Ist Weiterbildung sinnlos? Wie Kompetenzentwicklung durch erfolgreichen Lerntransfer gelingen kann
©2014
Bachelorarbeit
53 Seiten
Zusammenfassung
Fortbildungen sind in der Personalentwicklung das Mittel der Wahl, um die Kompetenzen eines Mitarbeiters zu fördern und weiterzuentwickeln, was leider nicht immer gelingt. Offensichtlich klafft mitunter eine große Lücke zwischen dem Gelernten und der Umsetzung, mit anderen Worten: Der Transfer ist misslungen. Die Zahlen und Statistiken, die dazu kursieren, sind erschreckend. Ein hoher Prozentsatz der kostspieligen Seminare verpufft wirkungslos und der Teilnehmer macht weiter wie bisher. Hier stellt sich die Frage: Welche Faktoren beeinflussen den Lerntransfer günstig oder ungünstig und haben Teilnehmer wie auch Dozenten eine Chance, den Transfer so zu gestalten, dass eine Entwicklung stattfinden kann? Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich eingehend mit dem Phänomen, dass Gelerntes nicht immer so umgesetzt wird, wie es wünschenswert wäre, und zeigt auf, welche Ansatzpunkte es gibt, Seminarinhalte zu verinnerlichen und anzuwenden.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
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KODE®-System, dass verschiedene wesentliche Kompetenzen identifiziert und deren
Weiterentwicklung anhand eines Soll-Ist-Vergleiches dokumentiert. Kapitel 2.3 beleuchtet die
Kompetenzentwicklung und deren geeigneten Maßnahmen, wobei in 2.4 die Bedeutung von
Lerntransfer für die Kompetenzentwicklung näher betrachtet wird.
Der darauf folgende Abschnitt Kapitel 3- thematisiert den Begriff ,,Lerntransfer". Hier wird
erörtert, wie Lerntransfer definiert werden kann (Kapitel 3.1), welche Modelle bzw.
Methoden in den vergangenen Jahrzehnten dazu entwickelt wurden und ob diese Modelle in
der heutigen Zeit noch anwendbar sind (Kapitel 3.2). Im gleichen Abschnitt wird weiter das
Lerntransfer-System-Inventar erläutert, das eine Weiterentwicklung des Transfer-Modells von
Baldwin & Ford darstellt sowie die Transferstärke-Methode, eine neuere Entwicklung auf
dem Gebiet des Lerntransfers. In weiteren Verlauf des Kapitels werden die Bedingungen und
die Schlüsselfaktoren eines gelungenen Lerntransfers aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse
aus den vorangegangenen Abschnitten erörtert und zusammengebracht.
In Kapitel 4 wird die Forschungsfrage ,,Wie kann Lerntransfer in der Weiterbildung gesichert
werden und führt erfolgreicher Lerntransfer zu Kompetenzentwicklung?" aufgrund der
Ergebnisse des Literarturstudiums beantwortet und erörtert. Die dafür bedeutsamen
Bedingungen aus den einzelnen Kapiteln werden hier in Bezug zueinander gesetzt und
diskutiert.
Das Kapitel 5 stellt mit einem Fazit die Zusammenfassung der vorliegenden Arbeit dar und
schließt mit einem Appell.
3
2
Kompetenzen
Kompetenzen - ein Schlagwort, besonders in politischer, wissenschaftlicher und
bildungspraktischer Hinsicht und das nicht nur in Deutschland, sondern in allen
Industrienationen dieser Welt. In den 1990er Jahren wurden in Organisationen zahlreiche
Umstrukturierungen notwendig um die Arbeitsabläufe zu optimieren und in den Unternehmen
gesunde Strukturen zu schaffen, mit denen sie dem stärker werdenden Konkurrenzdruck
entgegenwirken konnten. Daraus resultierte ein Leitbild der beruflichen
Handlungskompetenz, aus dem sich auch neue Arbeits- und Lernformen entwickeln konnten.
Der Erwerb von fachlichen, sozialen und persönlichen Kompetenzen haben zu einer
vermehrten Aufmerksamkeit des Begriffs ,Kompetenz` geführt und neue Diskussionen
angestoßen. Unsere Gesellschaft erfährt zurzeit eine nie dagewesene Entwicklung zum
Individuum; es stehen individuelles Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten des Menschen im
Fokus. Es will an Gesellschaft teilhaben, sich persönlich entfalten und seine
Beschäftigungsfähigkeit weiterentwickeln (vgl. Gnahs, 2010, S.12). Arnold / Müller sehen
,,die gesellschaftliche Entwicklung der letzten Jahre durch eine Individualisierung
gekennzeichnet, nicht nur im persönlichen Umfeld eines Individuums sondern auch in
beruflicher Hinsicht ist der Einzelne auf sich selbst verwiesen, die Bedeutung traditioneller
Lebenszusammenhänge tritt zurück. Diese Tendenzen haben auch Einfluss auf die
Kompetenzentwicklung. Dies bedeutet eine Erosion des Berufsprinzips, man hat keine Berufe
mehr sondern Kompetenzen" (Arnold / Müller, 2006, S.26-27). Mit diesem Wandel zur
Wissensgesellschaft erfährt auch die Einstellung zum Fachwissen eine Änderung.
Antrainiertes Fachwissen ist nicht mehr alles, zumal die Halbwertszeit des Fachwissens stetig
durch Fortschritt abnimmt. Vielmehr ist es wichtiger geworden die Mitarbeiter zu befähigen,
sich erforderliches Wissen selbst anzueignen. Hinzu kommt die Einsicht,
,,
dass die
Entwicklung beruflicher Kompetenz eine Aufgabe lebenslangen Lernens ist." (Arnold /
Müller, 2006, S.21). Der Mitarbeiter hat zwar eine Ausbildung mit grundlegendem
Fachwissen, in Organisationen sind es aber die Kompetenzen, die er zum Einsatz bringen
kann, was bedeutet dass er sich dem Wandel an erforderlichen Wissen anpassen kann und
selbstständig seine Fähigkeiten an den veränderten Rahmenbedingungen ausrichtet. Diesen
Ansatz verfolgte bereits Dieter Mertens 1974 mit seinen postulierten
,,Schlüsselqualifikationen". Kompetenzen haben eine Schlüsselfunktion in der
Weiterentwicklung eines Unternehmens und sichern langfristig den Wettbewerbsvorteil der
Unternehmen, wenn sie das Humankapital als einzigartige Ressource entwickeln. Gnahs sieht
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,,Kompetenzentwicklung (...) als zentrale Komponente zur Sicherung der globalen
Wettbewerbsfähigkeit und zum Überleben unserer Gesellschaft" (Gnahs, 2010, S.12). Nach
Thom / Zaugg (Thom 2006, S.2 zitiert nach Thom / Zaugg 2001) muss die Ressource
Kompetenz den Regeln der Marktwirtschaft folgend knapp, wertvoll, begrenzt imitierbar,
schlecht transferierbar und beschränkt substituierbar sein, damit sie tatsächlich
Wettbewerbsvorteile bringt.
2.1
Definition
Der Begriff ,Kompetenz` wird sehr unterschiedlich verwendet und soll für diese Arbeit
genauer definiert werden. Das Verständnis von Kompetenz ist in den wissenschaftlichen
Disziplinen, die sich mit dem Kompetenzbegriff beschäftigen, oft nicht identisch. Es gibt
höchst unterschiedliche Zugänge, die in der Kompetenzforschung wichtig sind. In der
Psychologie sind es eher die Eignungsdiagnostik und die Problemlöseforschung, in der
Kompetenz erforscht und erfasst wird. In der Erwachsenenbildung, also die Berufspädagogik,
liegt der Fokus auf der Struktur und der Klassifikation von Qualifikationen sowie auf der
Lern-Lehr-Forschung, bildungspolitisch wird auf den Erwerb von Kompetenzen im Rahmen
des Konzepts des ,Lebenslangen Lernens` hingewiesen. In der Betriebswirtschaft ist der
Kompetenzbegriff zum einen als Begriff des Managements verwendet, zum zweiten
Kompetenz als Befugnisse im Unternehmen und zum Dritten als aufgabenorientierter Begriff.
In Organisationen hat sich ein inflationärer Gebrauch des Kompetenzbegriffs entwickelt und
ist deshalb besonders schwierig zu fassen, was genau damit gemeint sein könnte.
Im erwachsenbildnerischen Kontext lassen sich einige Definitionen des Kompetenzbegriffes
finden, so definiert Arnold den Begriff folgendermaßen: ,,Kompetenz bezeichnet das
Handlungsvermögen der Person (...), ist zudem ganzheitlich ausgerichtet: Kompetenz umfasst
nicht nur inhaltliches bzw. fachliches Wissen
und Können, sondern auch außerfachliche bzw.
überfachliche Fähigkeiten, die häufig mit Begriffen wie Methodenkompetenz (,,Know-how"),
Sozialkompetenz, Personalkompetenz oder auch Schlüsselqualifikationen umschrieben
werden (...) Immer deutlicher wird in den letzten Jahren erkannt, dass Kompetenz nicht nur
in institutionalisierten Lernprozessen ,vermittelt` werden kann, sie entwickelt und erweitert
sich vielmehr im Lebensvollzug, d.h. im Rahmen des lebenslangen Erfahrungslernens.
Kompetenzentwicklung erfolgt demnach zu einem überwiegenden Teilen durch
selbstgesteuertes Lernen." (Arnold, 2010).
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Dehnbostel/Gillen verstehen Kompetenzen als ,,Fähigkeiten, Methoden, Wissen,
Einstellungen und Werte, deren Erwerb, Entwicklung und Verwendung sich auf die gesamte
Lebenszeit eines Menschen beziehen. Die Kompetenzentwicklung wird aus der Perspektive
des Subjekts, seiner Fähigkeiten und Interessen gesehen und bezieht in ihrer
Subjektorientierung die Bildungsdimension mit ein." (Dehnbostel / Gillen 2005, S.32 nach
Gnahs, 2010, S.20).
In ähnlicher Weise definiert die Bund-Länder-Kommission Kompetenzen bzw. konkret den
Begriff des ,,lebenslanges Lernens":
,,Lebenslanges Lernen umfasst alles formale, nicht-
formale und informelle Lernen an verschiedenen Lernorten von der frühen Kindheit bis
einschließlich der Phase des Ruhestands. Dabei wird ,Lernen` verstanden als konstruktives
Verarbeiten von Informationen und Erfahrungen zu Kenntnissen, Einsichten und
Kompetenzen" (BLK, 2004, S.12).
Bender fasst den in der Literatur verwendeten Kompetenzbegriff folgendermaßen zusammen:
,,(...) umfasst beruflich relevante Kenntnisse (Wissen), Fähigkeiten (Können) und
Einstellungen (Wollen), die selbstorganisiert und sich selbst aktualisierend, im Bewusstsein
der eigenen Wirksamkeit (self-effiacy) im Hinblick auf die Ausführung konkreter
Handlungen (Zuständigkeit) in situativen Kontext angewandt werden (Performanz)" (Bender,
2004, S.45). Der Kompetenzbegriff in der vorliegenden Arbeit umfasst die vorangestellten
Ansätze der Definitionen, allerdings nicht in vollem Umfang. Insbesondere auf Kompetenz
als Fähigkeiten und Kenntnisse, als berufliches Handlungswissen und auf lebenslanges
Lernen im beruflichen Kontext soll das Hauptaugenmerk gelegt werden, da die Zielsetzung
der Arbeit - also die Frage nach dem Lerntransfer bei Kompetenzentwicklung- eher im
beruflichen Handlungsfeld zum Tragen kommt.
Berufliche Kompetenz lässt sich ebenso nochmals einteilen in verschiedene Teilaspekte der
Kompetenz, namentlich Fachkompetenz, Methodenkompetenz, Sozialkompetenz und
Selbstkompetenz. Fachkompetenz umfasst Fähigkeiten und Fertigkeiten, die sowohl
berufsübergreifend, als auch fachspezifisch sein können. Unter Methodenkompetenz fällt das
Beherrschen von Technologien und Vorgehensweisen zur Strukturierung von Arbeitsabläufen
und zur Aufgabenbewältigung. Der Begriff Sozialkompetenz hat in den letzten Jahren sehr an
Bedeutung zugenommen und lässt sich nur schwer eindeutig definieren, auch die
Verwendung des Ausdrucks ,,soft skills" als gebräuchliches Synonym für Sozialkompetenz
macht dies nicht eindeutiger. Er wird gerne als Schlagwort eingesetzt ohne die genaue
Definition von Sozialkompetenz zu hinterfragen. Kanning (2003, S.14-15) hat drei Ansätze
zur Definition von Sozialkompetenz herausgestellt:
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1.
als Durchsetzungsfähigkeit
2.
als Anpassungsfähigkeit
3.
als ideale Kombination von Anpassung und Durchsetzungsfähigkeit
Für den beruflichen Kontext ist das Verständnis von Sozialkompetenz als Kompromiss von
Anpassung und Durchsetzungsfähigkeit sicherlich die wünschenswerteste Variante der
Sozialkompetenz, geht es doch in Organisationen grundlegend immer darum, dass der
Mitarbeiter sich zwar an die unabänderlichen Gegebenheiten anpasst, dennoch wird
Durchsetzungskraft von ihm erwartet, vor allem wenn unpopuläre Maßnahmen zu vertreten
sind. Die Selbstkompetenz zielt auf den Einzelnen in seiner Arbeit und auf die
Lernbereitschaft, Leistungsbereitschaft, Belastbarkeit, Offenheit und auch die Bereitschaft zur
Selbstreflexion ab, also auf die Fähigkeiten seine Arbeitsumwelt selbst mitzugestalten und zu
organisieren, Verantwortung zu übernehmen und auf Veränderungen zu reagieren.
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2.2
Kompetenzen erkennen, messen und analysieren
Neben der Frage nach der Definition von Kompetenzen ist auch die Frage nach der
Messbarkeit von Kompetenzen eminent wichtig. Welche Methoden und Instrumente eignen
sich hierfür und wie aussagekräftig können sie sein? Allen voran steht die Frage, welchen
Verwendungszweck das Kompetenzmessverfahren verfolgt. Hier sind drei maßgebliche
Ansätze zu unterscheiden, zum einen die Verfahren der Personalentwicklung, die zum Ziel
haben den Mitarbeiter in seinen Kompetenzen einzuschätzen, um geeignete
Personalentwicklungsverfahren unter ökonomischen Aspekten für ihn zu finden. Zum
Zweiten die Verfahren, die die Interessen des Subjektes erfassen, also das Individuum
persönlich mit seinen individuellen Eigenschaften, Fähigkeiten und Fertigkeiten unabhängig
von wirtschaftlichen Interessen und zum Dritten wäre noch die Dimension der
Gesellschaftspolitik zu nennen, die mit umfassenden Erhebungen von Fertigkeiten und
Kenntnissen der Bevölkerung (wie zum Beispiel der PISA-Test) Konzepte wie das des
,lebenslangen Lernens` etablieren möchte. Deutliche Ziele sind in den
gesellschaftspolitischen Bestrebungen nicht durchgängig zu erkennen, da sie wohl nicht nur
subjekt- oder gesellschaftsorientiert, sondern wohl auch ökonomisch motiviert sind. Die Ziele
eines Kompetenzmessverfahrens können sich aber auch an Zielgruppen orientieren und
abhängig von dieser Gruppe sein.
2.2.1
Instrumente zur Erfassung von Kompetenzen
Die Instrumente, die in der Kompetenzmessung zur Personalentwicklung eingesetzt werden,
stehen häufig in Relation zu aktuellen und künftigen Aufgaben des Mitarbeiters und sind
meist an die spezifischen und ökonomischen Anforderungen eines Unternehmens geknüpft.
Dabei stehen Unternehmensprozesse und deren Optimierung im Vordergrund, und daher sind
diese Instrumente nur bedingt allgemeingültig einzusetzen. Subjektorientierte
Kompetenzmessung hingegen versteht sich eher als Lern- und Entwicklungsberatung und
orientiert sich an der jeweiligen Lern- und Arbeitswelt des Subjektes und den hierbei
erworbenen Fähigkeiten und Fertigkeiten. Die Betonung liegt hier auf Reflexion und der
Weiterentwicklung des Einzelnen. Diese Einzelverfahren können aber nicht immer scharf in
Subjekt- oder Anforderungsorientierung getrennt werden, da sowohl die
anforderungsorientierten Maßnahmen dem Einzelnen zu einer Weiterentwicklung verhelfen
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können, als auch die Subjektorientierung einen Nutzen in ökonomischer Hinsicht bringen
kann.
Die Aufgabe der Bildungs- und Gesellschaftspolitik hinsichtlich der Instrumente zur
Kompetenzmessung ist umfassender zu sehen. Hier lieg der Fokus auf einer Zertifizierung der
Kompetenzen eines Einzelnen um eine Vergleichbarkeit zu erreichen, die verstärkt auch im
Hinblick der Globalisierung eine internationale Bedeutung erfährt. Colardyn (2002 nach
Kauffeld, 2006, S.42) nennt fünf Ansätze zur Zertifizierung von Kompetenzen:
1)
Examinations
2)
Declarative
3)
Observations
4)
Simulations
5)
Evidence
Examinations, also die klassische Prüfung als Zertifizierung einer Kompetenz, bei der die
Kandiaten mündlich oder schriftlich Fragen abarbeiten, um den jeweiligen Wissensstand und
ihr Verständnis vorzuweisen.
Declarative meint die eigene Einschätzung des Kandidaten seiner Fähigkeiten und
Fertigkeiten.
Durch Oberservations- also Beobachtung- können Dritte (meist sind das die Vorgesetzten)
herausfinden, welche Kompetenzen ein Kandidat im realen Arbeitsleben zeigt.
In Simulations, beispielsweise in Rollenspielen, die einen großen Bezug zu realen Situationen
in der Arbeitswelt haben, kann der Kandidat beweisen, welche Kompetenzen er sich erworben
hat und einsetzen kann.
Evidence meint die persönliche Einschätzung des Kandidaten von erworbenen Kompetenzen
und deren Bedeutung für sein Arbeitsumfeld, die ein Dritter hinsichtlich der Relevanz dann
abschließend beurteilt.
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2.2.2
Big Five
Beispielhaft für die oben genannten Einzelverfahren zur Kompetenzbeurteilung bzw.
Messung sei an dieser Stelle der Persönlichkeitstest ,,Big Five" genauer beschrieben und
kritisch hinterfragt. Der ,,Big Five" oder auch ,,Fünf-Faktoren-Modell" wurde bereits in den
1950er Jahren als psychologisches Modell zur Persönlichkeitserfassung entwickelt und seine
stetige Weiterentwicklung hat dazu geführt, dass dieser Test in verschiedensten
Ausprägungen verwendet wird. ,,Das Big-Five-Modell postuliert fünf breite
Persönlichkeitsdimensionen (domains), die sich ihrerseits wieder in je sechs Subdimensionen
(facets) unterteilen lassen und sich auf Verhaltensorientierungen im zwischenmenschlichen
Umgang und interindividuelle Unterschiede im Einstellungs-, Erlebens- und
Motivationsbereich zurückführen lassen" (Dehne/ Schupp, 2007, S.10). Die verwendeten fünf
Faktoren haben sich im Laufe der Entwicklung dieses Tests durch die Zusammenführung
verschiedener Modelle und Ansätze in der Persönlichkeitsforschung herauskristallisiert und
sind gewissermaßen die Quintessenz dieser Ansätze.
Die fünf Dimensionen, die der ,,Big Five" abbilden möchte, sind in folgende
Persönlichkeitsmerkmale unterteilt:
,,Neurotizismus" beschreibt die individuellen Unterschiede der emotionalen Stabilität, d.h.
wie schnell eine Person sich unter Stress aus dem Gleichgewicht bringen lässt und die eigenen
Bedürfnisse aus dem Blick verliert.
Mit ,,Extraversion" wird die Eigenschaft beschrieben, wie sich Menschen im Umgang mit
anderen verhalten und wie sie den Umgang erleben. Die einzelnen Facetten dieser Eigenschaft
sind in untenstehender Tabelle erfasst und differenzieren nochmals die Extraversion.
Die ,,Offenheit" eines Individuums wird in einer weiteren Dimension erfasst und gilt als ein
wenig umstritten in der Persönlichkeitsforschung. Je nach Denkansatz wird diese Dimension
auch als Kultiviertheit oder Intelligenz bezeichnet, woraus sich viel diskutierte
unterschiedliche Sichtweisen auf die Dimension ergeben. Mit Offenheit wird also
beschrieben, wie ein Individuum Neuem gegenübersteht, ob es neugierig ist oder sich eher
zurückhaltend und abwartend verhält. In den Facetten sind die unterschiedlichen
Ausprägungen von ,,Offenheit" nochmals aufgeschlüsselt.
Ein weiteres Persönlichkeitsmerkmal ist die ,,Verträglichkeit" und stellt ebenso wie die
,,Extraversion" die interpersonellen Verhaltensweisen einer Person dar. In den Facetten
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werden Eigenschaften wie z.B. Rücksichtnahme und Hilfsbereitschaft abgebildet oder auch
Aufrichtigkeit und Unbefangenheit.
,,Gewissenhaftigkeit" ist die letzte Eigenschaft von Personen, die im ,,Big Five" abgebildet
werden kann und meint damit die Fähigkeit zur Selbstkontrolle und zur Selbstdisziplin. Die
Subdimensionen erfassen differenzierte Merkmale der Gewissenhaftigkeit, wie
Arbeitsweisen, Organisation und Ehrgeiz.
Persönlichkeitsbereiche
x N: Neurotizismus (Neuroticism)
x E: Extraversion (Extraversion)
x O: Offenheit für Erfahrung (Openness to Experience)
x A: Verträglichkeit (Agreeableness)
x C: Gewissenhaftigkeit (Conscientiousness)
Facetten
Neurotizismus (N)
N1: Ängstlichkeit (Anxiety)
N2: Reizbarkeit (Angry Hostility)
N3: Depression (Depression)
N4: Soziale Befangenheit (Self-Consciousness)
N5: Impulsivität (Impulsiveness)
N6: Verletzlichkeit (Vulnerability)
Extraversion (E)
El: Herzlichkeit (Warmth)
E2: Geselligkeit (Gregariousness)
E3: Durchsetzungsfähigkeit (Assertiveness)
E4: Aktivität (Activity)
E5: Erlebnishunger (Excitement-Seeking)
E6: Frohsinn (Positive Emotions)
Offenheit für Erfahrungen (O)
O1: Offenheit für Phantasie (Fantasy)
O2: Offenheit für Ästhetik (Aesthetics)
O3: Offenheit für Gefühle (Feelings)
O4: Offenheit für Handlungen (Actions)
O5: Offenheit für Ideen (Ideas)
O6: Offenheit des Werte- und Normensystems
(Values)
Verträglichkeit (A)
Al: Vertrauen (Trust)
A2: Freimütigkeit (Straightforwardness)
A3: Altruismus (Altruism)
A4: Entgegenkommen (Compliance)
A5: Bescheidenheit (Modesty)
A6: Gutherzigkeit (Tender-Mindedness)
Gewissenhaftigkeit (C)
Cl: Kompetenz (Competence)
C2: Ordnungsliebe (Order)
C3: Pflichtbewusstsein (Dutifulness)
C4: Leistungsstreben (Achievement Striving)
C5: Selbstdisziplin (Self-Discipline)
C6: Besonnenheit (Deliberation)
Quelle: Angleitner/Ostendorf 2004, S. 11.
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Der ,,Big Five" ermöglicht es, wie auch mit anderen psychometrischen Testverfahren, relativ
schnell ein Persönlichkeitsprofil zu erstellen und wird daher zunehmend in der
Personalentwicklung eingesetzt. Nicht nur große, internationale Konzerne setzten
Persönlichkeitstest wie diesen ein, sondern zunehmend auch mittelständische und kleinere
Unternehmen. Die Personalauswahl, Diversifizierung, Einarbeitung und auch
Konfliktbewältigung im Team, das Coaching und sowie vermehrt die betriebliche
Weiterbildung zählen zu den Einsatzgebieten der Tests (vgl. Lundgren, 2012, S.7). Im
Internet lassen sich sogar Seiten finden, die damit werben, der ,,Big Five" sei explizit als Test
für die Personalauswahl und zur Personalführung entwickelt worden und sei ,das` Modell für
die moderne Personalarbeit. Diese Auslegung des ,,Big Five" ist zwar nicht ganz korrekt,
zeigt aber die Popularität dieses Tests in der Personalentwicklung auf. Die Überlegungen, die
dazu geführt haben den ,,Big Five" in der Personalarbeit einzusetzen, sind Rückschlüsse auf
eine Entwicklung, die gewisse Dispositionen in Persönlichkeiten zulassen. Entsprechend der
Eigenschaften, die man als förderungswürdig einschätzt, könnte also ein Mitarbeiter ganz
gezielt in eine Richtung ,entwickelt` werden. Die Kompetenzentwicklung hängt ursächlich
mit den genetischen Dispositionen zusammen, die im ,,Big Five" analysiert werden.
,,Dispositionen sind wichtige Komponenten beim Einsatz von Wissen und Fertigkeiten zur
Bewältigung einer bestimmten situativen Anforderung. Sie bilden einen Teil des
Kompetenzpotentials (...)" (Gnahs, 2010, S.89). Kauffeld kritisiert in diesem Zusammenhang
die Vermischung der Begriffe Persönlichkeit und Kompetenzen, insbesondere die Auslegung
von Sozial und Selbstkompetenz als Persönlichkeitsmerkmal. Persönlichkeitsmerkmale sind
zeitlich und situationsübergreifend als stabil anzusehen, wohingegen Kompetenz als
anforderungs- und situationsbezogen definiert ist und weiterentwickelbar ist.
Persönlichkeitsmerkmale sind aufgrund ihrer Stabilität demnach nicht durch einen
Lernprozess veränderbar, wohin gegen Kompetenzen jedoch als erlernbar und veränderbar
definiert sind (vgl. Kauffeld, 2006, S. 35-36).
Der Nutzen von Persönlichkeitstests, im Allgemeinen und des ,,Big Five" im Besonderen, auf
die Kompetenzentwicklung und den Transfer, also die Übertragung des Gelernten auf
Situationen, ist hier demnach zu hinterfragen: Welchen Einfluss haben externe und interne
Faktoren einer Persönlichkeit auf die Kompetenzentwicklung und den Lerntransfer?
Beispielsweise kann die Dimension ,,Offenheit" sicherlich Aufschluss darüber geben,
inwieweit eine Person bereit ist, sich auf Neues einzulassen, jedoch wie gut ihr das in der
Umsetzung gelingt, bleibt offen. Hier spielen zu viele externe und interne Faktoren auf den
Lerntransfer eine Rolle, als dass sich eine allgemein gültige Aussage dazu aus einem
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Persönlichkeitstest ableiten ließe. Auch unter ,,Gewissenhaftigkeit" lässt sich keine Aussage
dazu treffen, denn die hier getesteten Subdimensionen ,,Kompetenz", ,,Selbstdisziplin" und
,,Leistungsstreben" sind viel zu allgemein und nicht weiter ausdifferenziert um eine
Vorhersage dazu zu treffen, wie gut eine Person Gelerntes in die Tat umsetzen wird.
Als problematisch ist auch die ,Biegsamkeit` dieses Instrumentes anzusehen. Es ist die Gefahr
gegeben, dass Antworten am Anspruch der testenden Institution angepasst und somit evtl.
sogar verfälscht werden und aufgrund dessen Eignungsentscheidungen fälschlicherweise
getroffen oder auch dahingehend argumentiert werden. Ebenso wird ,,die Relation zwischen
Person und Situation außer Acht gelassen" (Kauffeld, 2006, S.68).
Lundgren sieht den Einsatz von Persönlichkeitstests in der Betrieblichen Weiterbildung eher
als Instrument des ,,sich-selbst-kennlernen" und somit als Lerninstrument. Die Reflexion, die
ein Persönlichkeitstest ermöglicht, ist ein wichtiger Bestandteil in der Entwicklung von
Kompetenzen, die helfen, Situationen im beruflichen Alltag zu bewältigen (vgl. Lundgren,
2012, S.8).
Für Gillen gehört die Kompetenzreflexion zu einem wichtigen Merkmal im Rahmen von
kompetenzförderlichen Kompetenzanalysen. ,,Verfahren der Kompetenzanalyse, die auf
Selbsteinschätzungen beruhen, tragen zur Selbstreflexion, der eigenen Kompetenzen und
Erfahrungen bei und stärken darüber das Selbstbewusstsein der Individuen" (Dehnbostel /
Elsholz / Gillen, 2007, S.151). Dennoch kann auch hier als Kritik ins Feld geführt werden,
dass Selbsteinschätzungen, wie sie auch im ,,Big Five" abgefragt werden, auch von der
jeweiligen Umwelt abhängig sind und den Erfahrungen die darin gemacht wurden. Wenn
vergleichbare objektive Standards fehlen, schätzen sich Menschen so ein, in dem sie die für
sie bedeutsame, andere Umwelt als Vergleich heranziehen. ,,Die Selbstwahrnehmung kann
z.B. in erheblichen Ausmaß durch das individuelle Anspruchsmaß beeinflusst sein"
(Kauffeld, 2006, S.72). Es lässt sich also feststellen, dass der ,,Big Five" im pädagogischen
Sinne als ungeeignet anzusehen ist, wenn es um Kompetenzfeststellung und -messung geht,
denn Persönlichkeitsdispositionen lassen kaum einen Rückschluss auf berufliche
Handlungskompetenz zu.
2.2.3
ProfilPASS
Ein anderer Schritt in die Richtung Kompetenzerfassung und Kompetenzanalyse durch
Selbstreflexion ist die Entwicklung des sog. ProfilPASS. Entstanden durch einen
Modellversuch der Bund-Länder-Kommission seit 2002 in Zusammenarbeit mit weiteren
Verbänden der Erwachsenenpädagogik wurde ein Instrument entwickelt, das sich zum Ziel
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Erstausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2014
- ISBN (eBook)
- 9783958208377
- ISBN (Paperback)
- 9783958203372
- Dateigröße
- 1 MB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Otto-Friedrich-Universität Bamberg
- Erscheinungsdatum
- 2015 (Oktober)
- Note
- 1,3
- Schlagworte
- weiterbildung kompetenzentwicklung lerntransfer