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Untersuchungen zur Diversität larvaler Trichoptera-Artengemeinschaften im Speyerbach bei Neustadt (Pfalz)

©2013 Bachelorarbeit 37 Seiten

Zusammenfassung

Jedes Lebewesen stellt, um existieren und sich fortpflanzen zu können, bestimmte Ansprüche an seine Umgebung. Die Summe dieser Ansprüche wird als ökologische Nische bezeichnet. Leben Arten zusammen in einer Artengemeinschaft, müssen sich ihre Nischen unterscheiden, da sonst die schwächere Art verdrängt werden würde. Die zentrale Frage dieser Arbeit ist, wie sich Köcherfliegen einer Artengemeinschaft in ihren Umweltansprüchen unterscheiden, um langfristig koexistieren zu können. Dazu wurden im Speyerbach (bei Neustadt/ Weinstraße) im Pfälzerwald an sieben Stellen im Februar 2013 in einen Zeitraum von zwei Wochen Köcherfliegenlarven gesammelt und bestimmt. Mit Hilfe weiterer Funde im Pfälzerwald und der Software Maxent wurde ein Modell ihrer ökologischen Nische erstellt und mit einander verglichen. Insgesamt konnte gezeigt werden, dass sich die Nischen in bestimmten Umweltansprüchen unterscheiden und so eine Koexistenz möglich ist.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis



1
1. Einleitung
1.1 Nischendifferenzierung
Der Begriff der ,,Nische" wurde zuerst von Grinnell 1917 und von Elton 1927 in der Ökologie
benutzt und über die Zeit unterschiedlich definiert (Munk, 2009). 1957 entwickelte
Hutchinson das Modell, dass jeder Faktor einer Dimension entspricht, sodass die ökologische
Nische einen n-dimensionalen Hyperraum mit n Faktoren bildet (Townsend, Harper & Begon,
2009). Nach Townsend, Harper & Begon (2009) ist die ökologische Nische die Summe aus
Toleranzbereich und Ansprüchen eines Organismus. Die Ansprüche an die Umwelt können in
biotische und abiotische Faktoren oder in Umweltbedingungen und Ressourcen unterteilt
werden (Munk, 2009). Man unterscheidet die fundamentale und die realisierte ökologische
Nische. Die fundamentale Nische beschreibt die Kombination von Umweltbedingungen und
Ressourcen, die eine Art benötigt, um zu existieren und sich fortzupflanzen, in Abwesenheit
von existenzbedrohenden Arten. Die realisierte Nische hingegen beschreibt alle nötigen
Faktoren und berücksichtigt zusätzlich intra- und interspezifische Konkurrenz (Townsend,
Harper & Begon, 2009). Jede Art bildet dabei ihre eigene ökologische Nische (Munk, 2009).
Nach dem Konkurrenzausschlussprinzip müssen sich konkurrierende Arten, um in einer
Artengemeinschaft langfristig koexistieren zu können, in ihrer ökologischen Nische
unterscheiden, also eine Nischendifferenzierung zeigen, da ansonsten eine Art die andere
verdrängen würde (Lampert & Sommer, 1992; Townsend, Harper & Begon, 2009).
Das Thema der Nischendifferenzierung dient auch als Fragestellung dieser Bachelorarbeit. Es
soll untersucht werden, ob und wie sich die ökologischen Nischen von Köcherfliegen, die
zusammen in einem gemeinsamen Lebensraum leben, unterscheiden, um nebeneinander
koexistieren zu können.
1.2 Köcherfliegen
Köcherfliegen (Trichoptera) bilden eine Ordnung der Insekten mit circa 7000 Arten weltweit,
davon sind 313 in Deutschland bekannt (Maier & Linnenbach, 2001). Sie sind holometabole
Insekten, die bis auf die Gattung Enoicyla, alle während ihrer Larvalentwicklung und
Metamorphose im Wasser leben (Ludwig, 1993). Bis auf wenige Arten haben sie ein zur
Atmung geschlossenes Tracheensystem am Hinterleib (Engelhardt et al., 2008).

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Man unterscheidet zwei Typen von Larven (Abb.1): Bei den eruciformen Larven steht der
Kopf senkrecht zur Körperachse, ihre Mundwerkzeuge sind dadurch nach unten gerichtet
(Ludwig, 1993). Diese Larven bauen einen Köcher (Ludwig, 1993). Die campodeiden Larven
besitzen meistens keinen Köcher, ihre Kopfachse steht in Verlängerung zum Körper, sodass
die Mundwerkzeuge nach vorne gerichtet sind (Ludwig, 1993).
Abb. 1: Schematischer Körper-
bau der Köcherfliegenlarven.
Eruciforme und campodeide
Larven unterscheiden sich durch
die Stellung des Kopfes im
Vergleich zur Körperachse. Dazu
besitzen eruciforme Larven
immer einen Köcher (Bearbeitet
nach Maier & Linnenbach, 2001).
Der Köcher der Larven, vom dem sie im Deutschen ihren Namen haben, schützt sie vor
Prädatoren und beherbergt den weichen Hinterleib (Engelhardt et al., 2008). Er besteht je
nach Art aus verschiedenen Fremdmaterialien (kleinen Steinen, Sand, Holz, Laub, Nadeln,
kleine Schnecken- und Muschelschalen, etc.), die sie im Gewässer finden (Zrzavý, Storch &
Mihulka, 2009) und werden mithilfe eines Spinnfaden zu einem arttypischen Seidenköcher
verbaut (Engelhardt et al., 2008).
Den eruciformen Larven dient vor allem Pflanzenmaterial als Nahrung, während von den
campodeiden Larven viele als Räuber leben (Engelhardt et al., 2008). Durch ihre
unterschiedlichen Ansprüche an ihre Umgebung sind bestimmte Arten für bestimmte
Gewässertypen charakteristisch (Engelhardt et al., 2008). Aufgrund dessen und ihrer hohen
Präsenz und relativen Abundanz, werden sie häufig für biologische Fragestellungen und zur
Bewertung der Wasserqualität verwendet (Holzenthal et al., 2007). Dank der guten
Möglichkeiten Köcherfliegenlarven zu fangen und der oben genannten Vorteile sind sie auch
für diese Arbeit das Untersuchungsobjekt.

3
1.3 Untersuchungsgebiet
Als Untersuchungsgebiet dieser Arbeit dient der Speyerbach. Er ist ein Fließgewässer 3.
Ordnung vom Typ 5.1 (feinmaterialreiche silikatische Mittelgebirgsbäche). Der ökologische
Zustand entspricht im oberen Speyerbach der Klasse 2 (gut), im mittleren und unteren Teil
nur noch der Klasse 4 (unbefriedigend), was vor allem an der ,,erheblich veränderten"
Gewässermorphologie liegt (Westermann et al., 2010). Der untersuchte Abschnitt liegt
zwischen Lambrecht (Pfalz) und Neustadt (Weinstraße) (Abb. 2). Dieser Abschnitt wurde
gewählt, da hier eine gute Zugänglichkeit gewährleistet ist. Ab Neustadt läuft der Speyerbach
größtenteils umzäunt in einem Sandsteinbett und teilweise kanalisiert unter der Stadt, sodass
es nur schwierig bis gar nicht möglich ist, an das Bachbett zu gelangen. Der untersuchte
Abschnitt ist circa 4,5 km lang und entspricht dem Lebensraum des Rhithrals. Ein weiterer
Vorteil ist, dass sich der Abschnitt teilweise innerhalb und teilweise außerhalb des
Pfälzerwalds befindet. Der Speyerbach entspringt im Pfälzerwald, verlässt diesen am
östlichen Rand und mündet bei Speyer in den Rhein, woher er auch seinen Namen hat. Somit
entwässert er den Pfälzerwald in Richtung Osten (Förster, 2012). Der Pfälzerwald liegt im
Süden von Rheinland-Pfalz und erstreckt sich auf einer Fläche von 135.590,44 Hektar
(Landesamt für Umwelt, Wasserwirtschaft und Gewerbeaufsicht Rheinland-Pfalz, 2010). Er
wird im Norden vom Nordpfälzer Bergland und im Süden von den Vogesen begrenzt, sowie
im Nordwesten von Kaiserslautern und im Südosten von Neustadt an der Weinstraße (Geiger,
2010). Er liegt in der gemäßigten Klimazone zwischen dem atlantischen und dem
kontinentalen Klimatypen (Geiger, 2010).
1.4 Species distribution models und Maxent
Modelle zur Artenverbreitung (species distribution models, SDMs) finden in vielen Bereichen
Anwendung, vor allem in der Umweltforschung, der Ökologie, der Biogeographie und dem
Naturschutz (Elith et al., 2011). Sie verknüpfen die räumliche Information über das
Vorkommen einer Art in einem untersuchten Gebiet mit den dort auftretenden
Umweltfaktoren (Franklin, 2009). Dadurch liefern sie sowohl Informationen über die
ökologische Nische als auch über eine mögliche Eignung des Gebiets als Lebensraum für die
untersuchte Art (Franklin, 2009). Zusammen mit extrapolierten Klimadaten kann auch eine
potentielle Verbreitung der Art für die Zukunft beziehungsweise die Vergangenheit modelliert

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werden. Das Vorkommen einer Art wird entweder in Form von Präsenz-Absenz (presence-
absence) oder nur in Präsenz (presence-only) erfasst, wobei die letztere die einfachere Form
ist. Die Verwendung von presence-only Datensätzen hat jedoch auch Nachteile: Zum einen
weiß man nicht, wie häufig eine Art in einem Gebiet vorkommt (Elith et al., 2011), zum
anderen hat die Wahl der Untersuchungsstelle im Gebiet einen größeren Einfluss als bei
Präsenz-Absenz-Datensätzen (Phillips et al., 2009). Durch das Verwenden von presence-only
Daten ist es hingegen möglich, ältere Aufnahmen, die das Vorkommen einer Art belegen -
zum Beispiel aus Museen oder Herbarien - für ein Modell nutzbar zu machen (Elith et al.,
2011). Ein Programm, das mit solchen presence-only Daten arbeitet, ist Maxent (Phillips,
Anderson & Schapire, 2006). Maxent ist seit 2004 kostenfrei verfügbar und wird seitdem in
vielen Anwendungsbereichen verwendet (Elith et al., 2011). Das Ziel von Maxent ist es, die
Wahrscheinlichkeit einer potentiellen Verbreitung einer Art in einem bestimmten Gebiet zu
schätzen (Phillips, Anderson & Schapire, 2006), sowie die ökologische Nische einer Art zu
modellieren. Das Programm arbeitet nach der Maximum-Entropie-Methode, von der es seinen
Namen hat, und der Bayesschen Statistik
(
Phillips, Anderson & Schapire, 2006). Dafür
benötigt es die Angaben über die Fundorte (Längen- und Breitenangabe im .asc-Format) und
ein Raster an Umweltdaten für das jeweilige Gebiet in kontinuierlicher oder kategorischer
Form. Als Ergebnis liefert Maxent eine potentielle Verbreitungskarte, sowie weitere
statistische Berechnungen (ROC-Kurve, Jackknife-Test, Wirkungskurven, etc.), mithilfe derer
man Aussagen zur ökologischen Nische geben kann. Da Maxent nur presence-only Daten
benötigt und eines der neusten Programme zur Nischen- beziehungsweise
Habitatmodellierung ist, ist es für die Analysen im Rahmen dieser Arbeit sehr gut geeignet.

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2. Material & Methoden
2.1 Feldarbeit
Zu Beginn der Feldarbeit wurde geprüft, wo der Speyerbach auf dem zu untersuchenden
Abschnitt am besten zugänglich ist. Danach wurden sieben Stellen (siehe Abb.2; Tab.1)
ausgewählt und vom 12.2. - 23.2.2013 nach Köcherfliegenlarven abgesucht. Aufgrund der
zeitlichen Entwicklung der Larven wurde der Untersuchungszeitraum vor den eigentlichen
Zeitraum der Bachelorarbeit gelegt, sodass der Großteil der Köcherfliegenlarven sich im
fünften und letzten Larvalstadium befand, was für eine eindeutige Artbestimmung wichtig ist.
Beim Beproben wurden, je nach Gegebenheit, verschiedene Methoden verwendet. Im Wasser
wurde das Kicksampling (Meier et al.) angewandt. Dabei wird mit dem Fuß das
Bodensubstrat in einer Tiefe von bis zu ca. 3cm aufgewirbelt, sodass die benthischen
Trichopteralarven von der Strömung erfasst werden und mit Hilfe eines Siebes gefangen
werden können. An Stellen mit Makrophyten wurde das Sieb gegen die Strömung durch die
Pflanzen bewegt, um sich darin befindende Larven zu erfassen. An Stellen mit meso- bis
makrolithalen Bereichen wurden einzelne Steine aus dem Wasser genommen und auf darauf
lebende Larven untersucht und gegebenenfalls mit einer Pinzette gesammelt. Das gleiche
wurde an Stellen mit xylalen Bereichen durchgeführt. Zur Konservierung wurden die
Köcherfliegenlarven vor Ort in kleine Kautex-Flaschen mit 70%igen Ethanol gegeben. Dabei
wurden von jeder Art, falls möglich, mehrere Exemplare gesammelt, um diese später besser
bestimmen zu können. Da es sich um eine qualitative Analyse handelt und nicht um eine
quantitative, mussten nicht alle Individuen erfasst werden.
2.2 Laborarbeit
Im Labor wurden die gesammelten Köcherfliegenlarven mit Ethanol in ein Blockglas gegeben
und unter dem Binokular betrachtet. Mit Hilfe des Atlas der österreichischen
Köcherfliegenlarven (Wahringer & Graf, 2004) wurde die jeweilige Trichoptera-Art
bestimmt. Danach wurden die Larven nach Art, Fundort und Datum sortiert und wieder mit
70%igem Ethanol in kleine Glasgefäße gegeben, um sie für spätere Zwecke zu konservieren.

6
Abb. 2: Untersuchte Stellen des Speyerbachs. Zwischen Lambrecht (Pfalz) und Neustadt
(Weinstraße) wurden im Speyerbach sieben Stellen ausgewählt und auf Köcherfliegenlarven beprobt.
(Satellitenaufnahme Google Earth)
Tab. 1: Koordinaten der Probestellen im Speyerbach
Probestelle
Länge
Breite
1
8.087781°
49.374023°
2
8.096314°
49.369632°
3
8.105461°
49.367331°
4
8.108069°
49.356620°
5
8.113911°
49.357643°
6
8.117585°
49.354174°
7
8.127050°
49.350868°

7
Mit Hilfe von Sattelitenbildern aus Google Earth wurde die Probestelle am Speyerbach
bestimmt und die dazugehörigen Koordinaten ermittelt (Tab. 1).
2.3 Maxent-Analyse
Zur Modellierung der potentiellen Artenverteilung wurde die Software Maxent (Version
3.3.3e; http://www.cs.princeton.edu/~schapire/maxent/) genutzt (Phillips et al., 2006; Phillips
& Dudlík, 2008). Dafür wurden zunächst die Koordinaten der Fundorte mit Hilfe des
Programmes Google Earth bestimmt (Tab. 1). Die Modellierung erfolgte nicht für alle
gefundenen Arten, da dafür keine ausreichend große Datenmenge vorlag. Es wurden die zwei
häufigsten Arten ausgewählt (Tab. 2) und für ein aussagekräftigeres Ergebnis zusätzlich
Fundortdaten anderer Arbeiten verwendet (Tab.3). Für die Modellierung wurde ein Satz von
Umweltdaten (6.1 verwendete Umweltdaten) für das Gebiet des Pfälzerwaldes genommen.
Die Daten für Temperatur und Niederschlag stammen aus einer Interpolation von
Punktklimadaten (1950-2000) in einer räumlichen Auflösung von 30 arcsec (~1 km)
(http://www.worldclim.org). Die Informationen über die Landbedeckung und Höhenangaben
stammen von DIVA-Gis (http://www.diva-gis.org), mit 22 Typen von Landbedeckung und
ebenfalls einer räumlichen Auflösung von 30 arcsec. Eine genaue Beschreibung der
Vorgehensweise mit Maxent und der verwendeten Umweltparameter findet sich bei Kusch &
Schmitz (2013).

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2013
ISBN (eBook)
9783958208346
ISBN (Paperback)
9783958203341
Dateigröße
2 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau
Erscheinungsdatum
2015 (Oktober)
Note
1
Schlagworte
untersuchungen diversität trichoptera-artengemeinschaften speyerbach neustadt pfalz
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