedeutet in der Produktion eine möglichst zeit- und kostensparende Transformation der Inputeinheiten in Outputeinheiten.[5] Hierbei wird die Wirtschaftlichkeit der Verrichtung betont, die im Idealfall frei von Anwendungsfehlern und Materialausschuss sein soll. Die Frage, ob die Mitarbeiter genug leisten, kann umformuliert werden in: „Führen sie die Dinge richtig aus?“[6] Der ergebnisorientierte Leistungsbegriff unterscheidet zwischen einer monetären und einer mengenmäßigen Dimension. Im Rechnungswesen ist vor allem die monetäre Bewertung (pagatorisch oder wertorientiert)[7] der Erzeugnisse zweckmäßig. Auf der Rechenebene des betriebsnotwendigen Vermögens wird die Leistung als Gegenbegriff zu den Kosten gesetzt und quantifiziert den Wertzuwachs aus der gewöhnlichen betrieblichen Tätigkeit in einer Abrechnungsperiode.[8] Je effektiver die Unternehmung produziert und den Kundennutzen erfüllt, desto höher ist ihre Leistung. Eine äquivalente Fragestellung auf die Frage, ob die Leistung zufriedenstellend ist, lautet: „Tätigt das Unternehmen die richtigen Dinge zur Zielerreichung?“[9]

Zusammenfassend beziehen beide Interpretationsansätze die Leistung auf das Ergebnis der unternehmerischen Tätigkeit. Ihre Beurteilung und Ausweisung erfolgt ex-post, d. h. in einem der Gütererstellung nachfolgendem Zeitpunkt.

Das erweiterte Leistungsverständnis schließt die Zielkonzeption ein, die die unternehmerische Tätigkeit auf im Vorfeld von dem Management formulierte Formal- und Sachziele[10] ausrichtet. Ein effektives Handeln gelingt dadurch, dass in einem hohen Grad die vorgegebenen Ziele erreicht werden. Dazu ist erforderlich, dass die Unternehmensführung die Leistung in Form von Leistungszielen, z. B. Beschaffungs-, Umsatz- und Erlösziele, in eine Zielkonzeption integriert und mit den Formal- und Sachzielen verknüpft. Anschließend sind sie mithilfe des Zielsystems in der Lage, die strategische Erschließung von künftigen Erfolgspotenzialen und die langfristige Liquiditätssicherung der Unternehmung zu steuern sowie die Interessen der Shareholder[11] zu berücksichtigen.[12]

Durch die Verknüpfung des Leistungsbegriffs mit der Zielkonzeption gelingt ein möglicher Definitionsansatz für die Performance. Dieser Begriff gibt ebenfalls den Grad der Zielerreichung an, ist jedoch stärker zukunftsorientiert und auf qualitative Bestimmungsfaktoren ausgerichtet als der erweiterte Leistungsbegriff.[13] Der Terminus verbindet die beschriebenen ergebnis- und prozessorientierten Interpretationsansätze aus dem Rechnungswesen und der Produktionswirtschaft.[14] Beispielhaft repräsentiert die Performance auf der Organisationsebene die Ausprägung von quantitativen (z. B. Gewinn) und qualitativen (z. B. Marktanteil, Qualität) Ergebnisgrößen, sowie auf Prozessebene die Durchlaufzeit oder Ausschussmenge von Produkten.[15] Außerdem betrachtet das Performance-Verständnis nicht mehr nur die finanziellen Interessen der Shareholder, sondern ergänzt es durch die Berücksichtigung weiterer verschiedener Anspruchsgruppen (Mitarbeiter, Kunden, Kapitalgeber und staatliche Institutionen). Diese sog. Stakeholder-Orientierung verspricht eine langfristige hohe Performance, wenn die pluralen Ansprüche der Gruppe befriedigt werden.Konkret erzielt die Organisation einen Stakeholder-Nutzen dadurch, dass es ihre Kunden ein zweckmäßiges Produkt verkauft, ihren Mitarbeitern ein sicheren Arbeitsplatz und ein faires Arbeitsentgelt bietet sowie ihren Kapitalgebern eine risikoäquivalente Kapitalverzinsung zahlt.[16]

Unter den in der Literatur geläufigen Bezeichnungen „Performance Tree“ oder „Performance Causal Model“ modelliert Lebas ein kausalgeprägtes multidimensionales Verständnis über die Performance (vgl. Abbildung 1).[17] Nach Ansicht des Autors liefert erst eine kausale Aneinanderreihung von Ursache-Wirkungsbeziehungen eine geeignete Erklärung für den an die Zielplanung angebundenen Terminus. „Performance is about deploying and managing well the components of the causal model(s) that lead to the timely attainment of stated objectives within constraints specific to the firm and to the situation.“[18]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Der Performance-Tree

(In Anlehnung an Lebas, M. J. (1995), S. 28)

Lebas betont, dass die Performance nicht nur auf der am höchsten aggregierten Stufe des Baums, dem Gewinn, definiert ist, sondern ebenfalls auf allen anderen Stufen. Die Grundlagen des Erfolgs bilden die Wurzeln, wie z. B. die Qualifikation und die Ausbildung der Mitarbeiter (potenzialorientierte Performance-Sicht[19] ). Als Nährboden versorgen sie den effektiven und effizienten Produktionsprozess im Baumstamm (prozessorientierte Performance-Sicht), der die Voraussetzungen für die Früchte im Baumwipfel, den finanziellen und nicht-monetären Hauptprozessergebnissen der Arbeit, schafft (ergebnisorientierte Performance-Sicht). Der Gewinn resultiert nach Lebas aus der Differenz zwischen dem Absatz, der eine Folge aus den Früchten ist, und den Kosten. Die Kosten fallen während der Prozesstätigkeit an und sind in der Abbildung als Schatten des Baumes dargestellt.[20]

Die Überleitung vom erweiterten Leistungs- zum Performance-Verständnis gibt einen Überblick über die Multidimensionalität der qualitativen und quantitativen Bestimmungsgrößen sowie über die Komplexität des Performance-Begriffs. Analog zu Vorgehensweise anderer Autoren, wird aus Vereinfachungsgründen die Performance mit der Leistung gleichgesetzt.[21] Sowohl im Performance Measurement als auch im übergeordneten Steuerungskontext des Performance Management nimmt der Begriff eine zentrale Rolle ein, in der die Performance zu planen, zu messen und zu steuern ist.

2.2 Performance-Messung im Performance Management

Nach der Herleitung eines Performance-Verständnisses muss dessen Einbettung in einen unternehmensweiten und kohärenten Steuerungsrahmen erfolgen, der die Performance misst und „managt“.[22] In diesem Kapitel wird das Performance Measurement erläutert, welches im Anschluss in das übergeordnete Performance Management zu integrieren ist. Performance Measurement und Performance Management grenzen sich zwar in ihren betrieblichen Ausführungen ab, hängen aber auch gegenseitig voneinander ab.

Lebas identifiziert vier Kategorien, warum die Leistungsmessung in einem Unternehmen erforderlich ist:[23]

1. Die zentrale Aufgabe des Managements ist die Unternehmensführung. Die Manager benötigen Daten über die jüngste Entwicklung und den Status quo der gesamten Organisation, den Prozessen und den Mitarbeitern. Als Entscheidungsgrundlage möchten sie ferner Informationen über zukünftige inner- und außerbetriebliche Entwicklungspotenziale (Verbesserungsbedarf im Produktionsprozess, neue Absatzmärkte) erhalten.
2. Das Management kann mithilfe von Messgrößen Unternehmensstrategien und
-ziele operationalisieren und den Grad der Zielerreichung in Wahrscheinlichkeiten angeben.
3. Vergleiche zwischen den Messergebnissen und den Zielwerten liefern Abweichungsinformationen.[24] Maßnahmen zur Beseitigung der Störung sind anschließend zu realisieren, um die Wahrscheinlichkeit der Zielerreichung zu erhöhen (Feedback-Orientierung).
4. Die Abweichungsanalyse lässt auch eine Vorkopplung auf die Unternehmensplanung zu, die die Ziele und Strategien ggf. neu anzupassen hat, um die Störung bereits im Vorfeld zu kompensieren (Feedforward-Orientierung).

Als Vorläufer und damit Auslöser der Entwicklung von Performance Measurement-Ansätzen gelten die traditionellen Kennzahlensysteme[25], die aufgrund ihrer Defizite in der Leistungsbeurteilung nicht mehr zweckmäßig im dynamischen Markt- und Wettbewerbsumfeld anzuwenden sind.[26] Kritikpunkte sind vor allem die zu starke finanzielle Ausrichtung der verschiedenen Messgrößen, die den Sachzielbezug zu qualitativen Zielen (Kundenzufriedenheit, marktbedingte Qualitätsmindeststandards) sowie die Investitionen in die langfristige Wertschöpfung vernachlässigen.[27] Für das Management sind die aggregierten Finanzgrößen wenig aussagekräftig, da sie nur vergangene Ereignisse widerspiegeln und keine Informationen über die Ursachen der Leistungsentstehung, bedingt durch ihre definitionslogischen Beziehungen[28] und mathematischen Umformungen, liefern.[29]

Als Konsequenz aus den genannten Defiziten finanzieller Faktoren und der stärkeren Fokussierung auf erfolgskritischere Bestimmungsfaktoren der Performance, wie qualitative und insbesondere intellektuelle Aspekte, ist das Performance Measurement in mehreren Entwicklungsschritten entstanden.[30] Ziel des Ansatzes ist es, das Management bei der Strategieumsetzung und somit bei der Kontrolle der Organisation zu unterstützen. Dies erfolgt mithilfe der Abbildung von nicht-monetären Größen, zusätzlich zu den finanziellen Ergebnisgrößen.[31] Gleich versteht unter dem Performance Measurement „[den] Aufbau und Einsatz meist mehrerer Kennzahlen verschiedener Dimensionen (z. B. Kosten, Zeit, Qualität, Innovationsfähigkeit, Kundenzufriedenheit) …, die zur Beurteilung der Effektivität und Effizienz der Leistung und Leistungspotentiale … [auf den] Leistungsebenen … herangezogen werden.“[32]

Quantifizierbare Messgrößen lassen sich in Kennzahlen und Indikatoren unterscheiden, die sich aufgrund ihres Messansatzes und ihres Informationsgehalts voneinander abgrenzen. Häufig werden sie jedoch zusammengefasst und unter den Begriffen KPIs[33] oder kritische Erfolgsfaktoren[34] verwendet.[35] Indikatoren (lat. indicare = anzeigen) sind Ersatzgrößen, deren Ausprägung einen Schluss auf die Ausprägung einer anderen relevanten Größe erlauben, welche selbst nicht oder nur schwer beobachtbar ist. Beispielhaft würde das Management von den Produktanfragen auf den Umsatz oder die Kundenzufriedenheit schließen.[36] Kennzahlen sind in verdichteter Form informativer, denn sie können direkt Auskunft über den gemessenen betrieblichen Sachverhalt geben.[37] Werden mehrere Kennzahlen zu einem System zusammengefügt und untereinander in Beziehung gesetzt, entsteht ein Performance Measurement System.[38] Dem weiteren Vorgehen dieser Arbeit wird das Performance Measurement System als ein unterstützendes Kennzahlensystem verstanden, das die Leistung mithilfe von formalen Messkonzepten misst.

Für die effektive Zielerreichung ist es nicht hinreichend, die Performance ex-post zu messen. Vielmehr muss die Organisation den Prozess des Performance Measurements in einen kohärenten und unternehmensweiten Steuerungsrahmen, dem Performance Management, integrieren, das „in Abstimmung mit den übergeordneten Unternehmenszielen die Performance .. [der] Mitarbeiter plan[t], lenk[t] und verbesser[t]“.[39]

Die Abbildung 2 verdeutlicht grafisch, dass das Performance Measurement ein wesentlicher Bestandteil des Performance Managements ist. Das Management bewirkt über eine präzise Strategieformulierung eine Konzentration auf die für sie relevanten Sachverhalte, die kritisch für den Unternehmenserfolg sind. Anschließend werden auf ihrer Grundlage im Performance Measurement die Kennzahlen und Indikatoren aus den Messobjekten (Rahmenbedingungen, Prozesse, Hauptprozessergebnisse, operatives Ergebnis) abgeleitet. Exemplarisch sind aus den Rahmenbedingungen die Mitarbeiterzufriedenheit, aus den Prozessen die Durchlaufzeit der Produkte und der Anteil der termingerechten Lieferungen, aus den Hauptprozessergebnissen die Kundenzufriedenheit, Reklamation und Preis sowie aus dem operativen Ergebnis der Economic Value-Added (EVA) und Earnings Before Interest and Tax (EBIT)[40] abzuleiten. Im Performance Management erfolgt der steuernde Eingriff zur Umstrukturierung, der allerdings die vorherige Identifikation einer Performance-Abweichung im Performance Measurement voraussetzt. Diese Wechselwirkung ist durch den rekursiven Pfeil dargestellt.[41]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Abgrenzung Performance Measurement vom Performance Management

(In Anlehnung an Lebas, M. J. (1995), S. 34 und Hoffmann, O. (2002), S. 28)

Im Gegensatz zu den traditionellen Kennzahlensystemen versuchen Performance-Measurement Systeme auch nicht-monetäre Messgrößen für eine optimale Leistungsmessung einzubeziehen. Eine Voraussetzung für die Entwicklung dieser Messsysteme im Performance Management sind genaue Kenntnisse über die Erfolgsfaktoren und deren Ursache-Wirkungszusammenhänge.[42]

[...]


[1] Siehe z. B. die Arbeiten von Klingebiel, N. (2001) und Gleich, R. (2001).

[2] Siehe z. B. die Dissertation von Hoffmann, O. (2002).

[3] Vgl. Voit, T. (2010), S. 10-12.

[4] Vgl. Hilgers, D. (2008), S. 9-13.

[5] Siehe zur Definition der Effizienz in Küpper, H.-U. (2008), S. 21-22.

[6] Vgl. Hilgers, D. (2008), S. 24-26; Becker, F. G. (1994), S. 46-48; Krause, O. (2006), S. 17.

[7] Die pagatorische (lat. pagare = bezahlen) Leistung bezeichnet nur jene, die zu Einnahmen durch den Verkauf von erstellten Gütern auf dem Absatzmarkt führen. Bei der wertorientierten Leistungsbewertung werden die Kosten, die auf dem Beschaffungsmarkt durch den Kauf von Gütern anfallen, herangezogen. Vgl. dazu Hilgers, D. (2008), S. 21-22.

[8] Vgl. Hilgers, D. (2008), S. 23-24; Becker, F. G. (1994), S. 58-67.

[9] Vgl. Krause, O. (2006), S. 18.

[10] Formalziele sind Erfolgs- und Liquiditätsziele (z. B. Gewinn und Kapital, das Budget ist ein formalzielorientierter Plan), hingegen beziehen sich Sachziele auf Objekte und Aktivitäten im Unternehmensprozess (z. B. Produktziele). Siehe hierzu in Horváth, P. (2011), S. 124, 202.

[11] Shareholder (engl. share = Anteil) sind die Eigenkapitalgeber des Unternehmens.

[12] Vgl. Hilgers, D. (2008), S. 26-30; Horváth, P. (2011), S. 124.

[13] Vgl. Krause, O. (2006), S. 20.

[14] Vgl. Gleich, R. (2001), S. 39.

[15] Vgl. Hilgers, D. (2008), S. 33-34.

[16] Vgl. Krause, O. (2006), S. 31-32; Die Frage, ob eine Stakeholder-Nutzen-Orientierung in der Praxis sinnvoll ist, wird beantwortet in Krause, O. (2006), S. 35-36.

[17] Vgl. Lebas, M. J. (1995), S. 26, Tabelle 2.

[18] Lebas, M. J. (1995), S. 29.

[19] Pleier unterscheidet drei Dimensionen (Potenzial, Prozess, Ergebnis) des Performance-Begriffs. Vgl. Pleier, N. (2008), S. 11-12.

[20] Vgl. Lebas, M. J. (1995), S. 27-29.

[21] Vgl. Krause, O. (2006), S. 20.

[22] Vgl. Hilgers, D. (2008), S. 35.

[23] Vgl. Lebas, M. J. (1995), S. 24, 27; Hoffmann, O. (2002), S. 9-10.

[24] Siehe zu den unterschiedlichen Abweichungsarten z. B. in Ossadnik, W. (2009), S. 136 oder Küpper,H.-U. (2008), S. 223.

[25] Ein definitionslogisches Kennzahlensystem ist z. B. das DuPont-System of Financial Control. Siehe dazu in Horváth, P. (2011), S. 502-503 und Ossadnik, W. (2009), S. 263-264.

[26] Vgl. Gleich, R. (2001), S. 7; Gleich nennt acht hypothetische Gründe für das Scheitern traditioneller Steuerungsgrößen. Siehe in Gleich, R. (2001), S. 8-9.

[27] Vgl. Horváth, P. (2011), S. 512; Kaplan, R. S./Norton, D. P. (1997), S. 21.

[28] Definitionslogische Beziehungen sind beispielhaft: Gewinn = Umsatz – Kosten, Vermögen = Anlagevermögen + Umlaufvermögen. Siehe dazu in Gladen, W. (2001), S. 96.

[29] Vgl. Kaplan, R. S./Norton, D. P. (1997), S. 8; Ossadnik, W. (2009), S. 265.

[30] Siehe zu den Entwicklungsschritten des Performance Measurement in Klingebiel, N. (2000), S. 44-49.

[31] Vgl. Horváth, P. (2011), S. 554.

[32] Gleich, R. (2001), S. 11-12.

[33] Definition KPI: „Als Key Performance Indicators (KPI) können Messgrössen einer Organisation, einer Organisationseinheit bzw. eines Prozesses bezeichnet werden, die Faktoren abbilden, welche für den gegenwärtigen oder zukünftigen Erfolg der Organisation von entscheidender Bedeutung sind.“ Zitiert nach Hoffmann, O. (2002), S. 103.

[34] Vgl. Hoffmann, O. (2002), S. 100.

[35] Vgl. Hilgers, D. (2008), S. 36, 38.

[36] Vgl. Küpper, H.-U. (2008), S. 394; Gladen, W. (2011), S. 15.

[37] Vgl. Küpper, H.-U. (2008), S. 389; Gladen, W. (2011), S. 11.

[38] Vgl. Gleich, R. (2001), S. 13.

[39] Hoffmann, O. (2002), S. 29, zitiert nach: Fay, C. (1990), S. 346.

[40] Der EVA ist eine spezifische Wertbeitragskennzahl auf Gewinnbasis. Der EBIT ist das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit vor Fremdkapitalzinsen. Siehe zu den Begriffserklärungen in Küpper, H.-U. (2008), S. 280.

[41] Vgl. Lebas, M. J. (1995), S. 34-35 und S. 34, Abbildung 9; „Performance management is a philosophy which is supported by performance measurement“. Zitiert nach Lebas, M. J. (1995), S. 34.

[42] Siehe dazu in Hoffmann, O. (2002), S. 29-32.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2012
ISBN (PDF)
9783958208070
ISBN (Paperback)
9783958203075
Dateigröße
1.4 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Osnabrück
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,7
Schlagworte
Rechnungswesen Performance Management System Balanced Scorecard Controlling Kausalhypothese

Autor

Daniel Klemann, B. Sc., wurde 1988 in Ostercappeln (Niedersachsen) geboren. Sein Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Osnabrück schloss der Autor im Jahre 2012 mit dem akademischen Grad des Bachelor of Science überdurchschnittlich erfolgreich ab. Vor und während des Studiums sammelte der Autor umfassende praktische Erfahrungen in der Automobilbranche und in zwei Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Sein Interesse an den Fachgebieten Controlling und Rechnungswesen motivierte den Autor, sich mit der Thematik des vorliegenden Buches zu beschäftigen.
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