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Hybride Identität im Roman „La otra mano de Lepanto“ von Carmen Boullosa

Figurencharakterisierung der Protagonistin María la Bailaora

©2011 Bachelorarbeit 53 Seiten

Zusammenfassung

Die vorliegende Abschlussarbeit im Rahmen des Bachelorstudiums "Kultur und Wirtschaft: Romanistik" widmet sich der Figurencharakterisierung von María la bailaora, Protagonistin des Romans "La otra mano de Lepanto", den die mexikanische Autorin Carmen Boullosa 2005 veröffentlichte. Die Arbeit untersucht die These, dass María als hybride Identität einen Lösungsansatz für die Probleme von multikulturellen Gesellschaften abbildet und zeigt auf, wie ihre Figur als Parallele zum hybriden, maurisch-christlich geprägten Spanien des 16. Jahrhunderts verstanden werden kann. Als Zigeunerin befindet sie sich im Konflikt zwischen Anziehung und Abstoßung, denn sie ist zugleich ein Symbol der Exotik und ein Symbol der Bedrohung für und in der Gesellschaft. Die Arbeit analysiert ihre primären Rollen als Zigeunerin, Tänzerin, Geliebte und Heldin, um ihre unterschiedlichen Haltungen gegenüber einer bipolaren Welt aufzuzeigen. Vor diesem Hintergrund elaboriert die Arbeit die Entwicklung des Reinheitsideals zu einem Ideale der Unreinheit. Ihre hybride Identität ist einerseits eine Lösung, mit Konflikten umzugehen, stößt andererseits aber auf Limitationen, da sie abhängig von einem weniger fortschrittlich denkenden Umfeld ist.

Este trabajo final persigue el objetivo de demostrar la tesis que María la bailaora, protagonista de la novela "La otra mano de Lepanto" de Carmen Boullosa de 2005, resulta ser una identidad híbrida que ofrece una solución para los conflictos de sociedades multiculturales. Como gitana ella se encuentra en una situación de conflicto entre atracción y rechazo, es símbolo exótico y al mismo tiempo de amenaza. La protagonista refleja, como representante de las minoridades de la España del siglo XVI, el tratamiento de opiniones, religiones y culturas diferentes del Estado cristiano. Por lo tanto, su personaje puede considerarse como una imagen de la hibridez de España. En este trabajo María está analizada primero en sus papeles principales como gitana, bailadora, amante y heroína para elaborar sus reacciones frente a un mundo bipolar. A continuación el modelo híbrido está contrastado con las ideologías de puridad. En conclusión, por una parte su personaje representa una posible manera de responder a conflictos, pero por otra parte su desarrollo individual está limitado ya que permanece dependiente de un entorno menos progresista.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


sucht die These, dass María als hybride Identität einen Lösungsansatz für die Prob-
lematiken von multikulturellen Gesellschaften abbildet. Indem sie inhaltliche Prob-
leme und Konflikte meidet, scheint sie dem christlich-islamischen Dilemma auszu-
weichen und fühlt sich weder der einen noch der anderen Weltanschauung zugehö-
rig. Sie entfernt sich von einer dualistischen Sicht hin zu einer pluralistischen Be-
trachtungsweise.
Das Kapitel ,,Pluralität als ethischer und politischer Wert" untersucht, wie sich das
Ideal der Reinheit zum Ideal der Unreinheit entwickelt hat. Mit Bezug auf Homi K.
Bhabha, Stuart Hall und Wolfgang Welsch sollen postkoloniale und postmoderne
Diskurse das Ideal der Hybridität in seinen theoretischen aktuellen Kontext einord-
nen. Während Befürworter Hybridität als Bedingung aller zukunftsfähigen Gesell-
schaften formulieren, betonen Kritiker die wenig differenzierte und geringe inhaltli-
che Auseinandersetzung mit den Konsequenzen einer solchen Forderung. Unter
Rückbezug auf die Romanfigur wird das hybride Ideal kritisch betrachtet und seine
Limitierung aufgezeigt.
Abschließend wird in einem Ausblick gezeigt, wie sich genannte Ideale im heutigen
Spanien wiederfinden und welchen Umgang Spanien heute mit ethnischen und reli-
giösen Minderheiten pflegt. Beispielhaft drückt eine Studie unter Jugendlichen in der
heutigen Einwandererstadt Granada die Perspektive der spanischen Staatsbürger
auf die Einwanderproblematik und das heutige Zusammenleben der Kulturen aus.
2 E
INE VON
F
ASZINATION UND
B
EDROHUNG GEPRÄGTE
CONVIVENCIA
Im Folgenden soll die problematische convivencia der Kulturen, die das Spanien
des 16. Jahrhunderts wesentlich prägte, näher geschildert werden, um im Laufe der
anschließenden Analyse der Protagonistin auf die historischen Parallelen zu ver-
weisen. Das 16. Jahrhundert markiert ein Zeitalter, das nicht nur Spanien, sondern
auch den Rest Europas durch seine Kreativität, seine Lebendigkeit und die wach-
senden Religionskonflikte geprägt hat. Mit dem Sieg der Christen 1492 in Granada,
der letzten Festung des Islams auf der iberischen Halbinsel, breitete sich das Chris-
tentum in den vormals muslimisch regierten Teilen des Landes aus. Besonders in
der Stadt Granada galt es der siebenhundert Jahre langen Al-Andalus-Herrschaft
1
einen christlichen Anstrich zu verpassen. So wurden christliche Monumente wie
Kirchen und Kloster gebaut, um eine christliche Alltagskultur zu schaffen (vgl. Co-
1
Arabischer Name des von 711 bis 1492 islamisch beherrschten Teils der iberischen Halb-
insel.
2

leman 2003: 91f). 1502 wurde die zuvor zugesagte Religionsfreiheit abgeschafft und
die Muslime wurden gezwungen zu emigrieren oder zum Christentum zu konvertie-
ren. Alle Muslime, die zum christlichen Glauben übergetreten waren, nannte man
fortan Moriscos (vgl. Bernecker 2001: 15). Trotz der strengen religiösen Unterdrü-
ckung kam es aber nicht zu einer vollständigen Vernichtung der maurischen Kultur
und Kunst, sondern der italienische Renaissancestil und die arabische Architektur
und Mode mischten sich und formten einen einzigartigen und neuen lokalen Stil
(vgl. Perry 2005: 25).
Ein Beispiel für die Einverleibung muslimischen Eigentums war die Entscheidung,
das Minarett der Moschee als Glockenturm in die Architektur der Kathedrale von
Sevilla einzugliedern. Anstatt es als Symbol der verhassten anderen Religion ganz
niederzureißen, wurde ihm eine Renaissance-Turmspitze aufgesetzt und ein neuer
Name verliehen, die Giralda (vgl. Perry 2005: 23 und 33). Ein weiteres architektoni-
sches Beispiel für die Vermischung von verschiedenen Baustilen im späten 15. und
16. Jahrhundert, lange nachdem die Stadt Sevilla wieder unter christlicher Herr-
schaft stand, ist der Stadtpalast Casa de Pilatos in Sevilla. Die handwerkliche Kunst
der Mudéjares
2
zeigt sich in den Stuckelementen mit integrierten arabischen In-
schriften und den Azulejos
3
, die Wände und Böden verzieren. Der Patio beeindruckt
durch die geschwungenen orientalischen Bögen, gestützt von italienischen Marmor-
säulen und der Anzahl an griechischen und römischen Statuen, die unter anderem
auch den zentralen Springbrunnen im Renaissancestil zieren. Das Beispiel verdeut-
licht, wie die Kombination von fremden und lokalen Elementen einen eigenen Stil
schuf, der den Luxus und die gesellschaftliche Stellung der Bewohner unterstrich.
Den maurischen Handwerkern kam eine wesentliche Rolle zu, da sie durch ihre
Kunst ,,the contradictory layers of the past" miteinander versöhnten und dadurch
,,the city's distinctive synthetic style" (Wunder 2003: 212) schufen. Die Verwendung
von maurischen Elementen war hier keine Frage von Notwendigkeit, sondern eine
Frage des Geschmacks (vgl. Fuchs 2009: 54 und Wunder 2003: 198f). Die gleichen
Elemente finden sich auch in den Palästen der königlichen Familie von Felipe II.
und zahlreichen anderen prominenten Gebäuden der Stadt. Die Christen schätzten
die Künste der Moriscos, die ihre Häuser zu exotischen Orten machten. Dabei trat
der Inhalt hinter der Form zurück. So arbeiteten Moriscos arabische Koranverse in
2
Der Begriff Mudéjar stammt vom arabischen mudayyan und bezeichnet all jene Personen
maurischen Ursprungs, die nach der Reconquista in Spanien legal zurückblieben (vgl.
Fuchs 2009: 52). Er wird meistens in Zusammenhang mit der Kunst der Verzierung und
bestimmter handwerklicher Techniken verwendet.
3
Bunte Keramikfliesen, die zusammengesetzt ein graphisches Mosaikmuster ergeben.
3

die Holzbalken ein, die erst Jahre später entdeckt wurden (vgl. Wunder 2003: 209
und Perry 2005: 25f).
In Sevilla entstanden im 16. Jahrhundert zahlreiche neue Bauwerke im Renais-
sancestil, dennoch blieb die städtische Architektur im Wesentlichen muslimisch und
wurde mit großem Aufwand in Stand gehalten (vgl. Wunder 2003: 208). Dabei hal-
fen Morisco-Männer bei der schweren Bauarbeit, während ihre Frauen mit den
kunstvollen Ornamenten und Verzierungen beauftragt wurden (vgl. Perry 2005: 23).
Eine prominente Figur war Diego López de Arenas, Baumeister in Sevilla, der es
sich zur Aufgabe gemacht hatte, das Wissen der Mudéjar-Baukunst in einem Lehr-
buch festzuhalten. Das gesammelte Wissen sollte den Fortbestand dieser Kunst
sichern und für zukünftige Generationen zugänglich machen. Für ihn waren die al-
ten Gebäude ,,the best teachers of traditional `science and skill'" (Wunder 2003:
210). Es ging ihm nicht nur darum, die Architektur vor der Vergessenheit zu schüt-
zen, vielmehr verteidigte er mit seiner Sammlung eine ganze Lebensweise (vgl.
Wunder 2003: 210f).
Das handwerkliche und künstlerische Geschick der Moriscos fällt nicht nur in der
Architektur auf, sondern beeinflusste auch die Mode entscheidend. Dem heutigen
Verständnis nach besitzt Mode einen schnellen, wechselseitigen Charakter und die
Wahl der Kleidung ist stark subjektiv. Der Träger entscheidet sich bewusst für einen
Stil, tauscht diesen aber beliebig schnell auch wieder aus. Fuchs definiert Mode
daher nach Pierre Bourdieu und Marcy Norton als ,,`autonomous and contingent',
made up of `embodied habits and aesthetic dispositions' that transcend a particular
moment and do not align themselves easily with ideological shifts" (Norton 2006:
670, 691, zit. n. Fuchs 2009: 67)
4
. Um den historischen und politischen Rahmen,
der den Kleidungsstil beeinflusst, zu berücksichtigen, führt sie daher den Begriff
,,Moorish sartorial habitus" ein. Sie verweist somit auf die kulturelle Abhängigkeit
und Verwurzelung der Kleidung, im Unterschied zum flüchtigen Modebegriff: ,,What-
ever changes in dress fashion might entail, they occur against the backdrop of a
sustained and profound cultural hybridization" (Fuchs 2009: 67).
Moriscas entwarfen kostbare Gewänder aus gesponnener Seide und knüpften Tep-
piche, mit denen der spanische Adel sich schmückte (vgl. Perry 2005: 25). Mauri-
sche Muster und Stoffe, aufwendig bestickt, waren sehr beliebt. Das Tragen mauri-
scher Kleidung war für Christen kein Ausdruck von islamischen Werten, sondern
galt als besonders elegant und vornehm, es entsprach dem ,,gold standard of luxu-
4
Norton, Marcy (2006): ,,Tasting Empire: Chocolate and the European Internalization of
Mesoamerican Aesthetics". In: American Historical Review III. 3, S. 660-691.
4

ry" (Fuchs 2009: 13). Als maurische Gewänder von hochrangigen Persönlichkeiten
zu besonderen Anlässen getragen wurden, ,,Morisco clothing ceased to be `Islamic'
and became `royal'" (Feliciano Chaves (2004): 161, zit. n. Fuchs 2009: 70)
5
. Beson-
ders Enrique IV. von Kastilien (1425-1474) galt als maurophiler König: Seine Klei-
dung, sein Essen und seine Tischmanieren erinnerten mehr an maurische Vorbilder,
denn an christliche (vgl. Fuchs 2009: 18). Viele maurische Kleidungsstücke wie die
chapines, eine Art Plateauschuh, die borceguies, Schnürstiefel, und die tocas de
camino, eine Turban ähnliche Kopfbedeckung fanden großen Anklang unter Chris-
ten. Besonders die toca wurde mit der Zeit in der breiten Landbevölkerung getragen
und mehr als lokale Tracht, denn als exotisches Accessoire verstanden (vgl. Fuchs
2009: 62ff). Als sich im 16. Jahrhundert mehr und mehr Christen von ihrem isla-
misch geprägten Umfeld distanzierten und ihr Versprechen brachen, Kultur und Re-
ligion der Mauren zu achten, griffen sie vor allem deren Kleidung an. Paradox er-
scheint, dass die Verbote typischer maurischer Kleidungsstücke spanische Nobel-
männer wie Moriscos gleichermaßen betrafen; ein Zeichen für die Vermischung der
Kulturen. Das Tragen von chapines oder tocas wurde allerdings nicht angegriffen,
so sehr hatte man sich schon an die Alltäglichkeit dieser Stücke gewöhnt (vgl.
Fuchs 2009: 70f).
Der Begriff Maurophilia, der die beschriebene fetischistische und erotische Anzie-
hungskraft der maurischen Kultur beschreibt, impliziert eine bewusste Auseinander-
setzung mit der Übernahme maurischer Traditionen in den christlich geprägten All-
tag. Er geht von einer reflektierten Trennung maurischer und christlicher Lebensstile
aus, auf die die bewusste Entscheidung für die Variante à la Morisca folgte (vgl.
Fuchs 2009: 7). Die Fortführung der handwerklichen Traditionen der Mauren war
jedoch keine Geste, um ihrer zu gedenken, sondern repräsentierte vielmehr den
lokalen Charakter der Städte Andalusiens. Elemente, die aus heutiger Sicht klare
arabische Ursprünge besitzen, wurden wie selbstverständlich als lokale Besonder-
heiten wahrgenommen und leisteten einen entscheidenden Beitrag zum individuel-
len Charakter der spanischen Architektur (vgl. Fuchs 2009: 51ff). Die scharfe Tren-
nung zwischen islamischer und christlicher Welt verschwamm im alltäglichen Um-
gang mit Gebrauchsgegenständen; ein Zeichen für ,,the undeniable hybridity of early
modern Spanish culture" (Fuchs 2009: 15).
5
Feliciano Chaves, María Judith (2004): ,,Mudejarismo in Ist Colonial Context: Iberian Cul-
turual Display, Viceregal Luxury Consumption, and the Negotiation of Identities in Sixte-
enth-Century new Spain". Ph.D. Dissertation, University of Pennsylvania.
5

Während aus Sicht der Spanier der Gebrauch maurischer Güter mehr einen alltägli-
chen denn exotischen Charakter hatte, blickte der Rest Europas befremdet auf
Spanien. Es verstärkte sich der Eindruck eines Landes, das eher Vorderafrika zu-
zuordnen wäre und sich zum ,,racial [and religious] other of Europe" (Fuchs 2009:
6ff) kontrastierte. Ende des 16. Jahrhunderts nutzten Italien, Frankreich, England
und die Niederlande diese islamischen Zeugnisse gegen die Spanier für ihre anti-
spanische Propaganda. Der gezielte ideologische Angriff, der Spanien als uneuro-
päisch stigmatisieren sollte, wird als Leyenda Negra bezeichnet. Demnach wurde
Spanien konstant mit dem Islam, Afrika und dunkelhäutigen Menschen assoziiert,
um seine Andersartigkeit zu betonen. Der ideologische Kampf sollte Spaniens kolo-
niale Vorherrschaft schwächen und trug dazu bei, dass sich zum Beispiel Englands
Identität schärfte. Im Gegensatz zum orientalischen Spanien präsentierte England
sich als besonders ,rein` und ,europäisch` (vgl. Fuchs 2009: 4, 12 und 116ff).
Im gleiche Maße, wie die Andersartigkeit Spaniens die anderen Europäer bedrohte
und verunsicherte, umgab sie auch eine große Faszination, die das Bedürfnis nach
einem exotischen Gegenüber stillte (vgl. Charnon-Deutsch 2004: 15). Reisende
bewunderten in ihren Berichten die islamischen Einflüsse in den häuslichen Bräu-
chen, der Kleidung und in der Architektur. Besonders der Brauch der Frauen auf
dem Boden zu sitzen erstaunte sie (vgl. Fuchs 2009: 6f). Die Rolle der europäi-
schen Staaten in der Marginalisierung Spaniens zeigt ,,the constructedness of
Spain's exoticism" (Fuchs 2009: 9).
Die Außensicht auf Spanien hatte starke Auswirkungen auf die Entwicklung der ei-
genen Identität Spaniens. Innenpolitisch ergriffen die Spanier die gleichen Maß-
nahmen gegen die ethnischen Minderheiten, die außenpolitisch gegen sie verhängt
wurden. Moriscos waren trotz ihrer Konvertierung zum Christentum keine gleichbe-
rechtigten Mitglieder der Gesellschaft. Unter Felipe II. verschärfte sich die Unterdrü-
ckung der muslimischen Bevölkerung. Durch weitere Zwangskonvertierungen, das
Verbot der arabischen Sprache und engere Kleidungsvorschriften für Moriscos
nahm der Druck auf die ehemaligen rechtmäßigen Bewohner des Landes zu. 1566
wurden Zigeuner des Landes verwiesen oder zum Sklavendienst verdammt. 1570
scheiterte der Aufstand der Moriscos in den Alpujarras, die letzte Hoffnung ihr Hab
und Gut zu verteidigen (vgl. Beeching 1983: 146f). Die Auseinandersetzungen mit
den eigenen Ursprüngen, die 1609 ihren Höhepunkt in der endgültigen Vertreibung
aller Moriscos fanden (vgl. Bernecker 2001: 16), zeigen, ,,how tied Spain's hybridity
was to its defamation by other Europeans" (Fuchs 2009: 127). Anstatt den Reichtum
der convivencia selbstbewusst zu vertreten und den Beitrag, den die Moriscos zum
6

kulturellen, künstlerischen und wirtschaftlichen Leben beitrugen, zu würdigen, beug-
te man sich der allgemeinen europäischen Meinung und passte sich an.
3 M
ARÍA LA BAILAORA
­
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INE WANDELBARE
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IGUR
Im Folgenden soll die Figur der María anhand vier herausragender Rollen (Zigeune-
rin, Tänzerin, Geliebte und Heldin) näher untersucht werden. Entschlossen sagt
María von sich selbst: ,,Yo siempre me llamo igual" (Boullosa 2005: 191)
6
und prä-
sentiert sich damit als fixe Identität. Doch ihre Handlungen sind oft inkonsequent, so
verspricht sie Loyalität und folgt dann doch ihren eigenen Interessen bis hin zum
Verrat ihrer Freunde. Es soll gezeigt werden, wie sie sich weg vom ,,modelo de vir-
tud y belleza" (Rangel 2010: 118) hin zum ,,héroe en Lepanto" (CB: 392) entwickelt
und wie dies die Suche nach ihrer Identität beeinflusst.
Carmen Boullosas Protagonistin María la bailaora gleicht in vielen Punkten Precio-
sa, der Hauptfigur aus Cervantes Novelle La Gitanilla. Die Autorin nimmt die literari-
sche Figur, stellt sie in einen breiteren historischen Zusammenhang der Konflikte im
Spanien des 16. Jahrhunderts und entwickelt sie dementsprechend weiter. Boullosa
sagt selbst über die Wahl ihrer Figur, dass es ihr darum ging, eine literarische Figur
mit einem eigenen Willen zu schaffen, die ihren Impulsen folgt und einen eigenstän-
digen Charakter entwickelt (vgl. Varela 2005). Die Vielzahl an intertextuellen Bezü-
gen zu Cervantes Novelas Ejemplares, die Boullosa in ihrem Roman verarbeitet,
werden jedoch im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter verfolgt.
Fragen der Ethnizität, der kulturellen Zugehörigkeit und der Identität werden im Lau-
fe von Marías Reise aufgeworfen. Die Haltungen, denen María begegnet und mit
denen sie sich auseinandersetzen muss, sind widersprüchlich. Einerseits wird ihr
Bewunderung und Huldigung entgegengebracht, andererseits wird sie aufgrund
ihrer Abstammung diskriminiert und ausgeschlossen. Anhand ausgewählter Text-
passagen soll daher Marías Verhältnis zu ihrer Umgebung in Bezug zur Minderhei-
tenpolitik Spaniens gesetzt werden.
3.1 María ­ Die Zigeunerin
Boullosa wählt eine Hauptfigur, die dem soziokulturellen Milieu der Zigeuner ent-
stammt, einem Volk, das ähnlich wie die Juden im Laufe der Geschichte fortwäh-
renden Diskriminierungen unterworfen ist. Wie auch die jüngsten Ausweisungsver-
6
Im Folgenden sind die Zitatangaben, die sich auf den Roman La otra mano de Lepanto
beziehen, in verkürzter Form dargestellt: (CB: 191).
7

suche der Roma in Frankreich 2010 zeigen, hat das Thema nichts von seiner Aktua-
lität eingebüßt. Im Unterschied zu den Juden besitzen sie jedoch kein gemeinsames
Ursprungsland oder berufen sich auf territoriales Eigentum. Ihre Ursprünge sind
ungeklärt und umstritten, den ,Zigeunerstaat` gibt es nicht. Herkunftsmythen sehen
ihre Ursprünge in Indien, andere nennen Ägypten als Herkunftsland. Zerstreuung
und ein Verlust des Heimatlandes wurden im christlichen Verständnis als Fluch
ausgelegt, der sich durch die Generationen fortsetzte. In der christlichen Argumen-
tation des 16. Jahrhunderts sind Zigeuner Nachkommen der Ägypter, die zur Strafe
der Unterdrückung des Volkes Israel zu einem heimatlosen Wanderleben verdammt
wurden (vgl. Charnon-Deutsch 2004: 4ff). Im Falle Marías wird der ägyptische Be-
zug im inoffiziellen Titels ihres Vaters aufgegriffen: ,,[E]l duque del pequeño Egipto"
(CB: 37).
Fragen der Identität und des Ursprungs spielen eine wichtige Rolle in der Definition
von europäischen Staaten. Eine belegbare Genealogie, die sich möglichst weit zu-
rückzuverfolgen lässt, gilt in europäischen Gesellschaften als zwingendes Legitimi-
tätskriterium, um einen ebenbürtigen Platz in einer bestimmen Nation einnehmen zu
dürfen. Der Mangel an einer Genealogie und das offensichtliche Desinteresse da-
ran, diesen zu beheben oder sich einer Gesellschaft mit all ihren Assimilationsforde-
rungen dauerhaft anzuschließen, stößt auf Unverständnis und Abwehr, übt jedoch
auch eine gewisse Faszination aus (vgl. Charnon-Deutsch 2004: 4). Das Geheimnis
um die Herkunft der Zigeuner trug umso mehr dazu bei, ihnen einen mythischen
Status zu verleihen. Besonders der Verweis auf ihren ägyptischen Ursprung steiger-
te ihr exotisches Bild (Charnon-Deutsch 2004: 8f).
Eine Konsequenz der widersprüchlichen und ungenauen Überlieferungen über die
Herkunft der Zigeuner ist die Verbreitung von Vorurteilen und die Formulierung von
Stereotypen. Zunächst lässt sich sagen, dass Zigeuner als unehrenhaft, diebisch
und räuberisch galten. Ihr unstetes Leben, das keine festen Wohnsitze kannte und
deshalb auch kein geregeltes Einkommen ermöglichte, ließ sie wenig vertrauens-
würdig erscheinen: ,,Gypsies by nature and occupation were more akin to the delin-
quent than to the normal elements of society" (Charnon-Deutsch 2004: 13). Ihre
unangepasste Lebensweise erweckte das Bild von Vagabunden und Parasiten der
Gesellschaft. Als Wander- und Naturvolk schrieb man ihnen außerdem übernatürli-
che Fähigkeiten zu. Besonders die Zigeunerfrauen, denen magische Eigenschaften
angedichtet wurden, fragte man um Rat. Durch ihre Gesänge, Tänze, Flüche und
Wahrsagerei hatten sie aber auch ein zweifelhaftes Image und nicht selten wurden
sie mit Prostituierten gleichgesetzt (vgl. Charnon-Deutsch 2004: 25). Die Zigeunerin,
Symbol der ,,quintessential exotic, associated with dance, music, money, and even
8

[...] sexual availability and wantonness" (Charnon-Deutsch 2004: 186), bildete den
Gegenentwurf zum moralischen, fleißigen und bürgerlichen Bild der spanischen
Frau. In wie weit María sich mit diesen Vorurteilen konfrontiert sieht, soll nun aus-
führlicher analysiert werden.
Bereits Marías Kindheit in Granada ist geprägt von traumatischen Erlebnissen auf-
grund ihrer Andersartigkeit. Im Alter von fast dreizehn Jahren wird ihr Vater Opfer
der 1566 neuerlassenen Rassengesetze Granadas. Er wird verstümmelt für sechs
Jahre zum Sklavendienst auf die Galeeren Spaniens geschickt; eine Rückkehr nach
Spanien ist ihm untersagt. Dieses Schicksal galt allen Zigeunern zwischen zwanzig
und fünfzig Jahren, die keine feste Anstellung hatten und deshalb als Herumtreiber
und Taugenichtse galten (vgl. CB: 38 und Charnon-Deutsch 2004: 36).
Eltern gewaltsam von ihren Kindern zu trennen und sie dann im Zuge der Estatutos
7
des Landes zu verweisen war im 16. Jahrhundert eine gängige Praxis. Diese Kinder
wurden nach der Verbannung ihrer Eltern in die Obhut von Altchristen gegeben, wo
sie zur Arbeit gezwungen und in der christlichen Religion unterrichtet wurden (vgl.
Perry 2005: 157). Spaniens Politik, Kinder zu entführen, mit dem Ziel ihre Wurzeln
zu kappen und schon früh mit der eigenen Ideologie zu füttern, war eine alltägliche
Bedrohung der Minderheiten. Ein Gesetzesentwurf aus dem Jahr 1594 forderte die
gewaltsame Trennung von Roma-Frauen und -Männern, um deren Vermehrung zu
unterbinden und Vermischungen unter den Rassen zu fördern (vgl. Charnon-
Deutsch 2004: 36). Ihrer nationalen und kulturellen Herkunft beraubt, sahen diese
Kinder sich in der Entwicklung ihrer Identität mit scharfen Gegensätzen konfrontiert:
,,Belonging both to troubling outsiders and hopeful insiders, these children would
have to develop hybrid identities and cultures" (Perry 2005: 157). Wie drückt sich
dieser ,Clash der Kulturen` in Marías Identität aus?
María wird mit den meisten genannten Vorurteilen im Kloster konfrontiert: ,,`¿Ella es
gitana? Pues advierta que no nos hurte las narices'" (CB: 56). Die Nonnen miss-
trauen ihr und verdächtigen sie, zu stehlen. Dabei entgeht ihnen die Ironie der Si-
tuation, denn schließlich sind sie es, die ,,de facto perpetraron, despojando [...] de
toda pertenencia a la niña" (CB: 56). Anstatt sich ihrer Verantwortung als christlicher
Orden bewusst zu sein und das Kind zu schützen und zu fördern, plündern sie
Marías Hab und Gut und ignorieren sie (vgl. CB: 57). Von christlicher Nächstenliebe
ist nichts zu spüren. María ist den Demütigungen und Lästereien der Nonnen aus-
gesetzt, als ihr Körper sich in der Pubertät verändert: ,,[S]e burlan morbosas del
7
Estatutos de limpieza de sangre: Diskriminierungsgesetze, die sich gegen die Muslime,
Juden und Zigeuner richteten; Versuch, das heimliche Ausüben fremder Religionen zu
unterbinden
9

cuerpo bien dotado de María" (CB: 64). Anstatt sie in ihrem Wert zu bestätigen und
sich ihrer anzunehmen, enthalten sie sich jeglicher Anerkennung und reden ab-
schätzend über sie: ,,`Esta niña no sirve para nada'" (CB: 63). María wird nicht als
Mensch wahrgenommen, sondern auf die Rolle der Zigeunerin reduziert. Ihre An-
wesenheit im Kloster wird von den Christen als Bedrohung ihres Wertesystems ver-
standen, das es zu schützen gilt.
Durch ihre Verzierungskünste übertrifft sie die Talente der Nonnen, die nur einfache
Backwaren zum Verkauf herstellen. Ihr Beitrag wird zwar genutzt, indem das Kloster
finanziellen Profit daraus schlägt, aber ihre Person erhält keine Anerkennung für
ihre Leistungen: ,,[...] nadie en el convento externara sobre sus diseños un sólo co-
mentario (aunque todos supieran que los compradores preferían las rosquillas con
dibujo [...])" (CB: 63). Ihr Stellenwert unter den Nonnen bleibt der einer ,,criada más,
un sobrante algo inútil, algo molesto, sin confesor, sin educación, sin atención nin-
guna" (CB: 56). Als unnütze Zigeunerin hat sie niemals die Chance als Novizin aus-
gebildet zu werden und damit eine legitime und geachtete Rolle auszuüben. Die
christliche Feindseligkeit weist María in ihre Schranken und verbaut ihr jegliche
Entwicklung.
Das Verhalten der Nonnen spiegelt die Haltung der Kirche angesichts des wach-
senden Reichtums der Moriscos wieder. Auf der einen Seite wurde ihr wirtschaftli-
cher Erfolg als Diebstahl am spanischen Volk betrachtet. Auf der anderen Seite wa-
ren viele Städte und Landbesitzer von der Arbeitskraft der Moriscos abhängig und
sprachen sich gegen deren Vertreibung aus (vgl. Perry 2005: 138f). Ebenso steht
die Anerkennung der handwerklichen Fertigkeiten aus Al-Andalus-Zeiten im Gegen-
satz zur feindlichen Auseinandersetzung mit seinen Bewohnern. Nach Ende des
Krieges in den Alpujarras eigneten sich die Christen Häuser und Eigentum der Mo-
riscos an und ihre Besitztümer wurden für wenig Geld veräußert (vgl. Beeching
1983: 155). Ihre Waren waren begehrt, während ihre Besitzer eine Bedrohung dar-
stellten (vgl. Fuchs 2009: 72).
Die Welt der Moriscos empfängt María als gefeiertes exotisches Symbol. Wie ,,una
joya, como a una más de la familia" (CB: 110) wird sie in die Familie adoptiert. Sie
schlüpft in die neuen maurischen Gewänder, lernt die arabische Schrift und den
Kampf mit dem Schwert, wie sie sich auch im Kloster den Sitten und dem Willen der
Nonnen angepasst hat. So tauscht sie das klösterliche Küchengewand gegen teure
orientalische Seidenstoffe ein. Bei dem zufälligen Zusammentreffen mit der Nonne
Estela kommentiert diese Marías Wandel: ,,Parece que se le ha mudado a otra, aho-
ra la voz de María vive en una mora" (CB: 128).
10

Die abwertenden Beinamen der Christen werden durch positive Attribute ersetzt,
nun ist sie María la bailaora und Preciosa (vgl. CB: 121). Zum ersten Mal wird ihre
Schönheit bewundert und zur Geltung gebracht: ,,María lució bellísima, el oscuro y
largo cabello suelto, la piel aceitunada" (CB: 111). Anstatt Ignoranz und Abwertung
zu erfahren, steht sie im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und erhält Anerkennung
und Komplimente: ,,Todos quieren verla. Todos adoran verla. Todos la festejan"
(CB: 121).
Das schöne neue Leben als Morisca bedeutet aber auch Einschränkung und das
Aufgeben ihrer Freiheiten: ,,María, tú eres ahora una de las nuestras. Cuando sal-
gas de casa, debes llevar el velo en la cara, y debes ir siempre acompañada [...]"
(CB: 114f). Durch das Tragen des Schleiers ordnet sich María unter. Sie übernimmt
ohne sich tiefer mit der Religion auseinander gesetzt zu haben das muslimische
Symbol. Trotz ihrer äußerlichen Anpassung bleibt ihr ihre Andersartigkeit und ihre
Sonderrolle als Gast in der Familie bewusst. Sie fühlt sich trotz aller Akzeptanz in
der perfekten Familienwelt außen vor: ,,María quedó como una pieza suelta. [...]
Cada hija tenía a su madre. María la bailaora no tenía ninguna" (CB: 124). Sie kann
sich zwar äußerlich an das Bild einer Morisca angleichen, aber eine tiefe islamische
Überzeugung übernimmt sie nicht.
Dieser Mangel an Überzeugung zeigt sich auch an der Art und Weise wie María
ihren strategisch wichtigen Auftrag annimmt, ein Buch aus Blei
8
nach Famagusta
auf die Insel Zypern zu bringen (vgl. CB: 131f). Sie handelt nicht aus Glauben, son-
dern aus Verbundenheit. Indem sie sich auf diese gefährliche und ungewisse Missi-
on einlässt, beweist sie den Moriscos ihre Loyalität und Treue. Mit friedlichen Mitteln
kämpfen sie vereint, um die gänzliche Vertreibung ihres Volkes zu verhindern. Ein
Zweifel am Erfolg ihres Auftrags zeigt sich schon bei ihrer Abreise, als sie zögerlich
in den Schwur ihrer ,Schwestern` einstimmt: ,,No puedo decir `lo juro' porque no
quiero comprometerlas" (CB: 157).
Ein besonderes Erinnerungsstück, das sie vor ihrer Abreise geschenkt bekommt, ist
ein dreieckiger Handspiegel. Ihr eigenes Spiegelbild soll María an ihre Freunde er-
innern: ,,Al verte, nos ves, el corazón Morisco de la península, que es decir lleno del
Mediterráneo, del África, de Asia, de Iberia y de Europa; de las Indias también" (CB:
156). Die Fülle an kulturellem Reichtum, die sich in ihr als Zigeunerin und ihrer Her-
8
Ende des 16. Jahrhundert wurden mehrere Bücher aus Blei, die sog. Plomos de Sacro-
monte, in Granada hergestellt. Der erfundene Inhalt stellte die zentrale Rolle der Araber
in der Verbreitung des christlichen Glaubens heraus und sollte auf diese Weise ihr An-
recht auf das spanische Land legitimieren. Die Bücher, als historische Quellen getarnt,
wurden besonders in Granada versteckt. Ihr zeitnaher Fund bewirkte einen großen Auf-
ruhr in der christlichen Bevölkerung. Die katholische Kirche ließ sie konfiszieren und nach
Rom bringen (vgl. Coleman 2003: 188ff).
11

kunftsstadt Granada bündelt, stellen sie als hybride Person dar. Ihre Hybridität und
Vielseitigkeit wird hier als Qualität und Vorteil gefeiert, der ihr helfen wird, sich in der
Welt zurecht zu finden: ,,El corazón gitano [...]. El que pertenece a todo el mundo
porque es granadino" (CB: 156).
Während sie bei den Nonnen als Außenseiterin und Last behandelt wurde, empfan-
gen die Moriscos sie wie ein Geschenk und freuen sich an ihrer Person und ihren
Talenten. Ihre Großzügigkeit steht im scharfen Kontrast zur geizigen und diebischen
Art, die sie im Kloster erfahren hat: ,,Las monjas la habían despojado, las Moriscas
la terminaban de hacer rica" (CB: 155). Die Textbeispiele zeigen, dass María so-
wohl das dämonisierte, als auch das idealisierte Bild der Zigeunerin anhaftet (vgl.
Charnon-Deutsch 2004: 4). Während sie unter Christen als fremd, sonderbar und
bedrohlich ausgestoßen wird, preisen die Moriscos sie über alle Maßen, beschen-
ken sie und untermauern ihren exotischen Status. An ihr lässt sich ,,[...] the trans-
formation of the Gypsy from despised pariah whom the state strove to assimilate at
all costs to prized national icon" (Charnon-Deutsch 2004: 180) nachvollziehen.
Die Zigeunerin María widerspricht in einigen Punkten wesentlich den genannten
Vorurteilen. Sie wächst keineswegs als Herumtreiberin und Erwerbslose auf. Ge-
meinsam mit ihrem Vater, einem respektablen Pferdehändler, bewohnt sie eine
Höhle des Monte de Valparaíso, einer Gegend, wo viele Zigeuner zu dieser Zeit
lebten (vgl. CB: 42). Granada, die Stadt, in der sie geboren und die ersten 15 Jahre
ihres Lebens verbringt, ist fester Bestandteil ihrer Identität. So erklärt sie stolz:
,,Respondo a María la bailaora de Granada" (CB: 149).
Sie ist auch keine Person ohne Moral. Im Gegenteil, sie ist sehr tugendhaft. So
nennt sie ihre Jungfräulichkeit ihren größten Schatz, den sie hütet und beschützt
(CB: 268f). Auch Marías Fähigkeit, die Zukunft vorauszusagen gleicht mehr einer
Herausforderung als ihrem Naturell. Als sie auf ihrer Reise die señora Peregrina
trifft, bietet sie ihre Dienste an. Doch es bleibt kein Zweifel, dass sie im Grunde nicht
weiß, was sie ihr prophezeien soll: ,,`Nunca he leído ninguna ventura ­ se decía en
silencio ­ y yo no quiero mentirle a esta mujer, algo debo decirle que sea cierto'"
(CB: 181). Sie passt sich dem Vorurteil an, erfüllt aber nicht die Erwartungen, die an
sie als Zigeunerin gesetzt werden.
Ihre übernatürlichen Fähigkeiten werden noch an weiterer Stelle gefordert. So hört
sie in Cervantes hinein, den sie an Bord der Marquesa kennenlernt, als dieser sich
in Malariafieberträumen windet. Dort heißt es: ,,María echa a andar su oído de gita-
na. Siente al hombre. Lo escucha: su oído es como una palma abierta y sensible
[...]" (CB: 391). Sie nutzt ihre eigene individuelle Art, um in Cervantes Schicksal zu
12

lesen. So tauscht sie die Hand gegen seine Brust aus und den Sehsinn gegen ihren
Hörsinn, von dem es an anderer Stelle heißt: ,,María la bailaora no escucha sola-
mente; con los oídos ve, pregunta, interroga [...]" (CB: 32). Doch auch dieses Mal
gelingt es ihr nicht in die Zukunft zu schauen, denn ,,no tiene poderes para mirar
más allá de lo que la vida regala a sus sentidos e intuición" (CB: 391). Anstatt das
zukünftige literarische Genie zu sehen, durchlebt sie ihre eigene vergangene Reise
an seiner Brust, sieht die Personen, denen sie begegnete, reist an die Orte zurück,
die sie betrat: ,,[P]ero más que verles a cada uno sus rasgos y particularidades, ve
el mundo del que son fruto. Lee y mira que la línea entre la fantasía y la realidad se
desdibuja [...]" (CB: 393). Während sie beobachtet und horcht, lacht und genießt sie
diese Bilder, obwohl Spanien sich selbst zur Ader lässt (vgl. CB: 393). Dem Körper
Blut zu entziehen, gemäß der überholten Vorstellung, auf diese Weise die Krank-
heitserreger ausmerzen zu können, ist ein treffendes Bild für die selbstzerstöreri-
sche Politik Spaniens, sein Lebenselixier, seine Bewohner, eigens aus dem Land zu
jagen. So wie ein Körper nach hohem Blutverlust geschwächt ist, schwächt Spanien
sich auf diesem Wege nur selber, indem es Teile seiner Identität wie Bakterien be-
handelt. Erneut zeigt sich die Abhängigkeit der spanischen Bevölkerung von seinen
unerwünschten Dienstleistern, die das Land am Leben halten.
3.2 María ­ Die Tänzerin
Der Cante jondo oder Flamenco, der bis heute hohen Unterhaltungswert besitzt und
zum spanischen Markenzeichen geworden ist, zieht auch das Publikum des 16.
Jahrhunderts in seinen Bann. Besonders Zigeunerinnen waren berühmt für ihre
poetischen Lieder und tanzten auf öffentlichen Plätzen, wo sie als angenehme All-
tagsunterbrechung Anerkennung fanden (vgl. Charnon-Deutsch 2004: 34). Die Ur-
sprünge des Flamenco sind jedoch umstritten: Während die einen arabische Ein-
flüsse wiedererkennen, betonen andere seine jüdischen Merkmale und eine dritte
Gruppe verortet ihn in den Zigeunertraditionen. Aus Mangel an einer eindeutigen
Antwort ist nun Andalusien das wahre Ursprungsland der Flamenco Musik gewor-
den (vgl. Charnon-Deutsch 2004: 219f).
María verkörpert als Tänzerin die positiven Attribute der Zigeunerin. Das Tanzen ist
ihr herausstechendes Talent und wesentlich für ihre Identität. So nennt sie sich nicht
María la gitanilla sondern María la bailaora. Schon zu Beginn des Romans wird die
Protagonistin anhand ihres außergewöhnlichen Tanzstils, der Leichtigkeit und
Schwerelosigkeit vermittelt, charakterisiert: ,,María, ay, baila, que pareces volar al
bailar y que al bailar echas anclas, al bailar pones raíz; al bailar te lleva el viento"
13

(CB: 33). Ihre Bewegungen werden mit dem Wind verglichen, der keine Schranken
kennt und den niemand aufhalten kann. Leidenschaftlich, rhythmisch und aus-
drucksstark tanzt sie zu den Klängen der Musik ihrer zwei Compañeros Andrés und
Carlos.
Wenn sie tanzt, rührt sie Menschen an, und beschwört eine nostalgische Stimmung
herauf. Sowohl Christen als auch Muslime erinnern sich an die vergangenen schö-
nen Momente und schwelgen in Erinnerungen (vgl. CB: 119f). In den Städten, in
denen sie tanzt, macht sie sich schnell einen Namen. Von Granada heißt es, dass
,,[l]a ciudad Morisca entera se hacía lengua sobre Preciosa" (CB: 122). In Algier
erobert sie die Stadt im Sturm (,,[l]a ciudad disfrutaba de María" (CB: 219)) und in
Neapel zieht sie alle Gesellschaftsschichten in ihren Bann: ,,El sacristán la espía
[...], los niños [...] la contemplan, los viejos vuelven a sentir que tienen músculos"
(CB: 137). So zieht sich ihr Tanz wie ein roter Faden durch die Geschichte und ver-
bindet die Orte ihrer Reise. Er macht die Beobachter gleich, da er immer gleiche
Reaktionen der Huldigung und des Beifalles hervorruft. Die Begeisterung des Publi-
kums reflektiert die Anziehungskraft der Exotik, die besonders in der Maurophilia
der Spanier gezeigt hat, wie ,,the moor as love-object [...] voyeuristically" ausgenutzt
wurde (Fuchs 2009: 115). Die Bewunderung, die sie erfährt, gilt ihrem Tanz, dem
Produkt, das sie verkauft, nicht jedoch ihrer Person selbst. Der Leser identifiziert
sich weniger mit der Sicht des Zuschauers als mit ihr. Er blickt aus der Perspektive
der Schaustellenden bzw. Zur-Schau-Gestellten, der Minderheit, auf das Gesche-
hen und verspürt so die Ungerechtigkeit und Überheblichkeit des Verhältnisses.
María nimmt die verschiedenen Orte und ihr Publikum sehr differenziert wahr. Sie
unterscheidet Granadas Frische von dem Jubel der Dörfer und dem Glanz Algiers.
Das Publikum hingegen sieht bloß die stereotypische Zigeunerin tanzen oder den
Mauren sein Haus verschönern. Während María immer wieder die Rolle des Exoten
spielt, gewöhnt sie sich mit der Zeit an die Ergebenheit ihres Publikums und spielt
mit (vgl. CB: 138).
María entschwindet ihrer Umgebung, wenn sie tanzt: ,,[E]l baile de María [tiene algo]
de fuga, de escaparse, de irse, de salirse de todo" (CB: 122). Und dennoch blendet
sie beim Tanzen ihre Umgebung nicht aus, ihre Sinneswahrnehmungen sind unge-
trübt. So erkennt sie beim Tanzen Farag als alten Freund ihres Vaters (,,porque sa-
be pensar mientras baila" (CB: 116)) und in ähnlicher Weise nimmt sie auch
Jerónimo in der Menschenmenge auf den Straßen von Neapel als bekanntes Ge-
sicht wahr (vgl. CB: 140). Es ist jedoch nicht nur ihr Sehsinn, sondern auch ihr Hör-
sinn, der sie immerfort aufhorchen lässt: ,,María la bailaora tiene los oídos siempre
14

atentos. Es su natural. Quien baila debe saber escuchar" (CB: 32). So lässt sie sich
als eine Person charakterisieren, die sensibel und aufmerksam auf ihre Umgebung
reagiert, es aber auch versteht, ihr zu entfliehen.
Zu Beginn im Hause der Moriscos, als ihrem Tanzsinn nach langer Zeit wieder Be-
achtung geschenkt wird, tanzt sie ohne Furcht. Zum ersten Mal haftet ihrem Tanz
etwas sinnlich-erotisches an, da sie als Frau wahrgenommen wird: ,,[S]u baile se
llena de un ingrediente más, algo que sólo espera uno de una mujer, [...] una ca-
dencia femenil, sensual" (vgl. CB: 116). Der Tanz spiegelt ihre feminine Seite wider
und bildet das Gegengewicht zu ihrem ebenfalls geschickten Umgang mit dem
Schwert ­ eine klassisch-männlich dominierte Kunst.
Ihre gemeinsame Leidenschaft für die Musik vereint die Gruppe der Reisegefährten.
So heißt es: ,,María y Andrés hacen una pareja que ni los ángeles, bellos, expresi-
vos, fascinadores". Sie wachsen über sich hinaus und werden nicht mehr als Kinder
wahrgenommen (CB: 116). María, Andrés und Carlos erzählen ihre Geschichte und
drücken ihren Schmerz aus in ihren Liedern und Tänzen. Mittels der Kunst verarbei-
ten sie die grausamen Tragödien ihrer Familien und verweben diese mit Fabeln,
Legenden und Geschichten aus der Zigeunertradition. Und so ist ,,[s]u canto y su
baile [...] testigo y es delación, es alivio y es olvido" (CB: 140).
Aus dem anfänglichen Vergnügen um der Musik selbst willen wird bald ein Mittel,
um Geld zu verdienen. Tanzend und singend erkaufen sie sich ihre Freiheit aus der
Gefangenschaft in Algier (vgl. CB: 219ff). Ihre Spontaneität und die Begeisterung
des Publikums der ersten Stunde wandelt sich in Routine: ,,[...] la devoción a la que
María se ha acostumbrado sin saberlo" (CB: 138). Ebenso leidet das innige Ver-
hältnis der drei Künstler auf ihrer Reise. Von Algier heißt es, dass ,,[l]a ciudad los
des-trió" (CB: 219). Nach außen wirken sie weiterhin einheitlich, ,,pero entre ellos se
había abierto la distancia [...]" (CB: 219). Andrés' unerwiderte Liebe zu María spaltet
die Gruppe, was sich auch in ihrer Kunst widerspiegelt: ,,No había ahí ni la frescura,
ni la alegría, ni su continua, candorosa sorpresa, ni el clima que se había creado
entre ellos [...]" (CB: 219). Obwohl es auch in Neapel heißt, dass María schöner als
je zuvor tanzt (vgl. CB: 242), hinterlässt die lange Reise und die tägliche Arbeit auf
den Straßen ihre Spuren. María scheint abgehärteter und gewöhnter an das Leben
auf der Straße zu sein, wo sie gelernt hat, mit ihren Reizen zu spielen. Ihr Vater, der
ihr das erste Mal wieder in Neapel begegnet, beobachtet sie und beschreibt ihr Lä-
cheln als ,,hipócrita, fría, calculadora" (CB: 244). Ihre Natürlichkeit geht ihr verloren
und eine Oberflächlichkeit breitet sich aus. Ihre Vitalität und Lebenslust, die ange-
trieben wird von ihrem Ziel, nach Famagusta zu reisen, lässt nach. Im Hause
15

Jerónimos sucht sie sich neue Ideale und Freunde und ihr einstiges Ziel Famagusta
rückt weiter in die Ferne.
Im Hause Jerónimos treffen die Straßenmusiker auf eine Gruppe berühmter und
erfolgreicher Hofmusiker. Nachdem Andrés zuvor klargemacht hat, dass sie es in
diesem Hause mit dem Feind persönlich zu tun hätten (,,¡Es un sol-da-do-cris-tia-no
[...]!" (CB: 257)), drückt La banda de la Liga ihrerseits ihr offensichtliches Missfallen
über den Sinn eines solchen Treffens aus: ,,[H]agamos música juntos. Ustedes y
nosotros. Pronunció de manera muy diferente el `ustedes' del `nosotros', marcando
una distancia" (CB: 258). Doch die arrogante Haltung wird schon bei den ersten
Klängen von echter Anerkennung und Gefallen an den Tönen abgelöst. Denn die
fremden Elemente, welche die Zigeuner in die Musik einbringen, werden nicht abge-
lehnt, sondern als Bereicherung und Ergänzung des eigenen Stils empfunden: ,,Era
verdadera música, música auténtica, vestida de seda y con varios velos provenien-
tes de diferentes latitudes" (CB: 259). Die Kombination der verschiedenen Stile
harmoniert nicht nur miteinander, sondern schafft auch einen völlig neuen, einzigar-
tigen Klang (,,ese sónido único, distinto" und ,,esa música nueva, glamorosa, inusi-
tada" (CB: 260)).
Der Einfluss der unterschiedlichen Kulturen färbt ab. Gerardo bemerkt eine Verän-
derung in ihrem Tanz: ,,`Aquí están los cantos y bailes de mis mayores, mezclados
con los de mis aliados y amigos'" (CB: 246). Tanzt sie noch zu Beginn mit Kastag-
netten (vgl. CB: 116), typisches Rhythmusinstrument des Flamenco, so beginnen
sie diese mit der Zeit zu stören und sie entscheidet, sie abzulegen (,,[M]e ensorde-
cen, no son para mi baile" (CB: 141)). In ihrem Tanz verarbeitet sie sämtliche Kultu-
ren, die sie in Granada und auf ihrer Reise durchlaufen hat. Er ist ,,el elemento que
vehicula la transculturalidad del personaje ­ gitana/morisca/cristiana [...]" (Prats
Fons o.J.: 6). Diese Verschmelzung verschiedener Stile und Elemente, welche die
Zigeunermusik an sich schon auszeichnet (vgl. Charnon-Deutsch 2004: 224f), ent-
wickelt María individuell weiter. Der Tanz spielt demnach eine zentrale Rolle in der
Entwicklung ihrer eigenen Identität und symbolisiert den hybriden Charakter dieser
Figur. Zugleich erinnert die Verschmelzung der Stile an die Kombination der archi-
tektonischen Elemente in den spanischen Städten. Marías Tanz wird so zur Meta-
pher der spanischen Geschichte, die tief geprägt wurde von den unterschiedlichen
kulturellen Einflüssen und so ihren individuellen Stil entwickelte.
Die Musik dient weiter als verbindendes Element zwischen den Kulturen und Religi-
onen und besitzt einen identitätsstiftenden Charakter für die gesamte Gruppe. Si-
mon Frith argumentiert: ,,Music seems to be a key to identity because it offers, so
16

intensely, a sense of both self and others, of the subjective in the collective" (Frith
1996: 110). Die einstigen Vorurteile der getrennten Parteien werden abgebaut und
die Kunst des Individuums, nicht der kulturelle Hintergrund des Künstlers, tritt in den
Vordergrund. Wo Politik und Gesellschaft versagen, schafft Musik eine Einheit aus
den ungleichen Individuen: ,,[M]usic, an aesthetic practice, articulates in itself an
understanding of both group relations and individuality" (Frith 1996: 111). Dabei ist
es unerheblich, dass unterschiedliche Musik- oder Tanzstile unterschiedliche Identi-
täten schaffen, denn die Art und Weise, in der Musik Identitäten formt, ist in jedem
Fall gleich (vgl. Frith 1996: 112). Da Identitäten immer eine Idealvorstellung von
dem sind, was wir gerne wären, ,,gives us [music] a real experience of what the ideal
could be" (Frith 1996: 123). Das Bild der Musikanten birgt das Ideal einer Gesell-
schaft, in der fremde Elemente neben den traditionellen existieren ohne sich gegen-
seitig auszugrenzen.
María, der Star der Gruppe, wird letztlich weniger für ihr Talent, als für das Geld,
das sie einbringt, geschätzt: ,,Todos idolatran el dinero que les trae María [...]" (CB:
260). In den Augen der Gesellschaft ist sie wertvoll, denn ,,ella [tiene] dos imanes:
su cercanía con un hombre poderoso en el ejército, y el imán del dinero" (CB: 263).
Ihr Zugang zu Macht und Geld lassen ihre Herkunft vergessen, ,,[a]hora les parecía
muy apreciable y la certificaban cristiana vieja" (CB: 263). Als Frau ist sie umso
wertvoller, je mehr wirtschaftliche Vorteile man aus ihr ziehen kann. Sowohl für die
Gruppe als auch für die Zuschauer misst sich ihr Wert an dem Geld, das sie ein-
bringt (vgl. Charnon-Deutsch 2004: 31f). Die Gruppe scheitert aber an der Vereinba-
rung unterschiedlicher Systeme, am ,,[...] clash between two economic systems, one
aristocratic and primitive and the other mercantile and progressive" (Charnon-
Deutsch 2004: 33). Die konservativen Hofmusiker reiben sich an dem ungebunde-
nen Zigeunertrio, das seinen Lohn auf dem Markt der Straße verhandelt. Eine lang-
fristige Vereinigung der zwei Systeme erscheint illusorisch, da sie inkompatibel
scheinen. Eine Lösung des Konfliktes liegt in der Anerkennung der persönlichen
Sichtweise des anderen. Das Versetzen in die Lage des Anderen hilft über die
Grenzen des eigenen Systems hinwegzusehen und die Vorteile des anderen zu
erkennen. Dieser ,,`impersonal point of view'" ist die Voraussetzung für eine Beile-
gung des Konfliktes (vgl. Zapata-Barrero 2006: 156).
Das enorme Potenzial, das diese sich über gesellschaftliche Schranken hinwegset-
zende neue Form der Musik besitzt, wird jedoch von den Musikanten nicht genutzt.
Die kurzzeitige Beförderung der Zigeunermusik in den höfischen Stand bleibt die
Ausnahme. Nach der anfänglichen Euphorie ,,[s]e acrecientan simpatías y anti-
patías" (CB: 260). Was anfänglich noch nach einer erfolgreichen Überwindung des
17

gesellschaftlichen Systems aussieht, mündet nur in den Rückfall der dominanteren
Gruppe in bekannte Denkmuster und Hierarchien. Das gefeierte Ausnahmetalent
wird schnell wieder reduziert auf die Figur der Zigeunerin, die letztlich ohne höhere
Bildung nicht einmal Noten lesen kann. Der Erfolg und das viele Geld zerstören die
Beziehung der Musiker. Neid keimt auf, denn aus den einst belächelten Zigeunern
werden Konkurrenten: ,,El verdadero pecado de esos tres zarrapastrosos era que
opacaban el lucimiento de los otros talentos" (CB: 260). Der sichere Stand der Hof-
musiker ist bedroht. Eine junge, ungebildete Zigeunerin mit viel Talent sägt unbe-
wusst an dem Sockel der Mächtigen und schürt so deren Angst, ihre Position zu
verlieren. So trennt man sich lieber schnell und beruft sich auf seine höhere Bildung
und die zu großen Differenzen.
Die beschriebene Szene ist ein Bild für die Ausbeutung der ethnischen Minderhei-
ten. Die Wertschätzung der fremden Kulturen bleibt oberflächlich und selektiv. An-
genehmes wird genutzt und gefeiert, solange es nicht Überhand nimmt. Fremde
Elemente werden geduldet, wenn sie den eigenen Reichtum nicht in den Schatten
stellen. Der Grad zwischen Bewunderung und Bedrohung ist schmal. Diederichsen
fast diese oberflächliche Auseinandersetzung mit einer fremden Kultur treffend zu-
sammen:
Eine Bewegung steht Dir gegenüber, eine Kultur steht Dir zur Verfü-
gung, Du kannst in ihr blättern wie in einem Buch, und bei Über-
druß oder Bedrohung kann man umschalten oder das Buch schließen.
(Diederichsen 1995: 127)
Das Verhalten der Spanier zu ihren maurischen Ursprüngen gleicht eher dem ober-
flächlichen Interesse eines Touristen im eigenen Land. Dieser zieht es vor, Se-
henswürdigkeiten zu besichtigen, anstatt die Bewohner näher kennenzulernen (vgl.
Todorov 1993: 335, 344). Diese Einstellung ähnelt einem ,,[...] kommerzialisierten,
konsumorientierten ,Boutique`-Multikulturalismus, [der] Differenz feiert[t], ohne etwas
zu verändern" (Fish 1998, zit. n. Hall 2008: 190)
9
und sich bedient ohne eine Ge-
genleistung zu geben. Was diese Kritik letztlich über Hybridität aussagt, wird in Ka-
pitel 4.3 näher erläutert werden.
Wie Frith der Musik eine identitätsstiftende Funktion zuschreibt, so ist auch der
Tanz, egal ob María unter Moriscos, in Gefangenschaft, auf der Straße, in einem
Palast oder auf einem Schlachtschiff tanzt, das verbindende Element, das die Ent-
wicklung ihrer Identität symbolisiert (vgl. Prats Fons o.J.: 6). Mit dem Tanz identifi-
9
Fish, S. (1998): ,,Boutique Multiculturalism". In: Melzer, A. et al (Hrsg.): Multiculturalism
and American Democracy. University of Kansas Press.
18

ziert sie sich am meisten, denn er erfüllt mehrere Funktionen gleichzeitig, es ist ,,el
modo en que ella sabe sentir, disfrutar, vivir, y por llenarse a rebosar las bolsas [...]"
(CB: 292). Der Tanz ist Sinn, Vergnügen und Beruf zugleich. María gleicht ,,a multi-
faceted jewel that circulate[s] through various economies [...]" (Charnon-Deutsch
2004: 32). In Anlehnung an Frith beschreibt der Tanz Marías das Zusammenspiel
des Sozialen mit dem Individuellen und vice versa (vgl. Frith 1996: 109). Mittels des
Tanzens kommuniziert María mit ihrem sozialen Umfeld, sie gibt etwas von sich
preis und erhält Geld und Anerkennung zurück. María verdeutlicht durch die Ent-
wicklung ihres Tanzstils, dass Identitäten mobil sind, ,,a process not a thing, a be-
coming not a being [...]" (Frith 1996: 109). Es ist also wenig hilfreich zu fragen, wer
María ist, sondern gerade ihre Vielseitigkeit und das Nichtfestlegen auf differenzier-
te Rollenbilder charakterisiert sie als hybride, mobile Persönlichkeit.
3.3 María ­ Die Geliebte
Jerónimo de Aguilar, spanischer Kapitän und Adliger, ist vom ersten Moment über-
wältigt von Marías Schönheit (vgl. CB: 141f). Ihre fremde Kultur, ihre Ausstrahlung
und ihr Tanz faszinieren ihn. Er entschließt sich, sie in seinem Haus wohnen zu
lassen und als seine Geliebte auszugeben (vgl. CB: 252ff). Dort überhäuft er sie mit
Reichtümern, schenkt ihr Kleider und huldigt ihr mit Blumen (vgl. CB: 258). María
gibt vom einen auf den anderen Tag ihre (wenn auch ärmliche) Freiheit auf und be-
gibt sich in Jerónimos Obhut. Dieser behandelt sie zwar fürstlich, macht ihr jedoch
keinerlei Hoffnungen, ihre Beziehung mit einer Heirat zu legitimieren (vgl. CB: 265).
María gefällt ihr neuer gesellschaftlicher Status. Sie genießt ihre neuen Besitztümer
und füllt die Rolle des naiven, exotischen Schmuckstückes aus. Die unabhängige,
selbstbewusste Abenteurerin lässt sich nicht mehr von ihrer Intuition leiten und führt
ab nun ein zahmes Leben im Sinne ihres Gönners: ,,No piensa en ser prudente y
dejar la casa de don Jerónimo Aguilar. Acepta los excesivos regalos y cierra la boca
[...]. No se siente en riesgo" (CB: 254). Die ihr entgegengebrachte Aufmerksamkeit
vernebelt ihr die Sinne und ihr intelligentes Wesen bekommt einen dickköpfigen,
sturen Zug (vgl. Rangel 2010: 121).
Dank Jerónimo kommt sie mit hohen gesellschaftlichen Kreisen in Berührung. Diese
will sie nutzen, um ihre Mission weiter zu verfolgen. Anstatt jedoch Abfahrtspläne
nach Famagusta zu machen, richtet sie sich im Palast Jerónimos häuslich ein. Sie
plant, sich den Schlüssel des Hauses anzueignen, um sich eigenmächtig Zugang zu
verschaffen (vgl. CB: 263ff). Denn ihre eigene Austauschbarkeit, die Furcht, dass
,,en cualquier momento [...] alguna otra viniera a reemplazarla" (CB: 265), zeigt,
19

dass ihr der fragile Charakter der Beziehung und die Abhängigkeit zu Jerónimo sehr
wohl bewusst sind. Marías Reaktion gleicht dem Verhalten der unterdrückten Min-
derheiten Spaniens. Diese wähnten sich zunächst lange in Sicherheit und verweil-
ten trotz der wachsenden Anfeindungen im Land, darauf hoffend, ein legitimer Be-
standteil der Gesellschaft zu werden. Einige konvertierten freiwillig zum Christentum
(vgl. Fuchs 2009: 129) und ordneten sich den neuen christlichen Machthabern un-
ter. Dadurch gaben sie einen wichtigen Teil ihrer Identität, ihre Religion, auf und
machten sich abhängiger. Doch auch diese völlige Verneinung ihrer kulturellen und
religiösen Werte schützte sie nicht vor der endgültigen Vertreibung.
Die Doppelmoral, mit der sowohl Jerónimo als auch die bürgerliche Schicht, aus der
er stammt, María behandelt, ist ein Bild für die spanische Gesellschaft. Ähnlich wie
die Analyse der Beziehungen unter den Musikern in Kapitel 3.2 lässt sich die Bezie-
hung zwischen Jerónimo und María als ein Bild für das Machtverhältnis des spani-
schen Bürgertums zu den im Land lebenden Minderheiten deuten. Die Mauren, Ju-
den und Zigeuner wurden jahrhundertelang wie eine Geliebte, ein exotisches
Schmuckstück, begehrt und benutzt, vor einer Legalisierung ihres Status schreckte
man aber zurück. Der Literaturwissenschaftler Tzvetan Todorov analysiert die Am-
bivalenz von Exotik ausführlich in den Liebesgeschichten der Abenteuerromane
Pierre Lotis
10
. Die exotische Erfahrung durchläuft zwei Phasen, die anfängliche Ver-
liebtheit endet in der Ablehnung der Person (vgl. Todorov 1993: 318). Diese para-
doxe Beziehung charakterisiert das Figurenverhältnis der beiden Protagonisten in
La otra mano de Lepanto, da die anfänglich starke exotische Anziehungskraft
Marías Jerónimo letztlich abstößt. Das Exotische hat immer eine erotische Aufla-
dung. Ein männlicher Abenteurer lässt sich von der Exotik der fremden Frau verfüh-
ren (vgl. Todorov 1993: 314). In der Beziehung spielt die Frau eine passive Rolle,
der Mann übernimmt den dominanten Part.
The woman and the foreign country [...] both allow themselves to be de-
sired, governed, and abandoned [...]. The man, for his part, enjoys the
same superiority with respect to women that the European enjoys with
respect to other peoples. (Todorov 1993: 315)
Die Frau wird hier mit ihrem Land gleichgesetzt. Die Beziehung und damit das Ge-
schlechterverhältnis gleichen einer kolonialen Eroberung bzw. dem Verhältnis des
Kolonialisierten zu seiner Kolonialmacht. Jerónimo sucht zwar nicht in der Ferne
das Abenteuer, aber er holt sie sich ins Haus. In seinem eigenmächtigen Ent-
10
Grundlage der Analyse Todorovs bilden die Romanen Pierre Lotis Aziyadé (1879), Rara-
hu (1880) (später umbenannt in Le Mariage de Loti) und Madame Chrysanthème (1887)
(vgl. Todorov 1992: 308)
20

schluss, María als sein Eigentum zu betrachten und bei sich aufzunehmen, spiegelt
er die Kolonialmacht Spanien. Die Frau wird nie ,,as a subject endowed with her own
free will" (Todorov 1993: 316) wahrgenommen, sondern als Objekt der Begierde.
Obwohl er ihr viel bietet und sich lange korrekt verhält (,,El hombre no le ha tocado
ni un pelo [...]" (vgl. CB: 267)), werden seine Absichten spätestens mit dem Kuss
deutlich. Da er María nicht besitzen kann, weil er dafür ihre Beziehung legitimieren
müsste, lenkt er sich mit Prostituierten ab, ,,haciéndose de cuenta que son María"
(CB: 265). Dieser Zug verstärkt den Eindruck seiner schmutzigen Doppelmoral.
Doch die anfängliche Liebe für das Fremde schlägt in ein Gefühl der Angst um,
,,xenophilia becomes xenophobia" (Todorov 1993: 318). Jerónimo beendet die Be-
ziehung, als er abreist und eine Fortführung oder weiterreichende Verpflichtung
ausgeschlossen ist. Auch Loti beendet seine Beziehung stets mit seiner Abreise.
Die Reaktion der Frauen Lotis verdeutlicht ihre Abhängigkeit: Sie begehen entweder
Selbstmord, sind einem Leben als Prostituierte ausgeliefert oder lassen sich ihre
Beziehung abgeklärt bezahlen (vgl. Todorov 1993: 317). María hingegen wird aus
ihrer passiven Rolle gerissen und verlangt von Jerónimo ein Eheversprechen, bevor
sie mit ihm eine sexuelle Beziehung eingeht. Denn anders als bei Loti verharrt sie
nicht in ihrer Rolle als stumme, aufregende Abwechslung in Jerónimos Leben, son-
dern stellt Forderungen. Ihre hohen Moralvorstellungen verbieten es ihr, sich unter
Wert zu verkaufen: ,,Mi joya es mi entereza y mi virginidad [...]. [E]sa joya [...] será
atada con los lazos del matrimonio [...]" (CB: 268f). Für Jerónimo erscheint ihre For-
derung lächerlich, eine Ehe wird in seinen Kreisen nicht aus Liebe geschlossen,
sondern aus sozialem und materiellem Nutzen (vgl. CB: 269). Als Zigeunerin be-
droht María das Ansehen der Familie, ihre fehlende Moral missachtet das soziale
System und ihr ungebundenes Wesen passt nicht in das Bild seiner ,einheitlichen`
Nation (vgl. Charnon-Deutsch 2004: 240). Interessant ist jedoch, dass die genann-
ten Vorurteile in diesem Fall eher auf Jerónimo zutreffen. Er ist es, dessen Lieb-
schaften von fehlender Moral zeugen, wohingegen María als die tugendhafte, mora-
lische Person auftritt. Jerónimo schreckt vor einer Bindung zurück, während María
diese als Bedingung nennt. Der Adlige befindet sich in dem Dilemma, die unmögli-
che Beziehung einzugehen und damit soziale Sanktionen in Kauf zu nehmen oder
dem Druck der Gesellschaft nachzugeben. Er nennt sich selbst einen Feigling (vgl.
CB: 270), der es nicht wagt, ihre Beziehung zu legitimieren und damit eine Brücke
zwischen den Kulturen mit all ihren Differenzen zu schlagen. Letztlich gibt er dem
sozialen Druck nach und entscheidet sich gegen María. Es ist leichter, sich von der
Geliebten zu trennen, als mit den Konsequenzen einer unreinen Ehe zu leben. Dies
widerspreche dem Reinheitsgedanken der spanischen Identität, auf den er sich be-
21

ruft. So stellt die vorher gefeierte Exotik nun eine Gefahr für seine scheinbar einheit-
liche Identität dar.
Als Kolonialmacht und als Mann betrachtet er es als sein legitimes Recht, Frauen
derart zu behandeln. Wie auch Loti zieht Jerónimo einen Vorteil aus der exotischen
Erfahrung, ,,without ever really calling into question his own belonging or his own
identity" (Todorov: 318). Er glaubt den gängigen Mythen und Vorurteilen über Zi-
geuner und Mauren. Jerónimo lässt die Chance ungenutzt, seine Ideologie der
Reinheit zu hinterfragen und sich von den Vorteilen eines pluralistischen Selbstver-
ständnisses zu überzeugen.
Doch anstatt die Entscheidung des Mannes willenlos zu akzeptieren, sucht María
selbst einen Weg, Jerónimo zu begleiten und heuert in Männerkleidung als Pincel
auf dem Flaggschiff La Real der Santa Liga an. Dort begegnet Jerónimo ihr aber
verletzend und weist sie brüsk zurück. Ihre männliche Aufmachung erscheint ihm
lächerlich und er bricht den Kontakt zu ihr ab (,,[N]o quiero saber absolutamente
nada de ti" (CB: 301)). Nach dieser Konfrontation beginnt María an sich selbst zu
zweifeln; ihre Verlorenheit wird ihr bewusst. In der Rolle des Pincel kann sie zwar ihr
künstlerisches Talent ausleben, aber das Tanzen, das Ausleben ihrer Identität,
bleibt ihr versagt (,,aquí no hay María sino un llamado Pincel de cabellos mochos,
cortados, un ser sin faldas" (CB: 307)). Der Tanz ist daher viel mehr als künstleri-
scher Ausdruck, sie fühlt sich als Frau, wenn sie tanzt. Ohne die weiblichen Erken-
nungsmerkmale, das lange Haar und die Röcke, bleibt sie sich fremd. Nur die Ver-
stellung und Anpassung gewährt ihr einen Zugang zu der kriegerischen, männlich
dominierten Welt. Beim Versuch, Jerónimo zu gefallen, bringt sie Opfer und passt
sich den männlichen Normen an. Dieses Entgegenkommen gleicht der Verleugnung
des individuellen Lebensstils und Wertesystems der Minderheiten. Doch anstatt
diesen Versuch als ernsthaften Wunsch zu verstehen, die Grenzen friedlich zu
überwinden, weisen die Machthabenden sie weiter zurück.
Der ausschlaggebende Grund, warum Jerónimo vor einer Legitimierung der Bezie-
hung zurückschreckt, ist nicht Marías Zigeunerdasein (vgl. CB: 308). Vielmehr über-
fordert sie ihn. María, als ,,mujer de mundo, es avezada, conciliadora, inteligente,
hábil, ambiciosa" (CB: 309). Mit einer Fülle an positiven Charaktereigenschaften
und einer enormen Wandelbarkeit wächst sie über den Stereotypen der Zigeunerin
hinaus. María rüttelt an der traditionellen Verteilung und untergräbt Jerónimos Vor-
machtstellung, sie ist ,,demasiado" (CB: 309) für eine ,Zigeunerin`. Denn María er-
kämpft sich eine gleichberechtigte Position in der Beziehung und stellt somit eine
Bedrohung für den sich überlegen fühlenden Jerónimo dar (vgl. Prats Fons (o.J.):
2). Sie bedient sich der Machtmittel ,,Verführung, Werb[ung] und Überredung" (Hall
22

2008: 147), als sie Jerónimo folgt, um ihn von sich zu überzeugen. Anstatt aber die
Vorteile einer solchen Frau zu nutzen, distanziert er sich von ihr, denn ,,mejor no
tenerla, porque en realidad, quién quiere tanto?" (CB: 309). Anstatt das hybride Po-
tential ihrer Beziehung zu nutzen und sich der geheuchelten sozialen Maßstäbe zu
entledigen, entscheidet er sich für die Konvention. Jerónimos Entscheidung gleicht
der Reaktion der Musikanten, welche die drei Zigeuner als Konkurrenten wahrneh-
men und mit Feindseligkeiten und Ausgrenzungen reagieren. So wahrt er lieber
Distanz, wirft sie aus seinem Leben, wie die Spanier verachtete Teile der Gesell-
schaft aus dem Land warfen, und achtet die konventionellen Rollenbilder.
Die Beziehung endet jedoch nicht mit dieser Entscheidung. Jerónimo rettet María,
indem er sich selbst opfert, das Leben (vgl. CB: 341). Er überwindet seine Feigheit,
bestätigt ihr durch diese letzte Tat seine Liebe und erkennt sie als Person an. Ob-
wohl sie nicht mehr dem exotischen Symbol entspricht, akzeptiert er ihr neues Ge-
sicht als Fiera und beschützt sie heldenhaft mit seinem Leben (vgl. CB: 379). Durch
diese Tat nimmt die Beziehung eine überraschende Wendung, denn nicht die Frau
ist es, die stirbt oder abgewiesen zurückbleibt, sondern der Mann, die Kolonial-
macht, tritt für die Minderheit ein. Diese letzte heldenhafte Tat symbolisiert die For-
derung, dass sich Mehrheiten ihrer Verantwortung bewusst werden, Minderheiten
zu schützen.
María beweint den Tod Jerónimos mit bitteren Klagen und ist ihm erst im Tod so
nahe wie nie zuvor: ,,La realización amorosa ocurre entre un cadáver inmóvil y un
corazón en duelo" (CB: 372). Ihre außergewöhnliche Einheit greift um sich, so dass
sogar die Leichenteile, die im Wasser umhertreiben, mit Liebenden verglichen wer-
den. In dem grausamen Chaos, das María umgibt, geben sich ,,la esperanza y el
horror [...] la mano y bailan, y creen que son amigos" (CB: 372). Das tragische Bild
verdeutlicht das Scheitern einer Verbindung zweier Menschen mit unterschiedlichen
kulturellen und sozialen Hintergründen. Auch María überlebt nicht. Ihr Versuch, sich
über die ideologischen Unterschiede hinwegzusetzen, wird von Zaida mit dem Tod
bestraft. Nach ihrem Tod wird ihr Leichnam geschändet, eine zusätzliche Entwer-
tung ihrer Person. Der Tod der beiden Protagonisten wird somit auch zum Symbol
der gescheiterten convivencia, die Spanien nicht als Chance zu nutzen wusste.
3.4 María ­ Die Heldin
Boullosa verarbeitet in ihrer Protagonistin eine historische weibliche Figur, die laut
den Aufzeichnungen von Marco Antonio Arroyo ,,Relación del progreso de la arma-
23

da de la Santa Liga" von 1576 in der Seeschlacht von Lepanto 1571 mitkämpfte. In
dieser Schlacht bekriegten sich die Santa Liga, ein Bund des Papstes und der
christlichen Königreiche Venezien und Spanien, mit dem mächtigen Osmanischen
Reich in der Meerenge von Lepanto. Den Christen gelang der bedeutende histori-
sche Sieg unter dem Kommando von Don Juan de Austria (vgl. Beeching 1983:
299ff und Bernecker 2011: 31). Boullosa lässt sich von der kurzen Erwähnung einer
ungewöhnlichen Begebenheit in der Berichterstattung dieser Schlacht inspirieren,
so heißt es: ,,María, llamada la bailaora, que desnudándose del hábito y natural te-
mor femenino, peleó con un arcabuz con tanto esfuerzo y destreza que a muchos
turcos costó la vida [...]" (Arroyo 1576, zit. n. CB: 11). Don Juan de Austria war sich
jedoch (anders als im Roman geschildert) darüber bewusst, eine Frau in Männer-
kleidung an Bord zu haben (vgl. Beeching 1983: 312). Wie auch María im Roman,
kommt ihr in der historischen Berichterstattung eine tragende Rolle in der Eroberung
der Sultana, des Flaggschiffes der Gegner, zu: ,,María la Bailadora schwang sich
hurtig über die Reling, einige behaupteten als erste, und enterte das Deck der Sul-
tana, wo sie einen Türken, der sich auf sie stürzen wollte, mit einem Schwertstreich
niedermachte" (Beeching 1983: 312). Der Grund für ihre Involvierung in den Kampf
war der gleiche, der auch die Romanfigur auf das Schiff treibt; ,,[...] sie kämpfte aus
Liebe, aber auch aus Rache" (Beeching 1983: 312).
Die spätere Heldin wird anfangs unterschätzt. Yusuf hat Vorbehalte, als er damit
beauftragt wird, María im Schwertkampf auszubilden: ,,[E]spada con mujer no es
una cosa buena" (CB: 110). Die Beherrschung des Schwertes ist für ihn männlich
konnotiert, Frauen, das schwache Geschlecht, sind für diese Tätigkeit nicht ge-
macht. Nur widerwillig fügt er sich Farags Auftrag und beginnt sie zu trainieren, al-
lerdings ist er von ihrem Talent schon bald überrascht: ,,Pelea como un picaflor, [...],
ágil, fuerte, inteligente, concentrada" (CB: 130). Sie beherrscht das Kämpfen bald
ebenso gut wie das Tanzen. Im Zusammenhang mit Marías Kampfstil wählt Boullo-
sa oft Wörter aus dem Umfeld des Tanzes; María lässt ihr Schwert ,tanzen` (vgl. CB:
130). So dient der Tanz wie das Schwert zur Entschärfung gefährlicher Situationen.
Als María von Arnaut Mami gefangengenommen wird, zückt sie ihre ,Waffe`, beginnt
zu tanzen und verdient sich so die Bewunderung ihres neuen Herrn. Als sie heraus-
gefordert wird, geht ihr Tanz unmittelbar in Kampf über: ,,María no ha dejado de
bailar ahora que guerrera" (CB: 204). In der Schilderung der Schlacht von Lepanto
lässt sich diese Parallele erneut finden: ,,De esta misma manera bailó Lepanto, su
bailar quedó poseído por el fragor bestial de la batalla" (CB: 377). Ihr Tanz ist je-
doch nicht spielerisch, sondern tödlich und äußerst brutal. Bereits die Inschrift ihres
24

Schwertes warnt den Widersacher: ,,`Quien toque el filo de mi espada, tocará la
puerta de la muerte'" (CB: 155). Als Personifizierung des Todes (,,ella fue la Muerte"
(CB: 378)) bringt sie mehr als vierzig Türken um. Man gibt ihr den Namen ,,[l]a Fiera
[...] un mecanismo de furia, no cejó, nada la detuvo, voló llevando muerte" (CB:
377). Ihr Schwert wird nicht mehr zur Verteidigung eingesetzt, sondern zum Angriff.
Leichtfüßig, geschmeidig und kraftvoll kämpft María wie sie tanzt und vereint in sich
das männliche Ideal des Helden mit dem weiblichen der Schönheit. Sie entkommt
also den klassischen Gender-Stereotypen und entwirft sich eine neue Identität, in
der männliche und weibliche Eigenschaften koexistieren, ohne dass das eine das
andere verdeckt oder annulliert. Sie wird allerdings nicht zu einer geschlechtlosen
,,personaje (ni hombre ni mujer) limítrofe [...]" (Pfeiffer 1995: 47), wie etwa die Pro-
tagonistin von Boullosas früherem Roman Duerme. María weist einige Parallelen zu
dessen Protagonistin Ella auf, die sich ebenfalls als Mann kleidet und mit dem
Schwert kämpft. Während diese jedoch ihr Blut gegen Wasser eintauscht und
dadurch unsterblich wird (vgl. Pfeiffer 1995: 47), bleibt María ganz Mensch und
Frau. Sie muss allerdings lernen, ihre Weiblichkeit zu unterdrücken, um in der Män-
nerwelt ernstgenommen zu werden. Als sie kurz nach ihrer Ankunft bei Yusuf ihre
erste Menstruation bemerkt, wird diese verheimlicht. Ein Ereignis, das in vielen Kul-
turen zelebriert wird, da es den Übergang von der Kindheit zum Frausein markiert,
wird vertuscht, da sie in der Rolle der Schwertkämpferin auf ihre Weiblichkeit ver-
zichten muss, um keine Angriffsfläche zu bieten: ,,Si iba a usar la espada, debía
permanecer como una sin-sangre" (CB: 113). Nach ihrem heldenhaften Auftritt in
Lepanto, während die Mitsoldaten feiern, realisiert sie völlig erschöpft, dass sie un-
vorbereitet bald ihre Periode bekommen wird (vgl. CB: 378). In einer Situation und
an einem Ort, wo es unpassender nicht sein kann, sieht sie sich mit der Natur ihres
Körpers konfrontiert, der noch als Frau funktioniert.
Als Baltazar sie in der Schlacht von Lepanto erkennt, ruft er aus: ,,`¡María!, ¡a mí no
me engañas, bailaora, María la bailaora!'" (CB: 341). Der Ausruf ihres Namens, der
ihre wahre Identität enthüllt, lähmt sie schlagartig; ihr Kampfgeist und ihr Schwert
sinken. Vor aller Augen zerreißt er ihr Oberhemd und entblößt ihre Brüste. Dadurch
demaskiert er sie öffentlich und degradiert sie. In diesem Moment entgleitet ihr ihre
mühsam erkämpfte, gleichberechtigte Stellung. In ihrer Anstrengung, Konventionen
zu sprengen und sich als Frau mutig und gefährlich zu beweisen, wird sie gedemü-
tigt.
María ist nicht die einzige weibliche Romanfigur, die zu den Waffen greift. Bereits im
Kapitel Menos-uno wird die Belagerung und Verteidigung der Gebirgsstadt Galera
25

beschrieben, in der viele Moriscos Zuflucht vor der gewaltsamen Verfolgung der
Christen gefunden hatten. Im Winter 1570 zieht Don Juan de Austria, der spätere
Gewinner der Schlacht von Lepanto, in die Alpujarras, um die letzte Bastion der
aufständischen Moriscos zu zerstören (vgl. Beeching 1983: 146f). Eine Besonder-
heit dieser Schlacht sind ,,[...] die langhaarigen Freiwilligen des Frauenbataillons"
(Beeching 1983: 146), die den Angreifern Widerstand leisten. Carmen Boullosa
greift diese historische Besonderheit auf, indem sie Zaida, Marías Adoptivschwes-
ter, und deren Familie und Freunde, in diesem Kampf auftreten lässt.
Im Roman ist Zaida die einzige Überlebende in einer Stadt, die mehrheitlich von
Frauen verteidigt wird (vgl. CB: 26). Boullosa übernimmt den Hergang der Schlacht
recht detailgenau in Bezug auf Dauer und militärische Einzelheiten, ersetzt die 3000
Mann, die Galera verteidigten (vgl. Beeching 1983: 146), jedoch durch ,,tres mil gue-
rreras" (CB: 26). Die heldenhafte Rolle der Frauen, die sich mit dem Schwert gegen
die spanischen Angreifer wehren, ist somit wesentlich zentraler als die Partizipation
der ,,Weiber des dokumentierten Amazonenbataillons, [...] [das] den Angreifern bis
zuletzt Flüche entgegen [brüllte] und [...] von den Dächern Steine herab [warf]" (Be-
eching 1983: 149). Obwohl Juan de Austria die königliche Anweisung bekam, er-
barmungslos alle Insassen Galeras zu töten, verschonte er in Wahrheit 4200 Frau-
en und Kinder (vgl. Beeching 1983: 150).
Die Verschärfung der historischen Realität trägt dazu bei, Zaidas Rolle als einzige
Überlebende zu stärken und eine Parallele zwischen den Frauen Zaida und María
herzustellen. Beide Frauen kämpfen auf oder in einer Galera, eine gegen Don Juan
de Austria, die andere an seiner Seite. Frauen, die sich einst schwesterlich verbun-
den fühlten und sich durch einen Schwur aneinander banden, kämpfen nun gegen-
einander. Ihre Motive sind aber unterschiedlich: Zaida führt einen ideologischen und
existenziellen Kampf, in dem es um ,,una territorialidad e identidad muy precisas"
(Prats Fons o.J.: 6) geht, während María, heimatlos und ohne enge familiäre Bin-
dung, ihrer letzten Vertrauensperson folgt und diese ohne Rücksicht auf deren
christliche Ideologie und Religion verteidigt. Durch Marías Verrat an den Moriscos
erscheint sie einmal mehr als eine Person, die mitläuft und sich treiben lässt, anstatt
eine eigene Position zu vertreten. Den Leser verwirrt ihre Entscheidung, sich auf die
Seite des ,Feindes` der Moriscos zu schlagen. María distanziert sich nicht nur von
ihrer Mission, sondern attackiert den Freund, fällt ihm in den Rücken und vernichtet
ihn. Soziale Gruppen versehen Menschen, Dinge, Begebenheiten mit Bedeutungen,
anhand derer sie diese in ein klassifikatorisches System einordnen (vgl. Douglas
1969) ­ gut/böse, wahr/falsch, islamisch/christlich. Dieses System hilft Entschei-
dungen für bzw. gegen einen der Pole zu treffen und sein Handeln dementspre-
26

chend anzupassen. María scheitert an dieser binären Zuordnung. Den Moriscos
gegenüber ist sie verpflichtet, ihre Mission auszuführen, sie ist aber ebenso in einen
christlichen Kapitän verliebt. So springt sie zwischen den Kategorien und erstarrt,
als ihr der Ausruf Baltazars schlagartig bewusst macht, dass sie nicht beiden ge-
recht werden kann: ,,María la bailaora no se comportó como correspondería a una
gitana granadina, la amiga de los Moriscos [...]" (CB: 370).
Doch im Falle Marías ist es berechtigt zu fragen: ,,¿[C]ontra quién puede luchar legí-
timamente un cuerpo atravesado por las comunidades gitana, Morisca y cristiana
[...]?" (Prats Fons o.J.: 6). Als ,,personaje transcultural" (Pfeiffer 1995: 47), für wen
außer sich selbst kann sie sich denn entscheiden?
Marías Situation gleicht den Mestizas der Kolonien. Ausgestoßen von ihrem Hei-
matland und ohne neue Heimat bleibt sie eine ewig Reisende, die keine Akzeptanz
findet.
As a mestiza I have no country, my homeland cast me out; yet all coun-
tries are mine because I am every woman's sister or potential lover. [...] I
am cultureless [...] yet I am cultured because I am participating in the
creation of yet another culture, a new story to explain the world and our
participation in it, a new value system with images and symbols that
connect us to each other and to the planet. (Anzaldúa 1987: 80f)
Ihr bleibt nichts anderes übrig, als ihre eigene Kultur und ihr persönliches Wertesys-
tem zu schaffen. In diesem System sieht sie Jerónimo losgelöst von seiner Religion
und hierarchischen Stellung. Sie löst sich von einer dualistischen Betrachtungswei-
se und wendet sich einer pluralistischen Sicht zu, welche die Gleichheit der Men-
schen betont. Gloria Anzaldúa sieht darin den Fortschritt: ,,[T]he future will belong to
the mestiza. Because the future depends on the breaking down of paradigms, it
depends on the straddling of two or more cultures" (Anzaldúa 1987: 80). In dieser
Forderung liegt allerdings die Gefahr, dass anstatt altes Dichotomie-Denken abzu-
schaffen, letztlich nur die Hierarchieverhältnisse umgekehrt werden. Sich dieser
Gefahr bewusst nennt Homi K. Bhabha daher als Bedingung für die Kreierung einer
Kultur, die Differenzen zulässt, ,,[a] basis of a non-sovereign notion of self" (Ru-
therford 1990: 212). Es geht also nicht darum, alte autonome Identitäten gegen
neue kulturelle Identitäten in Form von Klassen auszutauschen. Sondern ,,[i]t is only
by losing the sovereignty of the self that you can gain the freedom of a politics that
is open to the non-assimilationist claims of cultural difference" (Rutherford 1990:
213).
27

4 P
LURALITÄT ALS ETHISCHER UND POLITISCHER
W
ERT
11
In wie weit die polymorphe und transhumane Persönlichkeit Marías, die im Laufe
des Romans in die unterschiedlichsten Rollen schlüpft und in den gegensätzlichsten
Orten lebt (vgl. Prats Fons o.J.: 6), als Antwort auf die gesellschaftlichen Herausfor-
derungen ihrer Zeit gedeutet werden kann, soll im folgenden diskutiert werden. Da
Multikulturalität stärker denn je westliche Gesellschaften prägt, soll ihre Persönlich-
keit allerdings nicht nur historisch, sondern auch generell als Gegenentwurf zu ho-
mogenen Gesellschaftsbildern betrachtet werden.
4.1 Wie Reinheitsideologien das Chaos ordnen
Wesentlich für die Formierung und Bewahrung der eigenen Identität, ist die Ausei-
nandersetzung mit anderen, fremden Elementen oder Eigenschaften. Durch den Akt
der Differenzierung bildet sich die eigene Identität klarer und schärfer heraus (vgl.
Todorov 1993: 330). Je enger die Grenzen gezogen werden, desto größer ist die
Anzahl der Dinge, die außen vor bleiben. Um die Vielzahl der Informationen und
Bedeutungen um ihn herum zu verarbeiten, entwickelt der Mensch ein Ordnungs-
system, das seine Mitmenschen, Gegenstände und Ereignisse typisiert. Durch das
Zurückgreifen auf diese Schemata schafft sich der Mensch ein Bild von einer ande-
ren Person oder einer Situation. Stuart Hall, Mitbegründer der Cultural Studies, be-
zieht sich in seinen Ausführungen über Stereotypen auf die Definition Richard
Dyers
12
(vgl. Hall 2008: 143). Dieser charakterisiert Stereotypen in drei Punkten:
1. ,,Stereotypisierung reduziert, essentialisiert, naturalisiert und fixiert ,Differenz`"
(Hall 2008: 144). Die Figur der María wird im Kloster auf ihre Eigenschaft als Zigeu-
nerin, die nichts taugt, reduziert. Die ihr entgegengebrachten Vorurteile sprechen ihr
jegliche Möglichkeit ab, sich zu entwickeln und das Gegenteil zu beweisen. In dem
Sinne bleibt sie die nutzlose Zigeunerin. Jerónimo speichert Marías Schönheit als la
bailaora, lehnt den Pincel hingegen ab, da er konträr zu seinem Frauen- und Zigeu-
nerinnenbild handelt. 2. ,,Ein weiteres Kennzeichen von Stereotypen ist [...] ihre Pra-
xis der ,Schließung` und des Ausschlusses. Sie schreibt symbolisch Grenzen fest,
und schließt alles aus, was nicht dazugehört" (Hall 2008: 144). Marías Fixierung auf
die Eigenschaft der Frau verbietet es ihr zu kämpfen, denn das Stereotyp Frau
kämpft nicht. Sie ist somit von der Männerwelt ausgeschlossen. Ähnliches gilt für
die Reaktion der Hofmusiker, welche die Zigeuner als ungebildet und daher qualita-
11
Die Überschrift ist Wolfgang Welschs Titel Postmoderne ­ Pluralität als ethischer und
politscher Wert (s. Bibliographie) entnommen.
12
Dyer, Richard (1977): Gays and Film. London.
28

tiv schlechter und rangniedriger einordnen. Umso überraschter ist die Reaktion ihres
Umfeldes, als sie sich eingestehen müssen, dass María in beiden Fällen die Grenze
überschreitet und mehr Ähnlichkeiten als Differenzen erkennen lässt.
3. ,,Stereotypisierung [tritt] vor allem dort in Erscheinung, wo es große Ungleichhei-
ten in der Machtverteilung gibt" (Hall 2008: 144). Die Stigmatisierung und Fixierung
der Minderheiten auf Stereotypen diente der Machtdemonstration der spanischen
religiösen und politischen Führer, um das Gegenüber einzuschüchtern und in seine
Schranken zu weisen. Die Praxis der Ausgrenzung ist letztlich Selbstverteidigung,
da das Differente als Bedrohung wahrgenommen wird und die übergeordnete Grup-
pe so die Gefahr einer Rebellion von unten bannen will.
Menschliches Zusammenleben funktioniert gemäß dieser Weltanschauung, wenn
es auf einem einheitlichen Ordnungssystem beruht, das niemand in Frage stellt.
Dieses weist jedem Teilnehmer des Gefüges einen bestimmten Platz zu, den er
widerstandslos akzeptiert und einnimmt. Eine Person, die ständig die Kategorien
wechselt und ihren Platz verlässt, gilt als Bedrohung und überfordert das System:
Stabile Kulturen sind darauf angewiesen, dass Dinge an ihrem zugewie-
senen Platz bleiben. Symbolische Grenzen sorgen für die ,Reinheit` der
Kategorien und geben Kulturen so ihre einmalige Bedeutung und Identi-
tät. Ein deplazierter [sic!] Gegenstand stellt einen Angriff auf diese un-
geschriebenen Regeln und Kodes dar. (Hall 2008: 119)
María wirkt in jeder ihrer Stationen deplatziert: In Granada lehnt man sie ab, da sie
nicht zum neu erklärten christlichen Stadtbild passt. Im Kloster, bei Menschen, die
mitverantwortlich für das Schicksal ihres Vaters sind, wird ihr eine Ausbildung ver-
sagt und sie lebt ohne Aufgabe vor sich hin. Unter den Morisken fühlt sie sich ak-
zeptiert, bekommt aber durch ihren Auftrag eine andere Rolle als ihre Freundinnen.
Während jene in Granada zurückbleiben, ,,ella comenzaría una aventura de la que
no tenía ni idea cómo saldría librada" (CB: 157). In Neapel fragt sich der Leser, was
sie in Jerónimos Palast macht und warum sie sich als hübsches Schmuckstück ihre
Freiheit nehmen lässt. In Männerkleidung fühlt sie sich selbst unwohl und hadert mit
ihrem Schicksal (vgl. CB: 307). Nach der Schlacht von Lepanto zweifelt sie an sich
selbst und an den Motiven für den Verrat an ihren Freunden.
María symbolisiert als unreine Zigeunerin ohne klare Abstammung ,,the recalcitrant
other, both despised and celebrated for their indifference to the well-being and laws
of the nation" (Charnon-Deutsch 2004: 20). Sie wird nicht als Individuum wahrge-
nommen, sondern als stereotypische Zigeunerin, als ein Zeichen der Primitivität und
Irrationalität, welche sich nicht den allgemeinen gesellschaftlichen Gepflogenheiten
anpasst. Ohne sich jemals politisch geäußert zu haben, wird sie zur Staatsfeindin
29

erklärt, welche die mühsam gewonnene gemeinsame Identität der christlichen Spa-
nier durch ihren alternativen Lebensstil bedroht (vgl. Charnon-Deutsch 2004: 241).
Der Entwurf eines spanischen Stereotyps, dessen ,,distinctive national identity was
Moorish" (Fuchs 2009: 119), zeigt die Notwendigkeit der europäischen Staaten, sich
von der Andersartigkeit Spaniens abzugrenzen. In gleichem Maße schotteten sich
auch die Christen in ihrem Versuch, eine nationale (R)einheit zu schaffen, ab. Homi
K. Bhabha, eine der zentralen Figuren postkolonialer Theorien, definiert: ,,The [...]
stereotype gives access to an ,identity` which is predicated as much on mastery and
pleasure as it is on anxiety and defence [...]" (Bhabha 1994: 75). Diesen ,,zwei-
schneidige[n] Charakter der ,Differenz`" (Hall 2008: 122) betont auch Stuart Hall,
Mitbegründer der Cultural Studies, in seinen Ausführungen:
Differenz kenntlich zu machen, führt uns symbolisch gesehen dazu, die
Reihen zu schließen, die Kultur abzuschotten und alles, was als unrein
oder anormal definiert wird, zu stigmatisieren und auszugrenzen. (Hall
2008: 120)
Spanien, eine Nation, die sich geographisch und politisch nach der Reconquista im
16. Jahrhundert neu formierte, suchte nach einheitlichen Kategorien und symboli-
schen Grenzen, um sich eine eigene Identität zu geben. Dabei spielte die Frage der
Ethnizität eine entscheidende Rolle, denn die Vorstellung der Überlegenheit der
christlichen Religion und weißen Rasse legitimierte die Unterdrückung aller abwei-
chenden Ideologien und Rassen (vgl. Charnon-Deutsch 2004: 10f). Der Wunsch,
einen homogenen Staat zu schaffen, beruhte auf der gemeinsamen Wahrnehmung
eines unsauberen, uneinheitlichen Zustandes, der im Unterschied zu einem reinen
Urzustand als ungemütlich und chaotisch empfunden wurde. Das vorhandene Cha-
os bedurfte einer Neuordnung, die durch die Reinigung (oder Konvertierung), Tren-
nung und Bestrafung von Fremdkörpern erreicht wurde (vgl. Douglas 1969: 4). Der
Reinheitsmythos, der daran festhält, dass Zivilisationen ursprünglich rein waren,
bevor sie sich vermischten (vgl. Todorov 1993: 341), forderte eine Rückkehr zu die-
sem Urzustand. Obwohl es zweifelhaft ist, dass dieser Zustand vorteilhafter wäre,
idealisieren viele Kulturen ihre Vergangenheit und beschreiben sie ,,as a moment of
plenitude and harmony" (Todorov 1993: 267). Das gegenwärtige Chaos, das sie
umgibt, empfinden sie als Disharmonie, die es zu überwinden gilt.
Mary Douglas betont diesen Ordnungstrieb folgendermaßen: ,,In chasing dirt [...] we
are not governed by anxiety to escape disease, but are positively re-ordering our
environment, making it conform to an idea. [...] [R]ituals of purity and impurity create
unity in experience" (Douglas 1969: 2). Die Idee eines ,reinen` römisch-katholischen
30

Nationalstaates, frei von den ,schmutzigen` Spuren der 700-jährigen muslimischen
Herrschaft, sollte den Gemeinschaftssinn des spanischen Volkes stärken (vgl.
Charnon-Deutsch 2004: 222). Das aktive Schaffen und Bewerten von Kategorien
wie ,christlich` oder ,muslimisch` dient im Sinne der Definition eines Stereotyps der
Komplexitätsreduktion und der anhaltenden Fixierung auf ein einordbares Bild des
Anderen. Gleichzeitig demonstrieren die Kategorien jedoch auch den gezwungenen
Charakter dieser Politik. Denn oft lassen sich Bräuche und Gewohnheiten schlecht
in diese Kategorien einordnen, da sie schon als alltäglich und lokal angesehen wur-
den (vgl. Kapitel 3). Je strenger die Grenzen gezogen werden, die ,rein` und ,unrein`
voneinander trennen, desto mehr Widersprüche treten auf (vgl. Douglas 1969: 163).
Konsequent wäre es, Minderheiten und ihr Gut gänzlich abzulehnen, doch die exoti-
sche Anziehungskraft des Fremden und der Stolz auf das kulturelle Erbe der islami-
schen Herrschaft erzeugen eine heuchlerische Auseinandersetzung mit ihnen.
Douglas spricht von zwei Phasen, die Gegenstände durchlaufen, bis sie als un-
brauchbar und für Abfall erklärt werden. Zu Beginn besitzen Dinge noch ihre Identi-
tät, da sie beispielsweise als ehemalige Verpackung oder als ausgefallenes
menschliches Haar erkannt werden. Da sie jedoch losgelöst von ihrem Ursprung
keine Funktion mehr erfüllen, werden sie als deplatziert und störend empfunden, mit
der Konsequenz, dass sie beseitigt werden. Douglas beschreibt diesen Zustand als
,,dangerous; their half-identity still clings to them and the clarity of the scene in which
they obtrude is impaired by their presence" (Douglas 1969: 160). Zu Abfall erklärt,
treten die Störenfriede in die zweite Phase, wo sie langsam verrotten und zerfallen,
bis jegliche Identität und jeglicher Ursprung verloren gehen, denn ,,[s]o long as iden-
tity is absent, rubbish is not dangerous" (Douglas 1969: 160).
Dieser Prozess kann abstrahiert auf die Behandlung der Minderheiten angewandt
werden. Es reichte nicht aus, sie für unbrauchbar und deplatziert zu erklären und an
den Rande der Gesellschaft zu schieben; ihre bloße Anwesenheit erinnerte fortwäh-
rend an die Rolle, die sie im Land gespielt hatten und barg eine gewisse Gefahr.
,,[A]s diseased members of a body that should be if not amputated at least quaran-
tined" (Charnon-Deutsch 2004: 11), wurden den Zigeunern als öffentliche Brand-
markung die Ohren und Nasen abgeschnitten und die Moriscos des Landes verwie-
sen. Das einzige Mittel, um sich von den gefährlichen Zeugen einer anderen Zeit zu
befreien, war es sie zu vertreiben, zu entstellen oder gänzlich zu vernichten. Nur so
konnten Ordnung und Normalität sichergestellt werden (vgl. Hall 2008: 119).
31

4.2 Hybridität als Leitmodell der Vielfalt
13
Anstatt das differente Andere wie früher als abzulehnende Konkurrenz
oder fremdartige Bedrohung anzusehen, ermöglicht Differenz nun das
neue Ideal der endlosen Pluralisierung und Grenzüberschreitung kultu-
reller Sphären. (Ha 2005: 59)
Reinheitsideologien haben zu allen Zeiten der Menschheitsgeschichte zu Genozi-
den, grausamen Verbrechen und Missachtungen der Menschenwürde geführt. Exo-
ten, die vom Mainstream abweichen, galten lange Zeit als unrein und unterlegen.
Das Einheitsgefühl gewährte Sicherheit und wehrte sich gegen Veränderungen,
denn ,,[p]urity is the enemy of change, ambiguity and compromise" (Douglas 1969:
162).
Als Zigeunerin unter Christen ist María verdächtig und wird als ,anders` abgelehnt.
María muss sich in einer chaotischen, gewaltbereiten Welt zurechtfinden, die sie
ausgrenzt und fest als Außenseiter verortet. Boullosa kehrt in ihrem Roman die Rol-
lenverhältnisse um und erzählt aus genau dieser Sicht des ,Anderen`, der Diskrimi-
nierten, der Unreinen und zugleich Gefeierten. Sie wählt eine Repräsentantin der
Minderheit als Protagonistin und rückt sie vom Rande der Gesellschaft in das Zent-
rum ihrer Handlung. Der Andere ist nun nicht mehr der verfolgte Morisco oder die
umhergeschobene Zigeunerin, sondern der Christ, der spanische Soldat, die Non-
ne, deren (Un-)Taten beurteilt werden (vgl. Rangel 2010: 124). Der Leser erfährt
mehr über die Perspektive des Publikumslieblings, weniger über die Sicht des Pub-
likums.
Als Schauplatz für die Auseinandersetzung mit gegensätzlichen Ideologien und Le-
bensweisen wählt Boullosa ein historisches Geschehen. Die geschilderten kriegeri-
schen Auseinandersetzungen rufen aber auch aktuelle Bilder der religiös motivier-
ten terroristischen Anschläge vom 11. September 2001 und der Madrider Anschläge
vom 11. März 2003 ins Gedächtnis. Boullosa sagt selber über die Aktualität ihres
Romans: ,,[N]o busco en la historia necesariamente algo que ya pasó, busco algo
que está pasando [...]" (Varela 2005). Ihr eigenes multikulturelles Umfeld, das sie in
New York als Immigrantin erlebt, ähnelt dem Bild Spaniens fünf Jahrhunderte zuvor:
,,[Y]o pongo un píe afuera de casa y me encuentro a las mujeres vestidas con burka
y la mezquita más grande de este continente me queda aquí a media cuadra [
]"
(Varela 2005). Boullosa beschreibt dieses enge Zusammenleben der unterschiedli-
chen Kulturen als tägliche Grenzerfahrung, die Anlass zum Denken und Handeln
gibt (vgl. Varela 2005).
13
(Zachary 2000: 424)
32

Marías Identität wird im Rahmen dieser Arbeit oft als hybrid bezeichnet. Im Folgen-
den soll gezeigt werden, was der Begriff der Hybridität beinhaltet und welche Vor-
und Nachteile dieses Modell mit sich bringt. Nachdem dem Begriff Hybridität lange
Zeit ein negatives Image der Unreinheit und Unterlegenheit anhaftete (vgl. Jain
2004: 4), wandelt er sich in aktuellen Diskursen zu ,,einem faszinierenden catch
word mit einem produktiven Image" (Ha 2005: 14). Doch was genau beschreibt die-
ser Terminus? Kien Nghi Ha definiert Hybridität als die Kombination oder Mischung
,,mindestens zwei verschiedene[r], vormals voneinander getrennte[r] Systeme [...],
die dann ein neues, in sich differenziertes Ganzes ergeben" (Ha 2005: 40). Nach
Homi K. Bhabhas Verständnis beschreibt Hybridität keinen Mischzustand, der sich
aus zwei originalen Sichtweisen zusammensetzt, vielmehr entsteht ein ,,Third
Space", der neue Formen und Positionen zulässt. Der ,,Third Space" steht nicht für
eine neu geschaffene Identität im Sinne einer Identifikation mit etwas Anderem,
sondern ,,hybridity puts together the traces of certain other meanings or discourses"
und bewirkt eine konstante Verhandlung neuer Sichtweisen und Bedeutungen (Ru-
therford 1990: 211). María befindet sich in dieser Position. Immer wieder muss sie
aufs Neue verhandeln, wer sie ist.
Als Zigeunerin, Morisca und Christin zugleich lässt María sich nicht in die gängigen
Kategorien ,rein` und ,unrein`, ,eigen` und ,fremd`, ,muslimisch` und ,christlich` ein-
ordnen. Mit der gleichen Leidenschaft, mit der sie den Auftrag der Moriscos mit ih-
rem Leben verteidigt, kämpft sie auf Seiten der Christen in der Schlacht von Lepan-
to. Ihre Identität bleibt demnach offen und lässt keine absoluten Wahrheiten über
sich zu (vgl. Rangel 2010: 124). So gelingt es ihr, sich in fremden kulturellen Kon-
texten immer wieder neu zu verorten. Diese ,,,radikale Pluralität`" (Welsch 1988: 23),
die María verkörpert, gilt als wesentliches Merkmal der Postmoderne, einer Strö-
mung, die auch den Begriff der Hybridität neu für sich entdeckt. Abgeschreckt durch
die zerstörerische Gewalt und den Hass eines Einheitsdenkens, die in wiederholter
Form europäische Staaten bestimmt haben, orientiert sich die Postmoderne ,,weg
vom Einheitsprojektil hin zur Vielheitsakzeptanz" (Welsch 1988: 40). Für Bhabha
und Hall ist die Hybridität und nicht das Erreichen eines reinen Urzustandes die
Normalität (vgl. Mertz-Baumgartner 2004: 345). Daraus folgt, dass ,,1. jede individu-
elle und kollektive Identität [...] per se hybrid [ist]" und ,,2. Konflikte [...] durch den
Versuch, Identität als naturgegeben einheitlich darzustellen, [entstehen] [...]" (Mertz-
Baumgartner 2004: 346). María verkörpert demnach den Normalzustand und unter
dem Einheitszwang ist es natürlich, dass sie in einen Konflikt gerät.
Jean-François Lyotard, der bedeutendste Theoretiker der Postmoderne, nennt als
weiteres Kennzeichnen den ,,Abschied der Meta-Erzählungen". Es existiert in der
33

Postmoderne keine einheitliche Idee, die das Denken und Handeln einer Generation
maßgeblich prägt, wie es etwa Religionen, die Emanzipation oder der Marxismus
getan haben (vgl. Welsch 1988: 39). So übernimmt auch María keine der Religionen
und Lebensweisen, mit denen sie konfrontiert wird, mit Überzeugung. Sie sagt sich
los von den großen Meta-Erzählungen ihrer Zeit, dem Christentum oder Islam, die
ihr Handeln rechtfertigen oder verurteilen würden, und verschreibt sich ,,einer neuen
Meta-Narration im Namen der Unreinheit und Vermischung" (Ha 2005: 64).
Wolfgang Welsch definiert die Postmoderne als eine Konfrontation ,,mit einer zu-
nehmenden Vielfalt unterschiedlichster Lebensformen, Wissenskonzeptionen und
Orientierungsweisen [...]" (Welsch 1988: 23). Wie sieht nun eine angemessene Re-
aktion auf diese pluralistische Umwelt aus? Welsch führt dazu den Begriff der
,,Transversalität" ein und bezeichnet damit die Kompetenz, zwischen unterschiedli-
chen Positionen zu wechseln und Dinge aus einer anderen Perspektive zu betrach-
ten. Diese Fähigkeit ermöglicht eine ,,leichtere, beweglichere Lebensart [...], die fä-
hig ist, ohne letzten Boden zu operieren und hochgradig unterschiedliche Ansprü-
che [...] verbinde[t]" (Welsch 1988: 66). María entspricht diesem transversalen Cha-
rakter, der keinen Widerspruch darin sieht, zwischen fundamentalen Gegensätzen
oder männlichen und weiblichen Rollenbildern zu wechseln. Das Leichte und Be-
wegliche ihrer Lebensart drückt sich besonders in ihrem Tanz aus: ,,María, ay, baila,
que pareces volar al bailar y que al bailar echas anclas, al bailar pones raíz; al bai-
lar te lleva el viento" (CB: 33).
Die Postmoderne dreht den Spieß um: Es existiert nun kein Ideal der Reinheit mehr,
sondern gerade das Unreine wird gepriesen. Früher wurden räumliche Grenzen
gezogen, um die Homogenität eines Territoriums zu bewahren. Städte und Länder
schirmten sich gegen das Fremde und Bedrohliche ab, indem sie zu Mitteln der
Ghettoisierung oder Vertreibung griffen. In einer globalisierten Welt ist es immer
schwieriger, diese Schutzräume aufrechtzuerhalten, da Waren, Menschen und In-
formationen mobiler geworden sind. Daher verlagern sich diese Grenzen ins Innere
und das Individuum schirmt sich durch xenophobische und rassistische Einstellun-
gen gegen seine Umwelt ab (vgl. Peñalva Vélez 2004: 136). Im Zeitalter der Globa-
lisierung sind Identitäten nicht mehr an einen Ort gebunden. Mobile Identitäten ha-
ben fixe Identitäten abgelöst, denn ,,[l]a identidad ya no tiene una localización geo-
gráfica concreta" (Peñalva Vélez 2004: 136).
Andersartigkeit wird im postmodernen Denken geschätzt, ,,weil es erstens die heuti-
ge Signatur von Kreativität darstellt und zweitens das Potential zur sozialen (vertika-
len) und kulturellen (horizontalen) Mobilität hat" (Ha 2005: 59). María gelingt der
soziale Aufstieg in das Haus eines Adligen und sie beweist ihre interkulturellen
34

Kompetenzen, indem sie sich schnell an die neue kulturelle Spielregeln unter Chris-
ten, Moriscos und Barbaresken gewöhnt. Die Fähigkeit, sich in neuen sozialen oder
kulturellen Umgebungen zurecht zu finden, schafft große Vorteile, schreibt Pascal
Zachary, Redakteur des Wall Street Journal. Den Einheitsgesellschaften prophezeit
er den wirtschaftlichen Abstieg. Eine Kultur der Vermischung und Vielfalt hingegen
steigere die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit eines Staates und damit den Fort-
bestand der Nation (vgl. Zachary 2000: 161, 207). Zachary weist darauf hin, dass
Völker und Staaten zu allen Zeiten das Potential hatten, kulturelle Differenzen nicht
als Bedrohung, sondern als Chance zu begreifen. Letztlich entscheide aber der in-
dividuelle Umgang eines Landes mit ethnischen Konflikten, ob es versteht diese
Chance positiv als Antrieb zu nutzen oder ob es daran zerbricht. Die Ursache für ein
Scheitern sieht Zachary allerdings nicht in der Unüberbrückbarkeit ethnischer Diffe-
renzen, sondern in anderen Bedrohungen wie Arbeitslosigkeit, Armut oder Hunger
(vgl. Zachary 2000: 422). Sein Credo lautet daher: ,,Seien wir alles, was wir können,
selbst wenn es eine andere Rasse, eine andere Religion, eine andere Weltan-
schauung oder eine andere Farbe beinhaltet" (Zachary 2000: 421). Boullosas Ro-
man lässt sich also als Aufforderung lesen, die Vielfalt und Unterschiede, die den
Einzelnen umgeben, als normal anzuerkennen. Völker sind keine homogenen
Gruppen, sondern ,,a multiple form of identification, waiting to be created and con-
structed" (Rutherford 1990: 220). Nur durch die Anerkennung dieser Prämisse wer-
den vereinfachte Schwarz-Weiß-Sichten vermieden, welche die Welt in Herrscher
und Beherrschte, Gewinner und Verlierer einteilen (vgl. Rutherford 1990: 220). Es
gilt das hybride Potential zu seinem Vorteil nutzen, anstatt sich von den unüber-
brückbaren Differenzen abschrecken zu lassen. Marías Persönlichkeit bleibt daher
keine rein historische Auseinandersetzung mit dem Thema der Identitätsfindung,
sondern ihre Figur birgt vor allem eine zeitgemäße Forderung.
4.3 Die Problematik des hybriden Modells
Hybridität scheint also eine Art ,,universelle Lösungsformel" zu sein, die ,,[...] dispara-
te Probleme und Dysfunktionalitäten der Gegenwart auf[zu]lösen [...]" (Ha 2005: 61)
vermag. Der Anspruch an Marías Figur ist demnach hoch. Die Konflikte zwischen
den Parteien reichen tief und prägen schon jahrhundertelang das Zusammenleben
im Mittelmeerraum. Verspricht ihr hybrider Charakter tatsächlich die Lösung für die
gegenwärtigen Probleme?
Denn Marías Pendeln zwischen den gegensätzlichen politischen und religiösen La-
gern muss auch kritisch betrachtet werden. Ihre Entscheidung, auf christlicher Seite
35

zu kämpfen, widerspricht den traumatischen Erfahrungen, die sie als Kind gemacht
hat, als sie mit ansehen muss, wie ihr Vater verstümmelt und versklavt wird. Sie
kennt die unhygienischen und harten Bedingungen, denen die Sklaven auf den Ga-
leeren ausgesetzt sind (,,[...] no podía despegar los ojos de la desesperada decena
de muertos de hambre [...]" (CB: 200)). Anstatt jedoch eine natürliche Abneigung
gegen das System und die Menschen, die es verkörpern, zu entwickeln, reiht sie
sich in die Armee der christlichen Soldaten ein. Ihr Verhalten in der antitürkischen
Atmosphäre Neapels ist unloyal. Sie bricht ihr Wort gegenüber ihren maurischen
Freunden, indem sie deren türkische Verbündete in ihren Liedern und Tänzen an-
feindet: ,,`Malditos sean los tuuurcos'. [...] `¡Que les corten las manos por putos!' [...]
`a los moros-moros-moros-moritos nos los guisamos' [
]" (CB: 139).
Marías Entscheidungen wirken daher unverbindlich und beliebig; ein Vorwurf, den
auch Kritiker gegenüber der Postmoderne äußern. Gesellschaften stützen sich nicht
mehr auf einen gemeinsamen Lebensentwurf, sondern jedes Mitglied wählt aus
einer unübersichtlichen Vielfalt an Lebensstilen seinen individuellen aus (vgl.
Welsch 1988: 26). Mit dieser Pluralität, dem Anstieg der Möglichkeiten, geht eine
,,Orientierungsunsicherheit" einher, da ,,es auf jede Frage mehrere gleichberechtigte
Antworten gibt [...]" (Welsch 1988: 27). Vor dem Hintergrund einer zerstückelten und
heterogenen spanischen Gesellschaft, die in ihrem Einheitsbestreben das Potenzial
dieser Situation verkennt, wirkt Marías Reaktion zeitgemäß. Während sich die
Mehrheit schnell auf gemeinsame christliche Grundwerte einigt, nimmt María sich
die Zeit auszuwählen, um herauszufinden, wer sie sein will. Die Mehrheit zwingt
María ihr Gedankengut, ihren Kleidungsstil, ihre Sprache, ihre Religion auf und er-
wartet eine Anpassung an ihre Sitten. Der französische Philosoph Gilles Deleuze
beschreibt diesen Assimilierungstrend folgendermaßen: ,,Die Majorität definiert sich
durch ein Modell, mit dem man konform gehen muß [...]; während eine Minorität
kein Modell hat, sie ist ein Werden, ein Prozeß" (Deleuze 1993, zit. n. Diederichsen
1995: 134)
14
. María verfügt über kein Modell, an dem sie sich konsequent orientiert.
Es wird von ihr erwartet, dass sie ihre eigene Kultur und Werteordnung der Zigeuner
aufgibt. Der Versuch sowohl den Christen, als auch den Moriscos gerecht zu wer-
den, scheitert. Selbst ihr heldenhafter Auftritt in der Schlacht von Lepanto wird in
dem Moment zunichte gemacht, wo ihre wahre weibliche Identität enthüllt wird. Ist
Marías Entscheidung, sich nicht festzulegen, legitim oder ist ihr Ausweichen ein
Zeichen für ihre Ignoranz des Ideologiekrieges, indem sie sich befindet? Kritiker
betonen den oberflächlichen Charakter des Hybridisierungstrends:
14
Deleuze, Gilles (1993): Unterhandlungen ­ 1972-1990. Frankfurt/M..
36

,,Trägt Hybridisierung nicht zu einer weiteren Privilegierung ,softer` Fra-
gen über Formen und Oberflächen bei, während ,harte` Interessenskon-
flikte, die sich mit Zugangsfragen, Entscheidungsmacht und Inhalten
auseinander setzen, nicht zur Sprache kommen?" (Ha 2005: 57)
María setzt sich an keiner Stelle mit den eigentlichen Inhalten der Religionen ausei-
nander. Sie hinterfragt die Religionen nicht kritisch, indem sie die Werte und
Grundsätze miteinander vergleicht. Im Grunde willigt sie ein, sich der jeweiligen
Kultur anzupassen, indem sie sich den Gebräuchen unterordnet. Die Moriscos ak-
zeptieren sie daher als eine der ihren. An die Stelle von Glaubensinhalten treten
religiöse und kulturelle Symbole wie das Kloster oder das Kreuz auf christlicher Sei-
te und arabische Schriftzeichen oder der Schleier auf muslimischer Seite. Versteht
man ihre Figur als Pionierin des hybriden und pluralistischen Gesellschaftsmodells,
so nimmt sie eine tolerante Grundhaltung ein, die nicht hinterfragt und sich keine
differenzierte Meinung bildet. Ihre oberflächliche Auseinandersetzung mit dem
Thema Religion, die den schwierigen, substanziellen Fragen ausweicht, wird ihr
letztlich zum Verhängnis. Obwohl sie im Auftrag von Granadas islamischen Führern
reist, kämpft sie in der Schlacht von Lepanto auf der Seite der Christen. Ihr Unver-
mögen oder Desinteresse, eine klare Position zu beziehen, wird von Seiten Zaidas
als Hochverrat gedeutet, den María mit dem Leben bezahlt. Ihre ,,anything goes"
15
-
Haltung, die sich von dem Schwur lossagt und ihren eigenen Interessen folgt, wird
ihr zum Verhängnis. Ihre Unverbindlichkeit und mangelnde Loyalität, beides Kritik-
punkte der Postmoderne, demonstrieren also die Schwächen einer hybriden ,,Lö-
sungsformel", die es letztlich nicht vermag, ihr Umfeld nachhaltig zu gewinnen.
Doch es ist nicht nur María, die oberflächlich bleibt. Auch die Christen und Moriscos
entwickeln kein echtes Interesse für Marías Kultur. An dieser Stelle soll die bereits
analysierte Oberflächlichkeit der Mainstreamkultur aus Kapitel 3.2 aufgegriffen wer-
den. Vermischungen, hybride Formen, dienen letztlich dazu, etablierte Formen auf-
zuwerten, um ihnen einen neuen exotischen Glanz zu verschaffen und sie dadurch
wertvoller und begehrenswerter zu machen. Der eigene ,,Hipnessfaktor" wird durch
den Besitz von Produkten oder Marken, die ein fremdes Image verkörpern, gestei-
gert (vgl. Ha 2005: 79). Einrichtungs- oder Kochtrends, die sich von asiatischen,
orientalischen oder afrikanischen Einflüssen inspirieren lassen, sind nur ein Beispiel
für die heutige zunehmende Ethnisierung. Die Werbung hat dies schon lange er-
15
Ein Ausruf, den der österreichische Philosoph Paul Feyerabend in seiner anarchistischen
Schrift als einziges Mittel für Fortschritt postulierte, nachdem Ideologien und Religion ihre
Bedeutung verloren haben. Feyerabend, Paul (1975): Against Method: Outline of an
Anarchistic Theory of Knowledge. London: NLB.
37

kannt und versteht es, Alltagsprodukte durch exotische Bilder oder Namen interes-
santer und ökonomisch profitabel zu machen (vgl. Featherstone 1991: 14). Um sei-
ne Exotik zu bewahren, muss der Gegenstand oder die Person in seiner Andersar-
tigkeit verharren. Dem exotischen Objekt wird keinerlei Raum für Entwicklung gege-
ben, da es dann kontraproduktiv wirkt. Je gewohnter der Umgang mit dem Objekt
ist, desto uninteressanter wird er empfunden. Deshalb muss der natürliche Prozess
der Angleichung unterdrückt werden, indem man sich distanziert und nur oberfläch-
lich mit der Kultur auseinandersetzt (vgl. Todorov 1993: 328).
Anstatt also gängige Stereotypen aufzulösen und Menschen in ihrer individuellen
und kulturellen Vielfalt anzuerkennen, werden ethnische Stereotypen durch die
Wiederholung der gleichen Merkmale gefestigt (vgl. Ha 2005: 80). Während kulturel-
le Unterschiede auf der einen Seite als in und angesagt gelten, werden rassistische
Gewalt und Diskriminierungen auf der anderen Seite verschwiegen. Diese heuchle-
rische und undifferenzierte Auseinandersetzung mit ethnischer und kultureller Viel-
falt ist nach Ha eine ,,Rekolonialisierung der gesellschaftlichen Ränder [...], da [...]
[diese] oftmals nur als migrantische Ressource, als Rohstofflager und Impulsgeber
dien[en]" (Ha 2005: 75). Es mangelt an echtem Interesse, den ,Anderen` besser zu
verstehen und die fremde Kultur nicht bloß als nettes Accessoire zum Aufpolieren
des eigenen Images zu verstehen. Sowohl die Nonnen als auch Jerónimo und die
Musiker distanzieren sich von María, trotz des deutlichen Profits, den sie aus ihr
schlagen. Marías exotische Ausstrahlung besitzt nur einen Wert, so lange sie sich
nicht verändert oder Forderungen stellt.
In hybriden Modellen spiegelt sich die Hoffnung einer ,,communication across in-
commensurable polarities [...]" (Hutnyk 2005: 86), die einen Grundstein legt, um
Feindseligkeiten zu beseitigen. Marías Anspruch ist zu fortschrittlich für ihre Zeit und
so scheitert sie letztlich an den Erwartungen ihres Umfeldes, das ihr Potenzial ver-
kennt und nicht bereit ist, sich von der binären Logik zu lösen. Ihre Hybridität erweist
sich als problematisch, denn letztlich wird von ihr verlangt, dass sie sich festlegt. Ein
interkultureller und -religiöser Dialog, der es vermag die Brücke zwischen unverein-
baren Polaritäten zu schlagen, bleibt Zukunftsmusik. Ihre Figur verdeutlicht die
schwierige Umsetzung eines solchen Ideals in der Praxis, da sie auf ein Umfeld
angewiesen ist, das ihre Vielfalt zu schätzen weiß und akzeptiert. Ihr Exotenstatus
ermüdet sie, ihr Tanz wird berechnend und ihr Lächeln unecht. Nach der Schlacht
von Lepanto wird ihr ihre Andersartigkeit bewusst. Sie dichtet sich eine neue Le-
bensgeschichte, in der ihre Liebe ein ,Happy End` erfährt und sie eine ,reine` spani-
sche Identität besitzt. So bittet sie Cervantes, anstatt ihrer wahren Lebensgeschich-
38

te eine erfundene Variante zu erzählen, die ihr eine präzise Identität gibt (vgl. CB:
414ff). Damit bringt sie ihre Sehnsucht zum Ausdruck, das Exotendasein abzulegen,
dazuzugehören und ein ,normales` Leben zu führen, indem sie den Ansprüchen der
Gesellschaft genügt. Doch ein Deus ex machina Erlebnis, wie es Cervantes Precio-
sa erlebt und welches diese aus ihrem Zigeunerumfeld in einen adligen Stand hebt,
tritt bei Boullosa nicht ein. Die Protagonistin muss ihre Deplatzierung mit dem Leben
bezahlen. Sie stößt an die Grenzen ihrer Hybridität, da sie letztlich abhängig bleibt
von der Gesellschaft, in der sie lebt.
5 S
PANIEN HEUTE
­
EIN
A
USBLICK
Die Frage nach der nationalen Identität Spaniens ist heute nach wie vor hochaktuell.
Innerhalb der letzten zwanzig Jahre hat sich Spanien von einem ,,país de emigran-
tes a un país de inmigrantes" (Jiménez Bautista 2006: 449) entwickelt. Nach den
jahrelangen zahlreichen Auswandererströmen sieht sich Spanien selbst einem star-
ken Zuwachs an Immigranten, vorwiegend aus afrikanischen und lateinamerikani-
schen Ländern, gegenüber. In den Jahren 2000 bis 2008 vervierfachte sich der An-
teil der ausländischen Bevölkerung auf 4,5 Millionen. Besonders die Anzahl marok-
kanischer Zuwanderer ist stark gestiegen (vgl. Müller 2008). Marokkanische Immig-
ranten leben heute in den gleichen Gebieten wie die im 16./17. Jahrhundert vertrie-
benen Moriscos. Sie erledigen wie diese hauptsächlich Tätigkeiten in der Landwirt-
schaft oder verrichten Dienstleistungen (vgl. Flesler/Pérez Melgosa 2003: 161).
Wie antwortet Spanien heute auf die resultierenden Konflikte? Verteidigt es das
Ideal des hybriden, pluralistischen Modells? Oder erlebt Spanien ,,some sort of His-
panidad revival?" (Zapata-Barrero 2006: 154). Um fundierte Antworten auf diese
Fragen zu finden, bedarf es einer ausführlicheren Analyse. An dieser Stelle sollen
im Sinne eines Ausblickes nur einige Beobachtungen wiedergegeben werden.
Ironischerweise ist Granada, Symbol des Sieges der Christen über die Mauren un-
ter den Reyes Católicos, heute wieder ein Ort, an dem Kulturen und Ideologien täg-
lich zusammentreffen. 1997 wurde Granada zur Ciudad Refugio erklärt und emp-
fängt nun verstärkt Immigranten, Flüchtlinge und Asylbewerber. In den Jahren zuvor
wurde die Stadt mit 30 weiteren europäischen Städten von der europäischen Kom-
mission als Laboratorio Social ausgewählt, um Studien bezüglich Ausländerfeind-
lichkeit und Rassismus durchzuführen. Die Stadt besitzt eine stark gemischte Ge-
sellschaftsstruktur: Viele Einwanderer stammen aus strukturschwachen Ländern,
aus dem Senegal, Marokko, Algerien oder Pakistan. 5,6 % der Bewohner sind Zi-
geuner. An der Universität von Granada studieren mehr als 1.500 Studenten nordaf-
39

rikanischer Herkunft, das sind ungefähr 80% der nordafrikanischen Studenten im
Land (vgl. Jiménez Bautista 2006: 550ff).
Für eine der Studien wurden Jugendliche (zwischen 15-24 Jahren) von 1996 bis
2004 befragt, wie sie Immigranten aus Entwicklungsländern, besonders aus Nordaf-
rika, wahrnehmen. 38 % der Befragten gaben an, dass es zu viele Ausländer aus
dem Maghreb in Granada gäbe. 75 % forderten eine stärkere Eindämmung der
Einwanderung oder Maßnahmen, die es ihnen erleichterten, in ihr Land zurückzu-
kehren. Nur 19 % gaben an, dass sie bereits eine mehr oder weniger lange Unter-
haltung mit einem Nordafrikaner geführt hätten (vgl. Jiménez Bautista 2006: 558f).
Vor dem Hintergrund, dass ca. 40 % der spanischen Jugendlichen keinen Job ha-
ben und damit die europäische Statistik der Jugendarbeitslosigkeit anführen (vgl.
Müller 2010), nehmen sie Ausländer hauptsächlich als Bedrohung im Kampf auf
dem Arbeitsmarkt wahr. Mangelnde Sicherheit ist das zweite große Problem, das
Jugendliche in städtischem Umfeld heute empfinden. Eine Konsequenz der zuneh-
menden Immigration sehen sie im Anstieg der Kriminalitätsrate, daher wird der Im-
migrant schnell zum Symbol der Gewalt (vgl. Jiménez Bautista 2006: 560f).
Die politische Idee einer einheitlichen Hispanidad, die Fremdes im Sinne eines ho-
mogenen Gesellschaftsideals ausgrenzt, scheint sich angesichts der multikulturellen
Herausforderungen des heutigen Spaniens zu wiederholen. Obwohl Spanien so
zentral von der islamischen Kultur und der arabischen Sprache geprägt wurde, defi-
niert sich der Spanier als Opposition zum Muslim, bzw. zum Marokkaner (vgl. Zapa-
ta-Barrero 2006: 143). Über 400 Jahre nach den ,ethnischen Säuberungen` er-
scheint das Erreichen eines pluralistischen Staates noch fern. Nach wie vor werden
Minderheiten ausgegrenzt und gemäß einer binären Logik in gute Bürger (katho-
lisch, spanisch) und schlechte Bürger (nichtkatholisch, ausländisch) unterteilt (vgl.
Zapata-Barrero 2006: 154f).
Besonders der muslimische Teil der Immigranten hat einen schweren Stand in der
Gesellschaft und ist Opfer vieler Vorurteile. Wenige Bürger setzen sich bewusst mit
der anderen Ideologie auseinander. Ursache für Unruhen und Instabilität ist weniger
die Religion selbst, sondern vielmehr das Bild, welches die Bürger von Muslimen
haben. Entscheidend mitverantwortlich für die Festigung von Vorurteilen und Kli-
schees sind deshalb auch die spanischen Medien. Ihre einseitige Berichterstattung
über Immigranten zeigt vor allem schlechte Nachrichten über muslimische Einwan-
derer. Muslime werden nicht nur in ihrer Andersartigkeit porträtiert, sondern vor al-
lem als Gefahr für das spanische Wertesystem und die spanische Lebensqualität
(vgl. Zapata-Barrero 2006: 152f). So wird mit unterschiedlichen Maßstäben gemes-
40

sen; es ist entscheidender ,,what they are [...] rather than [...] what they do (that is,
work like any other citizen)" (Zapata Barrero 2006: 148f).
Der spanische Politikwissenschaftler Ricard Zapata-Barrero zeigt zwei Lösungswe-
ge an, wie heutige Fragen über das Zusammenspiel spanischer wie auch muslimi-
scher Identitäten beantwortet werden können. Eine Möglichkeit ist, den Islam als
etwas Anormales, Fremdes in der spanischen Tradition abzulehnen und somit die
700-jährige Präsenz der Mauren auf der iberischen Halbinsel zu verdrängen. Die
andere, von ihm favorisierte Antwort, sieht die islamischen Ursprünge als konstitutiv
für Spaniens nationale Identität. So formuliert er: ,,Islam in Spain is not a new reality
that citizens are discovering, but a historical fact that people tend to repress, in al-
most Freudian terms" (vgl. Zapata-Barrero 2006: 144). Anstatt mit Ausländerfeind-
lichkeit und Ausgrenzung auf die wachsende Anzahl der Immigranten zu reagieren,
motiviert Luis García Montero: ,,Podemos convertirnos todos en una caja de sorpre-
sas y sacar de nosotros mismos la invención de un mundo que no ha existido, pero
que debería existir" (García Montero 1997: 2, zit. n. Jiménez Bautista 2006: 551)
16
.
Er ruft dazu auf, das bunte Mosaik Granadas als Chance zu sehen, die hässliche
Vergangenheit umzukehren. Doch noch hat Spanien ein sehr ambivalentes Verhält-
nis zu seinen Ursprüngen.
Ein wichtiger Schritt für die Rechte der Muslime in Spanien war der 1992 in Kraft
getretene Acuerdo de Cooperación entre el Estado Español y la Comisión Islámica
de España, der seit 1492 das erste Mal den legalen Status der islamischen Religion
in Spanien besiegelte. Doch trotz der guten Vorsätze und Inhalte besteht ,,a large
gap between reality and the contents of the agreement" (Zapata-Barrero 2006: 151).
So betont der Vertrag die maßgebliche und entscheidende Funktion von Religion
bei der Integration (vgl. Zapata-Barrero 2006: 150), aber es mangelt Spanien an
einer Integrationspolitik, die Muslime in öffentliche Diskurse integriert. Anstatt Räu-
me für einen interreligiösen und -kulturellen Dialog zu schaffen, werden Muslime in
die Ecke gedrängt und feindlich bedacht. Der negierende Umgang mit Minderheiten
birgt die Gefahr, dass sich Immigranten weniger aus Überzeugung denn als eine
Form des sozialen Protestes auf ihre muslimischen Wurzeln berufen. Dieses gefähr-
liche Resultat der mangelnden Auseinandersetzung mit migrationspolitischen The-
men in der Politik und Öffentlichkeit nennt Zapata-Barrero ,,,reactive identity, [...] an
identity that is being constructed as a reaction against an `other' who has created
walls of separation" (vgl. Zapata-Barrero 2006: 153).
16
García Moreno, Luis (1997): Banderas y signos. El País. Andalucía. 01.01.1997.
41

Doch es existiert auch das andere Extrem eines historischen und exotischen Mau-
ren im öffentlichen Diskurs. Seit den 1960er Jahren werden in südspanischen Städ-
ten die Fiestas de Moros y Cristianos, traditionelle Volksfeste, die Einheimische wie
Touristen gleichermaßen anziehen, vermehrt mit aufwändigen Umzügen gefeiert. In
einem Rollenspiel wird dem Sieg der Christen über die Mauren gedacht. Nach der
simulierten Niederlage der Mauren werden diese zum Christentum bekehrt oder in
manchen Küstenorten symbolisch ins Meer geworfen (vgl. Flesler/Pérez Melgosa
2003: 151ff). Dabei erscheint der typische Maure als exotische Figur, die sich durch
ein hohes künstlerisches Talent, kämpferischen Mut und Gelehrsamkeit auszeich-
net.
[O]n the one hand, the Moor of the past is admired and appropriated as
a significant part of Spain's heritage. On the other hand, the `Moors' of
the present are disregarded and despised as intruders who want to take
advantage of Spain's good faith. (Flesler/Pérez Melgosa 2003: 152)
Das Bild des exotischen Moro, der alljährlich symbolisch bekriegt und vertrieben
wird, steht im alltäglichen Kontrast zu der großen Anzahl maghrebinischer Einwan-
derer. Während öffentlich der Angriff der Mauren kostümiert abgewehrt wird, landen
regelmäßig neue Schiffe mit illegalen, unsichtbaren afrikanischen Einwanderern an
Spaniens Küste (vgl. Flesler/Pérez Melgosa 2003: 157).
Besonders in touristischen Kontexten fällt diese Ambivalenz auf. Die Vermarktung
des maurischen Erbes in historischen Städten wie Granada und Sevilla geht einher
mit dem wachsenden Rassismus gegen marokkanische Einwanderer. Spanien ist
es bislang nicht gelungen, den zweiten Weg, den Ricard Zapata-Barrero vorschlägt,
zu gehen. Auch heute pendelt der marokkanische Einwanderer in einem Span-
nungsfeld, in dem er einerseits Anziehung, andererseits Ablehnung erfährt: ,,[T]he
presence of Moors is recognized, and even fetishized at the local level, but not as
an integral, hybridized facet of Spanishness" (Fuchs 2009: 143).
42

6 S
CHLUSS
The Gypsy as symbol of unconventionality, freedom of movement, reli-
gious belief, and unstructured language perpetuates the hope that life
exists beyond [...] [closed] environments, but behind the portrait lurks the
fear of contamination and regression. The overpowering attraction of the
wild Gypsy woman is a lesson that the border between same and other
is porous. (Charnon-Deutsch 2004: 239)
María ist in vielerlei Hinsicht ein Exot. Sowohl in kultureller als auch in künstlerischer
Hinsicht hebt sie sich von ihrem Umfeld ab und ist eine Inspirationsquelle und Mo-
dell für ein Leben zwischen den Kulturen. Sie nimmt im Laufe ihrer Reise wie
selbstverständlich fortwährend neue Positionen ein, die sich oft stark von den vorhe-
rigen unterscheiden. Als erste Frau, die im Schwertkampf ausgebildet wird und ein-
zige Soldatin, die in der Schlacht von Lepanto mitkämpft, ist die Protagonistin sehr
fortschrittlich für ihre Zeit. In ihrer Figur vereinen sich männliche Ideale des Helden-
tums und des Krieges mit weiblichen Idealen der Schönheit und Sinnlichkeit. Als
Zigeunerin gehört sie keinem der verfeindeten Lager an, sondern muss sich mit
ihrem sozialen Umfeld auseinandersetzen. Einerseits umgibt ihre Person eine große
Faszination, andererseits birgt ihre Andersartigkeit die Gefahr der Verunreinigung.
Indem Boullosa einen historischen Kontext wählt, verweist sie auf die lang zurück-
reichende Tradition der religiösen und kulturellen Konflikte, die bis heute westliche
Gesellschaften prägen. Boullosa stellt Reinheitsideologien und absolute Wahrhei-
ten, die das Zusammenleben von Gesellschaften scheinbar vereinfachen und den
Konflikt einseitig lösen, durch die Figur der María in Frage. Indem sie eine verachte-
te Person am Rande der Gesellschaft zur Heldin in der Schlacht von Lepanto
macht, ändert sie die Perspektive des Betrachters. Die marginalisierte ,Andere` rückt
ins Zentrum der Aufmerksamkeit.
Gerade die Anpassung an ihre sich wandelnde Umgebung lässt die Protagonistin
als eine hybride Persönlichkeit auftreten. Aus ihrer Fülle an Eigenschaften selektiert
oder negiert sie nicht, um ihre Identität klarer zu umreißen, sondern sie lässt sie
nebeneinander stehen und schafft sich dadurch eine neue hybride Identität. Somit
fällt eine eindeutige Zuordnung ihrer Person im Sinne eines binären Systems
schwer. Aus Sicht der Christen verkörpert die Zigeunerin den ,Feind`, die Soldatin
wiederrum beweist sich als ,Freund`. Die Moriscos feiern die Zigeunerin und verach-
ten die Verräterin. Vor allem in postmodernem Denken entspricht die Vorstellung
einer hybriden Identität, die sich nicht festgelegen muss, sondern durch das paralle-
le Vorhandensein mehrerer Identitäten alte Schwarz-Weiß-Sichten verdrängt, dem
neuen gesellschaftlichen Ideal (vgl. Ha 2005: 66). Das Postmoderne distanziert sich
von reinen Urzuständen und bezeichnet Hybridität als Normalzustand einer Gruppe
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oder eines Individuums. Vor diesem Hintergrund äußert sich in der Figur der María
die aktuelle Forderung, sich von einheitlichen Meta-Erzählungen, die die Welt erklä-
ren, zu verabschieden und individuelle Denkweisen zu akzeptieren. Hybridität ist in
diesem Sinne die Lösungsformel und große Chance in einem Krieg der Ideologien.
Marías Figur zeigt auch die Grenzen eines postmodernen hybriden Lebensentwur-
fes auf, da ihr eine fundierte inhaltliche Auseinandersetzung mit der Sichtweise des
Anderen fehlt. So wirkt ihre hybride Position, die sich keinem ideologischen Lager
anschließt, für die einen beliebig und oberflächlich und für die anderen untreu und
verräterisch. Marías Unkonventionalität überfordert die Gesellschaft, die an einer
binären Logik festhält und klare Trennlinien fordert. Ihr Versuch, die Grenzen zu
verwischen und sich über die vorherrschenden Stereotypen hinwegzusetzen, gelingt
ihr nur ansatzweise. Der anfängliche Ruhm als Tänzerin oder Heldin schlägt bald in
Misstrauen und Ausnutzung ihres Talentes um.
In der Figur der Zigeunerin zeigt sich das hybride Spanien des 16. Jahrhunderts,
das christliche und islamische Werte und Traditionen in sich vereint. Besonders
Marías Tanz ist eine Metapher für die Verschmelzung von Kulturen und symbolisiert
das Ideal einer dynamischen Gesellschaft, die sich konstant in ihren Werten weiter-
entwickelt. Das Spanien ihrer Zeit wehrt sich aber in seinem Einheitsdrang dage-
gen, das fremde Andere, nicht als Kontamination, sondern als Bereicherung und
wesentlichen Bestandteil der eigenen Identität zu verstehen (vgl. Fuchs 2009: 138).
Obwohl sich besonders die maurischen Traditionen tief in den spanischen Alltag
einprägten, wird den Minderheiten ein legitimer Anspruch auf das gemeinsame
Land versagt. Wie eine Geliebte werden sie benutzt und ausgebeutet. Die Ausei-
nandersetzung mit der anderen Kultur bleibt oberflächlich und beschränkt sich auf
materielle Güter. Die Mauren, Zigeuner und Juden sind nur interessant, solange
man von ihnen profitieren kann und das eigene Selbstbild nicht leidet. Wird ihre An-
wesenheit zu gefährlich, entledigt man sich der lästigen Bedrohung und distanziert
sich von der Verpflichtung, Minderheiten zu schützen und ihr kulturelles Erbe dem-
entsprechend zu würdigen.
Angesichts der hohen Anzahl an überwiegend muslimischen Immigranten, sieht sich
das heutige Spanien erneut der Herausforderung gegenüber, eine Antwort auf seine
Identitätsfrage zu finden. Spaniens Situation ist einzigartig im Unterschied zu seinen
Nachbarländern, da es über eine so langreichende und tiefgreifende islamische
Prägung verfügt. Aus literaturwissenschaftlicher Sicht wäre daher eine Behandlung
der Immigrantenliteratur marokkanischer Autoren spannend und würde wichtige
Aufschlüsse über die Identitätssuche der derzeitigen Generation spanischer Min-
derheiten geben.
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La otra mano de Lepanto liest sich wie eine Warnung vor den Konsequenzen eines
Homogenitätsbestrebens und fordert daher alternative Modelle, um das dualistische
System zu überwinden. Im Sinne Bhabhas bedarf es einer konstanten Verhandlung
der unterschiedlichen Positionen. Der Terminus Hybridität beinhaltet die Kunst flexi-
bel zu bleiben, seine Prinzipien zu überdenken und zu erweitern, wenn neue Situa-
tionen entstehen (vgl. Rutherford 1990: 216). Eine hybride Identität, wie sie María
verkörpert, birgt sowohl einen Lösungsansatz für eine individuelle Auseinanderset-
zung mit kulturellen Differenzen, als auch für nationale Identitäten. Dennoch ist sie
auf die Akzeptanz einer Gesellschaft, die sie in ihrer Andersartigkeit auf ebenbürtige
Weise annimmt und nicht als Bedrohung ablehnt, angewiesen.
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7 B
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Erscheinungsform
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Erscheinungsjahr
2011
ISBN (PDF)
9783958209909
ISBN (Paperback)
9783958204904
Dateigröße
1.1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Mannheim – Romanische Literatur- und Medienwissenschaften
Erscheinungsdatum
2015 (Juni)
Note
1,0
Schlagworte
Boullosa Lepanto Figurencharakterisierung Hybridität Postmoderne Roman Pluralität hybrid Mauren Al-Andalus Multikulturell Andalusien Zigeuner gitano
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