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mHealth im Management der Therapieadhärenz chronisch kranker Patienten – Ökonomie, Evidenz und Perspektiven

Visionen - mHealth 2020

©2015 Seminararbeit 36 Seiten

Zusammenfassung

Zu Beginn der Arbeit werden die Begriffe mHealth und chronische Erkrankungen definiert und ein Überblick über den aktuellen Stand von mHealth-Anwendungen gegeben. Im Weiteren werden die Chancen, die mit der Einführung und Verbreitung von mobilen Gesundheitstechnologien einhergehen, dargestellt und es wird ein Ausblick auf mögliche Entwicklungen bis zum Jahr 2020 gegeben. Dazu zählen die Bevölkerungsentwicklung, das generelle Bild der Gesundheitsversorgung und die Entwicklung der mHealth-Anwendungen bis zum Jahr 2020 sowie ein internationaler Ausblick mit kritischer Würdigung. Ein Fazit rundet die Arbeit ab.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


1
1. Einleitung
Die letzten Jahrzehnte haben bemerkenswerte technologische Fortschritte, von der Einführung
des Personal Computers über die Entwicklung tragbarer Musikspieler bis hin zur Verbreitung
von Smartphones, hervorgebracht. Eine ähnliche Durchbruchinnovation könnten mobile
Health-Anwendungen im Bereich der Gesundheitsversorgung darstellen.
1
1.1 Mobile Health-Technologien als Treiber einer neuen Gesundheitsversorgung?
Viele Experten, darunter auch Toomas Hendrik Ilves, estnischer Präsident und Vorsitzender
der unabhängigen hochrangigen eHealth-Taskforce, trauen mHealth die Revolutionierung des
Gesundheitswesens zu: ,,Wir wissen, dass wir bei der Umsetzung von IT-Lösungen im Ge-
sundheitswesen mindestens 10 Jahre Rückstand gegenüber allen anderen Bereichen haben.
Von vielen anderen Diensten wissen wir, dass Informatikanwendungen die Art und Weise,
wie wir die Dinge tun, radikal verändern und verbessern können"
2
Gesundheitswesen auf der ganzen Welt stehen auf Grund von demographischer Entwicklung,
steigendem Kostendruck und Zunahme chronischer Erkrankungen vor akutem Handlungsbe-
darf.
3
Ob mobile Gesundheitsanwendungen den hohen technischen und gesellschaftlichen
Erwartungen gerecht werden können und wie sich dieser Markt bis zum Jahr 2020 entwickeln
wird, soll Gegenstand dieser Arbeit sein.
1.2 Aufbau der Arbeit
Zu Beginn sollen in Kapitel zwei die Begriffe mHealth und chronische Erkrankungen defi-
niert werden. Zum anderen soll ein Überblick über den aktuellen Stand von mHealth-
Anwendungen aufgezeigt werden. Kapitel drei stellt die Chancen, die mit der Einführung und
Verbreitung von mobilen Gesundheitstechnologien einhergehen, dar. Den Hauptbestandteil
dieser Arbeit repräsentiert Kapitel vier. Dieses gibt einen Ausblick auf mögliche Entwicklun-
gen bis zum Jahr 2020. Dazu zählen die Bevölkerungsentwicklung, das generelle Bild der
Gesundheitsversorgung und die Entwicklung der mHealth-Anwendungen bis zum Jahr 2020
sowie ein internationaler Ausblick mit kritischer Würdigung. Abschließend soll Kapitel fünf
die Arbeit mit einem Fazit abrunden.
1
Vgl. Smith (2013), S.112f.
2
Europäische Kommission (2012), S.3
3
Vgl. WHO (2011), S.6

2
2. Einführung mHealth
Für ein besseres Verständnis und eine einheitliche Begriffsverwendung sollen zu Beginn ins-
besondere die beiden Begriffe mHealth und chronische Erkrankung definiert und erläutert
werden. Im Anschluss daran wird der aktuelle Stand der beiden zuvor definierten Themenfel-
der dargestellt.
2.1 Definitionen
Der Begriff mobile Health, im Folgenden kurz mHealth genannt, ist ein Teilbereich von
eHealth.
4
Bislang hat sich noch keine einheitliche Definition für mHealth etabliert.
5
Die
World Health Organization (WHO) definiert mHealth als ,,medizinische Verfahren und Prak-
tiken der öffentlichen Gesundheitsfürsorge, die durch Mobilgeräte wie Mobiltelefone, Patien-
tenüberwachungsgeräte, persönliche digitale Assistenten (PDA) und andere drahtlos ange-
bundene Geräte unterstützt werden"
6
. Entsprechend der Definition ergibt sich ein breites Ein-
satzgebiet für mHealth-Anwendungen. Dazu gehören auch Applikationen, die im weiteren
Verlauf als Apps bezeichnet werden sollen, die mit medizinischen Geräten oder Sensoren
vernetzt werden können, um insbesondere Vitalwerte wie Körpertemperatur, Blutdruck, Blut-
zuckerspiegel, Puls und Gehirnaktivität erfassen zu können.
7
Generell lässt sich mHealth in drei Teilbereiche untergliedern. Der Erste beinhaltet die eben
beschriebenen Medical Apps. Der zweite Bereich stellt neue Möglichkeiten der Kommunika-
tion, sowohl für Ärzte als auch für Patienten, dar und komplettiert wird das Einsatzgebiet der
mHealth-Anwendungen von sogenannten Wearables.
8
Aufgrund der vielfältigen Möglichkeiten, die sich durch den Einsatz mobiler Gesundheits-
technologien ergeben, entstehen auch hohe Erwartungen. Diese beinhalten unter anderem die
verbesserte Versorgung chronisch kranker Patienten
9
Da für chronische Erkrankungen ebenfalls keine einheitliche Begriffsverwendung existiert,
soll für diese Arbeit die Definition des Robert-Koch-Instituts (RKI) als Grundlage für das
weitere Verständnis herangezogen werden. Demnach werden ,,lang andauernde Krankheiten
4
Vgl. WHO (2013), S.6
5
Vgl. Konschak et al. (2013), S.7f. für eine Sammlung verschiedener Definitionen
6
WHO (2011), S.6
7
Vgl. Europäische Kommission (2014), S.3
8
Vgl. Krohn, Metcalf (2012), S. 136
9
Vgl. Becker et al. (2014a), S.1; Eine ausführliche Darstellung der Erwartungen an mHealth-Lösungen erfolgt in
Kapitel ,,3: Chancen"

3
[...], die nicht vollständig geheilt werden können und eine andauernde oder wiederkehrend
erhöhte Inanspruchnahme von Leistungen des Gesundheitssystems nach sich ziehen"
10
als
chronische Krankheiten definiert.
Zu den chronischen Krankheiten zählen Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Schlaganfall und
koronare Herzkrankheit, Krebs, chronische Atemwegserkrankungen und Diabetes. In
Deutschland entfallen auf diese genannten Krankheiten etwa ein Viertel der Krankheitskosten
und drei Viertel der Todesfälle.
11
Beeinflusst werden diese Erkrankungen durch vier wichtige Faktoren: Fehlernährung, man-
gelnde körperliche Aktivität, Alkoholabusus und Tabakkonsum. Es ist daher möglich, durch
Prävention die Ausbildung der Krankheiten zu verhindern oder zumindest ihren Schweregrad
und Verlauf zu mildern.
12
Diese Gegebenheit stellt den Ansatzpunkt für viele mHealth-
Anwendungen zur Unterstützung und gezielten Kontrolle von Risikofaktoren für Patienten
und gesunde Menschen dar.
13
Ein Beispiel dafür stellt das Projekt iHERZ des Fraunhofer-
Instituts zur Verbesserung der Arzneimittelsicherheit und Therapieadhärenz bei Patienten, die
an koronarer Herzerkrankung oder Herzinsuffizienz leiden, dar.
14
2.2 Aktueller Stand
Der Markt für mobile Gesundheitsanwendungen ist in den letzten Jahren enorm gewachsen.
Grob kann man die Entwicklung dieses Marktes in drei Phasen einteilen, Bis zum Jahr 2008
spricht man von einer initialen Test- und Versuchsphase, von 2008 bis 2015 von der Kom-
merzialisierungsphase und ab dem Jahr 2016 von der Implementierungsphase.
Erste Studien belegen, dass die neuen Möglichkeiten zur Datenerfassung, Datenauswertung
und Kommunikation die Versorgungsqualität steigern und Potential zur Kostenreduktion mit
sich bringen.
15
Von besonderer Bedeutung für die künftige Entwicklung dieses technologiege-
triebenen Marktes ist, dass das Potential von mHealth nicht lediglich auf technologischen In-
novationen in Software, Hardware und deren Vernetzung zurückzuführen ist, sondern zu ei-
10
Lange (2011), S.54
11
Vgl. Statistisches Bundesamt (2010), S.36
12
Vgl. Lange (2011), S.54
13
Vgl. Grand View Research (2014)
14
Vgl. Frauenhofer (2014)
15
Vgl. Belliger (2014), S.111

4
nem bedeutenden Anteil auch auf eine tiefgreifende gesellschaftliche Veränderung in Bezug
auf Kommunikationsverhalten und Verständnis der Gesundheitsversorgung aufbaut.
16
Laut Schätzungen des Marktforschungsunternehmens Grand View Research wurde dem glo-
balen mHealth-Markt für das Jahr 2012 ein Volumen von 1.950 Millionen US-Dollar beige-
messen. Den größten Anteil mit 63% haben Monitoring-Geräte, gefolgt von mobilen Geräten,
die der Diagnosestellung dienen mit 15%. Mobile Geräte, die zur Verbesserung des Gesund-
heitssystems eingesetzt werden haben einen Anteil von 7%.Die übrigen 15% stehen für eine
Vielzahl weiterer Anwendungen, wie medizinische Informations- und Hilfsangebote oder
mobile Benachrichtigungsleistungen für bevorstehende Arzt-, Impf- oder Vorsorgetermine.
17
Abbildung 1: Globales mHealth Marktvolumen 2012 nach Leistungen
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Gran View Research (2014)
Unter Patienten sind vor allem Medical Apps von großem Interesse. Im Jahr 2014 waren
Apps für Training und Fitness mit 43,5% am beliebtesten. Die folgenden Plätzte belegten
Apps zur Wahrung des Gesundheitszustandes (15%) und zur Kontrolle der Ernährung bzw.
Kalorienzählen (14,3%). Knapp 80% der Nutzer gaben an, Applikationen zu Monitoringzwe-
cken zu nutzen.
18
Laut einer Studie von Berg Insight nutzten Ende 2013 weltweit bereits knapp drei Millionen
Menschen mobile Geräte für Monitoringzwecke. Prognosen sehen noch eine deutliche Zu-
nahme der Nutzer auf 19,1 Millionen im Jahr 2018 vor. Dies entspricht einer durchschnittli-
16
Vgl. Belliger (2014), S.112; Eine genaue Erläuterung erfolgt in Kapitel 4.2 Generelles Verständnis der Ge-
sundheitsversorgung 2020
17
Vgl. Grand View Research (2014) und
18
Vgl. Sama et al. (2014)
63%
15%
7%
15%
Globales mHealth Marktvolumen 2012 nach Leistungen
Monitoring
Diagnose
Anwendungen zur
Verbesserung des
Gesundheitssystems
Sonstiges

5
chen jährlichen Wachstumsrate von 44% und ist ein Indiz dafür, mit welcher enormen Ge-
schwindigkeit dieser Markt zu wachsen vermag.
19
Gründe für dieses enorme Wachstumspo-
tential stellen vorrangig weltweit steigende Gesundheitsausgaben, Zunahme der Inzidenz
chronischer Erkrankungen durch moderne Lebensstile und steigende Prävalenz dieser Erkran-
kungen aufgrund einer alternden Bevölkerungen dar. Mobile Gesundheitsanwendungen kön-
nen dazu beitragen, die Entstehung solcher Krankheiten zu vermeiden bzw. zu verzögern und
im Krankheitsfall einen adäquaten Umgang gewährleisten.
20
Ein Beispiel dafür wäre, dass
Diabetiker durch mobile Geräte ihren Blutzuckerspiegel selbst und bequem nach jeder Mahl-
zeit messen können und somit größere Kontrolle über ihre Krankheit erlangen.
21
Der Befragung von Healthcare Information and Management Systems Society (HIMSS) aus
dem Jahr 2012 zu Folge, benutzen in den USA bereits 90% der Ärzte mobile Anwendungen
während ihres Alltags und 80% verwenden diese zur Patientenversorgung. Jedoch gaben nur
22% an, dass die Daten, die durch mobile Geräte gewonnen wurden, auch in den electronical
health records (EHR) gespeichert werden.
22
Auch PricewaterhouseCoopers (PWC) attestiert in seiner Veröffentlichung ,,Emerging
mHealth: Paths for Growth" ein enormes Wachstumspotential für mHealth-Anwendungen.
Demnach ist eHealth bereits jetzt der drittgrößte Wachstumsmarkt in Europa und laut einer
Umfrage glauben 59% Prozent der Ärzte, dass mHealth sich durchsetzen wird. Allerdings
sind die Verbreitung und der Einsatz von mobilen Gesundheitsleistungen in Deutschland noch
sehr zurückhaltend vorangeschritten. Eine weitere Umfrage ergab, dass 46% der Befragten
wenig über die mit mobilen Gesundheitsanwendungen verbundenen Chancen wissen und
deswegen keine mobilen Anwendungen nutzen.
23
19
Vgl. Fagerberg, Kurkinen (2014), S. 1ff.
20
Vgl. Grand View Research (2014)
21
Vgl. Smith (2013), S.116
22
Vgl. HIMSS(2012) S.4ff.
23
Vgl. Levy (2012), S.6f.

6
3. Chancen
Der Mobilfunk erreicht laut Angaben der International Telecommunication Union (ITU) im
Jahr 2013 etwa 85% der Weltbevölkerung und ist weiter ausgebaut als Straßen- oder Strom-
netz. Insbesondere in Industrieländern haben Mobilfunkgeräte eine Marktdurchdringung von
etwa 100% erreicht.
24
Somit stehen die Möglichkeiten, die sich durch den Einsatz von
mHealth-Anwendungen ergeben nahezu allen Menschen zur Verfügung. Laut einer Studie
von PWC glauben Patienten, Ärzte, Kostenträger und Vertreter der Pharmaindustrie daran,
dass mobile Dienste den Gesundheitsmarkt grundlegend verändern werden.
25
3.1 Kostenreduktion
Eine erste große Hoffnung, die mit der Einführung von mHealth-Lösungen einhergeht, ist das
Potential zu Kosteneinsparungen. Mobile Technologien sollen dazu beitragen, dass Krankhei-
ten mit mildem Verlauf zu Hause adäquat versorgt werden können. Dadurch stellt sich ein
Rückgang der Hospitalisierung ein und somit sinken die Behandlungskosten.
26
Vor allem mo-
bile Monitoring-Maßnahmen weisen deutlich positive Effekte auf. So konnte ein Rückgang
erneuter Hospitalisierungen von 47 auf 6% bei Patienten mit Herzfehlern belegt, Einsparun-
gen von knapp 1000 Dollar pro Jahr bei Dermatitis-Patienten gemessen und ein Rückgang
von 18% bei Krankenhauseinweisungen, um 44% verringerte Todesraten und kürzere Kran-
kenhausaufenthalte bei Patienten mit chronischen Erkrankungen nachgewiesen werden.
27
Ein weiterer Faktor, der dazu beiträgt, dass mHealth-Anwendungen zu Kosteinsparungen füh-
ren ist, dass in vielen Fällen keine teuren Geräte zur Nutzung mobiler Gesundheitsleistungen
angeschafft werden müssen. Für die Inanspruchnahme ist in vielen Fällen lediglich das
Smartphone oder Handy notwendig und deren Verbreitung ist, wie bereits dargestellt, weit
vorangeschritten.
28
Untersuchungen von PWC haben ergeben, dass der Einsatz von mHealth-Technologien zu
jährlichen Einsparungen bei Diabetes-Patienten von 10.000 US Dollar führen kann. Die
Gründe hierfür liegen nicht allein in der Reduktion der Ausgaben. Vielmehr führt der bewuss-
tere Umgang der Patienten mit der Erkrankung durch verbesserte Kontrollmöglichkeiten des
Blutzuckerspiegels zu einer verbesserten Grundlage für getroffenen Entscheidungen und folg-
24
Vgl. ITU (2013)
25
Vgl. Levy (2012), S.4ff.
26
Vgl. Malvey, Slovensky (2014), S.3
27
Vgl. Konschak et al. (2013), S.3
28
Vgl. Krohn (2014), S.16f.

7
lich zu einer erhöhten Lebensqualität.
29
Laut Systems and Signals Telecom (SIS) kann
mHealth bereits ab 2016 zu jährlichen Einsparungen von bis zu 290 Milliarden US Dollar
weltweit beitragen ohne, dass es zu Einschränkungen bei der Versorgungsqualität kommt.
30
3.2 Verbesserung der Versorgungsqualität
Ein zweites Versprechen, das mit mHealth-Lösungen einhergeht, ist die Verbesserung der
Versorgungsqualität. Dies kann zum Einem durch mobile Monitoring-Geräte geschehen. Aus
ärztlicher Sicht stellen durchgehende Aufzeichnungen von Vitalwerten eine deutlich verbes-
serte Entscheidungsgrundlage für Behandlungsoptionen dar und Fehlschlüsse aufgrund ledig-
lich temporär auftretenden Abweichungen können minimiert werden. Aus Patientensicht er-
weist sich die kontinuierliche Datenerfassung und die Möglichkeit zur Einsicht dieser Werte
in Echtzeit als eine deutlich verbesserte Maßnahme zur Kontrolle von und dem Umgang mit
Krankheiten. Insbesondere für chronische Erkrankungen stellt dies eine erhöhte Versorgungs-
qualität dar. Aufgrund des häufigen Auftretens und den oftmals tödlich verbundenen Folgen
von chronischen Krankheuten, können mobile Gesundheitstechnologien einen entscheidenden
Beitrag zu einer gesteigerten Gesundheit der Bevölkerung leisten.
31
Zum Anderem können Personal Digital Assistants zu einer verbesserten Gesundheitsversor-
gung beitragen. Ärzte haben die Möglichkeit in kürzester Zeit auf diverse medizinische In-
formationen zuzugreifen und somit eine optimale und schnell verfügbare Entscheidungs-
grundlage für ihre Therapieoptionen.
32
Darüber hinaus ist es sowohl möglich ein deutlich bes-
seres Bewusstsein für die Prävention von Krankheiten zu schaffen als auch den Beitrag Ein-
zelner zu ihrer Gesundheit durch Kommunikation von Informationen und Empfehlungen über
mobile Geräte zu erhöhen.
33
Nach aktuellem Kenntnisstand haben mobile Health-Dienste ins-
besondere Einfluss auf Verhaltensänderungen bei Raucherentwöhnung und Gewichtsredukti-
on.
34
Bei Untersuchungen zu Therapieadhärenz und dem Umgang mit Krankheiten kam es zu
unterschiedlichen Ergebnissen.
35
Studien, in denen eine aktive Kommunikation von Informa-
tionen über short-messaging-services (SMS) gewählt wurde, kommen jedoch zu dem Ergeb-
29
Vgl. PWC (2015) und Malvey, Slovensky (2014), S.3
30
Vgl. SNS Telecom (2014)
31
Vgl. Levy (2012), S.13
32
Vgl. Lindquist et al. (2010), S.31
33
Vgl. Konschak et al. (2013), S.4 und Europäische Kommission (2014), S.6
34
Vgl. Noar, Harrington (2012), S.147f.
35
Vgl. Donner, Meacheal (2013), S.173

8
nis, dass ein positiver Effekt auf Verhaltensänderungen unabhängig von Alter, Geschlecht und
Nationalität vorliegt.
36
Folglich kann mHealth einerseits dazu beitragen, den Schwerpunkt der Versorgung von einer
reaktiven Versorgung auf eine proaktive bzw. präventive Versorgung zu verlagern und ande-
rerseits die Wartezeit auf eine adäquate Behandlung reduzieren. Als Folge stellen sich erhöhte
Lebensqualität und Lebenserwartung ein.
37
3.3 Erleichterung des Zugangs zu Gesundheitsleistungen
Die fortschreitende Verbreitung von Mobilfunkgeräten stellt die Grundlage für eine digitale
Infrastruktur dar, die die Gesundheitsversorgung unterstützt und sowohl den Zugang zu ge-
sundheitsrelevanten Informationen als auch die Kommunikation zwischen allen Beteiligten im
Gesundheitswesen erleichtert. Für Patienten stellt die verbesserte Konnektivität einen erleich-
terten Zugang zu medizinischem Wissen dar. 80% der Internetnutzer suchen bereits online
nach gesundheitsrelevanten Informationen. Von besonderem Interesse sind dabei auf den Ein-
zelnen zugeschnittene Informationen oder Erfahrungen von Personen mit ähnlichen Umstän-
den.
38
Mobile Gesundheitsanwendungen können eine gute Möglichkeit darstellen, um solch
persönliche Gesundheitsinformationen zu erlangen.
Für Ärzte ist es wichtig, dass sie Zugang zu allen relevanten medizinischen Informationen
haben. Bislang hindert ein komplexes System einen zügigen Informationsfluss zwischen allen
Beteiligten. Folglich können sich Einbußen bei der Qualität der Gesundheitsversorgung ein-
stellen. Durch mHealth-Technologien kann die Kommunikation zwischen Beteiligten und
somit der Austausch von Informationen verbessert werden.
39
Wiederum von Bedeutung ist
auch beim Zugang zu Gesundheitsleistungen, dass keine teuren Geräte angeschafft werden
müssen. In der Mehrzahl der Fälle genügt der Besitz eines Mobiltelefons.
40
Den größten Vor-
teil mobiler Gesundheitsanwendungen stellt in Zusammenhang mit dem Zugang zu Gesund-
heitsleistungen die Loslösung von geographischen Grenzen dar, das heißt, dass Behandlungen
künftig auch über regionale Grenzen hinweg erfolgen können.
41
36
Vgl. Cole-Lewis, Kershaw (2010), S.56-59 und Becker et al. (2014a), S.22
37
Vgl. Europäische Kommission (2014), S.5
38
Vgl. Smith (2013), S.115f.
39
Vgl. Tan (2013), S.88
40
Vgl. Krohn (2014), S.16
41
Vgl. Crohn,Metcalf (2012), S.XVI

9
3.4 Effizienzsteigerungen
Ein weiteres Versprechen, das mit dem Einsatz von mobilen Gesundheitsanwendungen ver-
bunden ist, stellt die effiziente Erbringung von Gesundheitsleistungen dar. Dank einfacherer
Planung, besser vorbereiteten Pflegekräften und weniger unnötigen Sprechstunden kann Per-
sonal der Sanitätshäuser und anderer Gesundheitsberufe nach Schätzungen 30 Prozent der
aufgewendeten Zeit einsparen. Dies ist vorrangig auf Effizienzsteigerungen bei Dokumentati-
on und Informationsauswertung zurückzuführen. Folglich könnte das Personal effizienter ein-
gesetzt und bei der Kommunikation mit den Patienten durch Übertragung von Nutzerdaten via
Apps unterstützt werden. Eine systematische Auswertung von 138 Studien ergab, dass der
Einsatz von mobilen Endgeräten in den Bereichen Dokumentation, Patientenversorgung, In-
formationseinholung und Arbeitsmustern zu Effizienzsteigerungen beitragen kann.
42
Untersu-
chungen von PWC belegen darüber hinaus, dass 56% der Ärzte, die mobile Endgeräte ver-
wenden, schnellere Entscheidungen treffen können und dass 40% berichten, weniger Zeit für
administrative Aufgaben aufzuwenden.
43
Weiterhin können medizinische Ressourcen dadurch geschont werden, dass mehr medizini-
sche Eingriffe und Pflegeanwendungen aus der Ferne durchgeführt bzw. vom Patienten selbst
unter Anleitung von Überwachungs- und Meldesystemen ausgeführt werden können. In der
Folge stellt sich nicht nur für das medizinische Personal, sondern auch für die Patienten eine
erhebliche Zeitersparnis ein. Dies ist insbesondere für chronisch Kranke von Bedeutung, da
diese Patienten eine besonders hohe Frequenz an Arzt-Patienten-Kontakten aufweisen. Durch
Fernberatung und Fernüberwachung können Patienten Anwendungen und Messen von Vital-
werten zu Hause durchführen, was sich in einer erhöhten Lebensqualität äußert.
44
Zusätzlich kann die Analyse von großen Datenmengen, die durch mHealth-Anwendungen
generiert werden dazu beitragen, dass die Wirksamkeit der Gesundheitsfürsorge und Präven-
tion von Erkrankungen verbessert werden, da sich ein detailliertes Gesamtbild der Erkrankun-
gen und der Verhaltensweisen der Betroffenen ergibt.
45
Auch Pharmafirmen können mobilen Gesundheitsanwendungen profitieren. Die Möglichkei-
ten reichen von besseren Möglichkeit in Forschung und Entwicklung über Sicherstellung der
Wertschöpfungskette bis zur erfolgreichen Bekämpfung von Arzneimittelfälschungen.
46
42
Vgl. Mickan et al. (2013), S.212
43
Vgl. Levy (2012), S.21ff.
44
Vgl. Lopez, Seville (2015)
45
Vgl. Europäische Kommission (2014), S.5
46
Vgl. SNS Telecom (2014)

10
4. Entwicklungen
Die Gesundheitsversorgung steht bis zum Jahr 2020 vor einigen Herausforderungen, die es zu
meistern gilt. Dazu zählt nicht allein der steigende Kostendruck, sondern auch eine Verlage-
rung von akut-stationärer Behandlung hin zu einer auf Prävention und chronischen Krankhei-
ten ausgelegten Gesundheitsversorgung. Dieser Wandel wird zusätzlich von aufgeschlossenen
Patienten getrieben, die sich als gleichberechtigter Partner in der Arzt-Patienten-Beziehung
sehen und nach zuverlässigen, günstigen und schnellen Möglichkeiten verlangen, Informatio-
nen einholen zu können. Einen weiteren Treiber dieser Veränderungen stellen Marktgröße
und Entwicklungspotential des Gesundheitssektors dar.
47
4.1 Bevölkerungsentwicklung
Der Demographische Wandel wird sich bereits im Jahr 2020 bemerkbar machen. Demnach
wird sich der Anteil der über 60-Jährigen in Deutschland von 26% im Jahr 2010 auf gut 30%
im Jahr 2020 erhöhen.
48
Bedingt durch die demographische Entwicklung werden viele chroni-
sche Krankheiten stark zunehmen. So sind 50% der Menschen ab dem 65. Lebensjahr an
mindestens einem chronischen Leiden erkrankt. Ebenfalls verknüpft mit der Alterung der Ge-
sellschaft ist die Zunahme der Krankenhausbehandlungen. Als Folge stellt sich ein akuter
Handlungsbedarf ein, um die Ressourcen des Gesundheitswesens nicht zu überlasten.
49
Pri-
märe Aufgabe von mHealth-Anwendungen stellt dabei die Bereitstellung sektorenübergrei-
fender Serviceleistungen sowie die Gewährleistung einer optimalen Kommunikation aller
Beteiligten dar.
50
4.2 Generelles Verständnis der Gesundheitsversorgung 2020
Neben der Altersstruktur und den am häufigsten auftretenden Krankheiten wird sich auch das
Verständnis der Arzt-Patienten-Beziehung und somit das Bild der Gesundheitsversorgung
wandeln. Laut Murray Aitken, Geschäftsführer von IMS Institute for Healthcare Informatics,
wird es in Zukunft üblich sein, dass Patienten nach dem Arztbesuch, nicht nur ein Rezept für
Arzneimittel, sondern auch ein Rezept für mobile Applikationen erhalten. Auch für Entlas-
sungen aus dem Krankenhaus sagt Aitken vorher, dass es üblich sein wird, dass der Patient
47
Vgl. Konschak et al. (2013), S.13
48
Vgl. Bundeszentrale für Politische Bildung (2012)
49
Vgl. Nowossadek (2012), S.1f.
50
Vgl. Duesberg (2012), S.295

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Erscheinungsjahr
2015
ISBN (PDF)
9783958209992
ISBN (Paperback)
9783958204997
Dateigröße
1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Bayreuth – Institut für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften
Erscheinungsdatum
2015 (Oktober)
Note
1,7
Schlagworte
mHealth eHealth Visionen 2020 Zukunft Möglichkeiten mobile health digital health elektronische Gesundheitsanwendungen Wearables Aktivitätstracker Smart Watch chronische Erkrankung Diabetes Gesundheitstechnologien Ausblick Entwicklungen Szenario internationaler Ausblick
Produktsicherheit
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