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Die Entsendung von Führungskräften ins Ausland: Hintergründe – Grundlagen – Empfehlungen

©2014 Masterarbeit 59 Seiten

Zusammenfassung

Getrieben durch die immer weiter voranschreitende Globalisierung und Internationalisierung ist die Entsendung von Führungskräften ins Ausland zu einem festen Bestandteil des Internationalen Personalmanagements geworden. Worauf die steigenden Entsendungszahlen zurückzuführen sind, wie der Entsendungsprozess von Führungskräften typischerweise verläuft und was hierbei beachtet werden sollte, ist Gegenstand dieser Arbeit. Diese Arbeit richtet sich sowohl an potentielle Entsendungskandidaten und deren Familien als auch an Mitarbeiter von Personalabteilungen und Studenten betriebswirtschaftlicher Studiengänge. Hierbei verfolgt der Autor das Ziel Hintergründe, Grundlagen und Empfehlungen zur Führungskräfteentsendung auf prägnante und verständliche Weise zu vermitteln und somit einen Beitrag für eine erfolgreiche Führungskräfteentsendung zu leisten. Darüber hinaus eignet sich diese Arbeit hervorragend als Einstieg für eine weitergehende Auseinandersetzung mit diesem umfangreichen Thema und bietet dank der Verwendung neuester Literatur und neuester Studien vielfältige Anknüpfungsmöglichkeiten.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


IV
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1
EPRG-Konzept ... 8

V
Abkürzungsverzeichnis
DGFP
Deutsche Gesellschaft für Personalführung
HCNs
Host Country Nationals = Mitarbeiter, die die Staatsangehörigkeit des Gastlan-
des, in dem sich die Tochtergesellschaft befindet, besitzen
IFIM Institut
für
Interkulturelles Management
PCNs
Parent Country Nationals = Mitarbeiter, die die Staatsangehörigkeit des Landes
besitzen, in dem sich die Muttergesellschaft befindet
TCNs
Third Country Nationals = Mitarbeiter, die die Staatsangehörigkeit eines Dritt-
landes besitzen

1
1. Einleitung
Getrieben durch die immer weiter voranschreitende Globalisierung und Internationalisierung
ist die Entsendung von Führungskräften ins Ausland zu einem festen Bestandteil des Interna-
tionalen Personalmanagements geworden. Worauf die steigenden Entsendungszahlen zurück-
zuführen sind, wie der Entsendungsprozess von Führungskräften typischerweise verläuft und
was hierbei beachtet werden sollte, ist Gegenstand dieser Arbeit.
Bei der Erstellung wurde ausschließlich die sekundäre Literaturrecherche, d. h. die Recherche
in Fachbüchern sowie Fachzeitschriften, angewandt.
Nachdem im Rahmen dieser Einleitung einige Definitionen vorgenommen wurden, behandelt
das 2. Kapitel die Gründe für eine Entsendung von Führungskräften ins Ausland. Behandelte
Aspekte sind hierbei der Globalisierungstrend, die Internationalisierung von Unternehmen,
die int. Stellenbesetzungsstrategie, die von den Unternehmen mit der Führungskräfteentsen-
dung verfolgten Ziele sowie die Motive der Entsendungskandidaten.
In welchen Phasen der Entsendungsprozess abläuft und welche Aufgaben vom Internationalen
Personalmanagement im Rahmen desselben zu erfüllen sind, ist Gegenstand des 3. Kapitels.
Dieses Kapitel ist aufgrund seiner Vielschichtigkeit das umfangreichste Kapitel und stellt so-
mit den Schwerpunkt dieser Arbeit dar.
Das 4. Kapitel setzt sich schließlich mit den Fragen auseinander, woran die Auslandsentsen-
dung von Führungskräften häufig scheitert, wie oft dies geschieht und welche Kosten und
Schäden hierdurch entstehen.
Diese Arbeit schließt mit der Zusammenfassung des 5. Kapitels.
Bevor die Fragestellungen des zweiten Kapitels behandelt werden, soll nachfolgend zunächst
der Frage nachgegangen werden, was unter einer Auslandsentsendung von Führungskräften
zu verstehen ist, und zentrale Begriffe sollen definiert werden.
Sowohl die Managementliteratur zur Auslandsentsendung als auch die Unternehmenspraxis
kennen eine Vielzahl unterschiedlicher Formen von Auslandseinsätzen. Die Klassifizierung
der unterschiedlichen Formen wird in der Literatur i. d. R. anhand der Einsatzdauer, des Ein-
satzzwecks, des Wohnsitzes und/oder des Arbeitsvertragspartners vorgenommen, wobei die

2
jeweiligen Autoren unterschiedliche Definitionen und unterschiedliche Begrifflichkeiten ver-
wenden.
1
Gemäß einer Brookfield-Studie aus dem Jahr 2010 waren 64 % der Entsendungen länger als 1
Jahr.
2
Da bei dieser Einsatzdauer die größten Veränderungen und Herausforderungen auftre-
ten und die Erfahrungen hieraus auch auf kürzere Entsendungen übertragen werden können,
3
soll im weiteren Verlauf unter einer Entsendung ein Auslandseinsatz von Führungskräften
verstanden werden, dessen Dauer 1 bis 5 Jahre beträgt, bei dem sich der Wohnsitz des Ent-
sandten im Ausland befindet, der Arbeitsvertrag mit dem Heimatunternehmen in der Regel
ruht und ein neuer Arbeitsvertrag mit der Auslandsgesellschaft geschlossen wird. Auf den
Entsendungszweck bzw. die Unternehmensmotive wird in Kapitel
2.2 näher eingegangen.
Da auch der Begriff der Führungskraft in der Managementliteratur oft unterschiedlich ver-
wendet wird, bedarf auch er an dieser Stelle einer Konkretisierung. Führung ist nach OLFERT
ein Prozess, der darauf gerichtet ist, das Verhalten der Mitarbeiter zielorientiert zu beeinflus-
sen.
4
Des Weiteren sind nach OLFERT Führungskräfte grundsätzlich Vorgesetzte, die die
Aufgabe haben, die ihnen unterstellten Mitarbeiter so zu beeinflussen, dass sie erfolgreich
arbeiten.
5
OLFERTS Definition von Führung als Beeinflussung lässt es als plausibel erschei-
nen, dass er auch Spezialisten, die durch ihre fachlich statt hierarchisch legitimierte Autorität
Einfluss auf Mitarbeiter ausüben, in den Führungskraftbegriff inkludiert. Im Rahmen dieser
Arbeit wird die Führungskraft mit OLFERT somit wie folgt definiert:
,,Die Führungskraft ist grundsätzlich ein Vorgesetzter, der die Aufgabe hat, die ihm unterstell-
ten Mitarbeiter so zu beeinflussen, dass sie erfolgreich arbeiten. Möglich ist aber auch, dass
eine Führungskraft keine Mitarbeiter führt, z. B. als Spezialist."
6
Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die relevante Fachliteratur häufig nicht, oder nicht
konsequent, zwischen der Entsendung von Fachkräften (Mitarbeitern) und Führungskräften
unterscheidet. Dies hat zur Folge, dass unter den Begriffen ,,entsandter Mitarbeiter", ,,Expat-
1
Vgl. WIRTH (1992), S. 209; STAHL (1998), S. 10; KÜHLMANN (2004), S. 4; WALDENMAIER (2008), S.
108-110; FESTING u.a. (2011), S. 242; DGFP (2012a), S. 14; FISCHLMAYR u.a. (2012), S. 28.
2
Vgl. BROOKFIELD (2010), S. 15; FISCHLMAYR u.a. (2012), S. 28.
3
Vgl. SCHERM (1999), S. 193.
4
Vgl. OLFERT (2012b), S. 249.
5
Vgl. OLFERT (2012a), 079.
6
OLFERT (2012a), 079.

3
riate" oder ,,Expat" häufig sowohl entsandte Mitarbeiter als auch entsandte Führungskräfte
verstanden werden und auch ein Großteil der Studien keine Differenzierung ermöglicht.
7
In der konkreten Abgrenzung einer Führungskräfteentsendung zur allgemeinen Mitarbeiter-
entsendung scheint somit eine Forschungslücke zu bestehen, die im Rahmen dieser Arbeit
nicht gänzlich geschlossen werden kann, da keine eigenen empirischen Daten erhoben wur-
den. Allerdings kann die vorliegende Arbeit auf theoretischer Basis innerhalb des For-
schungsstandes zur Mitarbeiterentsendung danach differenzieren, welche Problemstellungen
und Empfehlungen für Führungskräfte von besonderer Relevanz sind.
Wo immer möglich, wird im weiteren Verlauf auf die Aspekte abgestellt, die (auch) für Füh-
rungskräfte gemäß obiger Definition relevant sind. Auf Aspekte die primär oder ausschließ-
lich auf entsandte Mitarbeiter i. e. S. anwendbar sind, wird hingegen nicht, oder nur am
Rande, eingegangen.
Unter einem Expatriate (oder Expat) wird im Folgenden eine ins Ausland entsandte Füh-
rungskraft gemäß der vorangegangenen Definitionen verstanden.
7
Vgl. z. B. SCHILO-SILBERMANN (1995), S. 56; BROOKFIELD 2010; BROOKFIELD 2013;
BROOKFIELD 2014.

4
2. Besetzung von Führungspositionen im internationalen Kontext
Über die letzten Jahrzehnte konnte eine deutliche Steigerung der Entsendungszahlen beobachtet
werden. Doch was sind die Ursachen hierfür? Welche Ziele verfolgen die entsendenden Unter-
nehmen und was sind die Motive und Bedenken der Entsendungskandidaten? Diesen Fragen
sowie den damit verbundenen Aspekten, wird im Rahmen dieses Kapitels nachgegangen.
2.1 Globalisierung und Internationalisierung
Internationale Personaleinsätze und multinationale Unternehmen sind schon seit dem Alter-
tum bekannt, aufgrund der zunehmenden Verflechtung der Weltwirtschaft, die sich seit dem
Ende des 20. Jahrhunderts beschleunigt, steigen jedoch auch die Entsendungszahlen ins Aus-
land.
8
Dieser Vorgang der zunehmenden Verflechtung, auch als ,,Globalisierung" bekannt, findet in
allen Bereichen (Wirtschaft, Politik, Kultur, Umwelt, Kommunikation etc.) und auf allen
Ebenen (Individuen, Gesellschaften, Institutionen und Staaten) statt und wird im Wesentli-
chen durch den technischen Fortschritt, insbesondere in den Kommunikations- und Transport-
technologien, sowie die Liberalisierung des Welthandels getrieben.
9
Der technische Fortschritt in den Kommunikations- und Datenübertragungstechnologien
machte die Koordination der weltweit gestreuten betrieblichen Aktivitäten überhaupt erst
möglich. Der technische Fortschritt der Transporttechnologien erleichterte den internationalen
Austausch von Waren und Leistungen und reduzierte die Transportkosten.
10
Als wichtige Treiber des Welthandels gelten die Liberalisierung und Globalisierung des Kapi-
talverkehrs sowie die Beseitigung tarifärer Handelshemmnisse. Die Liberalisierung und Glo-
balisierung des Kapitalverkehrs resultierte hierbei in freiere, länderübergreifende Kapital-
ströme und einer Angleichung der Kapitalkosten.
11
8
Vgl. MACHARZINA (1992), S. 534; VOIGT (1998), S. 244; Pawlik (2000), S. 7; HOLTBRÜGGE u.a.
(2010), S. 1.
9
Vgl. DGFP (2012b), S. 15.
10
Vgl. VOIGT (1998), S. 246.
11
Vgl. VOIGT (1998), S. 246.

5
Als weiteren Treiber der Globalisierung kann die wachsende Interdependenz der geogra-
fischen Märkte genannt werden. Dies bedeutet, dass sich ehemals isolierte geographische
Teilmärkte mit unterschiedlichen Bedingungen zunehmend angleichen und ggf. sogar zu ei-
nem Weltmarkt mit einheitlichen Strukturen zusammenwachsen. Die Ursachen hierfür liegen
in der Herausbildung von weltweiten Standards im Industriegütermarkt und der Angleichung
von Verbrauchergewohnheiten und -präferenzen im Konsumgütermarkt, die vor allem durch
den wachsenden internationalen Informationsaustausch, verstärkte Reiseaktivitäten u. Ä. ge-
fördert werden.
12
Zwischen der Globalisierung und der auf der Unternehmensebene stattfindenden Internatio-
nalisierung bestehen enge, wechselseitige, sich gegenseitig verstärkende Beziehungen.
13
Im-
mer mehr Unternehmen entschließen sich, durch Internationalisierung Wettbewerbsvorteile
aus der Globalisierung zu generieren oder einem Wettbewerbsnachteil gegenüber der Konkur-
renz vorzubeugen. Diese Wettbewerbsvorteile können im Wesentlichen aus Kosten- und/oder
Differenzierungsvorteilen entstehen.
14
Kostenvorteile können vor allem generiert werden durch:
15
Skaleneffekte: Durch die Bearbeitung eines internationalen Marktes können größere
Produktionsvolumina und damit eine Degression der Stückkosten erreicht werden.
Erfahrungskurveneffekte: Dieser ebenfalls aus der gestiegenen Produktionsmenge
resultierende Effekt wirkt ebenfalls stückkostenmindernd. Die realen Stückgesamtkos-
ten können hierbei bei jeder Verdopplung der im Zeitablauf kumulierten Ausbrin-
gungsmenge eines Produkts um gewöhnlich 20­30 % reduziert werden.
16
komparative Standortvorteile: Diese resultieren beispielsweise aus der Produktion
in Billiglohnländern, dem Zugang zu Rohstoffquellen oder zu fortschrittlichen Tech-
nologien.
12
Vgl. LEVITT (1983), S. 92; VOIGT (1998), S. 244-246.
13
Vgl. DGFP (2012b), S. 15.
14
Vgl. PORTER (1989a), S. 22; VOIGT (1998) S. 247.
15
Vgl. RALL (1988), S. 202-203; VOIGT (1998), S. 247.
16
Vgl. VOIGT (1998), S. 271.

6
Differenzierungsvorteile entstehen bspw. dadurch, dass sich das angebotene Produkt positiv
vom Konkurrenzangebot unterscheidet und optimal auf die regionalen Konsumpräferenzen
angepasst ist, was dazu führt, dass der Kunde bereit ist einen höheren Preis zu zahlen.
17
Entschließt sich ein Unternehmen Wettbewerbsvorteile aus Kosten- und/oder Differenzie-
rungsvorteilen zu generieren, so kann dies unter anderem dadurch erreicht werden, dass das
Unternehmen
Kostenvorteile durch Produktionsstätten in Billiglohnländern oder
Differenzierungsvorteile durch Produktionsstätten in verschiedenen Ländern
realisiert.
18
Die meisten Unternehmen verändern sich nicht in einem Schritt vom nationalen zum multina-
tionalen oder globalen Unternehmen mit mehreren Produktions- und/oder Betriebsstätten im
Ausland. In der Regel durchlaufen die meisten Unternehmen verschiedene Phasen der organi-
satorischen Entwicklung im Rahmen des Internationalisierungsprozesses.
19
Die typischen Phasen des Internationalisierungsprozesses sind der Export, dann der Vertrieb
über Verkaufstochtergesellschaften und schließlich die eigene Produktion im Ausland. Am
Ende des Internationalisierungsprozesses verfügt das nunmehr multinationale Unternehmen
über ein Netzwerk ausländischer Tochtergesellschaften.
20
Der Internationalisierungsprozess
ist sehr flexibel, so können, je nach gegebenen Rahmenbedingungen, auch mehrere Formen
parallel bestehen (bspw. Export in Land A, Vertrieb über Verkaufstochtergesellschaften in
Land B), Phasen übersprungen werden oder sogar direkt ausländische Tochtergesellschaften
gegründet werden.
21
Multinationale Unternehmen können Tochtergesellschaften in über 100 Ländern haben,
22
de-
ren Steuerung eine komplexe Aufgabe darstellt und deren Management, je nach internationa-
ler Stellenbesetzungsstrategie, mit ins Ausland entsandten Führungskräften besetzt wird.
17
Vgl. VOIGT (1998), S. 247.
18
Vgl. VOIGT (1998), S. 249.
19
Vgl. VOIGT (1998), S. 163; FESTING u.a. (2011), S. 139.
20
Vgl. SCHENK (1998), S. 163; FESTING u.a. (2011) S. 139.
21
Vgl. PAWLIK (2000), S. 9.
22
Vgl. STEIN (1998), S. 38.

7
2.2 Unternehmensperspektive
Bei der Steuerung grenzüberschreitender Unternehmensaktivitäten kommen neben strukturel-
len und technokratischen Koordinationsinstrumenten insbesondere personenorientierte Koor-
dinationsinstrumente zum Einsatz, um den komplexen Koordinationsanforderungen multi-
nationaler Unternehmen gerecht zu werden. Eine zentrale Rolle nimmt hierbei die Person des
internationalen Managers ein.
23
STAHL fasst die Funktion der Führungskräfteentsendung wie folgt zusammen: ,,Durch Füh-
rungskräftetransfers werden grenzüberschreitende Kooperationen angeregt, Netzwerke von
informellen Kontakten geschaffen, die Kommunikation der räumlich verstreuten Unterneh-
mensteile verbessert und eine einheitsstiftende Unternehmenskultur aufgebaut. Damit kommt
dem Instrument der Auslandsentsendung eine herausragende Bedeutung für die dezentralisier-
te Steuerung der internationalen Unternehmensaktivität zu."
24
Unabhängig davon, ob es sich bei Auslandsniederlassungen oder Tochtergesellschaften um eine
Neugründung oder eine Übernahme handelt, wird in vielen Fällen zumindest das Topmanage-
ment aus dem Stammhaus heraus besetzt. Ob die anderen Managementpositionen in Tochterge-
sellschaften ebenfalls durch entsandte Führungskräfte aus dem heimatlichen Stammhaus (Parent
Country Nationals, PCNs), durch im Gastland heimische Führungskräfte (Host Country Natio-
nals, HCNs) oder Führungskräfte aus einem Drittland (Third Country Nationals, TCNs) besetzt
werden, kann entweder von Fall zu Fall und im Zeitablauf immer wieder neu oder anhand der
Grundorientierung der int. Stellenbesetzung entschieden werden.
25
Tabelle 1 fasst wichtige Merkmale von Internationalisierungsstrategien des EPRG-Modells
zusammen. Dieses in den 60er Jahren vom US-amerikanischen Organisationsforscher H.
Perlmutter entwickelte und dann 1979 von Heenan und Perlmutter überarbeitete Modell zur
Unterscheidung von Stellenbesetzungsstrategien differenziert zwischen einer ethnozentri-
schen, polyzentrischen, regiozentrischen und geozentrischen Stellenbesetzung.
26
23
Vgl. STAHL (1998), S. 13.
24
STAHL (1998), S. 13.
25
Vgl. PAWLIK (2000), S. 9.
26
Vgl. HEENAN u.a. (1979), S. 17-21; WOLF (1994), S. 11-13; STAHL (1998), S. 14-16; SCHERM (1999), S.
140-141; PAWLIK (2000), S. 10; FESTING u.a. (2011), S. 216-219; FISCHLMAYR u.a. (2012), S. 19-21;
DGFP (2012a) S. 20-21.

8
geozentrisch
Hohe Komplexität de
s
Gesamtunternehmens.
Aufgeteilt z
w
ischen
Stammhaus und
Auslandsgesellschaft
Nationalitä
t bei der
Besetzung unerheblich
Sehr hoch
Vielfä
ltige, weltweite
Entsendungsrichtungen
regiozen
trisch
Große Abhängigkeit
zwischen den Gesell-
schaften einer Region.
Regionalzentralen
Länder der Region
Hoch auf regionaler
Ebene, sonst gering
Vielfältige Richtungen
innerhalb der Regionen
polyzentris
ch
Unabhängige Gesell-
schaften mit unter-
schiedlicher
Komplexität
Auslandsgesellschaften
Gastland
Null
Entfällt
ethnozentrisch
Komplex im Stamm-
haus, einfach in den
Auslandsgesellschaf-
ten
Stammh
aus
Stammland
Durchschnittlich
Vom Stammhaus in
die Auslandsgesell-
schaften
Komplex
itä
t der
Organisat
io
n
Ort der Entschei-
dungskompetenz
Nationalität der
Führungskräfte
Entsendung
squote
Entsendung
s-
richtung
Tabelle
1
EPRG-Konzept
(Quelle: In Anlehnung an HEENAN (1979), S. 18-19; Stahl (1998), S. 15.)

9
Bei der ethnozentrischen Ausrichtung werden Schlüsselpositionen in Auslandsgesellschaften
mit Expatriates (PCNs) besetzt, deren Aufgabe vor allem darin besteht, die Auslandsaktivitä-
ten im Sinne des Gesamtunternehmens zu steuern. Besetzt ein Unternehmen weltweit nahezu
100 % der Managementpositionen mit Expatriates, so ergibt sich neben entsendungsbezoge-
nen Problemen eine Hauptschwierigkeit in der Demotivation einheimischer Mitarbeiter. Der
Vorteil einer solchen internationalen Stellenbesetzungsstrategie besteht in einer besseren Ko-
ordination der Auslandsaktivitäten durch die Unternehmenszentrale. Sie ist besonders in der
Aufbauphase einer Auslandsgesellschaft, in der umfangreiche finanzielle, technologische und
personelle Ressourcentransfers stattfinden, oder auch in Situationen, in denen ein Mangel an
qualifizierten Führungskräften im Gastland herrscht, hilfreich oder sogar erforderlich.
27
Bei der polyzentrischen Stellenbesetzungspolitik bleibt die Eigenständigkeit der Auslandsge-
sellschaft gegenüber dem Stammhaus erhalten. Führungspositionen werden nahezu aus-
schließlich mit HCNs besetzt, denen ein hohes Maß an Entscheidungskompetenz eingeräumt
wird. Auch bei dieser Stellenbesetzungspolitik kann es dazu kommen, dass die Niederlas-
sungsleitung aus Angst vor Kontrollverlust einem Expatriate übertragen wird.
28
Häufig wird die polyzentrische Stellenbesetzungspolitik erst dann angewendet, wenn die Aus-
landsgesellschaft etabliert ist und eine ausreichende Anzahl von einheimischen Führungskräf-
ten mit Stammhauserfahrung zur Verfügung steht. Die Vorteile der polyzentrischen Stellen-
besetzungspolitik bestehen u. a. in der Vertrautheit der HCNs mit den Gastlandbedingungen,
der Anreizwirkung durch größere Aufstiegschancen sowie einem einfacheren Zugang zu In-
stitutionen im Gastland. Als Nachteil gilt die Gefahr des Verlusts von Synergieeffekten und
des Auflösens des internationalen Unternehmens zu einem lockeren Bündnis von unabhängi-
gen nationalen Einheiten.
29
Bei der regiozentrischen und geozentrischen Ausrichtung spielt die Nationalität der Füh-
rungskräfte keine Rolle. Während bei der regiozentrischen Orientierung Schlüsselpositionen
der Auslandsgesellschaften mit Führungskräften aus der Region besetzt werden, werden bei
einer geozentrischen Orientierung die Schlüsselpositionen weltweit ausschließlich nach Qua-
lifikation und Leistung vergeben. Die Vorteile dieser Strategie liegen in der optimalen Aus-
nutzung des im Unternehmen vorhandenen Know-hows, im Aufbau eines regionalen bzw.
27
Vgl. STAHL (1998), S. 14.
28
Vgl. STAHL (1998), S. 16.
29
Vgl. STAHL (1998), S. 16.

10
internationalen Führungskaders und der Förderung einer einheitlichen Unternehmenskultur,
die die Ausrichtung der Mitarbeiter an den Unternehmenszielen gewährleistet. Die Nachteile
dieser Stellenbesetzungsstrategien bestehen u. a. in möglichen Abstimmungsproblemen, Mo-
bilitätsbarrieren und hohen Kosten.
Keine der personalpolitischen Handlungsmuster bzw. Besetzungsstrategien kann als uneinge-
schränkt überlegen erachtet werden.
30
Sie treten auch fast nie in ihrer Reinform auf, sondern
variieren in der Regel in Abhängigkeit von verschiedenen Kontextbedingungen. Zusätzlich zu
den mit den verschiedenen Ausrichtungen verbundenen Kosten gibt es zu berücksichtigende
Einflussfaktoren, die zu folgenden Merkmalklassen zusammengefasst werden können:
31
Merkmale des (Gesamt-)Unternehmens: Hierzu zählen Branche, Produkt(e), Unter-
nehmensgröße, Internationalisierungsgrad und -phase, Organisationsstruktur, Strate-
gieorientierung des Topmanagements, Unternehmenskultur und Mobilität der
Führungskräfte.
Merkmale der Auslandsgesellschaft: Hierzu zählen Markteintrittsform, Beteili-
gungsgrad der Muttergesellschaft, Wertschöpfung, Aufgabenkomplexität, Reifegrad,
wirtschaftlicher Erfolg, Managementpotential und Stammhauserfahrung der Füh-
rungskräfte.
Merkmale des Gastlandes: Hierzu zählen rechtlich-politische Rahmenbedingungen,
wirtschaftlicher und technologischer Entwicklungsstand, Marktgröße, Wettbewerbsin-
tensität, Verfügbarkeit qualifizierter Führungskräfte sowie geografische und kulturelle
Distanz zum Stammland.
Individuelle Merkmale: Diese beziehen sich auf den zu entsendenden Expatriate, die
Frage nach seiner Bereitschaft zum Auslandseinsatz und seiner familiären Situation.
32
Da in der Unternehmenspraxis meist keine polyzentrische Besetzungsstrategie angewendet
wird und alle anderen Formen die Entsendung von Führungskräften ins Ausland nach sich
ziehen, führen die in Kapitel
2.1 dargestellten Entwicklungen letztendlich auch zu einer stei-
genden Zahl von Auslandsentsendungen von Führungskräften.
30
Vgl. PERLITZ u.a. (2013), S. 700.
31
Vgl. STAHL (1998), S. 17.
32
Vgl. SCHERM (1999), S. 144; FESTING u.a. (2011), S. 215.

11
Bevor im Kapitel
2.3 die Kandidatenperspektive aufgezeigt wird, soll zunächst noch der Frage
nachgegangen werden, welche Ziele die entsendenden Unternehmen mit der Auslandsentsen-
dung von Führungskräften verfolgen.
Auch wenn die mit der Entsendung verfolgten Unternehmensziele, je nach individueller Si-
tuation, variieren, können die 3 folgenden (Primär-) Zielkategorien genannt werden, die sich
keineswegs gegenseitig ausschließen:
33
Know-how-Transfer, bspw. um den Auslandsgesellschaften gegenüber dem lokalen
Wettbewerb ein überlegenes Know-how zu sichern und einheimisches Personal zu
entwickeln.
Koordination und Kontrolle, bspw. um die ausländischen Geschäftsaktivitäten zu
koordinieren und zu kontrollieren und um eine einheitliche Unternehmenskultur zu
etablieren.
Führungskräfteentwicklung, bspw. um beim Führungskräftenachwuchs ein globales
Bewusstsein/eine internationale Perspektive zu entwickeln.
2.3 Kandidatenperspektive
Da eine Entsendung gegen den Willen des Entsendungskandidaten in der Regel nicht zum
Erfolg führen wird, ist es notwendig, die Motive der Entsendungskandidaten darzustellen. Es
ist also zu fragen, was die Entsendungskandidaten motiviert, aber auch, was sie abschreckt.
Generell gilt, dass die Anreize für eine Auslandstätigkeit vielfältig sind und mit unterschiedli-
chen Zielländern teilweise auch unterschiedliche Zielsetzungen der Entsendungskandidaten
verbunden sind. So kommt bei Entsendungen in Entwicklungsländer dem oft hohen Einkom-
men eine größere Bedeutung zu, wohingegen bei Auslandseinsätzen in Industrieländer mögli-
che Karrierevorteile als Beweggrund im Vordergrund stehen.
34
Als Motive der Entsendungskandidaten kommen im Einzelnen infrage:
35
Finanzielle Anreize
Karriereziele/Sprung auf der Karriereleiter
33
Vgl. STAHL (1998), S. 19-20; HEIN (1999), S. 84-87.
34
Vgl. DGFP (2012a), S. 19.
35
Vgl. STAHL (1998), S. 24; FISCHLMAYR u.a. (2012), S. 23-24.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2014
ISBN (eBook)
9783958208278
ISBN (Paperback)
9783958203273
Dateigröße
5.6 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
University Of Wales Institute, Cardiff
Erscheinungsdatum
2015 (Oktober)
Note
1
Schlagworte
entsendung führungskräften ausland hintergründe grundlagen empfehlungen
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